Marie von Plessen (1783-1851) - Liebesgedichte

 



Marie von Plessen
(1783-1851)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Italienische Liebe

Für Dich hab' ich den Schöpfer abgeschworen,
Umsonst für mich floß des Erlösers Blut;
Für Dich hab' ich die Seligkeit verloren,
Und meine Hoffnung ist - des Abgrunds Gluth.

Mein bleibst Du! mein! noch in den dunklen Klüften,
Wo der Verdammten Weheruf ertönt;
Auch dann noch mein, erscheint in jenen Lüften
Jehova's Sohn mit Ewigkeit gekrönt.

Und wollt' er mich barmherzig von Dir trennen,
Dein bin ich, will des Mittlers Gnade nicht;
Für Dich will ich in ew'ger Liebe brennen,
Ob Jammer hier und dort das Herz mir bricht.

In dieser Welt von Deinem Arm umschlungen,
Mit jener Pein durch Deinen Kuß versöhnt,
So hab' ich eine Seligkeit errungen,
Die selbst der Hölle Qualen mir verschönt.
(S. 6-7)
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Die Liebste

In einsamer Nacht
Mein Liebster hält Wacht.
Es hüpfet ein Irrlicht vergnügt um ihn her,
Das wiegte sich gern auf den blinkenden Speer.

Die Wolken ziehn
Im Sturme dahin.
Was zuckt durch die Wolken gleich Blitzesschein?
Das werden des Liebsten Augen wohl sein.

Es starret in Blut
Der Locken Fluth.
O ihr, einst so klar und so glänzend wie Gold,
Euch hab' ich viel brennende Thränen gezollt.

In einsamer Nacht
Der Liebste hält Wacht.
Sein Leben er kämpfend für Fremde gab,
Die rauschende Weichsel bedecket sein Grab.
(S. 44-45)
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Lyda

Lyda, die Schöne, wandelt im Garten,
Sie will der Rosen, der Nelken warten,
Sie schaut sie mit freundlichen Aeugelein an,
"Euch", spricht sie, "lächle ich, doch keinem Mann.

Liebliche Schwestern, euch klag' ich mein Leiden,
Ach könnt' ich die Männer doch ewig vermeiden,
Denn sprecht, wißt ihr Einen, der schön genug
Und reich ist und vornehm, und jung und klug?"

Aufmerksam die Blumen der Rede lauschen,
Da sieht sie, da hört sie den Rosenstock rauschen;
Hervor springt ein kleiner verwachsener Mann,
Der sieht sie mit funkelnden Aeugelein an,

Und spricht mit hochmüthig lächelnden Mienen:
Mit solch einem Freier kann ich Dir dienen;
Komm mit mir, dort unten liegt prächtig mein Land,
Bin Gundelchen, König der Zwerge genannt.

Da faßt er die Arme und reißt sie mit Hast
Herab in seinen goldnen Pallast!
Wie that es so kläglich, das reizende Kind,
Es weinte die strahlenden Aeuglein fast blind.

Mitleidig sprach Gundel: "was soll denn der Schmerz,
Sieh mich an, Du Holde, das tröste Dein Herz.
Erfreut Dich denn nicht mein Anblick so fein?
Man nannte mich immer das Engelein.

Sprich, duftet mein Haar nicht gleich gelben Ranunkeln,
Das einzige Auge erglänzet im Dunkeln,
Und hat sie Dir nicht aus der Ferne geschienen,
Die brennende Nase, besetzt mit Rubinen.

Drum nimm gleich Vernunft an, warum Dich betrüben?
Dein Gundel erlaubt Dir, ihn ewig zu lieben;
Sei fröhlich, ich bleibe Dir gnädig gesinnt,
Nimm hin dieses Ringlein, Du liebliches Kind."

Und kaum hat die Aermste das Ringlein bekommen,
Da ist ihr auch jegliche Schönheit entnommen,
Es funkelt grasgrün ihr Augenpaar
Und borstig umsteht ihr das röthliche Haar.

Die Lilienhaut gleichet dem gelben Wachse,
Die Taille Esopen, die Füße dem Dachse;
So giebt sie sich gerne dem Gundelchen hin,
Und wird des Zwergenreichs Königin.
(S. 54-56)
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Sie und Er

Sie
O hättest Du mein Herz, mein Herz gekannt
Das nur für Dich, für Dich allein entbrannt,
Du wärest mir getreu, getreu geblieben,
Geh nun zu Andern hin mit Deinem Lieben.


Er
Du hast mich stets mit Spott, mit Spott behandelt,
Du hast die Lieb', die Lieb' in Haß verwandelt.
Nun mag ich, mag ich gern zu Andern geh'n,
Und doch scheint Keine mir wie Du so schön.
(S. 57)
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Rose und Nachtigall

Zur Rose sprach die Nachtigall:
"Ich liebe dich allein,
Und meiner Lieder süßen Schall
Will ich dir Holde weih'n."

Die Rose sprach: "mir lacht die Au,
Mir strahlt der Sonne Licht,
Mit Perlen schmückt mich Morgenthau,
Für Einen blüh' ich nicht."

Und Boulboul haucht ein leises Ach!
Der Schmerz die Brust durchzieht.
Die Rose schaut ihr spottend nach,
Da sie von hinnen flieht.

Die Nacht mit tausend Augen kam,
Sie ruht' auf kühlem Moos;
Sie barg des kleinen Sängers Gram
In ihrem dunkeln Schooß.

Die Nacht entweicht, der Morgen tagt,
Da nah't der Rose Hort!
Die Rose blüht in eitler Pracht,
Und scheucht den Sänger fort.

Bald tönt sein Lied durch Wald und Thal,
Daß Hain und Flur erglüht.
Die Rose steht im Morgenstrahl,
Vergessen und verblüht.
(S. 123-124)
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Aus: Gedichte von Maria von Plessen geb. von Fick
Zweite, unveränderte Ausgabe
Schwerin 1847
Verlag der C. Kürschner'schen Buchhandlung (M. Marcus)

 


Biographie:

Marie Sophie Christiane von Plessen, geb. von Fick (19. August 1783, Göhren bei Parchim – 8. Dezember 1851)
Marie (Maria als Pseudonym) von Plessen war eine deutsche Dichterin und Schriftstellerin.
Sie wurde als Tochter des Gutbesitzers Joh. Chn. von Pick 1783 auf Göhren in Mecklenburg-Schwerin geboren.

Werke:
Schneeglöckchen (Erzählungen 1819)
Edmund und Blanka und Anastasia und Irmgard (1824)
Elfrida von England und Edward der Märtyrer (hist. Roman 1824)
Gedichte (1840); Gedichte (1847)
 


 

 


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