Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)


Lamii, d.i. der Glänzende
gest. i. J. 938 (1531)
 

Find' Ausrufer mir ein Mädchen, das gänzlich noch Jungfrau,
Süßen Wort's und Blick's, zuckrigen Mund's und Vereins,

Zucker das Maal und Zauber das Aug und Pfeile die Wimpern,
Baumwoll' sey der Leib, Moschus und Ambra der Duft,

Baumgerade der Wuchs, von Röthe und Weiße gemischet,
Schön vom Kopf zum Fuß, weder zu hart noch zu weich,

Arm' und Schenkel gedreht, haarfein die Mitte des Leibes,
Ruhestörend sey ihre Bewegung und Ruh,

Liebentbrannt soll hängen an ihr der Mensch und die Peri,
Wer sie einmahl geseh'n, preise deßhalben den Herrn,

Eine Korallenschachtel der Mund und Perlen die Zähne,
Ihre Stirne der Mond, Locken die finstere Nacht.

Vierzehnjährig sey sie ein vierzehntätiger Vollmond,
Und von Tag' zu Tag' düfte sie blühend als Zweig,

Ihrem Gürtel sey, wie Rosen ferne, was unrein,
Eine Knospe, die selbst Fantasie nicht berührt,

Geh' Ausrufer und find' mir sogeartete Schöne,
Forder' von Lamii dann was dir gefallet zum Preis.
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Auf das Feuer streuet Ambra
Moschushaar des Freundes,
Rauchwerk' zündet an zum Feste
Moschushaar des Freundes,

Seiner Flamme Schatten zogen
Davids Panzer an,
Abbasiden Netzwerk ist
Moschushaar des Freundes,

Meinen Zustand hat erkannt
Und erbarmet sich darob,
In das Ohr ihm selben raunend
Moschushaar des Freundes,

Weil der Schreiber deines Flaumes
Falsche Urkund' stellet aus,
Sucht denselben zu beschreiben
Moschushar des Freundes,

Seinen Saum hob auf der Freund
Aus dem Thränenbach,
Sieh! da wollte d'rüber geh'n
Moschushaar des Freundes,

Schwarzer Drache liegt das Haar
Voll von Talismanenkraft,
Und den Schönheitsschatz bewachet
Moschushaar des Freundes,

Spielen will das Herz als Gaukler
Auf dem Lichtbasar,
Und den Staub zum Tanzen leiht' ihm,
Moschushaar des Freundes.

Vorhang auf dem Berg Moria
Kaabaüberzug,
Flor an dem Prophetengrab ist
Moschushaar des Freundes,

Wimpern steh'n mit Lanz' und Pfeilen
Aufgeschaar't in Reih'n,
Und ein neuer Moslim ist
Moschushaar des Freundes,

Immer ist verwirrt und schwindlicht
Lamii das Haar,
Wie mein Loos, ist stets verwirrt
Moschushaar des Freundes,

Um mit guter Schrift zu schreiben
Uns'res Herren Lob,
Hat des Tages Blatt linirt
Moschushaar des Freundes.
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Die Erklärung der Liebe

Wie soll erklären ich die Liebe?
Sie ist nicht viehische Begier;

Die Welt ist Lieb', die Liebe Seele,
Als Schlägel treibt sie Himmelsballen,

Sie ist der Seele wahres Leben,
Sie gibt der Zeit, dem Raum Bestand,

Sie war es, die von Ewigkeit
Als Kiel auf Looses Tafel schrieb,

Die in dem höchsten Himmel thronend
Zur Erde ihren Schatten wirft,

Sie fachte an das Herz der Himmel,
Es füllte sich die Welt mit Rauch,

Im Rauche dreht sich Weltgewimmel,
Die Himmel wurden leuchtend auch;

Sie wirft nicht theilweis' ihren Glanz,
Umfassend Seel' und Welten ganz,

Sie ängstiget des Himmels Nachen,
Aus Teufel kann sie Engel machen.

Als Liebeswogen sprangen auf,
Begann Lob Gottes seinen Lauf,

Es blühte heil'ges Rosenbeet,
Erleuchtet als Humanität.

Als dieses Licht fing an zu glanzen,
Begannen Sonn' und Mond zu tanzen,

Und als es drang zu Sternenherzen,
Da brannten hell des Himmels Kerzen.
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Was Wunder, daß gehet sultanische Schönheit allein,
Es gehet die Sonne am Himmel ja immer allein.

Es sollte die Erde voll Zungen der Lilien seyn,
Denn Rosen der Wangen beschreibet nicht einer allein.

Wie sollte die Ruhe den Locken zum Raube nicht seyn,
Da unter den Räubern die Reisenden blieben allein!

Es sehnt sich ein Jeder, du wollest ihm Gnaden verleih'n,
Du aber gewährest die Härte der Schmerzen allein.

Um Schmerz zu erkunden, mußt bleiben mit mir ganz allein,
O Seele! Geheimniß vertraut man sich, wenn man allein,

O wollest dem klagenden Armen Gehör doch verleih'n,
Es braucht nicht die Zunge, die Seufzer genügen allein,

O Lamii! Netze der Lüste, sie fangen dich ein,
Einmahl läßt Falke der Seele den Körper allein.
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Meiner Seufzer Funken haben
Himmelsherz mit Angst erfüllt,
Meiner Thränen Fluthen haben
Wirbelnd meine Brust gefüllt.

Wenn die Sonn' im vierten Himmel
Sieht die Schönheit deiner Glieder,
Wirft sie sich vom vierten Himmel
Voll Verdruß zur Erde nieder.

Als in der Moschee ich gestern
Lob der Brauen angestimmt,
Ward, als wollte ich sie lästern,
Altarnische ganz gekrümmt,

Seit in meinem Auge hauset
Deines Mundrubines Gluth,
Statt des Thränenstromes brauset
Immerfort ein Strom von Blut.

Wenn es dir gefällt, o Sonne,
Immerfort mich anzuschau'n,
Kann ich, wenn nicht in der Sonne,
Nimmer in's Gesicht dir schau'n,

Glaube nicht, ich sey entseelet,
Der vielmehr ich Seele bin,
Da Rubinenschein nicht fehlet,
Hält mich Zuckerhoffnung hin.

Lamii fühlt nicht die Kälte
Über sich vorüber zieh'n,
Denn die Asche in der Gelte*
Ist ihm Köschk und Hermelin.

[* Gelte: ein Gefäß]
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Die Doppellocke, die den Mond der Schönheit krönt,
Sind die zwey Nächte Kadr und Miradsch* genannt,

Was nimmt im Herzen Wunder dich der Sonne Strahl,
Wie bärge Licht sich im durchsichtigen Krystall!

Es gelten gleich der Erde Staub, des Himmels Thron,
Dem, der sich deiner Füße Staub erwählt zur Kron',

Wenn in den Nil die bitt'ren Thränen flößen ein,
So würde süße Fluth wie Meer gesalzen seyn.

Was ist's, wenn's Aug' viel zürnet kleiner Schuld,
Dem zarten Naturell geht schneller aus Geduld,

Ich fragte ihren Mund, wie hier zu helfen sey,
Er sprach: Es sey nur Tod des Schmerzes Arzeney,

Wie säh der Freund auf meiner Thränen Silber nicht,
Es geht der Schönheit Waare ja nach dem Gewicht.

