Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Chaliß Ahmeddede
gest. i. J. 1191 (1777)


Wer siehet mich nach Seinem Gaue fluthen,
Mein Fluthen für das Weltmeer hält;
Allein der Freund mit Rosenwangengluthen
Dieß Fluthen nur für Nachtthau hält;

Wenn ihm der Nebenbuhler Giftkraut reicht,
Trinkt er, was er für Wasser hält;
Und wird von uns ihm Lebensfluth gereicht,
Für gift'gen Trunk er selben hält.

Es sehnet sich so sehr die wunde Brust
Nach seines Hochgenusses Welt,
Daß, wenn er willig sich ergibt der Lust,
Das Herz sie für verbothen hält;

Wenn sehnsuchtsvoll nach seines Mund's Spinelle
Die Thrän' als Blut vom Auge fällt,
Ein jeder, der sich spiegelt in dem Quelle,
Ihn für den Mann des Auges
* hält.

Ein jedes deiner Worte ist, Chaliß,
Von Edelsteinen eine Welt,
Indessen abgestumpfter Sinn gewiß
Sie unter ihrem Werthe hält.

* Augapfel.

 

Der Sohn des großen Scheichs Sakib, folgte seinem Vater als Vorsteher des Klosters Arghunije nach.

 

zurück

Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Vierter Band (von der Regierung Suleiman's II. bis auf unsere Zeit 1687 - 1838)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 359-360)