Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Alexander John White (1856-1915)
 Junge Frau im grünen Kleid



Emil Claar
(1842-1930)

Ich liebte dich

Ich liebte dich, drum kaum beachtet
Verrann der Lenz. - Kühl ist die Welt.
Nun kommt der Herbst - mir scheint es nachtet
Auf jedem Weg - der Nebel fällt.

Ich liebte dich - drum hast du selber
Verdreifacht meines Herzens Not. -
Die Blätter werden immer gelber,
Nun kommt der Herbst - nun kommt der Tod.
(S. 335)
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Im Vorübergehen

Es hing eine Blüte am Baum,
So lose, so leise!
Es kam der Wind und streifte sie kaum,
Und nahm sie mit auf die Reise.

Dir hing ein Kuß am Mund,
Ich nahm ihn vermessen.
Er wurzelte in keinem Grund,
Wirst ihn, wie ich vergessen!
(S. 335)
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Mir summt im Herzen ein leises Lied

Mir summt im Herzen ein leises Lied,
Ich wag' es nicht zu beginnen,
Es ist zu traurig.

Und ein Gedanke mich durchzieht,
Ich wag' nicht ihm nachzusinnen,
Er ist zu schaurig.

Eine plötzliche Ahnung jedoch,
Die möchte wissen:
Ich werde beides noch
Erleben müssen!
(S. 336)
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Eine Erinnerung

Still war das Dorf, und längst verklungen
Der Schmiede letzter Hammerschlag.
Wir hatten Hand in Hand geschlungen
Und schauten niedergehn den Tag.

Du sahst hinüber in das Blinken
Der Sonne auf dem Kirchendach,
Ich aber sah die Thräne sinken,
Die stumm aus deinem Auge brach.

Wir trugen unsre Schmerzgeschichten
So Hand in Hand. - Der Tag war fort,
Da starrten wir ins Laub der Fichten,
Und sprachen beide nicht ein Wort.
(S. 336)
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Du schläfst

Von Sommerhauch umsponnen schliefst du ein,
Und schläfst und schläfst - so fest, so tief, so lange!
Ich aber säume still und harre dein -
Nach deinem offnen Auge ist mir bange!

Verstummen lagert auf dem Garten rings,
Zuweilen flüstern nur die Reben-Ranken
Zum leisen Fluge eines Schmetterlings -
Und du bist fern mit Sinnen und Gedanken!

Ich bin mit dir und doch in Einsamkeit.
Verschweigst du mir ein Weh zu dieser Stunde?
Wie unerträglich schleicht dahin die Zeit -
Wie lechz' ich schon nach deinem wachen Munde!

Mir ist, als säh' ich eine fremde Welt
Sich schattenhaft um deine Wimpern legen,
Bist du noch mein? - Ein Zittern mich befällt,
Ob böse Träume nicht dein Herz bewegen!

O könnt' ich doch gebieten deinem Traum,
Daß er durch keine Sorge dich erschrecke!
Mir ist, als rührte dich mit dunklem Saum
Des Todes Schleier, wenn ich dich nicht wecke. -
(S. 336-337)
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Aus: Neuere Deutsche Lyrik
Ausgewählt und herausgegeben von Carl Busse
Mit einer litterar-historischen Einleitung
Halle a. d. S. Verlag von Otto Hendel 1895


 

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