* Die beyden heiligsten Nächte des Jahrs,
die Nacht Kadr, in welcher der Koran vom Himmel stieg,
und die Nacht Miradsch, in welcher
der Prophet die Himmel durchfuhr.
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Es macht dein Wort Juwelenwerth zu nichts,
Es macht dein Mund den Zuckerkand' zu nichts,

In deinem Munde ist die Treue nichts,
O weh, mein Capital ist nichts auf nichts.

Ich wollte dich umgürten Quell des Lichts,
Da fand ich, deine Lenden seyen nichts,

Dein Mund, dein Wuchs sind eben beyde nichts,
Geheimniß! stille! still! die Rede bricht's.

Es gibt für Liebende Verhaßter's nichts
Als Nebenbuhlers Traulichkeit, des Wichts,

Die Thränen sind vollgültigen Gewichts,
Doch Gold und Silber sind dem Monde nichts.

O Lamii, dein Capital ist nichts,
Der Welt Erzeugniß ist so viel als nichts.
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O Liebesschah, mein Seufzerrauch
Ist meines Hauptes Krone,
Und mir gebühret ein Tribut
Von jeder Stadt und Zone,

O Arzt, ich bin der Patient
Von dem betrunk'nen Auge,
Kein Mittel gibt's, als daß ich Wein
Von seinen Lippen sauge.

Wie soll mein Aug' wie Zucker nicht
In Thränen ganz vergehen,
Verkauft dir Nebenbuhler nicht
Für Küsse seine Schlehen,

Was Wunder, wenn von meinem Ach!
Dein Herzensspiegel feucht,
Die zarte Rose saugt den Thau
Aus jeder Wolke leicht.

Dein Aug' verwüstete das Herz
Und nun die Seele auch,
O Schah! die Wüsteney besteuern
Ist nicht Moslimenbrauch,

Dem Aug' genüget Handvoll Staub
Von deinen Füßen Schöner!
Ich bin kein Bettler, eigner Herr,
Nimm dich in Acht, o Schöner!

Willst Lamii du den Genuß
Erjagen dir in's Haus,
So streu' für diesen Vogel nur
Das Korn der Thränen aus.
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Rosenzeit ist es, o reiche wie Tulpen das farbige Glas,
Ehe zum Feste Geschick uns kredenzet das blutige Glas,

Sänger, nun singe zur Laute wie Venus so dieses als das,
Sterne sind Zucker, der Wein ist der Morgen, der Himmel das Glas,

Jüngling des Mondes, mit Lippen vom Thaue der Nächte so naß,
Jeglichen Morgen betrinkt sich im Blute der Herzen das Glas!

Peri! Geliebte! was fehlet dem Auge, dem blutigen, was?
Haben dich Diwe bezaubert mit zaub'rischen Formeln und Glas?

Von den Rubinen der Thränen sind Fluren getränket mit Naß,
Weil mit Rubinen der Lippen so traulich gekoset das Glas.

Leila der Schönheit! o lass' dich erbitten, o Grausame lass',
Ist nicht der Schädel Medschnuns bey dem Feste des Grames das Glas?

Um von den küßlichen Lippen der Freundinn zu sammeln das Naß',
Sprossen auf Lamii's Grabe die Kelche der Tulpen als Glas.
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Kein Wunder, wenn die Welt von Zeit zu Zeit
Zum Rosenbeete macht den Morgen,
Es wacht wie Rosen in der Rosenzeit
Von meinen Seufzern auf der Morgen,

Die Strahlen meiner Seufzer nehmen ein
Bey Nacht des weiten Himmels Rain,
Vor Übermaß der Schmerzen kam kein Schein,
Die Nacht durchdrungen ward vom Morgen,

Wenn in der Seele deine Liebe nicht
Entflammet hätte Sonnenlicht,
So würde brennen nicht wie Kerzen licht
Mit Rosenwangen hell der Morgen.

Der Ostwind macht bey Nacht die Runde,
Vom Schmerze Leila's bringend Kunde,
Das Hemd zerriß deßhalben sich zur Stunde
Bis auf den Saum herab der Morgen,

Er schaute meinen Busen voll von Maalen,
Die wie die lichten Sterne strahlen.
Es ließ darauf den Blick die Sonne fallen,
Erbarmungsvoll der blut'ge Morgen,

Durch deiner Wangen Kerzen ist der Abend
Wie Rosenlicht des Morgens labend,
Mit deiner Locken Duft die Welt begrabend
Ist Specereyenhändler Morgen.

Als gestern Lamii versenkt in Wonne
Gedacht an deiner Wangen Sonne,
Da sah er, wie des Lichtes Glückestonne
Ausgoß auf diese Welt der Morgen.
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Wenn Seel' entflammet deiner Liebe Moschushauch,
Durchzieht die ganze Welt geschmolz'ner Ambra Rauch,

Es ist mein Aug', o Jusuf in Ägyptens Au,
Der Thränennil gefärbt durch deiner Härte Blau,

Des Nachts, o mein Geliebter! blitzt der Seufzer Gluth,
Wie einst die Wolke über'm Haupt des Stamms Themud,

Fürwahr! der Thränenstrom des Himmels Dach forttrüge,
Wenn es als Pfeiler nicht der Rauch der Seufzer trüge.

Mein Sinn ist Stahl und deine Seel' ist harter Stein,
Trifft Stahl und Stein, wie sollte Weltenbrand nicht seyn!

O Muesin, dein Wuchs ist hohes Minaret,
Es tönt Posaunenruf, die Welt liegt im Gebeth.

Die Schmähung deinetwegen Lamii so liebt,
Daß er sie nicht für tausend gute Wünsche gibt.
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Trinke Wein, denn Rosenzeit und Festtag ist
Welche gute Zeit, wo man des Freund's genießt!

Fasten schloß das Thor den Freuden, wie ihr wißt,
Es zu öffnen Neumond gold'ner Schlüssel ist.

Stirbt das Herz, eh' Lippenhonig es genießt,
Schreibt auf's Grab: Dieß eines Martyrs Grabmahl ist;

Huld für Nebenbuhler hier und Kränkung ist,
Sclaven kränken, nicht der Brauch der Kaiser ist.

Mit dem Nebenbuhler, der ein Störer ist,
Schaukle dich nicht, der du reinen Saumes bist.

Trink zu Lauten Lamii zu dieser Frist,
Welche die des Schahes, des Beglückten ist.

Er ein Schah, deß Schwert das Alexanders ist,
Der das Unheil mit dem Damme Gog verschließt.
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Verliebter, wenn er noch so bettelt, Kaiser ist,
Der Seufzer sein Panier, sein Herr die Thräne ist,

Es kann Niemand erklären zwar, was Schönheit ist,
Allein der Liebe Schwelle Himmelspforte ist.

O Schah! dein Sclave vorzutragen dir vergißt,
Weil Herz vor dir zu nennen eine Sünde ist,

Ist's Wunder, wenn dein Thor der Locken Zuflucht ist,
Der für die Liebenden der Schatten Gottes ist.

Ich bitte, wenn dein Angesicht sich nun erschließt,
Die Lebenszeit der Liebenden der Morgen ist,

Verliebter Augenmerk nicht Gold und Silber ist,
Mein Angesicht hievon, o Hoher! Zeuge ist,

Ich neig' mich nicht, wenn Sonn' und Mond zugegen ist,
Was Lamii doch für ein selt'ner König ist.
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Auf Schönheits Rennbahn sind die Brauen Bogenschützen,
Die gegenseitig sich auf ihre Bogen stützen,

Wenn Vögel gleich auf guter Mahler Cedern fallen,
So können die doch nicht den Wuchs umringelt mahlen.

Es regne Manna von dem Himmel, will ich meinen,
Wenn mich der Freund von seinem Thore jagt mit Steinen.

