Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Felix Vallotton (1865-1925)
The Lie



Arthur Schnitzler
(1862-1931)


Ohnmacht

In neuen Worten, tiefen, sehnsuchtsbangen,
Wie du sie nie gehört, möcht' ich dir nahn.
Mit neuen Küssen möcht' ich dich umfangen,
Dich neue Gluten lehren, bessern Wahn.

Ich möchte dich in Seligkeiten hüllen,
Darin dich ungeahnter Schauer faßt,
Ich möchte dich mit tiefem Leid erfüllen,
Wie du's von Keinem noch erlitten hast -

Und kann es nicht! Dasselbe bleibt es immer,
Es ist im Wort derselbe irre Klang,
Im Aug' derselbe liebesfeuchte Schimmer,
Die gleichen Bitten sind's, der gleiche Dank.

Und wenn mein Arm den Nacken dir umwindet,
Irrt er der Spur vergangner Nächte nach,
Und wenn mein Mund den deinen bebend findet,
Küßt er ihm kaum vergessne Küsse wach.

Und in den reichsten Stunden, liebesüßen,
Umschwelgt uns trunkener Erinnrung Bann;
Aus meinem Lächeln und aus meinem Grüßen
Schaut ein Gewesnes dich vertraulich an.

Und wenn ich mit dem Blick des Hohns dich quäle,
Seh' ich im Aug' dir ein Gedenken glühn,
Und was ich löschen will aus deiner Seele,
In hellern Farben lass' ich dir's erblühn.

Und wenn ich mich gemartert von dir wende,
Spielt um die Lippen dir ein müder Zug -
Der lächelt stumm: Ich kenn' ja auch das Ende,
Wie's immer kommt - mit Ekel und Betrug.
(S. 395-396)
_____


Wie wir so still ...

Wie wir so still an einem Tische saßen,
Als hätten wir uns früher nie gesehn,
Und ganz geruhig unsern Spargel aßen,
Als wäre gar nichts zwischen uns geschehn,

Und wie sie mir - als wenn ich es nicht wüßte! -
Im Flüsterton erzählten, wer du bist,
Und ich zum Abschied dir das Händchen küßte,
Als hätt' ich deinen Nacken nie geküßt ..!
(S. 396)
_____


Anfang vom Ende

Daß all' das Schöne nun längst zu Ende,
Wie könntest du's verstehn?
Ich hab' ja die lieben, süßen Hände
Geküßt beim Kommen und Gehn;

Und hab' in deinem dämmrigen Zimmer
Mit dir gekost und gelacht -
Und hab' auch geplaudert mit dir wie immer
Bis spät, bis spät in die Nacht.

Im Heimgehn wieder, durch stille Gassen,
Schlich's über mich so bang,
Wie ich mein armes Mädel verlassen,
So lange schon! ach wie lang!

Doch, daß ich so einsam von dir gegangen,
Wie käm's dir denn zu Sinn,
Und daß ich, von deinem Arm umfangen,
So endlos fern dir bin!

Ich will ja morgen wieder kommen
Mit lächelndem Gesicht;
Und daß ich längst Abschied von dir genommen,
Mein Mädel, - Du weißt's ja nicht ...
(S. 396-397)
_____

Aus: Die Deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts
Eine poetische Revue zusammengestellt
von Theodor von Sosnosky
Stuttgart J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger 1901



 

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