Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Vinzenz von Rosenzweig 1838)



Du o Werther, Freund, Gefährte des Verliebten!
Aug' voll Helle, rings der Wälle des Verliebten!
Wirksam' Mittel, dass da Kraft und Stärke bleibe
Jenem zartgeformten Leibe des Verliebten!

Deine Hoheit, deine Güte, dein Erbarmen
Reisst die Ruhe aus den Armen des Verliebten.
Zum Propheten formtest du ein Wahngebilde,
Zur Erinn'rung für die Gilde des Verliebten.

Dem du nimmer wirst als Freund zur Seite stehen,
Wird er je das Walten sehen des Verliebten?
Eine Frucht von deinem liebenden Verlangen
Ist die Thräne, ist das Bangen des Verliebten;

Eine Frucht von deiner leitenden Geberde
Ist der sich're Gang der Pferde des Verliebten.
Deine Kette löst die Herzen die sie drücket,
Wie dein Rath die Ohren schmücket des Verliebten.

Lang schon ist es, dass zum nächt'gen Schlaf nicht taugen
Jene schamerfüllten Augen des Verliebten;
Lang schon ist es, dass der Esslust muss entsagen
Jener nimmersatte Magen des Verliebten;

Lang schon ist es, dass der Safran aufgegangen
Auf dem Tulpenbeet der Wangen des Verliebten;
Lang schon ist es, dass des Auges helle Zähre
Ward zum gränzenlosen Meere des Verliebten.

Was kann jemals, hat er dich nur, ihn betrüben,
Der zum Troste du geblieben des Verliebten?
Hundert Schätze willst du Einem Grane* weihen,
Und den Gran zu Füssen streuen des Verliebten.

O das Wort: »Beglückt dass ich beim Schöpfer wohne!«
Ist die Ehre, ist die Krone des Verliebten!
»Nur für dich erschuf mein Wort die Himmels-Säle;«**
Alle neun steh'n zum Befehle des Verliebten.

Seiner Huld gefiel es so; d'rum sprich nicht länger,
Und befreie nun den Sänger des Verliebten.

* Im Originale: Dank, der vierte Theil einer Drachme.

** Der Prophet sprach: Gott sagte:
Wenn du nicht wärest, wenn du nicht wärest (o Mohammed!)
ich hätte nimmer den Himmel erschaffen (Aus dem Hadissi Kuds,
d.i. der Sammlung jener Reden, die Gabriel dem Propheten,
als aus Gottes Mundes kommend, überbrachte).
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