Du zogst das Schwert so viel im Reich dem martervollen,
Daß blut'ge Köpfe auf des Busens Rennbahn rollen.

Wird je der Himmel sich befrey'n von Schmerzenswogen,
Da ihn der Augen Quell mit Meeren hat umzogen,

So oft der Frühling kehrt in frischer Schönheit wieder,
So liest die Nachtigall aus Büchern neue Lieder,

Gleich deinem Wuchse dünn ist Lamii geworden,
So viel erleidet er, wenn deine Brauen morden.
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Es ging der Freund in's Bad, daß er darin sich wasche,
Du meinst, daß Rose sich in ihrem Wasser wasche,

Wenn meinem Angesicht des Freundes Wange naht,
So scheint es, daß den Staub das Frische Wasser wasche,

Nimm's Glas zur Tulpenzeit, laß keinen Staub im Herzen,
Den nicht von diesem reinen Spiegel Wein abwasche,

Es will dein Mundrubin, der Perlen streuet aus,
Daß sich des Auges Mann in blut'gen Thränen wasche,

Die Hyacinthe deckt den Schweiß der Rosenwangen,
Damit sich nicht aus Scham damit die Knospe wasche,

Es sah der Freund am Haar die Thränenperl' und sprach:
Vielleicht daß Hyacinth sich im Sorbete wasche.

Wenn Er nicht will, daß Seele Lamii's entfliehe,
So sagt ihm, daß er sich doch nicht so eilig wasche.
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Wenn deiner Wangen Glanz zum Himmel steigt,
Daraus die Rose wird,
Wenn Schatten deines Haars zur Erde fällt,
D'raus Hyacinthe wird,

Wenn Knospenmund zum Lächeln sich verzieht,
Im Hain die Rose lacht,
Und wenn mein Aug' wie Frühlingswolke weint,
Die Wiese Teiche macht,

Kein Wunder, daß durch Wangenwiderschein
Das Aug' mit Blut sich mischt,
Gewöhnlich stehen in den Fenstern ja
Die Nelken eingefrischt,

Ist's Wunder, wenn mit Klagen Liebende
Erfüllen deinen Gau,
Die Klage fehlet nicht, wenn Nachtigall
Zur Heimath wählt die Au,

Wie trag' ich meine Seufzer, meine Thränen
Dem Lockenhaare vor,
Sie ringeln sich bis zu dem jüngsten Tag
Im Wirbeltanz empor.

Es trägt so viele lange Jahre schon
Das Herz das Trennungsleid,
Doch zum Genusse ist es nicht gelangt,
Wie ist der Weg so weit!

Was macht es Lamii, wenn dich der Thor
Aus Amtsstolz läßt am Thor,
Nicht festgenagelt ist des Himmels Rad,
Veränd'rung steht bevor.
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Des Schmerzes Gluth von Zeit zu Zeit,
Mein Inneres wie Kerze brennt,
Es weint nicht ohne Ursach' Blut,
Das Maal dem Busen eingebrennt,

Der Seufzer will den Gau umgeh'n,
Wie Pilger um das Haus der Gnade,
Zum Oxus schwillt die Thräne an,
Versperrend ihm die Rettungspfade.

O glaubet nicht, daß Tulpen steh'n
Im Feld auf Bergen ohne Zahl,
Von meiner Seufzer Flammen brennt
Mit Naphtafeuern Berg und Thal,

Wenn mich auch fesselt Bächeband,
So fließe ich doch unverweilt,
Mir ist ein Kerker Rosenhain,
Wo Rosenwangichter nicht weilt.

Frag' Kerze, ob mein Fieberbrand,
Wiewohl er wie die Rose lacht,
Nicht wie in Schenkenhand das Glas
Auch manchmahl blut'ge Scenen macht.

O laß die Härte! rosenmild
In deinem Schönheitsfrühling sey,
Denn unbeständig wie die Gluth,
Schnell unser Leben schnell vorbey.

Schau Lamii, wie dort das Maal
Am Rand des grünen Flaumes sitzt,
Es gleichet einem Raben, der
Dem Kopf des Papagey's aufsitzt.
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Es ist das Herz der Liebe Sclave,
Am Halse trägt es Lockenband,
Die Haare sind der Spinne Netz,
Worin den Tod die Mücke fand,

Das schwarze Maal, das schwarze Haar,
Dazwischen rosiges Gesicht,
Sind schwarzes Buch, worin ein Blatt
Der Ros' als Merk den Vers aufsticht.

Ich ließ vor deinem hohen Wuchs
Den Strom von meinen Thränen fließen,
Wie Bäche, die an Cedernfuß
Die reinen Wasser murmelnd gießen.

Die Wimper unterm Lockenhaar
Vergießt mein Blut und grämt sich nicht,
Die Klinge schwarz damascenirt,
Wird von dem Rost ergriffen nicht,

Wer in dem Aug' den Widerschein
Der dunklen Lockenhaare schaut,
Am Fenster den krystall'nen Krug
Voll duft'ger Hyacinthen schaut.

Es ist in's blut'ge Aug' das Schwarz
Von meines Freundes Haar gefallen,
Wie in die rothe Tulpe Maal
Des Brand's, das schwarze ist gefallen,

Seitdem ich in den Freund verliebt,
Entflohen mir Geduld, Verstand,
Sie sind entlaufen Lamii
Für immer aus des Herzens Band.
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Ich sprach: Auf Zuckerlippen wimmeln
Ameisenschwärme schnell,
Er sprach: Die Hyacinthen dunkeln
Auf Moschusrosen hell.

Es fällt in dieses Weltgetümmel
Ein Blick von dem Altan,
Messias kommt am jüngsten Tage
Zum Heil der Welten an.

Seit meine Brust dein Schwert gespaltet,
Brennt sie nochmahl so hell,
Wenn man das Feuer schürt, so sprüht es
Die Funken rasch und schnell.

Glaubt nicht, daß Rosenblatt am Morgen
Von Schamschweiß überfließt,
Indem es wegen Nachtigallen
Die Thränen nur vergießt.

Seit deine Liebe mich entzündet,
Die Flamme nimmer ruht,
So schüret auf das harte Eisen
Nur mehr des Feuers Gluth,

Wenn deinen schlanken Wuchs ich sehe,
Die Thräne schneller fließt,
Der Strom fürwahr! von solcher Höhe,
So schöner sich ergießt,

Was Wunder, wenn den Nebenbuhler,
Den kalten, trifft sein Schwert,
Es wird in kalten Wintertagen
Die Sonne mehr geehrt.
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Jeden Augenblick macht Lust nach Locken
Meine Seele voll Begier,
Ist's ein Wunder, daß der Hirsch des Morgens
Moschus hauchet durch's Revier!

Auf dem Weg der Liebe ging verloren
Meines Herzens Karawan',
Und doch schlugen überall die Glocken
In Gesellschaftskreisen an,

Mit dem Tone meiner Klagen halten
Laut' und Flöt' nicht gleichen Schritt,
Wehe! weh! wie sehr ich wein' und klage,
Doch kein Helfer klaget mit,

Tausend Liebende der Rosenwangen
Sind nur eine kleine Zahl,
Wo sind Kerzen ohne Schmetterlinge,
Honig ohne Mückenqual?

Soll sich in das Innere nicht brennen
Tulpe, Schmerz und Feuermaal,
Blut ist nicht der Nachtigallen Inn'res,
Von der Rosen Dornenqual.

