Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Vinzenz von Rosenzweig 1838)



Wenn des Grames Dornen pflanzte
ein verirrtes Herz,
Weil die Welt ein Freund verlassen,
theilend Gram und Schmerz,

Dann zertrümmert sich die Sonne,
die den Thur* beschien,
Und aus jeder ihrer Trümmer
formt sich ein Rubin;

Auf das Zelt von Issa's Mutter
fiel ihr strahlend' Rund,
Und das Kind gab in der Wiege
sich durch Worte kund.

Wer es waget zu verläugnen
dieser Sonne Ball,
Finde nimmer Rast und Ruhe
in dem Weltenall.

Wenn sie sanft ein Herz berühret,
mit der Liebe Stab,
Stürzen hunderttausend Quellen
von dem Fels herab.

Möge doch ein Aug' der Bosheit
- meines ist es zwar -
Frevelnd nimmermehr berühren
solch' ein Wangenpaar.

Um den Markt der Liebe wölbt sich
hundertfacher Trug;
Auch auf deinem Markt, o Schlaue!
ist des Trug's genug.

Vor dir weilt Tebrisens Sonne
stets mit kluger List,
Ringen ähnlich, dort sich drehend,
wo du Zaub'rin bist.

* Thur, der Name des Berges Sinai.
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