Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Vinzenz von Rosenzweig 1838)



Bist du entschlossen nach dem Freund zu streben,
O Herz, so leiste auf dich selbst Verzicht:
Dem Feuer Leib und Seele Preis zu geben
Bleibt immerdar des Falters erste Pflicht.

Willst du Bestand, musst du dich selbst vernichten,
Dir selbst entschweben, um ein Gott zu seyn,
Als armer Mann auf jeden Trost verzichten,
Von Fremden und Verwandten dich befrei'n;

Musst immerdar zu Gott empor nur blicken,
Und sprechen von der Liebe Glück allein,
Und mit des Wahnsinn's Halsring dich umstricken,
Und, so wie wir, verrückt und trunken seyn.

Allüberall sieht man die Einheit walten
Auf dieser Welt; was zögerst du allein?
Hast du an unsern Glauben dich gehalten,
So trete muthig in der Schenke Zelt;

Berausche dich mit Wein, gleich Calenderen,
Aus jenes Liebling's Liebesglas allein;
Was unser Glaube und sein Gegner lehren
Sind Mährchen nur und eitle Träumerei'n.

Der Wein, womit ihr Schöpfer selbst sie letzte,
Prangt in der Reinheit ewig hellem Strahl;
Gott ist der Erste und Gott ist der Letzte,
Gott ist der Schenke, Gott ist der Pocal.

Die Nacht beim Liebling ist so voll von Wonne,
Dass ihr das Glück des ew'gen Lebens weicht;
    Horch auf die Rede von Tebrisens Sonne,
    Die einem Schatze in Ruinen gleicht.
___________
 

 

zurück zum Verzeichnis