Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)


Dschaafer-Tschelebi
hingerichtet i. J. 920 (1514)



Ich lösch' nicht aus in meiner Brust der Liebe Glanz,
Und wenn zu Asch' ich auch verbrennen sollte ganz.
____________


Der Ost schloß auf der Rosen und Narcissen Thor,
Er zog zugleich den grünen Pflanzenschleyer vor.
____________


Der Wind, der mich zu ihm getragen, ist zu loben,
Er hat mich Erdenstaub zum Himmel aufgehoben.
____________


Uns stellen vor die beyden schönen Hüften
Zwey weiße Hügel, welche steh'n in Lüften,
Und zwischen diesen beyden Bergen, Freund,
Ist Stätte, wo sich's gut zu wohnen scheint.
____________


Wer sieht den gold'nen Dolch in deinen Händen wallen,
Der meint, der Neumond sey es, der ins Meer gefallen,
Da Flur und Hain von Schönheitswasser überfließen,
Was Wunder dann, daß Perlen Thau's auf den Narcissen,
Weil seiner Schönheit sich verglich das Rosenbeet,
Hat Ostwind zornig d'rin die Blätter abgeweht.
____________


Die Wolke

Sie folgt dem Wind, von ihm entzückt,
Daß sie ihm folgt, wenn auch von ihm zerstückt.
____________


Gib dem Genuß die Seele nicht,
Mein kleiner Fürst,
Verkauf der Welt die Seele nicht,
Mein kleiner Fürst,

Du magst beschließen meinen Tod,
Mein Leben auch,
Ich bin in jedem Fall dein Sclav,
Mein kleiner Fürst,

Ich gäbe wahrlich gerne hin
Der beyden Welten Seyn.
Könnt' einmahl ich umarmen dich,
Mein kleiner Fürst,

Dein Sclave möchte gerne seyn
In seinem Glück,
Nicht immer bleibet so die Zeit,
Mein kleiner Fürst.

Es ist der Zweck von Dschaafer's Vers,
Dein Schönheitsbild,
Und das Gedicht ist Vorwand nur,
Mein kleiner Fürst.
____________


Will dem Freund von meinem Leid ich sprechen,
Kann vor lauter Weinen ich nicht sprechen.
____________


Wie soll ich nicht dem Licht, das Leben gibt,
Den Geist hingeben,
Bin ich der einz'ge Schmetterling, den's gibt,
Der gibt sein Leben.
____________


Mit reinem Weine füll' die Becher, Schenke,
Mein gelb' Gesicht mit rothen Fluthen tränke!

Zerreiß' das Hemde nur, o Cypripor
*;
Aus Eden gehe nun ein Mond hervor,

Auf deine Brauen streu' die Locken aus,
Auf Christen-Hochaltar ist's Kreuz zu Haus.

Gehst du mit mir, Cypress', nicht auf die Flur,
Ist Tulp' am Flusse blut'ger Wirbel nur,

Dschaafer, nicht Haare sind die Ambralocken,
Denn Seelen sind's, die ob des Tod's frohlocken.
**


* Hurilika, Hurigestalt; Cypripor kann hier wohl
als der auf Cypern Geborne verstanden werden.
** eine feine irre Seele, die dem Säbel
aufgespart geblieben.
____________


Frühling ist's wieder, nun komm' mir zur Seite, o Rose,
Sicher vor Unheil der Stadt, nun die Nachtigall kose!

Besser ist sterben, als mich vom Gesichte zu trennen,
Während die Haare noch dunkeln, die Augen noch brennen.

Elender viele zerstäubet die Sehnsucht der Haare,
Und Hyacinthen begleiten in Trauer die Bahre,

Rötheten Lippen ihn nicht, wie keinen als Zecher,
Als den vollblütigen Jüngling zum Feste der Becher,

Wäre mit Tulpenbewangten gefüllet die Welt,
Dschaafer, als Weiser, an Rose nur eine sich hält.
____________


Welch ein zarter Ehrengarten ist
Deiner Schönheit Rosenbeet,
Wo Narcisse ihren Pfeil verschießt,
Und die Rose Fallstrick wirft.

Wenn Verliebte jagen jenes Reh,
Ist es zu verwundern nicht,
Denn Ameisen steigen in die Höh',
Wenn der Falk mit ihnen spricht;

Bald seh' ich nur stolzen bunten Pfau,
Bald der Raben Flügelschlag,
Wenn abwechselnd biethen sich zur Schau
Hyacinth' und Wangenros'.

Angekommen ist des Winters Zeit,
Hält an Freundes Saume fest,
Denn es blühen Rosen weit und breit,
Geht er zu dem Rosenbeet.

Viele Zeit ist hingegangen schon,
Seit den Freund wir nicht geseh'n,
Nicht zu sehen ist ein Unglück kaum,
Doppelt trifft es Liebenden.

Locke ist verknüpft mit der Begier,
Sie zu künden laut dem Volk,
Lieb' und Moschus sind Verräther schier,
O chinesisch Götzenbild!

Weinend ist Dschaafer im Stande nicht
Auszudrücken seinen Wunsch,
Wenn die Laute feucht, so spricht
Sie genehmen Ton nicht aus.
____________


Diwe adelt seines Haares Fußeskuß,
Zucker geizt nach seiner Lippen Fußeskuß,

Glücklich war ich gestern, denn mir ward Genuß,
Bis zur Früh umschlang, wie Lock', ich seinen Fuß.

Wie ein Windling windet sich mein Genius
Um die Ceder, in dem Hain von Hochgenuß,

Rosenast und Knospe neiden den Genuß
Goldnen Band's, das schon umschlinget Arm und Fuß
*
,

Band von Schönheitssonne war für Dschaafer Buß',
Da ward deines Haares Schatten ihm Genuß.

* wörtlich: Der goldene Tempel (das Amulet der Talismane),
welchen das Schöne in seinen Arn gebunden
____________


 

Der Sohn Tadschi's, eines Kriegsmannes, widmete er sich den Wissenschaften, ging als Muderris der hohen Schule Mahmudpascha's, hieraus als Nidschandschi in die ersten Staatsdienste über; er wurde dann von Selim wieder zu einer der höchsten Würden des Gesetzes, nähmlich zum Oberstlandrichter, ernannt. Als solcher genoß er mit dem Geschichtsschreiber Idris und dem Dichter Halimi der höchsten Gunst des Tyrannen Dichters und begleitete denselben auf seinem persischen Feldzuge; aber nach Beendigung desselben wurde er unter dem Verdachte, den Janitscharenaufruhr zu Amasia angehetzt zu haben, hingerichtet.
Er dichtete persisch und türkisch. Er hinterließ eine sehr geschätzte Sammlung persischer und türkischer Staatsschreiben, das Buch der Begierde, und mehrere Gedichte.

 

zurück

Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 181-184)