Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Ruschdi II.
gest. i. J. 1111 (1699)


Es hat des Ostwind's Hauch die Knospen aufgerollt,
Weil Frühlingswagen kam in's Rosenbeet gerollt;

Sobald die Knospenbraut gekommen in das Haus,
Hat Thau die Perlen auf ihr Haupt gestreuet aus.

Es wogte auf das Meer von Gottes Huld so groß,
Daß jedem Halm ein Meer von Grazie zufloß;

Die Fluren hellet auf so vieler Lampen Licht,
Daß sich das Tulpenbeet wie der Prophet ausspricht.

Durch das Gesicht erleuchtet jetzt der Schah die Welt,
Durch seines Schwertes Blitz wird Finsterniß erhellt.
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Beym Gedanken an die Lippe
Bringt das Herz Rubin in Vorschein,
Bey Beschreibung deiner Wangen
Kommet Rosenhain in Vorschein;

Wenn die Phantasie die Locken
Mir vorführet in dem Bilde,
Kommet von des Ringes Ringeln
Feuerwirbelgluth in Vorschein;

Wann auf deinen Feuerwangen
Sich die schwarze Locke krauset,
Kommt das Herz, gleich einem Haare,
Von der Gluth gekraust in Vorschein.
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China's Moschus duftet nicht gleich deinen Haaren,
Wenn das Reh' auch äße Edens Hyacinthen;

Haares wegen reiste ich zu den Tataren,
And're Moschushirsche China's blieben hinten.

Wie dem Staub der Füße, gibt's nicht Schmuck der Ehre,
Und umsonst durchstreift darnach der Ost die Erde;

Herz der Liebenden in Blick versenkt nicht wäre,
Wär' dein Aug' nicht Mörder zaub'rischer Geberde.

Kund'ge, welche sah'n den Neumond und die Augenbrauen,
Wußten nicht, ob Unterschied das sey von einem Haare,

So bestimmten es von ewig schon des Schicksals Launen,
Ist's ein Wunder, wenn beständig ich gedenk' der Haare?

Ruschdi ist durch's Lockenhaar geschlagen mit Erstaunen,
Und des Schlafes Vorhang ist allein ihm Ruhe, wahre.
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Ahmed Efendi, i. J. 1047 (1637) zu Bosnaserai geboren, kam 1055 (1645) ins Galataserai nach Constantinopel unter die Pagen des Sultans. Er begleitete seinen Oheim Ismail, der eben als Woiwode nach Diarbekr abging, dahin, hielt sich bey seiner Rückkehr an den Günstling Wesir Mustafapascha, und begann zugleich die gesetzlichen Studien. Nach Vollendung derselben als Muderris angestellt, begleitete er 1086 (1675) den als Statthalter nach Ägypten gehenden Ahmedpascha, kehrte im folgenden Jahre mit demselben nach Constantinopel zurück und erhielt eine Richterstelle am Ida; hinterließ einen vollständigen Diwan.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Dritter Band (von der Regierung Sultan Murad's III.
bis zu Ende der Regierung Sultan Mohammed's IV. 1574 - 1687)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 586-587)