Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Frank Duveneck (1848-1919)
Florentiner Blumenmädchen



Friedrich Glasenapp
(1799-1858)


Ihr Zimmer

Sie ist wohl ausgegangen,
Ihr Zimmer find' ich leer,
Doch all ihr liebes Leben
Umweht mich rings umher.

Das Körbchen und der Rahmen
Nur eben aufgespannt,
Und Melodien und Lieder,
Die ich ihr zugesandt.

Die Veilchen hier im Glase
So duftig und so grün,
Und dort die Rosen am Fenster,
Wie frisch und voll sie blühn!

Ist alles an seinem Orte
Und alles sauber und nett,
Und jener Schirm behütet
Ihr jungfräuliches Bett.

Die Augen laßt mich schließen,
Mich faßt ein heilig Graun,
Ich mag, ich mag nicht weiter
In diesen Tempel schaun.

Aus: Das Baltische Dichterbuch
Eine Auswahl deutscher Dichtungen
aus den Baltischen Provinzen Rußlands
herausgegeben von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß
Zweite durchgesehene und bearbeitete Auflage
Reval Verlag von Franz Kluge 1895 (S. 158)

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Zwei Ghaselen

I.
Uns schmeichelt nicht wie ein Gedicht die Welt,
Mit Ammenliebe wiegt uns nicht die Welt.

Es giebt der Ernst dem Leben seine Weihe,
Und hält uns fest in heil'ger Pflicht die Welt.

Willst du mit Blüthen deine Schläfe schmücken -
Und ihrer viel zu Kränzen flicht die Welt -

Nach heißem Ringen, mühereichem Streben
Zeigt gerne dir ein froh Gesicht die Welt.

Doch nach dem Höchsten mußt hinauf du schauen,
Da leuchtet in verklärtem Licht die Welt!

Von oben stammt das rein Unwandelbare,
Und alles Andre baut und bricht die Welt!


II.
Mißkenn' das Weiß in deinen Locken nicht,
Das sind des Winters starre Flocken nicht.

Dein Auge glänzt und deine Wange glühet
Und deines Lebens Pulse stocken nicht.

So reich bedacht mit holden Lenzesgaben,
Verschmäh' des Maies Blüthenglocken nicht,

Nicht um dich her das frisch bewegte Leben,
Im duft'gen Hain der Liebe Locken nicht.

Sei froh, du lebst in Jugendmaienfülle
Und vor den Blüthen sei erschrocken nicht.

Ja, wenn auch Lenz und Sommer dir erstarben,
Doch reicht dein Herz dir karge Brocken nicht.

Aus: Das Baltische Dichterbuch
Eine Auswahl deutscher Dichtungen
aus den Baltischen Provinzen Rußlands
herausgegeben von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß
Zweite durchgesehene und bearbeitete Auflage
Reval Verlag von Franz Kluge 1895 (S. 158-159)

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Mit dem ersten Grün

Keine Blumen, keine Blüthen dir zu bringen,
Sollte, Liebchen, deinem Liebsten heute noch gelingen.

Denn sie schlummern süßen Schlummer in der Hülle,
Wie das Kind am Mutterbusen, selig stille.

Ihre Wimper Ahnungsträume nur umschweben,
Und sie schaun mit Liebesaugen Welt und Leben.

Laß sie ruhen, bis zu Liebe, Lust und Schmerzen
Sich erschließen all' die kleinen, stummen Herzen.

Laß sie träumen, laß sie ruh'n, die zarten Blüthen,
Will die frischen, grünen Blättlein nur dir bieten.


