Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Nedschati, d.i. der Rettungshafte
gest. i. J. 914 (1508)

 

Zum Himmel steigt des Inn'ren Funken,
Sich drehend drehend,

Es brennt die Sonn' als Himmelsherz,
Sich drehend drehend,

Es hängen Spiegel überall
Erspähend spähend,

Nach denen, die da geh'n und kommen,
Sich drehend drehend,

Es tritt sein Fuß auf meinen Ort,
Erstehend, stehend.

Gehenkter deines Haars ist glücklich,
Sich drehend drehend.

Daß durch das Haar das Herz zerstört* ist
Zusehends sehend,

Verkündeten Brieftauben dir,
Sich drehend drehend,

Ist deine Thür die Kaaba nicht,
Wo flehend flehend,

Den Umgang hält die Pilgerschar,
Sich drehend drehend.

* Schami fulfüne gönül missri charab oldi, wörtlich:
Durch das Syrien deiner Locken
Ist das Ägypten des Herzens verwüstet worden.
Scham ist ein Wortspiel, weil es so Abend als Syrien bedeutet,
das Dunkelgrün Syriens, im Gegensatze
mit dem Hellgrün Ägyptens.
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Aus Gram, daß deinen Mund der Becher küßt,
Sich drehend drehend,

Ist Braten worden an der Gluth mein Herz,
Sich drehend drehend,

Was ist zu thun, als mich zum Ring zu krümmen,
Und flehend flehend,

Als Gürtel mich um meinen Leib zu schlingen,
Mich drehend drehend,

Da meine Augen nur der Compaß sind,
Erspähend spähend,

Was Wunder, daß sie stets nach deiner Thür
Sich drehen drehend.
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Wieder erheitert der Frühling die Welt,
Wie die gekränkten Verliebten Genuß.

Wie die Äonen, so kreiset der Becher,
Schlage den kreisenden ja nicht in Wind.

Tulpen verseh'n sich mit Teriak in Büchschen,
Seit sie die Bäche als Schlangen geseh'n.

Um sich Cypressen zu Füßen zu legen,
Drehet im Garten sich wirbelnd die Fluth.

Nun ist die Welt mit dem Glücke vermählt,
Liebe regiert, der Messias ist da.

Mögen sie dauern die Tage der Wonne,
Wie die Regierung Chosrew und Dschemschid's,

Sultan Mohammed's, des edelsten Königs,
Welcher die Kronen der Erde verleiht,

Zahllos die Heere, wie Sterne am Himmel,
Während die Sonne den Hügel Ihm hält.

Welchem zur Rechten das Schicksal gehorchet,
Welchen zur Linken bedienet die Welt.
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Von deinem Hyacinthenhaar
Ist meine Seele nicht durchduftet worden,
Von deiner Wangen Rosenpaar
Ist mir zwey Tage nicht Gesellschaft worden;

Es ist am Markt des Grams mein Herz
Meistbiethenden hintangegeben worden,
Ausrufer war der Liebe Schmerz,
Doch ist Vergantung* nicht geendet worden.

Wer ist je durch, was Liebe heißt,
Zum wahren Glaubensmartyrer geworden,
Bey welchem nicht vom heil'gen Geist
Die Grabeinsegnung wär' gesprochen worden?

Man sagt, der Wein ist Probestein
In trunkner und verlorner Männer Orden,
Du kannst, mein Herz, erfreuet seyn,
Daß durch die Probe Gold zu Erz nicht worden.

Wer je zu Fest- und Rosenzeit
Dennoch ein Freund des Bechers nicht geworden,
Wer der Geduld sich hat geweiht,
Ist nie als Dichter eingeweihet worden.

O sende den Nedschati nicht
Durch Trennungsqual zu der Verdammten Horden,
Wiewohl sein Mund von Liebe spricht,
Ist er dennoch Ungläub'ger nicht geworden.

[* Vergantung - öffentliche Versteigerung]
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Den Augenblick der Welt hat man für Glück gehalten,
Des Rosenbeetes Lust hat man für Welt gehalten.

Durch schwarze Locken ward der Kaaba Kleid gespalten,
Man hat dieselben gar für Ibrahim* gehalten.

Die Thränen haben mich zur Erde hingehalten,
Der Ocean ward im Vergleich für Thau gehalten.

Herzkund'ge, welche sahen deines Lied's Gestalten,
Sie haben dich für's Kind im Schooß Merjems** gehalten.

So viel hab' ich geweint, daß man den Rosenhain
Für Klagekloster und für Trauerhof gehalten,

Der Hefen, den ich trink', kann tausend Jahre walten,
Für einen Menschen haben mich Peri's gehalten.

* Für Ibrahim Edhem, den berühmten Scheich.
** Maria's, Nedschati's Nahme war Jesus.
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Zum Lobe des Wortes

Das Herz ist Paradies, worin sich Gott ausspricht,
Es liegt darin der Sinn als wahres Gotteslicht,

Die Herzen sind der Garten Edens für Riswan*,
Die Herrschaft durch die Schrift ist Reich aus Indostan,

Die Feder nimmt Gestalt von Zauberdrachen an,
Und sendet euch nach China und nach Hindostan.

