Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Chiali, d.i. der Phantastische
gest. i. J. 964 (1556)
 

Auf dem Markte der Liebe
ist wahrer Liebender jener,
Dem von des Himmels Lazur
einziges Steinchen genügt.
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Die Liebe ist ein göttlich' Licht,
Ich bin sein Schmetterling,
So Sehnsucht eine Kette ist,
Die mich als Narren fing.
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Nimmer kam in die Hand Medschnun's
der Faden des Wunsches,
Leila's Halfter war leider!
in anderer Hand.
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Deine reine Liebe ist
Körpern heil'ger Geist,
Und dein trunk'nes Auge ist
Glückes Lebensgeist.
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Keinen Schritt von deiner Thüre
Wird Verliebter sich entfernen,
Wenn ihn Gabriel auch führe
In des Himmels Fernen.
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Chiali, wer ohne Sorgen
Trinkt vom Herzensblut,
Wünschet sich aus Chiser's Hand
Nicht den Quell des Lebens.
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Wie kann mit deinen Wangen
Die Sonne ich vergleichen,
Du bist das Licht von Himmelsreichen,
Sie bleibet auf der Erde hangen.
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Ein wunderbares Liebchen bist du Kerzenlicht,
Das lacht und weint, wenn Schmetterling aushaucht sein Licht.
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Der Spiegel, den das Liebchen nimmt an ihre Brust,
Er ist Jusuf, umschlungen von Suleicha's Lust.
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Aus Jenidsche Wardar gebürtig, kam er als ein Kalender des Ordens Baba Ali des Betrunkenen nach Constantinopel, und fand durch den Schutz des Defterdars Iskender-Tschelebi beym Großwesire Ibrahim Pascha gute Aufnahme.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 277-278)