Lamii fiel in das Netz der Locken
Ob des Zuckermunds Verlangen,
In den Käfig werden Papageyen
Durch den Zucker eingefangen.
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Klagend' Herz, wenn du verlangest
Eine Hülfe deiner Pein,
Nimm ein Beispiel von der Flöte,
Ziehe deinen Odem* ein,

Wenn ich in der Fremde sterbe
An der Sehnsucht nach Jasmin,**
Reicht die Baumwoll' von dem Brandmaal
Meiner Brust zum Sterbkleid hin.

Dir entzog er nicht die Hand,
Mir entzog er nicht das Herz,
Nebenbuhlerzwiste schlichtet
Der Geliebte ohne Schmerz,

Haar zieht mich nach einer Seite,
Nach der anderen der Flaum,
Was soll ich nun weiter klagen,
Da zur Bitte ist nicht Raum.

Lamii, wenn jene Sonne
Einst bey meinem Grab' einspricht,
Leuchtet bis zum jüngsten Tage
Der Verzeihung ew'ges Licht.

* Wortspiel zwischen Nefes, Hauch,
und Nefs Begierde
** Die Jasminbusichten.
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Dein Schönheitsgarten ist vom Bartflaum grün geworden,
Es wächst der Liebe Raserey; ist's Lenz geworden?

O Schöner, deines Flaumes Zeilen sind am Rande
Zur Glossenschrift von dem Koran der Schönheit worden,

Wiewohl sultanische Moschee* sich einfach ziemt,
Ist sie zuletzt mit Bildern ausgemahlet worden.

Der Trennung Feuer sengt die Liebenden wie Mücken,
Dann wascht sie Huld; es ist der jüngste Tag geworden,

Dein Schönheits Jusuf wird für Moschus ausgewogen**,
Zum Käufer ist Suleicha des Flaums geworden,***

Um deiner Wangen Flur im Frühling zu begrünen,
Ist Flaums Basilikon Violenstreu geworden,

Das Haar zog Lamii, der Schönheit vor den Flor,
Deßhalb sind Herzen hier zu Klagenden geworden.

* Die deiner Schönheit
** Dein Schönheits Jusuf, d.i. deine Schönheit;
der ägyptische Jusuf wird in Ägypten
für Moschus verkauft
*** Suleicha des Flaums, der zarte Bart
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Willst du, o Herz, von diesen Makeln rein hier seyn,
So mußt du stets gebrannt zu Liebesasche seyn.

Es dringt bey Liebenden dein Ton, o Flöte, ein,
Wie schön ist's, innerlich voll Ach und Weh zu seyn!

Was soll bey Tag und Nacht der Wolke finst're Pein?
Soll durch dein Licht die Welt denn heller Tag nicht seyn?

Der Bettlerrock gilt mehr als gold'nen Kleides Schein,
Es soll zerrißnes Kleid der Liebe Zeichen seyn.

Die Seele will zwar Lamii den Lippen weih'n,
Wie aber soll, wo nichts, Vernichtung möglich seyn?
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Wie deine Locken machst mein Herz zum Vagabunden,
Durch Schmerz zerreissest du mein Herz mit tausend Wunden,

O weh, du überließest mich dem Schmerzorkan,
Und in der Irre treibt wie Blasen nun mein Kahn.

Ich spannte auf Geduld am Seelenschiff als Segel,
Du triebst das Schiff an's land, zerrissest mir das Segel.

Vernunft als Schneider maß ein passend Kleid mir an,
Doch durch die Locke ward zerrissen der Kaftan,

Du stürztest mich in Schmerzensfluth, in Leidenswirbel,
Und hilflos bin ich von dem Fuße bis zur Zirbel,

Des Auges Rinnsal ward durch dich ein endlos Meer,
Im selben treibt dein Zorn das Rad der Mühle schwer.

Vertraulich ward das Reh mit deinem Mondgesicht,
Da ward durch deine Locken schwarz sein Tageslicht.

Kein Wunder Lamii! wenn Welten Halsband wird,
Dein einz'ger Vers die einz'ge Königsperle ziert.
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Gnadenquell, o Herz, ist Augenschwarz des Losen,
Auferstehungskunde ist der Wuchs des Losen,

O des Machtworts, dem die Menschen all' auflosen,
Brauentughra nach dem Schönheistsbrief des Losen.

Als ich sah den Mundrubin, den zeilenlosen,*
Rief ich: Ohne Rauch ist das Halwa des Losen,**

Herz! was ist's, wenn dich bedrängen Wangenrosen,
Steine werden ja zerrieben durch den Losen.

Finsterniß füllt alle Nacht die Welt mit Tosen,
Weil dieselbe stets bedrängt der Schmerz des Losen,

Engel alle Nacht auf Himmelszinnen kosen,
Weil den Morgen schlägt der Schöpfungsglanz des Losen,

Nachtigall verblutet sich am Dorn der Rosen,
Zeigt im Rosenhain sich Rosenwang' des Losen.

* ohne die Zeilen des Flaums
** Halwa Zuckerwerk
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Im Schönheitshain ist frische Rose
Die Wange des schönen Bekr,
Es nimmt die Sonn' ihr Licht vom Monde
Der Wange des schönen Bekr,

Schau'st du die Arme und die Schenkel,
So zittere, zitt're nicht,
Es sind ja Mandelsulz, die zittert,
Die Lippen des schönen Bekr,

Was Wunder, wenn er gleich dem Monde
Beschämet des Kamphers Weiß,
Es ist ja von getrieb'nem Silber
Der Nacken des schönen Bekr,

Der Morgenwind nimmt Seelendüfte
So oft als er geht vorbey,
Denn wie die Nächte hauchen Moschus
Die Locken des schönen Bekr,

Ist's Wunder, daß die Seelen taufet,
Wer ihm sich mit Seel' ergibt,
Von Lebenswasser ist berauschet
Die Lippe des schönen Bekr,

Er weiß wohl, daß den Werth des Mondes
Erhöhet die finst're Nacht,
Deßhalben liebt nur schwarze Farbe
Die Kleidung des schönen Bekr,

O Lamii! es wird die Seele
Erleuchtet so oft sie schaut.
Die Mondesstirn, die Sonnenwange
Im Osten des schönen Bekr.
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Des Freudenmorgens Osten ist der Hals, der deine,
Ich greife deinen Saum wie Lockennacht, die deine,

Brandmaal ist Ros', und Bach die Thränen, die ich weine,
In meiner Brust schau' an das Rosenbeet, das deine,

Die Nachtigall verzweifelt, wenn du kommst zum Haine,
Und Auferstehung ist der hohe Wuchs, der deine.

Haucht Locke oder haucht der heil'ge Geist, der meine,
Bey Gott! o Morgenwind, es ist der Hauch, der deine,

Wiewohl, o Herz, sein Aug' vergießt das Blut, das deine,
So löscht es doch des herdes Gluth durch das Geweine,

Zum Braten nimm die Brust und Thränennaß zum Weine,
O Herz! denn Tag und Nacht ist Gram der Gast der deine,

Es wälzt das Loos dir Lamii auf's Haupt Mühlsteine,
Ich weiß nicht, ob aus Felsen sey das Herz, das deine.
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Es zog sich aus, in's Bad zu geh'n
Ein Silberleib, ein schöner,
Was lobe ich an ihm zuerst,
Und welches Glied ist schöner?

Wiewohl das Diadem sehr schön
Und der Kaftan noch schöner,
So ist der Schönsten Schöner doch
Mein Fürst! ein nackter Schöner.

