Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Vinzenz von Rosenzweig 1838)



Ein Leben ohne Liebe hingeschwunden,
Beacht' es nicht, denn es gewährt nur Schmerz:
Wer liebt, der hat den Lebensborn gefunden:
So öffne denn der Liebe Seel' und Herz!

Wer nimmer strebet nach der Liebe Ruhme,
Gleicht einem Fische, dem das Wasser fehlt:
Erstorben ist er, eine welke Blume,
Und würd' er auch Wesiren beigezählt.

Wenn sich die Liebe naht in süssem Streben,
Wird jeder Baum von grünem Glanz umstrahlt,
Und junge Blätter treibt er voll von Leben,
Wenn seine Aeste dürr auch sind und alt.

Wen Liebe sich zur Beute hat erlesen,
Kann nimmermehr des Todes Beute seyn;
Dem, dessen Schild der lichte Mond gewesen,
Kann nimmermehr des Pfeiles Wunde dräu'n.

Du hast das Haupt von deinem Gott gewendet,
D'rum hast du dich verirrt auf deinem Lauf;
Kehr' um zum Pfade wo er Gnaden spendet;
Sei fürder nicht ein Thor, und wache auf!

O kaufe Zucker, um ihn auszustreuen -
Kaufst du ihn nicht, so sei dem Essig gleich -
Und wolle liebend jenem Herrn dich weihen;
Wo nicht, so fühle denn den Todesstreich!

Die Seele, die der Reinheit sich erfreuet,
Muss die Gefangene des Staubes seyn!
Die Liebe nur hat reichlich Gold gestreuet,
Um die Gefang'ne wieder zu befrei'n.

Sei flink, um immerdar als Mann zu handeln,
Dann schenkt dir Gott des Segens theures Gut;
Der schwarze Staub wird sich in Gold verwandeln,
Es wandelt sich in Milch das schwarze Blut.

Komm, du der Tebris' Volke Ruhm verleihet,
Den man des Glaubens wahre Sonne nennt!
Dann wird des Herzens Fuss vom Thon befreiet,
Dem Harze gleich, das sich vom Berge trennt.
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