Elisabeth Paulsen (1879-1951) - Liebesgedichte

 




Elisabeth Paulsen
(1879-1951)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Ich habe deine Sehnsucht nie gekannt.
Ich ging nach dir bewußtlos unterm Winde.
Es war mein Segel eine letzte Binde
aus Raum und Zeit.

Ich habe dich im Traum gesehen
wie du mich.
Was wissen wir denn von den grauen
Schlafsträhnen?
Was vom blauen
Sonnenhaar?

Ich fühlte immer, wunderbar
und einsam war es zwischen meinen, deinen Tagen.
Ich wagte nie, nach Dingen laut zu fragen,
die ich alleine sah, als wären sie.
(S. 15)
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In dieser stillen Stunde ist mein Herz bei dir:
mein stilles Herz in meiner deinen Stunde.
Es blüht um dich aus einer großen Wunde
sein ganzes Leben strahlenförmig aus.

Du wußtest es, als du die Rosen schnittst,
abschnittst am Auge; mit dem harten Schnitt
entglitt dein Messer
in die allerreichste Wunde:

Wunde an Wunde, Aug an Auge rann,
die Rosenaugen, unterm Herzen Kinder:
Was ist denn um sie anders als der Wind
als deine Liebe?

Bind
mir keinen Strauß
von Wundenblumen, blüht
auch jede Wunde tausend Blumen aus,
mir soll
ein unverletzter Rosenbaum genügen.

In dieser Stunde, wo mein Herz bei dir:
mein stilles Herz in dieser, deiner Stunde,
da binde ich die frischgeschnittne Wunde
so fest zusammen
wie nie einen Strauß.
(S. 18)
_____



An J.

Du kamst in deiner feierlichen Schönheit:
Gold und Braun.
Auf deinem Weg lag Farbe, Stimme, Chor.
Ich trat in dich hinein wie in das Tor
des Münsters.

Die Verkündigung
verlas ein Kardinal in Violett.
Er stand auf einem Teppich,
ganz bedeckt
mit Veilchen.

Die Sonnenblume meines Anschauns wuchs,
entwuchs dem Raum
und trug mich aus der Zeit.
Dies alles war ja nur dein Kleid,
noch nicht du selbst.

Und wenn ich auch das viele Gelb
zu sehr geliebt, zu sehr bewundert habe,
ich schritt doch selig auf dem Weg zur Gnade
zum innern Schrein.
(S. 20)
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Memoriam. An K. T.

Die verwöhnten Hände, die du liebtest
und nur faßtest, um sie loszulassen,
diese Hände sind jetzt bei den blassen
Schatten.

Rosen hielten sie und die Kristalle,
die das Fest mit Rot und Gelb bemalen,
und in ihnen klangen alle Schalen
wie beim Sprung.

Und es klangen alle Tasten voller,
wie gebräunt von dieser Hände Sonnen.
Herz und Ohren wurden eingesponnen
in ihr Gold.

Warum hieltst du deinen Mund, der glühte,
feig zurück von den geliebten Händen?
Warum griffst du nicht nach ihnen, als beim Notenwenden
deine Sehnsucht schrie?
(S. 50)
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Du lachst in mir, du weinst, du lebst in mir.
Was also kann mein Mund dir sagen?
Daß Leib und Seele so untrennbar mir,
daß ich, getrennt von dir, nichts kann als klagen.
(S. 63)
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Deine Augen sprechen mit den Händen.
Aus den allertiefsten Sinnen senden
sie zu deinen Händen Runen hin,

die sie strahlend machen, sie zu Frauen machen,
die noch eben Jungfrau waren, mit den Haaren
jüngster Kinder.

Deine Hände, die so tief verschlossen sind,
wie der Priester nach der Beichte,
sind wie unerreichte
Absolution.

Deine Hände sprechen mit den Augen
von den Bomben, die die Welt aufsaugen.
Jeder Fingerreif zerspringt.

Wenn ich mich in deine Hände lege,
ist noch Platz für mich, noch neben
jener Welt in deinen Augen.
(S. 64)
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Einer weiß um mich.
Er ist in meinem Herzen gewesen
und hat die Inschriften
seiner Wände gelesen.

Er deutete mir
die Hieroglyphen:
Wage und Fisch und Dreieck und Baum.
Er sagte: mein Herz wäre seine Pyramide
und er schliefe in ihr
seinen Pharaonentraum.
(S. 65)
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Herbstzeitlose

Du, den ich um Mitternacht
ebenso froh wie mittags erwarte,
du kommst nicht zu spät,
weil ich viele Jahre vergebens harrte.

War das Kind nicht jung,
das Sarah Abram gebar?
Zählte da Gott
ihre Tage?

Blüht die Herbstzeitlose,
die zuletzt blüht, vergebens?
Reiße aus deiner Seele
die Zeit messende Furcht.
(S. 66)
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Ich rief nach dir, als du gegangen warst,
ohne Stimme,
aber umbraust
von Sehnsucht.

Wind nahm den Ruf auf
und schleuderte ihn durch den Raum.
Jedes Kleides Saum
rauschte ihn.

Und es schrieb ihn jeder Vogel Flügel
an den Himmel über allen Ländern
und aus jedem Halse schrie
meine Stimme,
heimwärts dich zu wenden.
(S. 73)
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Die vielen Lichter sind wie meine Kinder.
Ich würde meine Tochter Kerze nennen,
denn alle Namen, die wir Menschen finden,
dürften nicht kalt sein, sondern müßten brennen.