Ist's Wunder, daß die Rose nackt
Dir dünkt um so viel schöner,
Ist sie denn in dem Blumenbeet
Nicht ohne Hemd ein Schöner?

Ich küß' die Hand, ich küß' den Fuß,
Und diesen Brauch gewöhn' er,
Mit schönem Arm und schönem Fuß
Ist er Cypressenschöner,

Vom Fuß zum Kopf, vom Kopf zum Fuß,
Gibt's Einen, welcher schöner?
Von glücklichen Gesicht und Haar,
Ein Silberleib ein schöner.

Nach deiner Liebe dürste ich
Als trockner Fisch und Böhner,
Schön ist die Fluth, doch ist sein Leib,
Der reine, noch viel schöner,

Der Lebensbaum vergleicht sich nicht
Mit dir, denn du bist schöner,
Wie erst Cypresse auf der Flur
Mit dir, du hoher Schöner,

Dir küsset Edens Pfau den Fuß,
Nicht ich, der arme Böhner,
Am Tage wo das Rad du schlägst,
In voller Schönheit Schöner!

Was ist die Perle für ein Staub,
Daß deine Zähne höhn' er?
Schön sind die Perlen von Aden,
Doch deine Zähne schöner.

Es sagen Erd' und Himmel aus:
Es sey kein And'rer schöner,
Wie sagte Lamii ihm's nicht?
Das wäre schön und schöner.

Ich sagte ihm, es wächst der Flaum
Auf deinen Wangen schöner,
Er sagte, in der Frühlingszeit
Wird Wasser täglich schöner,

Gib Nebenbuhlern nicht das Kleid
Um sie zu machen schöner,
Peri! sag', werden durch den Flor
Die Ahrimanen* schöner?

[* Ahrimann der Herr der Diwe, das Prinzip des Bösen]
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Ich sprach, als ich den Cedernwuchs am Grabe sah:
Ihr Todten auf! Der Auferstehung Tag ist da!

Auf deiner Schönheitshelle sey nicht stolz Vollmond,
Denn es verfinstert sich nur der volle Mond.

Als gegenüber dir, o Sonn', des Mondes Schein,
Da fühlt' er lebhaft ein Abnehmender zu seyn.

Ich sprach: Ich floß zu deinem Fuß als Wasser hin,
Erzeige dich Cypresse störrig nicht von Sinn.

Er sprach: Wenn es vielleicht dich lüstet nach Genuße,
So fließe immerhin zu deiner Schönen Fuße.

Wenn beym Gebeth das Volk die hohe Ceder schaut,
So ruft er: Bethet! und sie rufen Heil dir! laut,

Wenn Lamii dir nicht aufopferte sein Blut,
So sprach er von der wahren Liebe Wein nicht gut.
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Was ist's, wenn ich mir deinen Gau
Zum Vaterlande wähle,
Ist Eden nicht von ewig her
Das Vaterland der Seele,

Wenn ich in finst'rer Leiden Nacht
Vor dir den Geist geb' auf,
So geht aus meinem Leichentuch
Die Lieb' als Sonne auf,

Da ich aus Sehnsucht nach dem Haar
Mit Lust die Seel' aushauche,
So wasche man den todten leib
In blut'gen Thränen Jauche,

Wenn die Cypresse einst am Grab
An meinem geht vorüber,
So sage sie, mir ist dieß Grab
Als and're Fluren lieber.

Ich lobe dich, o Schönheitshain,
Wie eine Nachtigall,
Was ist es, wenn in Bau der Lust
Sich wandelt Jammerthal?

Die Unglückspfeile würden nicht,
Nicht meiner Leiden Kund',
Wenn jedes Härchen würde Kiel
Und jede Wunde Mund.

Was fliehet ihr vor Lamii,
Was flieht ihr allzumahl,
Hat er nicht Rosenangesicht,
Nicht Tulpenaug' und Maal?
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Winter ist's, weihet den Abend Gesprächen,
Lasset, o laßt bis zum Morgen uns zechen!

Vogt hat verbothen zu trinken den Wein,
Was er verbothen, soll gültig nicht seyn.

Will die Vernunft sich zur Liebe nicht finden,
Wollen dieselbe mit Locken wir binden.

Wer nicht zu Füßen dir fallet wie Flaschen,
Dem sey der Kopf mit dem Weine gewaschen.

Zeige die Schönheit! Jusuf aus Ägypten,
Ist nur ein Sclave am Thor des Geliebten,

Daß uns annehme der Alte der Schenke,
Melden wir Grüße von dir ihm, o Schenke!

Lamii, wenn er der Liebe nicht huldigt,
Sey von den Liebenden nimmer entschuldigt.*

* Wenn Lamii den Wein deiner Liebe nicht
gesetzmäßig findet (Halal),
sey ihm das Gespräch der Liebenden
verbothen (Haram).
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Der Brief, der kommt von jener Seele,
Ist Talisman für Seele meine,
Er ist zur Zeit des Mißgeschicks
Das sichere Geleit, das meine,

In jedem der geraden Striche
Ist Lebensföhr' zu sehen, meine,
Des Paradieses Lebensbaum
Ist holder, süßer Freund, der meine;

Ein jeder Punct ist wicht'ger Punct
Für's Innere, das morgenreine,
Es lautet als Vocal darin
Der laute Seufzerrauch, der meine,

Das Schwarz' des Auges leuchtet mir,
Und glas't in schwarz glasiertem Scheine,
Das Weiß' des Auges leuchtet mir
Das helle Morgenlicht, das meine.

Die grünen Linien des Flaums
An seiner Zuckerlippen Raine,
Eröffnen wie die Rose sich,
Und sind die Frühlingsgärten meine,

Die Feder, die dieß Briefchen schrieb,
Ist Zuckerrohr das wahre, feine,
O Lamii, der Papagey
Ist süßer Mund fürwahr! der deine?
____________


Wenn jener Herzensräuber geht in's Rosenthal,
Zerreißt die Rose Hemd, es klagt die Nachtigall,

Die Todten würden aus den Gräbern aufersteh'n,
Wenn jene Locke wollte Moschushauche weh'n.

Es läßt den Kopf zurück wie Locken an dem Fuß,*
Wer heimlich sprechen will von dieses Mund's Genuß,

Ist's Wunder, wenn ich als dein Schatten folge dir,
Es schleppen deine Locken mich durch das Revier,

Es führt ein Leben wie dein Lippenflaum beglückt,
Die Seele, so Genuß von deinem Mund entzückt,

Umarmen will ich, sprach ich, diesen zarten Wuchs,
Da wurden meine Arme ihm zum Gürtel flugs.

O fände Lamii nur einen trauten Freund,
Zu sagen ihm den Gram, was jetzt unmöglich scheint.

* Die Locken fallen bis zum Fuße hinunter,
wo sie ihren Kopf (ihre Spitze) lassen.
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Durch Wunder ward des Busens Feld zum Gülistan,
O Herzensräuber, seh mit einem Blick mich an!

Ist's Wunder, wenn sich meine Thräne spiegelt roth,
Da heut der Freund gekleidet in Syringenroth,

Im Leichentuch fall' ich wie Wasser dir zu Füßen,
Wenn du Cypresse mich mit einem Wink willst grüßen,

Nur einen Augenblick hör' meine Klagen an,
Wenn ich wie Nachtigall erseufz' im Gülistan.

