Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Walihi
gest. i. J. 1008 (1599)


O Sonnenwangichte, bey dir
Ist Sonnenstäubchen all mein Werth,
Am Tische des Genusses ist
Die Seel' als Kresse dir bescheert,

Das Schaf des Herzens fiel, o Weh!
Auf dieser Erde weitem Feld
Als Opferlamm, das schon der Fleischer
Zum Schlachten in den Händen hält.

Um in der Welt mich zu begnügen
Mit Trock'nem und mit Feuchtem gleich,
Ist nach dem Ocean der Thränen
Die Wüste meines Zwecks Bereich,

Der Himmel ist gleichsam die Säge,
Die ihre Zähne machet scharf,
Den Zacharias durchzusägen,
Den zum Altar der Wüthrich warf.

Warum soll ich auf einmahl nicht
Die Seel' als Opfer vor ihn legen,
Du weißt, o Walihi, daß Schöne
Stets einmahl nur zu sprechen pflegen.
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Wer schauet deinen Wuchs und Gang,
Cypresse nur zu schauen glaubt,
Wer deine Mondeswangen schaut,
Die Weltensonn' zu schauen glaubt,

Wer schaut des Auges blut'ge Thräne,
Weil mir das Loos den Freund geraubt,
O Schenke! einen vollen Becher
Mit rothem Wein zu schauen glaubt,

Wenn unter dem Orkan der Liebe
Die Thränenwog' erhebt ihr Haupt,
Wer's schauet, daß die ganze Welt
In's Meer versenket werde, glaubt.

Wer schauet, wie mit jener Rose Herz
Sich Nachtigall die Körner klaubt,
Die Sage von Medschnun und Leila,
Wamik und Asra blindlings glaubt.

O Walihi, das durst'ge Herz
Begehrt nach Wasserschein der staubt,*
Indem das elenden darinnen
Des Wassers Fluth zu sehen glaubt.

* Serab, d.i. die Wasserspiegelung Mirage
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Ich schriebe dir von Zeit zu Zeit
Bericht von meines Herzens Stand,
Wenn ich aus Schwäche nur vermöchte
Den Kiel zu halten in der Hand,

Du bist so hohe Majestät
Und ich so elender Fakir,
Daß dir, dem hohen Schah, zu nah'n
Unmöglich fällt dem Sclaven mir!
 

Wer glauben kann, daß du, o Mond,
In deiner Schönheit nahmest ab,
Dem fehle nimmer das Verderben,
Geleitend ihn bis an sein Grab;

Aus Sehnsucht nach der Wangen Rosen,
Die dir Natur, o Schöner, gab,
Nimmt alle Nacht der volle Mond
Auszehrend sich zum Neumond ab,

Aus Sehnsucht nach dem Wangenspiegel,
Der nahe deinem Zuckermund,
Thut Walidi als Papagey
In Liedern süße Worte kund.
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Ob des Freundes Härte
Herz betrüb' dich nicht,
Denn es kommen Tage,
Wo er mit dir spricht;

Siehst du, wie der Schöne
Von dem Pferde steigt,
Meinst du, daß vom Himmel
Engel niedersteigt.

In mein Klaglied stimmte
Sohre selber ein,
Könnte nur beym Grundton
Sie sich finden d'rein;

Halte nicht für Jungfer
Diese Vettel Welt,
Welche jeden mordet,
Dem sie nur gefällt;

Walihi, verlasse
Nicht gerade Pfade,
Denn sie führen dich
G'rad zu Gottes Gnade.
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Wann an deinem Ort die Schönheit du bringest in Vorschein,
Scheint von Turan her immer zu spielen der Blitz;

Bogen der Brauen! wenn sich dein Pfeil zu Gräbern verirrte,
Würden die Todten sich freu'n bis zum Weltengericht;

Deine Schönheit zu mir im Paradiese gesellet,
Würde doch nimmermehr Ruhe dem Herzen verleih'n.

Nicht der Mensch allein verlangt nach dem Korne des Maales,
Vogel und Thier begehrt selbes als Nahrung für sich.

Walihi! Sehnsucht des Flaums und des Haars verwirrt noch im Grabe,
So daß Ameis' und Schlang' dorten zu weinen beginnt.*

* Die Ameise als Bild des Bartes,
die Schlange als Bild der Haare.
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Deiner Brauen denkend, bin ich Tag für Tag
Voller Mond, ein Neumond nun geworden,

Deiner denkend bin ich magernd ausgezehrt,
Bin zu einer Phantasie geworden;

Glaube nicht, daß ich von leerem Herzen bin,
Angehörend einem Bettlerorden,

Denn es ist mein gelber Leib auf der Capelle
Deiner Liebe reines Gold geworden.

Schenke! deine weingefärbten Lippen morden,
So daß ich wie Hefen Staub geworden,

Abgemagert bin ich durch der Trennung Peinen,
Bin so schmächtig und so schwach geworden,

Daß ich nicht im Stande mehr zu weinen,
Bin aus Liebesschmerz zum Nal geworden.*

* Ki nale kilmagha medschalüm ßanki Nal oldun.
Das Verdienst dieses Distichons besteht in dem Wortspiel
zwischen Nale Klage, und Nal dem Nahmen
des indischen Romanhelden.
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So viel hat das blutige Aug' der Thränen vergossen,
Daß sie gerechnet, als Gold mehr als die Schätze Karun's.

Willst du vielleicht mit Wein noch rother färben die Wangen?
Deine Röthe schon jetzo die Rosen beschämt.

Daß Niemand anhören wolle die Leiden von Leila,
Ist der ewige Grund eig'nen Gespräches Medschnun's.

O mein Herz, ich bin ein zuckervergeudender Sittich,
Tausend Gestalten zeigt immer der Spiegel der Welt.

Da ich aus Leiden gelb, wie das Rohr der Flöte, geworden,
Wundert's mich, daß man nicht fraget nach Walihi's Gold.
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In schwarzen Lockenshawl gehüllt soll Gram sich trollen,
Als Schatten soll er sich zum Licht der Liebe trollen;

Weil meiner Thränen Strom der Welt Mühlrad erreichet,
Muß selbes immerfort und unaufhörlich rollen;

Mit rosenfarbem Glas beginnt der Schenken Gang,
Er will beym Rosenfest den Zoll als Rose zollen.

Wer d'rob sich grämt, daß deiner er nicht kann genießen,
Soll seinen Thränen nach in's Meer als Kiesel rollen.

O Walihi, denk' nur an seinen Flaum und Gang,
Wann die Ghaselen aller Welt gefallen sollen.
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Aus Uskub, er hieß Ahmed und war der Sohn eines Richters; nachdem er im Dienst Achisade Mohammed-Tschelebi's als Correpetitor an der Moschee Sultan Bajesid's gestanden, verfolgte er die Bahn der Richter, verlegte sich aber vorzüglich auf die Studien der Mystiker, deren Geist in seinem Gedichte haucht.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Dritter Band (von der Regierung Sultan Murad's III.
bis zu Ende der Regierung Sultan Mohammed's IV. 1574 - 1687)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 105-107)