Aus ihnen müßte unsre Liebe brennen
oder die Ungeduld um das Ersehnte.
Ich möchte, daß sie dich sofort erkennen
an meiner Sehnsucht, die sich täglich mehrte.
(S. 75)
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Ich wollte irgend Einen Groß verehren
aus banger Kinderzeit erwacht.
Da tauchtest du aus meinen dunklen Meeren,
da ließ ich mir zu Weihnacht nichts bescheeren,
als mit Dir Eine Liebesnacht.

Nun will ich deine Augen tags erkennen
und aus der Tiefe in die Helle steigen,
und alle Dinge, die nicht zu benennen,
schreib ich in meiner Muttersprache
Dir zu eigen.
(S. 84)
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In dieser Stunde, wo die Herzen schlafen,
ist mein Herz hellwach, wie bei Sonnenschein.
Es segelt dir entgegen aus dem Hafen
der Nacht. Der Sturm schlief ein,

als wäre alles, auch das Meer der Träume,
dein naher Arm, der immer nach mir greift,
als wären selbst die goldnen Weidenbäume
nur schön bewegt, weil sie dein Atem streift.

Mein Herz hört deins in dieser tiefen Stunde,
wo mich kein andrer Herzschlag stört
und ein Berühren mit dem Munde
nicht mehr zu unserm Kuß gehört.
(S. 90)
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Ährenliebe

Ich will dir jetzt im Frühlingswind
von meiner Ährenliebe sprechen.
Im Ährenwalde ging ich schon als Kind
sehr leicht, um keinen Halm zu brechen.

Lichter und Schwerter, jungfräulich und hart,
so glichen sie dem Wesen, das ich liebte,
und hingerissen war ich, wenn der Wind
mit ihnen seine Festchoräle übte.

Sahst du einmal die übersonnten Wogen?
Mehr Bild als Ton, mehr Anschauung als Lauschen.
Ein zartes Raunen in dem großen Rauschen:
Die Bienenkönigin besucht den Mohn.

Daß ich so feierlich durch diesen Ährenwald
zuschritt auf dich, Geliebter, war ein Spiel.
Ich wußte wohl, wie sehr ich dir gefiel,
das goldne Kornfeld zwischen dir und mir.
(S. 92)
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Dies will ich dir gestehn: Ich bin
die Flüchtende. Ich fliehe auch vor dir.
Du lächelst wohl, als hätte es nicht Sinn,
denn was du liebst, das ist für dich noch: wir.

Ich kann nicht teilen. Eh ich: Du gelernt
und Hände fassen, wurden sie längst kalt.
Ich bin in jeder Nähe noch entfernt
und unwegsamer als ein dichter Wald.
(S. 93)
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Ich weiß nicht, ob mein Herz mich so verläßt,
wie Duft die Blume,
daß ich in mir bin
und außer mir.

Dann würdest du, geflügelt wie du bist,
Herz - das ich wäre -
mit dem Flügelpaar streifend umkreisen,
wie der Falter tut,
und tief begreifen,
daß mein Fleisch und Blut zusammen duften.

Die Verwandlung dieses Leibes
ist so süß,
daß eine Bienenkönigin
durch sie nur herrscht.
(S. 94)
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Farben

Einer muß sein, der alle Farben spielt,
Wie du die Geige, schrill und süß und herbe.
Grün beherrscht und schwarz und weiß.
Die Letzten sind, du weißt es wohl,
ganz unmelodisch und wie öde Ohren,
die nicht hören können.

Das Passionate, blutigrot wie Herz,
brennt Sonne lodernd. Und im Sprung
streifen die Paare an die Flammen.
Haar versengt. Die Hand der Braut
trägt ein schmerzendes Mal.

Im Blau sind alle Sehnsüchte verborgen,
Sommer, Winter, deiner Kindheit wachsendes Wissen,
deiner Jugend wachsender Leib.
Schön spielt Jener die Farben
auf der uralten Geige Welt.

Auf ihren braunen bröckelnden Schooß
hat er die herrliche Hand gelegt,
die das Adagio seines Liedes
über den Regenbogen trägt.
(S. 96)
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Ich brannte mich an dir und sprach:
Glüh nicht so sehr.
Ich bin ein Glas, das springt.
Doch sprach ich, dieses Glühen in dir singt
auf meinem Rand.

Es ist wie in der Kindheit, wo wir lang
mit feuchten Fingern um das Glasrund kreisten,
bis sich die Ränder wärmten und zuerst sehr leise
Töne klangen.

Ich hab mein Herz an deiner Stirn verbrannt
und muß sie immer wieder neu berühren,
als könnte ich auf ihrem steilen Rand
mein Leben, tönend, schwingend, weiterführen.
(S. 99)
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Sternjahr

Ich will in dein Herz Sterne säen.
Milchstraßensterne vom Himmelspfad,
und es soll sein wie im Schneewehn,
daß kein Fuß eine Spur hat.

Und dein Herz soll der einzige Sterngarten sein,
mit wilderem Duft als von Rosen im Tau.
Es soll immer wie um Weihnachten schnein,
und zugleich Hochsommer sein, heiß und tiefblau.

Keiner erinnert, daß es jemals so war,
so goldflüssig und silberflimmernd umher.
Alle staunen: Welch Sternenjahr:
aber es kommen Tausend und mehr.
(S. 102)
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Aus: Leben sagenhaft Dichtungen Elisabeth Fuhrmann
Folkwang-Verlag Hagen i. W. 1920
 


Biographie:

Elisabeth Paulsen – Wikipedia
 

 

 


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