O schleppe mich, wie Schatten, durch des Staubs Gewimmel,
Denn wenn ich gleich nur Staub, so bist doch du der Himmel,

Das Ach! der Nachtigall beeng' nicht deine Brust,
O Knospenlippichter! eng ist der Erde Lust,

Es will dich tödten Lamii, der, den du liebst,
Was ist's, wenn einen Augenblick du Aufschub gibst.
____________


Mein Schöner flieh' mich nicht, Perigesicht!
Daß Seel' dem Leib' entfliehe, schickt sich nicht,

Ein Engel bist du, flieh' vor Menschen nicht,
Vor'm Nebenbuhler flieh', dem Teufelswicht.

Bey deinem Glauben! mach' mich weinen nicht,
Denn selbst Ungläub'ger flieht das Blutgericht,

O Hirschenaugichter! ist dieß Gericht,
Daß Nebenbuhler bleibe und ich nicht?

Ich lasse deinen Saum im Tode nicht,
Es sey, daß du mich fliehest oder nicht,

Für einen Löwen hältst du mein Gedicht,
Darum befreundest du dich Hirsch mir nicht.
____________


Herz, bist du nicht närrisch verliebt in den Schönen,
Bist du es nicht?
Bist nicht geschmähet, beschimpfet von allen,
Bist du es nicht?

Sage, o Seele, wie wäre das Herz mir,
Enge denn nicht?
Bist du nicht Götze voll lieblicher Reize,
Bist du es nicht?

Zaub're die Schönen zur strahlenden Fahne von
Deinem Gesicht,
Bist du nicht höher als alle die andern,
Bist du es nicht?

Bin ich Medschnun nicht gefesselt in Banden,
Bin ich es nicht?
Bist du nicht Leila, die thronet in Schönheit,
Bist du es nicht?

Herz! daß der Staub an den Saum des Geliebten
Lege sich nicht!
Bist du nicht Träger des Wassers durch Thränen,
Bist du es nicht?

Ihm zu entsagen, o gleißender Frommer,
Rathe mir nicht,
Bist du verliebt nicht in Güter der Erde,
Bist du es nicht?

Lamii! lasse die Erde den Hunden,*
Kränke dich nicht.
Wurdest du nicht als das Weltmeer gegeben?
Bist du es nicht?

* Den Nebenbuhlern
____________


Wie soll die unbeständ'ge Seele
In Gluth' und Asch' aufgehen nicht,
Die Himmel füllt der Seufzer Flamme,
Ihr Rauch umqualmt die Erde dicht,

Es sprossen einst aus meinem Grabe
Die Rosen und Narciß' empor,
Daß nach dem Tode die Geliebte
Mir leihen möge Aug' und Ohr.

Mein Herz ist ganz von Gram befangen,
Und nirgend strahlt der Hoffnung Bild,
Es hat die Welt mich angeekelt
Als ein Tyrann und Dränger wild,

Es liegt die Brust voll blut'ger Maale,
Vom Gluthenwind des Grams durchweht,
Es schickt sich, daß du dich, o Schöner,
Erlustigest im Tulpenbeete.

Es sprossen einst aus meinem Staube
Der frischen Rosen mancherley,
Den Fuß zu küssen deines Hemdes,
Wenn er am Grabe geht vorbey,

Er zeigt Flammberge mir,* die Locken,
Worauf der Seele Flamme brennt,
Es fließet Thrän' aus meinem Auge,
Wie heißes Wachs der Kerz' entrennt,

Es treibe Todessturm den Staub
Des Leibes in's Vernichtungsmeer,
Wenn Lamii! nur dem Geliebten
Dein Staub nicht lästig ist und schwer.

* Flammberge, das Schwert
____________


Nimm dich in Acht* vor den Thränen, o nimm dich in Acht!
Blutige Ströme sind selbe, o nimm dich in Acht!

Hab' ich mich gleich zu dem Staube des Weges gemacht
Brennet das Herz doch als Feuer, o nimm dich in Acht!

Tödte mich nicht! aus dem Blute der Rächer erwacht,
Und er beruhigt sich nimmer**, o nimm dich in Acht!

Seufzer sind Drachen, die sprühen das Feuer mit Macht,
Heben empor sich zum Himmel, o nimm dich in Acht!

Ehe, o Herz, dir die Lippen den Teriak gebracht,
Haben dich Schlangen*** vergiftet, o nimm dich in Acht.

Lamii, da du nur einzig auf Lieder bedacht,
Denke nicht weiter an Rettung, o nimm dich in Acht!

* O Freund!
** Bis zum jüngsten Tage
*** Die Locke
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So lang mit Reiz im Hain die Seelenceder steht,
Vom Kopf zum Fuß stets der Fluß der Anmuth geht,

Auf seinem Kopfe trägt als einen Rosenstempel
Das Mondgesicht des rothen Turbans Sonnentempel,

Das Hemd ist Liebender, entbrannt wie ich von Gluth,
Durchlöchert, und zerrissen, und den Mund voll Blut*,

Der Gürtel wollt' umfangen jene zarte Mitte,
Wie wand er sich! um nichts war seine heiße Bitte.

Ist's Wunder, wenn ich dir wie Staub zu Füßen falle,
Da mir auf diesem Weg die Zeit gestellt die Falle.

O glücklich ist das Kleid, das dir am Rücken hält,
Indessen Lamii durchstreift die ganze Welt.

* Die rothe Naht am Besetz
____________


Es sagt, wer sieht mein blut'ges Aug':
Welch' frohes Gülistan ist dieß?
Es fließt daraus ein rother Strom,
Vielleicht ist dieß das Paradies.

Im Himmel thront bald Sonn' bald Mond,
Der Himmelsherrschaft Lauf ist dieß.
Ein jeder Schah hat seine Zeit,
Mein Leben! Weltenlauf ist dieß,

Mein Herz für deiner Locken Schmerz
Um Sold zu dienen sich befliß,
Es wußte, daß im Haus des Nichts
Das ew'ge Leben sey nur dieß.

Sagt dir der Fromme: Diesen Weg
Geh'n Liebelose für gewiß,
So glaub' es nicht, o Herz, bey Gott!
Denn eine baare Lüg' ist dieß,

Die Frömmigkeit will nur erwerben
Verdienst sich um das Paradies,
Doch für den Pfad der ew'gen Dauer
Ein seltenes Geschick ist dieß.

Durchdüfte mit der Liebe Duft,
Der Seele Riechkraft für gewiß,
Denn wie des Morgens Moschuswind
Ein Duft der Seelenwelt ist dieß,

Des Freundes Wange ist die Sonne,
O Lamii! für heute wiss',
Daß dieses offenbar wie Sonne,
Unmöglich zu verbergen dieß.
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Daß Wind nicht rühre an den Hals - besorgt das Tuch,
Wie Sonnenstrahl im Wasser zittert d'rob das Tuch,

Es scheint die Sonne hinterm weißen Wolkentuch,
So scheint des Busens Weiße durch das feuchte Tuch,

Bey Huris ist das Tuch in Eden auf Besuch,
Der Flügel spreitet aus zum Fluge d'rum das Tuch,

Bald spricht es mit dem Ohrgehänge wie ein Buch,
Bald bildet für das Kinn ein Halsband nur das Tuch,

Mit Gold gestickt und angefüllt mit Wohlgeruch,
Gewoben aus der Seele Faden ist das Tuch,

Den Silberhals des Freund's umarmest du, o Tuch!
Du machst ein Goldgeschäft, o goldgesticktes Tuch!

Auf dunkle Locken fällt, o Lamii, das Tuch,
Wie auf die Hyacinthen fällt des Mondlichts Bruch.
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Der Freund versprach's und kam doch nicht verfloß'ne Nacht,
Und meine Hütte war voll Traurigkeit verfloß'ne Nacht,

Es weinte Blut das Herz, bis Roth im Ost gelacht,
Die Kerze war Genosse die verfloß'ne Nacht.

