Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Aarifi, d.i. der Kundige
gest. i. J. 959 (1551)
 

Eiserne Käficht' sind für den Vogel des Herzens die Pfeile
Deiner Wimpern, o Freund! hauchend wie Jesus gehaucht.

Karawanen gar viel sind gepilgert zur Kaaba des Gaues,
Ohne die Spur des Kamehls, ohne das Glockengeläut,

Während Wang' und Wuchs noch blühen im Garten der Erde,
Hoff' ich nicht auf Cypress', wünsche die Rose mir nicht.

Zu der Cypresse Fuß sind hingeströmet die Thränen,
So daß Euphrat hier, dort der Araxes geströmt,

Aarifi's Kibla bist du für Recht, und Wahrheit und Glauben,
Laß' den Aarifi nimmer ungläubig, o Gott.

 

Aus Constantinopel, ein berühmter Schönschreiber. Als Ibrahimpascha, der Günstling Suleiman's, nach Ägypten zog, überbrachte er ihm eine Kaßidet aus dem Buchstaben L, wofür er in Anatoli die Stelle eines Teskeredschi der Fermane erhielt; ob eines Zankes mit seinem Desterdar ward er abgesetzt, und all sein Habe verkauft. Er zog sich nach Ägypten zurück, wo er Buße that, und sich dem beschaulichen Leben ergab; zu dieser Zeit dichtete er mystische Verse, wie die beyden folgenden:

Thu' auf die Augen, denn du bist die große Welt,
Der Gegenstand, auf den des Himmels Auge fällt.

Des Kund'gen Auge schaut, wenn es auf Dingen ruht,
Dieselben als gemalet auf dem Plan der Fluth.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 263)