Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Thomas Eakins (1844-1916)
 Clara Mather



Adolf Wilbrandt
(1837-1911)


Die Enthüllung

Da war es, Herz, als wir im Dunkeln saßen
- Da lang die Brust schon ihr Geheimnis trug -
Und bei des Busens Klopfen wir vergaßen,
Wie laut der Regen an die Fenster schlug:
Du saßest stumm, verstohlen bebtest Du,
Indes der Donner aus der Ferne sprach;
Ich aber zog die zagen Lippen zu,
Auf denen zögernd mein Geheimnis lag.

Da fuhr der Blitz ob unser'm Haupt hernieder -
Es flog zu mir der Augen scheuer Strahl,
In meiner Hand die Deine fühlt' ich wieder
Und Lipp' an Lippe lag zum ersten Mal ...
Dein Groll zerschmolz in dieser Himmelsglut,
In Thränen küssend hast Du mir gelacht
Und was Dir dunkel in der Brust geruht,
Fuhr wie ein Blitzstrahl flammend durch die Nacht!


Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 804-805)
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Was uns blieb

Als - St. Johanni war's - des Priesters Hand
Am Tag der Myrthen, Liebste, uns verband,
O Stern der Liebe, mir zu Häupten Du -
So dacht' ich - schließ' Dein goldnes Aug' nicht zu,
Wenn um uns her des Lebens Wolke steigt,
Die Sorge raunt, das Lied der Jugend schweigt,
Wenn Tag um Tag am grauen Faden spinnt,
Im scharfen Licht des Morgens Traum zerrinnt!
O holdes Leben, bleib' wie ein Gedicht,
O Stern der Liebe, Du versink' uns nicht! ...
Nun, da des Todes eisige Priesterhand
Uns am Altar der Schmerzen neu verband,
Der Klagewind vom jungen Grabe weht,
Ein Marmorstein ob unsren Freuden steht,
Das Glück, das unser Doppelherz genoß,
Im letzten Seufzer wie ein Traum zerfloß:
Du starrst, Du weinst! - doch so vom Gram geschmückt
Dich sehen, ach, ich fühl' mich noch beglückt!
 Dein Lächeln liebt' ich, lieb' nunmehr den Gram,
Der mir will geben, was der Tod uns nahm -
Dich gibt er ganz mir, gibt mich ganz Dir hin:
Soll ich nicht sagen, daß ich glücklich bin?
Im tiefsten Weh ertönt's mir wie Gedicht:
Strahlt hoch herab der Stern der Liebe nicht?


Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 805-806)
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Mädchenwunsch

Du weißt, o lieber Gott, wie ich ihn möchte,
Den Einen, den ich lieben soll!
Nicht weichlich zahm - nicht daß ich daran dächte -
Doch immer sanft und immer liebevoll!
Schön - doch ein Mann!
Und fleißig - doch nicht ganz in seinen Fleiß vergraben;
Und weise, wie man's nur begehren kann -
Doch nicht zu ernst, nicht zu erhaben!
Hold gegen alle - doch nur mein allein;
Geliebt von allen - ja, auch das mag sein -
Doch keine soll so lieb wie ich ihn haben!


Aus: Neuere Deutsche Lyrik
Ausgewählt und herausgegeben von Carl Busse
Mit einer litterar-historischen Einleitung
Halle a. d. S. Verlag von Otto Hendel 1895 (S. 311-312)

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Venus und Amor
Hochzeitsgruß mit Venus' und Amors Büsten

Fest und fertig steht das Haus,
Wohlgefügt die Mauern,
Sonnenglut und Sturmgebraus
Lang zu überdauern.
In die Höhe ragt das Dach
Wohlgedeckt die Seiten,
Über Fest- und Wohngemach
Warmen Schutz zu breiten.

Amor nur, der Zimmermann,
Hüpft noch auf und nieder,
Blickt zum Dachgebälk hinan,
Blickt zur Schwelle nieder.
Hier die Thür noch setzt er ein,
Dort die letzten Fenster;
Nun herein, o Glück, herein,
Und hinaus, Gespenster!

Venus nur, die Gärtnerin,
Hängt noch ganz geschwinde
Hier den Kranz von Rosen hin,
Dort das Laubgewinde.
Noch den Eingang schmückt sie aus,
Euren Friedenshüter;
Nun empfang, o junges Haus,
Jauchzend die Gebieter!

Tretet nun herein geschwind,
Tretet auf die Schwelle!
Weil die Götter nahe sind,
Ist's im Haus so helle.
Venus setzt sich ehrenfest,
Dort am Herd zu wachen,
Und vom Dach, im Storchennest,
Hört ihr Amor lachen.
Aus: Neuere Deutsche Lyrik
Ausgewählt und herausgegeben von Carl Busse
Mit einer litterar-historischen Einleitung
Halle a. d. S. Verlag von Otto Hendel 1895 (S. 312-313)

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An die Erwählte

Du hast mir viel zu Lieb' gethan,
Ich weiß es wohl, und könnt' ich's je vergessen?
O hofft' ich das, das ich so bang-vermessen,
Du weißt es wohl - das hohe Spiel begann?

Als dir beim Abschied, jenem ersten Trennen,
Die goldne Seele durch die Lippen brach,
Ihr Lebewohl in stummen Küssen sprach,
Die mir nun ewig hier wie Feuerworte brennen;

Als mich beim traurig süßen Wiedersehn
Dein Arm umschlang, den Leidenden zu trösten,
Und Gram und Mitleid dir vom Herzen lösten,
Was Lieb' und Scham verzagten zu gestehn.

Und als du nun, in heiligem Erbeben,
Mir gabst, was Herz dem Herzen geben kann,
Was dir die Erde lieh, der Himmel mir gewann.
Der solche Liebe dir ins Herz gegeben:

Was fühlt' ich da? Was soll ich heut' dir sagen,
Da süß der Mond auf unser Märchen scheint?
Tod, Scheiden, Elend haben uns vereint:
O, laß uns nun vereint des Lebens Wonne tragen!


Aus: Von allen Zweigen. Neuere lyrische Dichtungen
ausgewählt von Sophie Verena
Dritte Auflage
Berlin Verlag von H. W. Müller 1891 (S. 107)

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