Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Osman Sinetschak
gest. i. J. 1055 (1645)


Es schwindet in des Angesichts Licht
Der halbe Mond der Brauen,
Es ist am Mittag in der Sonne nicht
Der neue Mond zu schauen,

Von seines Angesichtes hellem Glanz
Die Maal' in Schatten treten,
Denn es verschwinden an dem Tage ganz
Fixsterne und Planeten,

Es ist fürwahr nichts als ein Punct der Mund,
Der über's Nichts gesetzet,
Wenn sie nicht spräche, gäbe sich nicht kund
Was man für Mund sonst schätzet.

Wie kam es dir, o Armer, in den Sinn,
Die Lenden zu umarmen?
Du würdest opfern dich dem Nichts dahin,
Und nichts hältst du in Armen.

Und wenn ich dennoch um die Mitte wall',
So wollest mich nicht schmähen,
Du weißt, Derwische, Liebende zumahl,
Stets nach Vernichtung gehen.

 

Der Nahme Sinetschak, d.i. mit gespaltenem Busen, bezeichnet schon einen brünstigen Derwisch. Er war zu Ilbeßan von wohlhabenden Eltern geboren, ließ aber das ererbte Lehen zurück und ging als Jünger des beschaulichen Lebens in den Dienst des Scheichs Abdulkerim, und nach dessen Tode in den Agasade Mohameddede's.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Dritter Band (von der Regierung Sultan Murad's III.
bis zu Ende der Regierung Sultan Mohammed's IV. 1574 - 1687)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 388-389)