Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Risa
gest. i. J. 1151 (1739)


Als Vollmond deiner Brauen Halbmond sah,
Ist er zum neunen Mond geworden;

Als er die krausen schwarzen Locken sah,
Ist er zum Schatten ganz geworden.

Das Herz des Liebenden ist Maal auf Maal,
Die Flöte gleich zum Nal
* geworden,

Es ist der Frühling deiner Schönheit frisch,
Und diese Frische voll geworden,

Aus deiner Eigenschaften Tulpenflor
Ist Schmuck des Blumenbeet's geworden.

Aus Sehnsucht nach des hohen Wuchses Zweig,
Aus welcher Liebende sich morden,

Ist die Cypresse auf der Flur
Ohnmächtig ganz geworden.

Es ist das närr'sche Herz auf deinem Pfad,
Gottlob! geadelt worden,

Es ist Beysitzer in dem Glückspallast
Von deinem Hochgenuß geworden.

Der Vers Risa's verdient's, daß Chosroes
Ihn auf dem Turban trägt als Orden,
**


Indem er durch die Schilderung des Freund's
Zum Ehrenzeichen ist geworden.

* Nal heißt das Gestöhn der Flöte,
ist auch der Nahme des indischen Romanhelden Nala
** Der Vers verdient, daß Chosroen denselben
zum Schmucke ihres Kopfbundes machen.
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Von deiner Schönheit Sonne nimmt zu leih'n den Glanz
Das Mondlicht, das deßhalb sich dreht im Wirbeltanz;

Des Himmels Auge legt beständig Waaren aus,
Um sich zu reiben an dem Thor von deinem Haus;

Es macht aus Königen Mamluken deine Pracht,
Sie, die zu Königen Mamluken wieder macht;

Als Nebenbuhler deines Staub's ist Feind beglückt,
Dem Furcht vor deinem Schwerte schon den Kopf zerdrückt;

O plaud're von der Huld des Schlafgemachs nichts aus,
Denn wissen's mehr als zwey, ist's mit Geheimniß aus.*

Des Freundes Lieb' ist Freundschaftspalme, o Risa!
In ihren Schatten ihm zu huld'gen**, sind wir da.

* Oder: Wissen es mehr als zwey, ist's mit dem
Geheimniß vorbey
, arabisches Sprichtwort,
das auf Siegeln gestochen vorkommt.
** Die Huldigung des Propheten, Bejati riswan,
hatte unter einer Palme Statt.
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Es ist der Punct des Seyns, des Raums dein Gau,
Es ist das Schönheitsmaal der Zeit dein Gau.

Ein Stück der lichten Paradiesesau,
Der Mondhof von dem Weltmond ist dein Gau;

O Seele, mich mit gnäd'gem Blick anschau',
Der Seher Augenschminke ist dein Gau;

Von Sündfluth leidet nichts der Arche Bau,
Von allem Unglück ist geschirmt dein Gau,

Als Staub ich mich am Fuß zu reiben trau',
O Schah! die Kaiser neiden deinen Gau;

Wie Compaß* neiget sich Risa, o schau!
Zur Kaaba des Geheimnisses dein Gau.

* Kiblenuma, der Compaß, der die Kibla anzeigt.
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Deiner Hulden Thor für's Paradies
Vertausch' ich nicht;
Deinem Staub für persisch Alkohol
Vertausch' ich nicht;

Schwache Ameis' bin ich deines Pfad's,
Ich armer Wicht;
Deine Schwell' für Salomons Paläste
Vertausch' ich nicht.

Wiss', es ist der Schatz von meinem Leben
Der Perlen Licht.
Für Rubinen Bedachschan's die Lippen
Vertausch' ich nicht.

Leider schleppe ich der Liebesketten
Unsanft Gewicht;
Meine Narrheit für Verstand, den wüsten,
Vertausch' ich nicht.

Auf dem Markt der Wahrheit kauf' ich, was mir
Genuß verspricht;
Baares Geld des Wissens für den Glauben
Vertausch' ich nicht;

Auf der Straße des Vertrauens wallet
Risa's Gedicht,
Meinen Herzensdurst für Quell des Lebens
Vertausch' ich nicht.
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Sprich mir von Liebenden und von Geliebten, süßkosender Mund,
Mährchen der Liebe verlangt man vom Mährchenerzähler, wie kund,

Jusuf und Jakub genießen in Herzens ägyptischem Land;
Und aus der Hütte der Freude ist künftig die Trauer verbannt.

Einmahl noch wird dich umarmen, o Nachtigall, Knospe der Lippen,
Und von dem Feinde der Rosen wirst himmlischen Nektar du nippen,

Wider die Schmerzen der Liebe sucht Mittel ein Arzt, ein gewandter,
Wer sich berathet, ist sicher, sprach Gottes Gesandter.

Wolk' des Schmerzens, erheb' dich vom Herzen, das frey ist vom Makel.
Unter jemenischem Himmel beleucht' dich kanopische Fackel.

Fröhliche Kunde, Risa! du hast köstliche Perle gewonnen,
Tausend aadenische Perlen, sie können die Kunde nicht lohnen.
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Auf Adams Stirn ging auf das Licht der Liebe,
Den Urvertrag bestrahlte Licht der Liebe,

Für die Huri und Paradiesesknaben
Ist in dem Herz gebaut der Thron der Liebe.

Entlehnend Strahlen von der Reinheit Sonnen,
Erfüllt die Welt mit Glanz der Mond der Liebe;

Wer in dem Vaterlande hat gereiset,
Genießt in Geisterwelt die Ruh' der Liebe,

Er sühnet Liebende mit den Geliebten,
Und nimmt alsdann den Vorsitz ein der Liebe,

Es bricht den Stolz der Reiterbahn die Größe,
Die Kraft des Armes, die Gewalt der Liebe;

Auf's Blatt der Demuth wurde hingeschrieben:
Zu loben ist die Eitelkeit der Liebe.

Wie David wirkt Risa durch Liebe Wunder,
Er commentirt die Psalmen durch die Liebe.
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Mustafa, der Scheich der Nakschbendi am Kloster Sinan's zu Beschiktasch; vorzüglich stark in Hymnen zur Feyer der Geburt des Propheten.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Vierter Band (von der Regierung Suleiman's II. bis auf unsere Zeit 1687 - 1838)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 160-163)