Ich rief die Hunde auf zur Nebenbuhlerschlacht.
Nichts ging von Statten mir in der verfloß'nen Nacht,

Des Mund's Erinnerung hat mich verwirrt gemacht,
Es ringelten die Trunk'nen sich verfloß'ne Nacht,

Um auszuhauchen Seele durch des Schmerzes Macht,
Versammelten die Brüder sich verfloß'ne Nacht,

Die Klage Lamii's durchscholl die Mitternacht,
Sie glaubten, daß es Flöte sey verfloß'ne Nacht.
____________


Ach! daß Himmel jenes Mond's Gesicht
Gestern uns nicht gezeigt!
Daß verhüllet von dem Wolkenschleyer
Sonne sich nicht gezeigt!

Seele ist zwar sterbenskrank geworden
Von dem schelmischen Aug',
Doch sie hat zusammen sich genommen,
Hat nicht schwach sich gezeigt,

Wie die Seele nahm ich deine Pfeile
Liebend im Inneren auf.
Keinem hab' ich, was auch sey geschehen,
Blut des Inn'ren gezeigt,

Ach! wiewohl ich auf den Brand der Schmerzen,
Der den Busen entflammt,
Meiner Thränen Wasser sprengte, hat sich
Lind'rung doch nicht gezeigt,

Einen Strich, gerade wie der Wuchs
Meines zärtlichen Freund's,
Hat bisher nicht auf dem Blatt des Seyns
Allmachtfeder gezeigt.

Aus der Hand gab ich den Saum der Welt,
Gab der Liebe den Kopf,
Doch hat den Befehl der Raserey
Glück der Vernunft nicht gezeigt,

Lamii fiel in den Brunn des Grübchens
Als babelischen Brunn,
Ihm als Harut hat das Glück sich nicht
Umgekehret gezeigt.
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Weil jene Sonn' aufsetzt die Haube,
Gerade bald, bald krumm,
Setzt Mond bey jedes Monaths Anfang
Die Haube auf so krumm,

Es brachen, um mich aufzuhenken,
Die Locken in den Kreis,
Der Flaum ist unterschob'nes Urtheil,
Die Brauen Zeugen krumm.

Wer sieht wie du gerad gewachsen,
Wie deine Haube krumm,
Der schauet auf der hohen Ceder
Die Sonnenhaube krumm.

Ist es die Wirkung von dem Weine,
Die dich so brechen um,
Cypresse bist du in dem Winde,
Gerade bald, bald krumm,

Kein Wunder Lamii! das täglich
Dein Wuchs durch Seufzen krumm,
Zunächst des Wuchses der Cypreß'
Scheint er unschuldig krumm.
____________


Ros' ist Frommen in der Bußzeit* gleich,
Cedern tanzen frommen Walzern gleich,

Wo ist Zeit, wo Flor vom Perserreich,
Wo die Tulpen rothen Bünden gleich,

Stahlgepanzert ist gefror'ner Teich,
Und der Schnee ist weiß, den Spahis** gleich,

Ach das Bild der Brauen, dicht und weich,
Schwimmt im Herzensmeer den Fischen gleich,

Milchfluß leitete Ferhad sogleich,
Für Schirin die deinen Lippen gleich,

Sieht der Fromme dein Gesicht so bleich,
Bethet er zur Brauennische*** gleich,

Weil Narziß' sich hält dem Auge gleich,
Bechert er den Taschenspielern gleich.

* Erbain, die Zeit der vierzigtägigen Faste und Bußübung
der Derwische
** Den Sipahi, den Sumitischen
*** Der Bogen der Altarnische
____________


Was ist's, wenn voll von Unverstand*
Ich dem Geliebten küß' die Hand,
Es reiche Gott der Herr die Hand,
Der einem Fremden leiht die Hand,

Laß', daß ich reinige den Mund,
Indem ich küsse deine Hand,
Durch Zufall, wie sich's jetzt erst fand,
Küßt' ich des Nebenbuhlers Hand,

Der Arzt, dem nicht die Krankheit kund,
Kann machen nimmer dich gesund,
Dem Arzte wehre nicht die Hand,
Der frägt, wie sich der Puls befand,

Willst du beherrschen Erdenrund,
So küsse nur des Schenken Mund,
Fall' nicht zu Fuß dem Scheich im Land,
Und küsse nicht des Pred'gers Hand,

O Lamii! dein Kopf sey Schund
Beym ersten Schritt in erster Stund',
Wenn Hoffnung haben soll Bestand,
Zu küssen des Geliebten Hand.

* Ohne Kopf und Fuß
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Wende nicht ab das Gesicht beym Anblick der Thränen, o Rose*,
Sitzt auf Rosen nicht immer der perlende Thau?

Als ich dem Freunde die Thränen gezeigt, da lachte und sprach er:
Seelengold brauch' ich, streue das Silber zum Grund.

Himmel, verbrenne mich nicht! wiewohl es nicht anders als billig,
Daß vor Periengesicht Feuer entfahre dem Rauch.

Seelenschmerz mein Herz wird an den Gluthen gebraten,
Und der Thränen Blut dienet als Tünche dazu.

Wem maß an ein Kleid wie dir der Schneider der Schönheit,
Dessen Futter sey Rosen und Tulp' und Jasmin.

Schau nicht, sagt' ich dem Freund, doch gab er nicht Acht auf die Bitte,
In des Auges Blut fließet zerschmolzenes Herz,

Jenes Mondgesicht hoff' ich an dem Tag noch zu sehen,
Als des Morgengebeths Lamii sich'ren Erfolg.

* O frische Rose
____________


Wiewohl mit Knospe Freundschaft macht der Morgenwind,
Verschloß ihr doch des Herzens Gram den Mund geschwind,

O Armer*, deine Hand kommt zum Genusse nicht,
Wenn du wie Sonnenstäubchen nicht umfliegst das Licht.

Wie weicher Knab' verschenkt sie rechts und links das Herz,
Es geht des Haares Markt nicht aus, o armes Herz,

Den hängt das Haar, und diesen sticht die Wimper todt,
Ein solcher Handel ist seltsam' Geschäft bey Gott!

Wie soll dein krankes Aug' gesunden je und heilen,
Da es beständig voll von blut'gen Wimpernpfeilen,

Seit Ostwind reis'te in des Haares Tatarey,
Verkaufen Ros' und Nelken** nicht mehr Specerey,

Dir fielen in der Stadt die Herzen all' zur Beute,
Wer lehrte Lamii! dich solche Jagd und Meute?

* Bi ser u pa, ohne Kopf und Fuß
** Rihan, Basilikon oder auch Geranium
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Säh' Ferhad auf meinem Grab'
Schwere Felsenlast der Qalen,
Würde er mir, wie Medschnun,
Gleich zu meinen Füßen fallen.

Bey dem Fest des Grames kreis't
Herzensblut in Schmerzensglas,
Und man reicht von Zeit zu Zeit
Krankem dieses gift'ge Naß,

Längst von meiner Seufzer Gluth
Diese Welt verbrennet wär',
Wenn nicht meines Auges Quell
Thränen göße aus als Meer,

Mitten in der Felsenschlucht
Denk' ich dein, o steinern Herz,
Auf dem Leidensfelde sucht
Jeder den Cumpan zum Schmerz,

Seit ich sah des Schönen Wuchs,
Seine Haare, seine Brau'n,
Wurden meine Seufzer Pfeil
Und mein Wuchs zum Bogen traun!

