Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Rahiki, d.i. der Weingeistige
gest. i. J. 953 (1546)
 

Königsreiter der Liebe, o Herz!
Auf den Bügeln der Seele tritt auf,
Nun sind offen die Bahnen für dich,
Trete rüstig und männlich nun auf!

Deine Thränen, o Aug', sind bekannt,
Daß sie kümmern um nichts sich im Lauf,
Komm' mit einem vollblut'gen Jungen
Ohne Scheu in die Schenke, tritt auf,

Daß ich Opfer der Brunnen geworden,
Lehret der Neumond im wachsenden Lauf,
Komm, die Finger mit Blute befleckt,
Auf der Stirne des Liebchens, tritt auf,

Durch die Herzen und Seelen verfolgen
Deine Wimpern den blut'gen Lauf.
Wenn auf meinem Gesichte du auftrittst,
In dem weinenden Auge tritt auf,

Deiner Augen Bewunderer bin ich Schenke,
Hole vom dunklen Boden mich auf,
Meine Seele den Freunden zum Besten,
Tritt mit Bechern voll Weines, tritt auf,

Frommer! wenn's dich gelüstet Freunden
Liebetrunken zu enden den Lauf,
Wirf den Becher des Rufes zum Boden,
Tritt mit beyden Füßen darauf,

Du Rahiki, du kennest die Liebe,
Kennst der Wogen anstürmenden Lauf,
Laß durch Tropfen dich nimmer beirren,
Nur auf Wogen des Meeres tritt auf.
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Es fliegt mein Herz aus Lust des Freundes auf,
Und streut als Papagey nur Zucker aus,

Durch Klagen mach' ich mein Geheimniß kund,
Im Rosenbeet klagt Nachtigallenmund,

Gäb ich die Welt, er gäbe mich nicht auf,
Als Waare ist Genuß im hohen Werth,

Lad' ich zum Feste die Peri, den Diw,
Dieß Menschenkind, so schaut es mich nicht an,

Rahiki gilt zwar für den Arzt der Welt,
Wiewohl ihn oft die Krankheit selbst befällt.
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Sonst Sinan-Tschelebi, ein Janitschare aus Constantinopel, der beym Aufstande unter Mustafaaga seinen Sold verlor und eine Spezereybude öffnete, später Sorbetverkäufer ward, und seinen Nahmen entweder von der Art Scherbets, welche diesen Nahmen trägt, oder auch von seiner Liebe zum Trunke, indem Rahiki den reinsten Wein bedeutet, erhielt.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 248-249)