Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Ishak-Tschelebi
gest. i. J. 944 (1537)
 

Im Käfig Leib verweilt der Seele Vogel nicht,
Er hat d'rin nicht Bestand.
Er fliegt nach deinem Rosenhaine, er hat nicht
Zum Wählen freye Hand,

O glaub' nicht an Versprechen, welche er am Tag'
Des Wiederseh'ns gemacht,
Wer wird denn an die Scheingemählde glauben wollen,
Geseh'n im Traum bey Nacht?

Du sagst, o Seelenvogt, es sey das beste Mittel
Der Liebe die Geduld,
Doch, wenn es an Geduld dem Liebenden gebricht,
Sag' an, wess' ist die Schuld;

Wie einem Kiel schneid' ab den Kopf dem Liebenden,
Der auf der Liebe Pfad
Vertrocknet ist wie Kiel und der auf diesem Wege
Kein Aug' voll Thränen hat.

Ich fürcht', Ishak, daß jenes schöne Götzenbild
Bey seinem Wort nicht bleibt,
Und daß es außer meinem Herz' mit and'ren
Sich Zeit und Weil' vertreibt.
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Liebkosend ging in's Bad ein Silberleib, ein schöner,
Die Lippe schwoll, es fluthete das Haar so schöner,

Von hohem Wuchs mit Locken die Fallstricke sind,
Von süßem Mund ein zarter ein anmuthig Schöner.

Das Bad war einsam und allein Perigestalt,
Ich zog zum süßen Kuß herbey den zarten Schönen,

Er tödtet tausend Liebende mit einem Blicke,
So hat vor ihm gemordet noch kein and'rer Schöner,

Du bist es, den die Stadt den Einzigen nur nennet,
Der aller Herzen Land verheert, der Schönsten Schöner.
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Wer schaut den Mundrubin, der Perlen streut,
Und meine Verse darüber,
Sogleich die Seele sich hin opfernd streut,
Mich lobend über und über,

Das Rosenheer, das Tulpen überzieht,
Auf Fluren jetzt über und über,
Sind die osman'schen Heere die bekriegen,
Rothbünde über und über.

Es darf der Liebende bereuen nicht:
Den Wein und was ihm noch lieber,
Für trunken schickt sich nicht der Tugend Kleid
Mit Bajaderen darüber,

Es gleicht deinem Mundrubin das Glas,
Das röthet über und über,
Es tragen Flaschen selbes auf dem Kopf,
Wenn es gestürzet darüber,

Der arme Ishak sey von euch beweint
Als Freund mit jeglicher Fiber,
Denn Niemand ist's, der seines Grab's gedenkt
Mit einem Steine darüber.
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Der Sohn eines Schwertfegers aus Uskub, dem Trunke und der Knabenliebe sehr ergeben. Er war Richter von Nicäa, Brusa, Adrianopel, Constantinopel, Damaskus.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 219-220)