Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)


Ahmedi, d.i. der Löblichste
gest. i. J. 815 (1412)
 

Also glänzt des Liebchens Wange jede Nacht,
Daß aus Scham die Sonne sich verstecket jede Nacht,

Jeden Tag zieht an mein Aug' Rubinenpracht,
Füllet an mit Perlen selbes jede Nacht,

Weil ihr Bild verliebt im Traum die Leute macht,
Heul' ich, daß ja keiner schlafe, jede Nacht.

Ach, mit Schmerzen tödtet mich die Nacht durchwacht,
Weil das Ambrahaar am Busen ruht ihr jede Nacht,

Ahmed's Pein und seiner Liebe Heldenschlacht
Spricht die Kerz', auf einem Fuße stehend jede Nacht.
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Aus dem Iskendername

Streit der Kerze und des Schmetterlings
über Liebe und Freundschaft

Der Schmetterling sprach Abends zu der Kerze:
Ich brenne und du schweigest im Genusse,
Du bist verbunden mit dem Licht, dem Freund,
Indeß die Trennung mir die Hölle scheint.
Da sagt' die Kerze: Liebender bin ich,
Denn bis zur Morgenszeit verzehr' ich mich.
Ein einz'ges Fünkchen bringt dich in die Flucht,
Indeß ich stehe fest, trotz aller Wucht.
Die Dauer gab ich hin, nahm das Verderben,
Und warf der Seele Faden in das Feuer.
Ich bin dahingelangt, mich aufzuopfern, mich,
Dieß weißt du nicht, weil du nur kennest dich.
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Streit der Kerze mit dem Rauchfaß

Zum Rauchfaß sprach die Kerze wohl und gut:
Ich brenne auch, wie du, von Liebesgluth;
Ich brenne, wie du siehst, mich ganz zusammen,
Und werfe jede Nacht mich in die Flammen,
Ich gebe Licht, und nicht wie du, bloß Rauch;
Und dennoch dienen dir die Seelen auch.
Ich lebe, so wie du, in stetem Feuer,
Zweyhauchig nicht, und deshalb so getreuer,
Und dennoch kam mir vom Geliebten Duft,
Der aller Herzen Neigung zu dir ruft.
Da Beyde wir von gleichem Feuer brennen,
Warum kann ich nicht Wohlgeruch bekennen?
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Antwort des Rauchfasses an die Kerze

Das Rauchfaß sprach: du brennst von äuß'rem Schmerz,
Indeß von innen brennet mir das Herz.
Das Feuer hat von außen dich gekannt,
Und einen Faden* hält'st du in der Hand,
Wie Jesus einst genommen einen Faden**,
Und dieser bringet dir nothwendig Schaden.
Und weil bey mir von solchem keine Spur,
Deßhalben hauch' ich süße Düfte nur.
So lange du den Faden bey dir führst,
Du nicht genehm dem Herzensfreunde wirst,
So lang du nicht zerstörst in dir das Ich,
Kann nicht der Flamme Schein verew'gen dich.
Verzicht auf Habe, daß du freyer hauchest,
Und rette dich, indem du untertauchest,
Sey krank; es sagt der Freund dann, was dir sey,
Es gibt der Arzt dem Kranken Arzeney.
Die Aloe duftet nicht, bis sie nicht brennt,
Kein Pflaster dem, der nicht die Wunde kennt.
Wer seine Seele kennet, kennt den Schmerz,
Und wer den Schmerz nicht kennet, hat kein Herz.
Sey schmerzbegabt, um Ruhe zu ertheilen,
Damit du Seelenschmerzen mögest heilen.
Für Seelengold ist Schmerz der Probestein,
Denn durch denselben werden Herzen rein.
Durch Schmerz das Herz sich mit der Einheit eint,
Von Erde wird das Gold durch Gluth gereint.
Es fülle Schmerz mit Thränen deine Augen,
Um aus dem Kopf die Feuchtigkeit zu saugen.
Wer, wie der Himmel, frisch in grünem Flor***,
Dem öffnet sich der ew'gen Milde Thor,
Es ist der Schmerz mit seinen Thränengüssen,
Ein Eden, unter welchem Ströme fließen ****.
Der Schmerz vor vielen guten Werken geht,
Ein kaltes Ach! gilt mehr als warm' Gebeth,
Das Ach! erhebt als Wort sich aus der Brust,
Und in dem Herzen ruht der Wahrheit Lust.
Nur wer sein Herz verwüstet, wird bebauet,
Und mit der Offenbarung Licht betrauet,
Nur weil Ahmedi brennt in reiner Gluth,
Ist auch sein Wort von Hefen rein und gut.
Er ist ein Ocean voll Perlen hellen,
Er füllet an die Welt mit Wortjuwelen,
Und da sein Herz von allem Zusatz rein,
Bestraft er nicht der Tadler Spötterey'n.
Da er ein Schmerzbegabter selbst erscheint,
So wird durch ihn das Wort für's Herz gereint,
Und weil Ahmedi schmerzvoll neigt sich Ihm,
Er, der die Milde selber, Ibrahim.
Weil Er mit Schmerzbegabten Umgang pflegt,
Wird ihm der Nahme Gnäd'ger beygelegt.
O schmäh' mich nicht, daß ich mich selber lobe,
Ich preise nur das Wort in meinem Lobe.
Es liegt der Menschen Unterschied im Worte,
Das Wort ist Schmuck der beyden Weltenhorte,
Das Wort ist Stamm, die Dinge sind nur Ast;
Von Adel ist, wer diesen Stamm umfaßt,
Die Ordnung wird erhalten durch das Wort
In dieser Welt, und lebt in jener fort,
Vom Himmel kam's zur Erd' als Gnadentisch,
Als eine Gnadenflur, die grünet frisch,
Das Wunderbare wird durch's Wort gelehrt,
Und innere Bedeutung aufgeklärt.

* Den Docht
** Der Faden Jesus und die Nadel Maria's sind eine stehende Allegorie
der Mystiker, die erste auf die Sage gegründet, daß, als Jesus ins Paradies kam,
er nicht gleich eingelassen ward, weil er einen Faden mitgebracht,
d.i. von der Anhänglichkeit an alle irdischen Dinge nicht ganz rein, anlangte
*** Sersebs, grünen Hauptes
**** Im Korantexte

 

Von Siwas gebürtig, der Lobredner Mir Selman's, eines osmanischen Stammfürsten aus der Zeit Murad's I., nicht unbewandert in den mathematischen Wissenschaften, wie viele seiner Bilder und Vergleichungen zeigen, die aus der Geometrie oder Astrologie genommen sind, Verfasser des ersten türkischen Heldenbuches, nämlich des Iskendername, d.i. das Buch Alexander's, welches er aus dem persischen Nisami's übersetzte.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 90; 93-95)