Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Vinzenz von Rosenzweig 1838)



Das Geheimniss frommer Waller
Ward mir klar und offenbar,
Und stets gleiche Pfade schritt ich
Mit der heil'gen Bürger Schaar.

Fern von ird'schen Räumen sah ich
Das erhab'ne Himmelsdach,
Wurde Staub und legt' als Teppich
Mich in's himmlische Gemach.

In den Adern treuer Liebe
Ward ich Blut und brauste wild,
Und im Auge der Verliebten
Ward ich Thau und glänzte mild.

Und bald ward ich, so wie Issa,
Eine Zunge ganz und gar,
Bald ein Herz, stumm und verschwiegen,
Wie das Weib, das ihn gebar.

Was von Issa und Maria
Lebet in der Sage fort,
Dieses Alles ward ich selber,
Schenkst du Glauben meinem Wort.

Von der Gottgeweihten Liebe
Schmerzendem Lanzettenstich
Ward ich hundertfach verwundet;
Doch das Pflaster auch bin ich.

Mit dem Todesengel wallt' ich
Gleiche Bahnen immerdar,
Und zur Stelle will ich sterben,
Wenn er je mir furchtbar war.

Und ich kämpfte mit dem Tode
Angesicht an Angesicht,
Bis des grausen Todes Auge
Wonne mir gebracht und Licht

Und den Sattelgurt des Lebens
Gürtete ich vollends los,
Und dem Sattel ew'ger Dauer
Schwang ich rasch mich in den Schoos.

Hör' von mir den Laut der Flöte
Tönend aus des Ew'gen Reich,
Der ich krumm bin und gebogen,
Einer Harfe Rücken gleich.

Gott, das weiseste der Wesen,
Zeigte mir sein Angesicht,
Und ich gab mich Gott zum Opfer,
Und mehr Weisheit taugt mir nicht.

Als der Feste grösstes pranget
Stets Tebrisens Sonnenstrahl,
Und zum grössten Opfer ward ich
Bei des Festes heil'gem Mahl.
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