Aus: Das Baltische Dichterbuch
Eine Auswahl deutscher Dichtungen
aus den Baltischen Provinzen Rußlands
herausgegeben von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß
Zweite durchgesehene und bearbeitete Auflage
Reval Verlag von Franz Kluge 1895 (S. 160)

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Lied

Ein Vöglein sitzt im Bauer, im Bauer so golden blank,
Und singt ein Lied der Trauer, der Trauer wohl Tage lang.
Da draußen der Frühlingshimmel, der Himmel ist rein und blau,
Da fällt ein bunt Gewimmel, Gewimmel so Fels als Au.
Da träumen Blüthenträume die Keime, noch eingehüllt;
Da sind sie so grün die Bäume, die Bäume und das Gefild.
Da wallt es um die Hügel, die Hügel und winkt und ruft:
O schwinge nur die Flügel, die Flügel frisch durch die Luft!
Und Liebchen lockt auch drüben, da drüben so hell und laut -
Dem Vöglein ist geblieben kein Lieben und keine Braut.
Ist All' dahingegangen, gegangen darf nicht hinaus,
Lieb' Vöglein ist gefangen, gefangen im blanken Haus!

Aus: Das Baltische Dichterbuch
Eine Auswahl deutscher Dichtungen
aus den Baltischen Provinzen Rußlands
herausgegeben von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß
Zweite durchgesehene und bearbeitete Auflage
Reval Verlag von Franz Kluge 1895 (S. 161)

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Birke in *...

Sieh das schlanke Bäumchen ragen
Dort an Hügels Rand,
Sieh, wie all' die grünen Zweige
Südwärts sind gewandt.

Oft die Liebste kam zu ruhen
Auf des Hügels Moos
Und die Zweige senkten kosend
Sich in ihren Schooß.

  Nun sie ist hinabgezogen
In ein fernes Land,
Haben sehnend alle Zweige
Ihr sich nachgewandt.


Aus: Schneeglöckchen Deutsche Lieder aus den Ostsee-Provinzen
gesammelt und herausgegeben von
Arnold Tideböhl und Wilhelm Schwartz
Riga und Leipzig
Verlag von Edmund Goetschel 1838 (S. 108)

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Stille Liebe

Vom Felsenhang am Seegestad,
Das Herz so voll und schwer, -
Was schaut der Knabe trüb hinaus
Ins unbegrenzte Meer?

An dunkler Fluten Purpursaum
Sich manches Segel bläht,
Zu fremden Völkern, fernem Land
Die weite Reise geht.

Von Meer zu Meere eilet ihr,
Geflügelt fort und fort,
Er aber möchte mit euch ziehn
Vom lieben Heimatort.

Es glänzt der Herrin Schloß so hell
Im Abendsonnenstral;
Mit stillem Weh der Knabe blickt
Hinauf viel hundert Mal.

Sie wandelt wol am heißen Tag
Hinab zum luft'gen Strand,
Und nimmt so gern den vollen Strauß,
Den seine Liebe wand.

Die bunten Blumen, die sie nimmt,
Die seine Hand ihr bricht,
Die bunten Blumen welken bald,
Des Knaben Liebe nicht.

Des Knaben Liebe kennt sie wol
Und ehrt die fromme Treu'
Und welkt der Strauß an ihrer Brust,
Sie trauert still dabei.


Aus: Schneeglöckchen Deutsche Lieder aus den Ostsee-Provinzen
gesammelt und herausgegeben von
Arnold Tideböhl und Wilhelm Schwartz
Riga und Leipzig
Verlag von Edmund Goetschel 1838 (S. 111-112)

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Mägdlein

Mägdlein sitzt am Bergeshange,
Wo die bunten Blumen sind;
Manchen Seufzer, bange, bange,
Führt hinweg der Morgenwind.

Worte gieb den stillen Thränen,
Mägdlein, Mägdlein! Sag' mir an,
Dieses heimlich bange Sehnen,
Was es wol bedeuten kann?

Mägdlein sitzt am Bergeshange,
Wo so laut die Vöglein sind,
Manche Seufzer, bange, bange,
Führt hinweg der Morgenwind.

Kannst Du nicht im Herzen finden,
Was der junge Frühling weckt,
Mägdlein wird Dir nimmer künden
Was der weiche Busen deckt.

Aus: Schneeglöckchen Deutsche Lieder aus den Ostsee-Provinzen
gesammelt und herausgegeben von
Arnold Tideböhl und Wilhelm Schwartz
Riga und Leipzig
Verlag von Edmund Goetschel 1838 (S. 113)

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