Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Hudaji, d.i. der Leitungsvolle
gest. i. J. 991 (1583)
 

Ziel den Brauen und den Wangen
Sey mein Körper aufgepflanzt,
Zarter Zweig von der Cypresse
In dem Seelenhain gepflanzt;

Von den Pfeilen deiner Wimpern
Ist die Brust durchlöchert ganz,
Komm' mit deinem Rettungspfahle
In mein Herz denselben pflanz';

Herzensarzt! der Seelenpfeil
Hat gespalten meine Brust,
Komm' und näh' mit Wimpernnadeln
Sie zusammen mir zur Lust;

Pflanze Rosen nicht im Garten,
Freundeswangen sind genug,
Pflanz' sie immer, denn auch Cedern
Und Cypressen sind genug;

Unter Schaaren Liebender
Zeichne den Hudaji aus,
Denn du bist Jusuf der Zweyte,
In der Pharaonen Haus,

Heißest Jusuf und Sinani,
Der Betrübte und die Lanze,
Schneide also ab den Kopf,
Und auf deine Lanz' ihn pflanze.
*

* Sinan, d.i. die Lanze, gleichlautend
mit Jusuf, dessen Schönheit wie Lanzen
in die Augen stach; ein Hauptverdienst
dieses Ghasels ist der vielsinnige Reim dik,
bald als Imperativ von dikmek nähen,
bald von dikmek pflanzen gebraucht.
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Die Wangen, blitzend unter hohen Augenbrauen,
Sind als zwey Kerzen an dem Hochaltar zu schauen.
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Dem Wasser raubten deine Wangen alles Licht,
Weßhalb es sich verzweifelt an der Mühle bricht.
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Warum der Fluß, der immer klar geronnen,
In Wirbeln dorten sich zusammen dreht?
Die Eifersucht ist's auf des Kinnes Bronnen,
Die stiller Fluth das Herz zusammendreht.
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Wer bey Nacht an seinen Busen
Schließt ein volles Mondgesicht,
Bleibet wie der Mond am Mondhof
Reinen Herzens voll von Licht.
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Königsreiter reitet nun
Nach Bagdad und Ißfahan,
An dem Haus des Liebenden
Hält er nicht den Zügel an.
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Ich hoff', es wird der Treue Spur
In deinem Herzen endlich erscheinen,
Es bringet ja hervor Natur,
Juwelen aus den härtesten Steinen.
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Deinem Schatz sich zu vergleichen,
Kann kein Schatz sich unterfangen,
Über keinem and'ren Schatze
Sieht man Schwerter aufgehangen.
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Sobald als er mich sieht,
Legt er die Hand an's Schwert,
Der Schah, der Arme sieht,
Gleich nach dem Beutel fährt.
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Blätter der Rosen und Tulpen sind's nicht, die treiben im Winde,
Purpurnes Kaiserzelt wurde von Winden zerstört.

Oder es hielt ein Weingelag' ein Weltenbeherrscher,
Denn das Glas entfiel purpurn zertrümmert am Stein;

Oder das Haupt Ferhard's vom blutigen Beile zerstücket,
Oder die Schüssel von Kais, welche ihm leider zerbrach;

Nachtigall ist wahnsinnig in Rosen verliebt wie Hudaji,
In der Wüste des Grams nistet er in dem Gestein.
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Liebender, der sein blut'ges Herz dir bringet zum Opfer,
Reichet volles Glas Weltenbeherrschendem kühn.
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Knospen versammelten sich in die Runde,
Und es ertönte von Munde zu Munde,
Lob auf Rubinen des Mundes des Freundes,
Meines Ahmedschah, des Schönen, so scheint es.
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Der Spiegel widerstand nicht deinen Feuerblicken,
Darum zerbrach er alsogleich zu tausend Stücken.
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Wer, von dem Glas der Liebe trunken,
Am jüngsten Tag wird vorgeführt,
Der wird, als in sich selbst versunken,
Von Frag' und Antwort dispensiert.
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Die Rosen sah'n dich mit Verlangen,
Und glühten auf der Flur,
Die Sehnsucht nach den Funkelwangen
Gab ihnen Farbe nur.
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Wenn die Tulpe nicht vom Brande
Dieses Herzens brennt,
Werde ihr zur ew'gen Schande
Brandmaal zuerkennt;

Wenn Cypresse nicht als Sclave
Freyen Wuchs hoch ehrt,
Werde sie dafür zur Strafe
Vogelfrey erklärt.
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Aus Constantinopel, bekannt unter dem Nahmen Ssala moßellesi, war Gebethausrufer an der Moschee der Chaßeli, ein beliebter Dichter, Verfasser eines Diwans.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Dritter Band (von der Regierung Sultan Murad's III.
bis zu Ende der Regierung Sultan Mohammed's IV. 1574 - 1687)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 43-45)