Als Adam stieg aus Eden auf der Erde Plan,
Setzt' er zuerst den Stab gerad nach Hindostan,

Die schwarze Schrift, worin sich heller Sinn gefällt,
Ist Jesus, den Maria in den Armen hält.

Wenn redekund'ger Freund mit hartem Wort dich tadelt,
Ist es Jusuf, der durch den Kerker wird geadelt,

Ist es ein Wunder nicht, daß dieser Lebensquell
Aus Finsternissen machet alles Leben hell.

O fahre fort, in schwarzem Zug dich zu versuchen,
Die Schönheit kann man auch in China's Tusche suchen,

Aus dieser Schwärze kommt der Liebe süßer Duft,
Wie an der Kaaba Gottes Huld durchweht die Luft.

Es ist das Herz ein Liebender, den ungewarnt
Die schwarze Schrift als schwarzer Locken Reiz umgarnt.

Als Knospe keimet auf im Rosenbeet die Rose,
O welcher Blumenflor in Versen und in Prose!

Der Sinn ein Moschusreh, das unter Hyacinthen
Ein süßer Quell, der springet unter Koloquinten**,

Wie manches liebliche und herrliche Gedicht
Bracht' in Arabien hervor der Türke nicht!

* Der Hüther des Paradieses
** Bahr itschinde, im Meere
[Koloquinte - Bittergurke, wilder Kürbis]
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Wenn an des Lebens Ende
Mein reger Fuß zur Liebe wallt,
Hab' ich, bey Gott! die Spende
Der Reis' in Seelengold bezahlt.
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Des Flaums Basilikon auf seinen schönen Wangen
Scheint eine Fahne, am Koran aufgehangen.
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Ist's Recht, dein Sonnenantlitz Mond zu nennen?
Was wird man, wenn du nächtlings ausgehst, sagen?
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Neben deinen Locken ist das Paradies,
Auf den Wangen oder auf der Stirn gewiß,
Denn es liegt Damask's begrüntes Pflanzenvließ
Unter oder ober ew'gem Paradies.
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Feuer fiel in dem Hain, nun sind die Tage der Plünd'rung,
Komm, erbeute hier einige Stunden der Lust.
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Weißt du, was das heißt, es sey'n nicht Nächte in Eden,
Nichts als der Frühling verlöscht Länge der Nächte durch Tag.
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Weil den Narciss' am Wege zur Rose gefunden der Nordwind,
Nahm er den Turban ihm, trübte mit Staub ihm das Aug'.
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Sey, Himmel, unbeständig nicht, wie's Liebchen ist,
Weil es genug an einem einz'gen solchen ist.
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Immer heißt es Rose
Gibt edenischen Genuß,
Deines Mund's Knospe
Gab uns lächelnd einen Kuß.
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Wiewohl dein Auge stets vergießet Blut auf Blut,
Der Wimpern Schwert dem Mörder niemahls Einhalt thut.
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Wenn Cypresse nicht ihr Haupt
Hoch erhöbe in die Luft,
Spielte sie vertraulich nimmer
Mit des Morgenwindes Duft.
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Jetzt, wo sich der Rosen Angesicht
Wieder auf des Astes Leuchtthurm zeigt,
Meinst du, dieses sey Prophetenlicht,
Welches sich als Rose niederneigt.
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Luft zu schöpfen haben Rosenknospen
Aufgeknöpfet sich die Brust,
Kleine Spiele auf der Flur zu spielen,
Gibt Jasmin sich hin der Lust.
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Aus Eifersucht ob deinem Schönheitsmond
Hat sich die Tulpe Maal ins Herz gebrannt,
Und ist mit Licht von Sonne und von Mond
Als eine helle Leuchte angebrannt.
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Seines hohen Wuchses Gang
Gibt vom Lebensgeiste Kunde,
Und sein süßes, holdes Wort
Gibt von Seelenquelle Kunde.

Wer hat einen Edelstein
Deinen Lippen gleich gesehen?
Sieh, von Meer und Mine gibt
Herz und Aug' die wahre Kunde,

Seine Seele schloß zum Bund
Dieser Arzt ein in dem Munde.
Seine Lippen und sein Mund
Geben diese wahre Kunde.

Wie auch ich verberg' die Liebe,
Auch verstecke, wird sie laut,
Weil der Seufzer als Gesandter
Gibt von meinen Leiden Kunde.

Engel ist der Schenke Schenke,
Und der Wein die wahre Sonne;
Becher, der geht in die Runde,
Gibt von Zeit und Raum mir Kunde,

Seiner schwarzen Locken Bau,
Die verwirrt, wie närrisch' Herz,
Ist ein finst'rer Rabe, der
Vom Verborgenen gibt Kunde.