Seitdem China's Maler sah
Deiner Schönheit Wohlgestalt,
Er die Götzen wie den Mond
An dem Tag verbleichend malt.

Lamii legt Kutte an
Ob des Haares Fantasie,
Gibt sich für Lichtweisen aus,
Sieh doch die Betrügerey!
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Zu Brusa sind erschienen
Zwey Engel, wie ich meine,
Hafis Ahmed der And're,
Chalil Welid der Eine,

Er kreiset um die Schönheit;
Des Einen Welt als Mühle,
Es kaufen Mond und Sonne
Des Anderen Gefühle,

Der Eine spielt wie David
Die Psalmen von Äonen,
Und unterthan dem And'ren
Sind Engel und Dämonen,

In dem Gezweig des Kreises
Ist Nachtigall der Eine,
Der And're frische Rose
In dem Cypressenhaine.

Der Hals des Einen setzet
Ganz Persien in Feuer,
Dem Maal des And'ren geben
So Hind als Sind die Steuer,

Des Einen Schönheit windet
Den Faden ab der Geister,
Der andere entzündet
Den Schönheitsstern als Meister.

Volk Mohammed's! o schreibe
An Bäume und an Häuser,
Ist Lamii der Sclave,
Ist Ahmed Schönheitskaiser.
____________
 

Wer auf dem Festplatz Brusa's
Nur kurze Zeit zu Haus,
Der gibt für Silberleiber
Sein ganz' Vermögen aus.

Ist's Wunder, wenn zum Himmel
Die Schaukel* heut sich schwingt,
Da sie mit einem Engel,
Wie du bist, ist beschwingt,

Sey auch ein Hängenswerther
Am Hals mit einem Strick,
Sie schleudert in die Lüfte
Den Moschus vom Genick**,

Des Festes Schaukel schwingt
Empor sich wie ein Traum,
Sie trägt wie Ros' auf Händen
Des Mondgesichtes Saum,

Nun ziemt's sich, daß der Reigen
Beschäft'ge jede Hand,
Und daß die Herzen tanzen
In frohem Festgewand,

Es dreh' sich wie der Himmel
Der Erdenträger Stier,
Auf Dornenpferden reiten
Die Knospen durch's Revier,

Es finden sich Perien
Jetzt bey den Quellen*** ein,
Dort ist von Schönen Brusa's
Der liebliche Verein,

Huri und Edens Knaben
Der Engel Chöre neun,
Entweichen heut aus Eden,
Zu Brusa sich zu freu'n.

Was ist es, daß wie Hunde
Die Nebenbuhler geh'n?
Daß hinter jedem Engel
Ein Dämon ist zu seh'n?

O wär' ich wie dein Auge
Betrunken stets und wüst,
Und stillte wie Rubinen
Im Blut des Feind's Gelüst.

O gib die Hand zu küssen
Dem Lamii zum Fest,
Wo Fürst sich von dem Bettler
Die Hände küssen läßt.

* An dem Bairamfest werden Schaukeln
auf den Plätzen errichtet.
** Die Locken
*** Bunarbaschi, d.i. das Quellenhaupt,
der schönste Spaziergang von Brusa.
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Was ist es, wenn zwey Locken gaukeln,
Als wären sie zwey Festesschaukeln,

Wenn Engel sich mit Sonnenschwingen
Auf Schaukeln auf zur Sonne schwingen,

Da pflanzen Schaukeln auf die Fahnen
Zu höchst auf der Planeten Bahnen,

Das Mondgesicht am Haupt der Quellen*
Schlägt Räder wie des Meeres Wellen,

Es steigt zu des Himmels Ohr
Die Brandung ihres Lobs empor,

Die Locke fliegt nach Wangen hin,
Und küßt mit Sehnsucht Mundrubin,

Sie gibt die Lehre bey dem Feste,
Umarmet, küßt euch Liebesgäste!

Der, den's nicht freuet zu frohlocken
Bey diesem Fest mit deinen Locken,

Deß' Haupt sey selbst dem Höllenfeuer
Zu schlecht zum Fraß und nicht geheuer.

Wenn deine Hand beym Fest mir gäbe
Ein volles Glas mit: Hoch er lebe!

So würdest du mich sehen gaukeln
Vor Freude wie des Festes Schaukeln.

Was wär' es, wenn zum Festgeschenke
Von deinen Lippen Lamii tränke,

Almosen sind nun an der Reih',
Verboth der Faste ist vorbey.

* Bunarbaschi
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Einer der größten und der fruchtbarsten Dichter der Osmanen, geboren zu Brusa. Sein ganzer Nahme ist Mohammed Ben Osman Bein Ali Nakkasch. Nakkasch heißt sowohl der Maler als der Sticker, und kann hier sowohl das eine als das andere bedeuten.
Lamii studierte zuerst unter den Ulema Molla Aschwein und Elhadsch Hasansade, verließ aber bald die Laufbahn der Studien und trat in die des beschaulichen Lebens als Derwisch Nakschbendi über, war lange ein Jünger des Scheich Seid Ahmed Buchari, und saß dann selbst als Scheich zu Brusa auf dem Teppich des beschaulichen Lebens; da er sehr viele Werke Dschami's übersetzte, erhielt er den ehrenvollen Beynahmen des türkischen Dschami, den er nicht nur durch die Zahl seiner Werke, durch die vielfache Behandlung romantischer Liebesgeschichten, sondern auch als Dichter und Prosaiker durch die Fruchtbarkeit seiner Phantasie und Zierlichkeit seiner Prose verdient. Das große mystische Werk Dschami's, welches den Titel: Die Hauche der Menschheit, führt, übersetzte er unter dem Titel: Eröffnungen der Zeugenden, zur Beruhigung der Herzen der Kämpfenden. Ebenfalls übersetzte er ein zweytes, nicht minder berühmtes Werk Dschami's, nämlich: Die Zeugen des Prophetenthums, schrieb das Lob des Scheichs Weisol-Karni, den Adel des Menschen, den Roman: Die Schönheit und das Herz, welchen schon der Dichter Aschi behandelt hatte; die Beyspielschau, eine Sammlung von Erzählungen. Er schrieb einen Commentar zum Eingang des Gülistan, und commentierte die Räthsel der neun und neunzig Nahmen Gottes Mir Husein's von Nischabur, unter dem Titel: Spiegel der Nahmen.
Er hinterließ eine Sammlung von Schwänken und Scherzen, einen Streit zwischen Seele und Geist, den Frühling und Herbst, und eine Sammlung von Briefen. Diesem Dutzend prosaischer Werke schließt sich ein Dutzend poetischer an, nämlich vier große romantische Gedichte: Wamik und Asra, d.i. der Liebeglühende und die Schönheitsblühende, Weise und Ramin, dann Absal und Selman und Ferhadname, alle vier Stoffe der ältesten persischen oder vielleicht indischen Romanenwelt, denn der Nahme Wamik scheint nur eine Verstümmelung des indischen großen Dichters Balmiki, so wie Weise eine Verstümmelung des weisen Byasa zu seyn; dann den Schmetterling und das Licht und das Buch Dschabers, den Stadtaufruhr Brusa's, den Ballen und Schlägel, die sieben Gestalten, das Martyrthum Husein's, einen Diwan von Ghaselen, Kaßideten, Räthseln, Bruchstücken usw., auch Übersetzer der persischen Dichter Anßari und Fachr Dschordschani.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 22 - 23; 71; 137 - 157)