Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Vinzenz von Rosenzweig 1838)



Komm, o komm, du bist der Seele
Seele in des Reigens* Tänzen;
Bist ein Bund von tausend Lichtern,
Machst das Haus des Reigens glänzen!

Du nur kannst das Herz erleuchten,
Aehnlich hunderttausend Sternen;
Komm denn, o erhab'ner Vollmond
An des Reigens Himmelsfernen!

Komm, denn Welt und Seele zollt dir
Staunend den Tribut des Schweigens;
Komm denn, du o Schönheitswunder
In der hehren Welt des Reigens!

Komm denn, du o einz'ge Münze
Auf dem Markte dieses Lebens;
Komm, denn Gold, dir ähnlich, sucht man
In des Reigens Schacht vergebens!

Komm, denn hart an deiner Pforte
Halten die Verliebten Wache;
Reiche denn des Reigens Leiter
Hold herab von deinem Dache!

Komm, weil Glanz dem Markt der Liebe
Deine Lippe nur ertheilet,
Die in dieses Reigens Bude
Als verborg'nes Liebchen weilet!

Lass uns auf des Sinnes Zucker
Von Tebrisens Sonne hoffen,
Denn die Lust nach ihrer Lippe
Hält den Mund des Reigens offen.

* Der Reigen, Semaa, ist der religiöse Tanz der Derwische, deren Stifter
Dschelaleddin Rumi ist. Dieser Tanz, eine Nachbildung des Kreisens
der Sphären, scheint indischen Ursprungs zu seyn, indem nach der
indischen Mythologie der Gott der Harmonie, Murlidur, mit der Flöte
die himmlischen Körper rings um sich in Bewegung setzt.
Auch erinnert dieser planetarische Tanz an jenen der Cureten.
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