Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Marie Bashkirtseff (1858-1884)
 Junge Frau mit Hut und blauer Feder



Franz Xaver Seidl
(1845-1892)


Wie grüß' ich recht Dich, Muse meiner Tage,
Die mich durch's Leben treu geleitet hat,
Die mir in Nächten oft der schwersten Klage
Den Glanz der Tröstung froh bereitet hat.
O wolle Deine Flügel um mich spannen,
Arm wär' dies Dasein, zögest Du von dannen.

Das reinste Glück, vom Himmel selber droben,
Den Strahl des Friedens hast Du mir gebracht,
Mit Frühlingsschauern Lust und Leid umwoben,
Die Fremde traut, die Heimat froh gemacht.
So oft Dein Hauch nur nahe mir getreten,
Fühlt' es mein Herz wie andachtsvolles Beten.

Wie dank' ich Dir, dem Schutzgeist meines Lebens,
Für alle Huld, die mir Dein Kuß erschloß? -
Ich weiß es! Ach tiefinnersten Erbebens
Erkenn' ich's wieder, was mein Herz durchfloß,
Seit sie auf meinen Weg mir durft' erscheinen:
Mit ihrem Namen nenn' ich Dich, dem reinen.

Wohl unvergänglich sind die hohen Wonnen,
Mit denen Du beseligt mich so reich.
Sie dauern fort, ob Jahr um Jahr verronnen,
Und ihrer Herrlichkeit kommt eins nur gleich,
Dir, Genius, brauch' ich's nimmer zu verschweigen:
Das Heil des jungen Glücks, seit sie mein eigen.

Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 744-745)
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Nach manchen Tages ruhelosem Ringen
Mich zu Dir flüchten, was mich quält, Dir sagen,
Mit Dir zu jubeln und mit Dir zu klagen,
Mit Deinen Küssen meinen Schmerz bezwingen;

Oder allein in stiller Kammer singen
Von Deiner Liebe und von gold'nen Tagen;
Mein Herz auf Sehnsuchtsflügeln zu Dir tragen
Und tausend Grüße Dir im Lied zu bringen:

Das war mein Glück! Am ganzen Erdenrunde
Hab' ich kein schöneres jemals besessen,
Als das Genießen mancher solchen Stunde.

Das macht mich stolz, das macht mich selbst vermessen,
Denn auch mit des Verlustes herber Wunde
Bleibt eins gewiß: Du kannst mich nicht vergessen!


Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 745)
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O denkst Du noch daran? - Es rauschte fern das Meer,
Ein weicher Hauch ging durch die Pinien um uns her,
Am Himmel glänzten Millionen Sterne.
Ein süßer Abend war's, wir waren beid' allein,
So saßen glücklich wir im holden Dämmerschein
Und jeder bange Traum erschien uns ferne.

O denkst Du noch daran? - Allmählich kam die Nacht,
Der zarte Duft ringsum, die märchenstille Pracht
Und Deine Anmut hat den Bann gebrochen.
Vom Herzen löst' sich leis, was wir schon längst gewußt
Und das Geheimnis rang sich endlich aus der Brust,
Das sel'ge Wort blieb nicht mehr ungesprochen.

O denkst Du noch daran? - Das Lied ist viel zu arm,
Mein Glück zu schildern, das von Deinen Wangen warm
Mir quoll, wie Du erfüllt von süßem Beben;
Ich küßte Deinen Leib, die Locken Deines Haar's,
Wir waren beid' allein, ein süßer Abend war's
Und süß die Lust, die Deine Lieb' gegeben.


Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 747-748)
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Vor deinem Garten bin ich heut' gegangen,
Dahin ist all' sein Schmuck, sein holdes Prangen,
Die Blumen senken traurig drin ihr Haupt,
Der rauhe Herbstwind hat den Baum entlaubt.

Ich suchte dich, wo zur gewohnten Stunde
Ein Gruß mir ward aus deinem lieben Munde;
Verödet war der Platz und trüb' und leer,
Ich suchte dich, - ich fand dich nimmermehr.

Da streut der Herbstwind aus der kleinen Laube
Ein letztes grünes Blatt mir zu. Ich glaube,
Es klang dazu ein Gruß von dir im Wind
Aus weiter Ferne her, verlass'nes Kind.

O hoffe nur! Es wird auf dieser Erden
Noch deinem liebsten Wunsch Erfüllung werden,
Gewiß noch streut das Glück in holder Gnad'
Dir Blüten, frische Blüten auf den Pfad.


Aus: Heidenröslein Lieder von Liebeslust und Frühlingsfreud'
Gesammelt von Dr. Karl Zettel
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart Druck und Verlag von Greiner & Pfeiffer 1887 (S. 53)

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Dein gedenke ich

Fern von des Südens warmen Borden
Kommt nun die Schwalbe wieder heim;
Grün ist aufs neu' der Wald geworden,
Und alle Rosen steh'n im Keim.

Es rauschet leis' in deinem Garten,
Die duft'ge Linde strömt dir's zu:
"O laß den Freund nicht länger warten,
Denn Leid und Sehnsucht kennst auch du!"

Da kommt ein kleines Blatt herüber,
Worauf du süße Worte schriebst,
Und selig pocht mein Herz darüber,
Daß du so echt, so treu mich liebst.

Da fühl' ich, daß wir doch beisammen,
Trotz aller Trennung Leid und Macht,
Und mit dem süßesten der Namen
Gedenk' ich deiner Tag und Nacht.

Aus: Heidenröslein Lieder von Liebeslust und Frühlingsfreud'
Gesammelt von Dr. Karl Zettel
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart Druck und Verlag von Greiner & Pfeiffer 1887 (S. 97)

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Späte Rosen

Hat auch dein Herz in manchen Dingen
Umsonst gehofft, umsonst geglaubt:
Getrost! die Zeit wird Rosen bringen,
Die dir kein Wintersturm mehr raubt.

Halt nur am Glauben fest, am frommen!
Es muß ein Lenz doch einmal blüh'n,
Und seine Rosen werden kommen,
Siehst du nimmer auch erglüh'n.

Der Frühling bringt sie jedem Jahre
Und legt sie in der Zeiten Lauf
Dereinst gewuß auf deine Bahre;
Dann blüh'n sie aus dem Grab dir auf.


Aus: Heidenröslein Lieder von Liebeslust und Frühlingsfreud'
Gesammelt von Dr. Karl Zettel
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart Druck und Verlag von Greiner & Pfeiffer 1887 (S. 99)

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