Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Sultan Suleiman I.
unter dem Dichternahmen Muhibbi,
d.i. der mit Freundschaft Liebende


Es ist das Aug' in Herzensgluth getauchet mir,
Von diesem Feuerquelle Alles raucht an mir,

Wenn ohne dich ich in den Herzensgluthen brenne,
Erscheine ich als Leichnam, den man peinigt mir.

O schenke! scheine ein dem, der nicht Liebe hauchet,
Von Liebe bin ich trunken, Wein gebricht nicht mir,

Ich schließe zu das Auge, um dein Bild zu sehen,
Geschloß'nes Aug' ist nicht in Schlaf getauchet mir,

Muhibbi seufzt im Schmerz der Nacht aus Seelenadern,
Begeisterung, nicht Hauch der Laute, haucht aus mir.
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Wieder bin ich verwirrt von Ambra duftender Locke,
Seel' und Herz sind geknüpft an das gekräuselte Haar,

Welchen befrag' ich um Kunde von Ihm, was soll ich beginnen?
Mit dem Herzen, das irr', streifet die Gauen hindurch,

Auch das Herz ist verwirrt durch schwarze verworrene Locken,
Hilfe wider das Aug', welchem das meinige thränt.

In dem Herzen sitzt er mir, mit Liebkosungen tausend,
Während närrisch ich überall sehe herum.

Leute sagen, wer hat das Herz Muhibbi's geraubet?
Zauber der Lippen raubt's, welcher nach Herzen begehrt.
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Wer hat dich auf dem Throne der Schönheit bestellt zum Emire,
Mit der Liebe Band wer mich gefesselt ans Thor?

Keinen Augenblick trenn' ich mich vom Stabe der Seufzer,
Deiner Liebe Gram macht mich vom Jüngling zum Greis;

Deine Wimpern sind zwar nicht im Busen geblieben,
Aber der Bogen der Brau'n ward mir im Herzen zum Pfeil,

Augenmann* verstreut auf deinem Pfade Juwelen,
Doch die Allmacht hat mich zum Fakire gemacht.

Ostwind kam, so scheint's Muhibbi zum Haare des Freundes,
Denn der Morgen hat Moschus und Ambra gehaucht.

* Der Augapfel
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Wann die Lieb' ist Mann von Verdienst durch Pfeile der Seufzer,
Er durchbohrt das Geschick, gehet vorbey in der Welt.

Da die Geliebte mir des Genusses Hoffnung gegeben,
Wart' ein wenig, Tod, nimm mir die Seele noch nicht.

Da der Genuß des Pinienwuchses nicht werth ist der Mühe,
Denk' dir, jedes Elif wandle als Ceder einher.

Als die Nachtigall gestern sagte Muhibbi's Gedichte,
Hört's die Ros', und zerriß sehnend die Bind' um den Hals.
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Nimmer kommen mir zur Hand
Rosenwangen deinen gleich,
Nimmer in dem Rosenhain
Nachtigallen meinen gleich,

Wenn sich deinem Pfade weiht
Eine Seele meines gleichen,
Kommt doch nimmer mir zur Hand
Schelmenauge deines gleichen,

Gibt es in der Welt des Grams
Einen Stern der meines gleichen,
Aber nimmer kommt zur Hand
Kaiserritter deines gleichen,

Gibt es einen Herzensarzt
Für die Seelen deines gleichen,
Kommt doch nimmer mir zur Hand
Schwergekränkter meines gleichen,

Gibt es einen, welcher trinkt
Glas der Liebe meines gleichen,
Kommt doch nimmer mir zur Hand
Trunk'nes Auge deines gleichen.

Gibt es einen der verkaufe
Hochgenuß wie deines gleichen,
Kommt doch nimmer mir zur Hand,
Der ihn kaufe meines gleichen.

O Muhibbi, keiner fühlet
Schweren Kummer meines gleichen,
Aber nimmer kommt zur Hand
Freund voll Unheil deines gleichen.
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Wie können Sonn' und Mond sich untersteh'n,
Mit ihm dem Seelenfreund zu disputiren,
Kann Sonnenstäubchen denn sich untersteh'n,
Mit Sonn' als Quell' des Lichts zu disputiren?

Ich pflege jede Nacht im Dorngebüsch
Des Rosenhains, den Huld und Schönheit zieren,
Mit Nachtigallen bis zur Morgenzeit
Von ihm, dem Seelenfreund, zu disputiren.

Von Trennungshand geschlagen liegt das Herz
Krank in des Schmerzens und des Grams Revieren,
Wie Flöte ruhig keinen Augenblick,
Beginnt wehklagend es zu disputiren.

O schmäh mich nicht, wenn du mich mit den Hunden
An deiner Thür gewahrest disputiren,
Es pfleget um den Vorsitz ja ein Jeder
Mit seines Gleichen nur zu disputiren,

O sage nicht, Muhibbi, daß der Freund
Mit deinem Schmerz es wagt zu disputiren,
Wie können mit Sultanen Bettler denn
Sich jemahls untersteh'n zu disputiren?
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Den großen Herrscher hat die Geschichte des osmanischen Reiches gewürdigt, die der osmanischen Poesie hat es bloß mit dem Dichter zu thun; als solcher gehört er zwar keineswegs weder unter die größten noch großen, aber sein Diwan ist ein Denkmahl eines gebildeten Geistes und eines edlen Sinnes, der sich in vielen ethischen Distichen kund gibt.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

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