Gleich der irren Nachtigall
Kömmt Nedschati nun in Aufruhr,
Denn von seinem Wuchs und Mund
Gibt Cypress' und Rose Kunde.
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Wann der Ostwind auf der Flur,
Wann im Garten Rosenblätter fallen,
Und für Kund'ge ist die Zeit,
Daß die Fluthen in die Becher fallen;
Kommest du zu diesem Fest,
Hüthe dich zu kommen zu Verliebten,
Für den Rosenhain ist's Zeit,
Daß die Flaschen mit Gluglu jetzt fallen.
Sieh! der Gärtner ew'ger Huld
Hat die Wangen, Stirn' und Locken
So gestaltet, daß auf Rosen
Dunkle Hyacinthen niederfallen;
Mir geziemt es nicht, daß ich
Närrisch war im Rosenhain der Wangen.
Was zu machen, was zu thun,
Welch' ein Unheil, wenn die Herzen fallen,
Wann im lichten Rosenhain
Sänger singt Nedschati's Lobgedicht.
Werden wirr die Nachtigallen
Zu der Rosen duft'gen Füßen fallen.
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Menschen gibt es ohne Kummer nicht,
D'rum sind kummerlose Menschen nicht,
Bis nicht aus dem Herzen Thränen rinnen,
Kann gedeih'n der Liebe Rasen nicht.
Wenn das Herz der Schönen nicht von Stein,
Wird der Bau der Lieb' beseitig't nicht.
Schone deiner Lippen Rosenknospen,
Das Umarmen werd' ich lassen nicht,
Gleich Cypressen bin ich aufgeschossen
Vor der Thür, es wuchs mein hoher Muth,
O Nedschati, deine Buss' zu stören,
Will die Nachtigall verstummen nicht.
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Die trunkene Nachtigall zerreißt der Rose Kragen,
Die Alleins-Weisen wissen wohl, was dieß will sagen.

Der Wirth, damit er werde nicht Verderbens Raub,
Befeuchtet mit des Weines Hefen naß den Staub.

Es spottet Liebender durch seiner Seufzer Rauch,
Der Himmel und der Myriaden Sterne auch.

Sag' nicht, der Wein besitze keine Eigenschaft,
Es liegt in Rosen wider Gift des Teriak's Kraft,

Es hält den Tadelspfeil nicht ab als Schild die Brust,
Die Liebenden beseelt die Huld mit neuer Lust.

Mein Wimpernbesen ließ nicht Staub auf deinem Weg,
Am besten reiniget, wer hochgeschürzt, den Weg.

O Herz! wie viele Lust vermag der Mund zu geben,
Durch ihn erhält Nedschati immer neues Leben.
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Ostwind öffnet den Koran der Rosen,
Blatt auf Blatt,

Nachtigallen singen Liebeslieder,
Ton auf Ton,

Himmel trinken, sehnsuchtsvoll nach dir,
Glas auf Glas,

Und die Tulpen schlucken auf der Erde
Blut auf Blut,

In das Rosenbeet der Schönheit fallen
Eck auf Eck,

Hirsche, die sich ruhend dorten lagern,
Fleck auf Fleck;

Hätten Tulpen je dein Maal gesehen,
Blatt auf Blatt,

Hätte Nachtigall gestochen Knospen,
Naht auf Naht;

Weil Nedschati sucht der Wangen Schönheit,
That auf That,

Halten Blumen hin die farb'gen Teller,
Blatt auf Blatt.
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Aus Amasia, gewöhnlich Isa, d.i. Jesus genannt, ist nach dem einstimmigen Zeugnisse aller ihm fast gleichzeitigen Biographen der Dichter, der König und Chosrew der osmanischen Dichtkunst, bis ihm ein halbes Jahrhundert später, unter Suleiman dem Großen, Baki die Herrschaft der Lyrik entwand.
Er war das angenommene Kind einer alten Frau in Adrianopel oder Amasia.
Sein schönes Talent entwickelte sich zu Ende der Regierung Mohammed's II., dem er durch ein zu dessen Lob gedichtetes Ghasel bekannt ward. Nach Mohammed's II. Tode feyerte er die Thronbesteigung Bajesid's II. durch mehrere Kaßideten. Als Prinz Abdullah, der Sohn Bajesid's II., als Sandschalbeg in die Statthalterschaft einzog, begleitete ihn Nedschati. Später begleitete er auch den anderen Sohn Bajesid's II, Prinz Mahmud, nach Magnesia.
Sultan Bejesid, nach dem Tod Mahmuds, ließ Nedschati die freie Wahl eines Staatsamtes, aber Nedschati, dem Unabhängigkeit und Muße über Alles ging, begnügte sich mit einer Pension von monatlichen tausend Aspern. Er baute sich ein Haus auf dem Platze Wefa, in der Nähe des an dem Grabmahle dieses Scheichs gestifteten Klosters, und lebte dort fast einzig, dem Umgange des Oberlandrichters Moejedsade und einiger anderer Freunde. Er hatte mehrere Söhne, deren ihn aber keiner überlebte, und eine Tochter, die er dem vormahligen Mufti von Amasia, dem gelehrten Philologen, Umm Weledsade Abdulasis, vermählte.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 163-178)