Thekla Skorra (1866-1943) - Liebesgedichte




Thekla Skorra
(1866-1943)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Nach Jahren

Du schläfst. Dein Atem rasselt hart und schrill,
Ein Winterfrösteln weht durch das Gemach;
Doch meine Seele horcht und wird nicht still,
Und meine Sehnsucht ist noch immer wach.

Und fliegt zurück und malt die Farben
Der Bilder, die mich einst erweckt,
Die tiefe Schrift ins Herz gegraben,
Wildjunges Weh emporgeschreckt.

Hat denn dein Schlummer kein Gedenken
An unsre erste Liebesnacht?
An meiner Myrte Blühn und Welken,
An meines Schleiers weisse Pracht?

Hat dich der Alltag ganz benommen,
Das keine Glocke zu dir dringt?
Will deine Seele nie zu meiner kommen,
Darin noch Festtagläuten klingt?
(S. 9)
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Traum

Ich hab' im Traum das Glück gesehn. Nicht kam's
Auf goldner Kugel, trug kein flatternd Band,
Nicht Rosenschleier seinen Leib umwogte,
Auch hielt's kein blühend Füllhorn in der Hand.

Ich sah's in einem Mannesaug'
In einem blauen Himmel stehn,
Von einer kraftgeschwellten Brust
Mit Enden blonden Bartes wehn.

Noch stand ich zögernd; traute nicht dem Schein:
Da reisst's am Lockenhaar mein Haupt zurück
Und hält die trotz'gen Hände ringend fest.
Da rief ich jauchzend: "Ja, du bist das Glück!"
(S. 11)
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In der Dämmerung

So schling', mein Geliebter, den Arm um mich,
Erzähle, erzähl' mir vom Leben!
Von seiner schimmernden Sternenpracht,
Von wildfrohen Stürmen der Wetternacht,
Wie mit ihm du, mein Starker, gerungen,
Und wie du's bezwungen.

Im Winkel ja hockte in Träumen ich,
So fern, ach so ferne dem Leben.
Und glitten vorüber der Jahre viel -
Es brachte mir keines ein wunschheisses Ziel.
Die Blitze, die draussen entflammet sind,
Begrüssten durchs Fenster ein weltfremdes Kind.

Erzähle, erzähl' mir vom Leben!
(S. 13)
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Du!

Du tratst in mein Leben,
Einziger du,
Hast Kampf mir gegeben,
Verscheucht blöde Ruh'.

Ich sah dich dort stehen,
Blonder German',
Und frühlingsfrisch Wehen
Im Herzen begann.

Hast wild wie ein Schicksal
Jungsein geweckt,
Wo herbstlicher Laubfall
Viel Blüten bedeckt.

Es hat all mein Leben
Dich nur erträumt:
Und hab es doch weggegeben -
- Was hast du so lang denn gesäumt?
(S. 14)
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Phantasie

Mir war, ich hätt' an deiner Brust geruht
Eine jauchzende Stunde lang.
An meinem Herzen hätt' ich deins gefühlt,
Eine jauchzende Stunde lang.

Und alle Sünde war so fern,
Und schuldlos ich und du.
Wie Ausruhn war's vom Wanderweh
Und Heimkehr in ein Kinderglück.

Und draussen lag die Welt so fremd,
Schwer schlief die grosse, öde Stadt!
Der Herbstwald stand im Nebelmeer.
Und rieselt gold'ne Blätter ab.

In ihren weichen Mantel hüllt
Die Mitternacht uns dicht;
Und nur ein grosses Leuchten ging
Von deinem Haupt auf mich.

Da wusst' ich's, dass mein Leben war
Ein einzig Wandern nur zu dir;
Ein einzig Harren auf Erlöserkuss:
Mein Heiland du - nun gib ihn mir.
(S. 17-18)
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Versäumt

"Komm, scheues Vöglein, her zu mir
Und brauche deine Schwingen!
Zur Sonnenhöhe flattern wir,
Die Wolken niedersingen."

"Noch einmal, eh' es Herbstzeit wird,
Lass' uns von Blüten träumen!
Eh' winterstarr die Tanne klirrt,
So sommerjung erschäumen."

"Hast ja den Lenz versäumet,
Hockst fröstelnd hier im Dämmerhaus.
Zum Sonnenkuss, den du geträumet,
Mein Vöglein, auf! Hinaus, hinaus!"

War's - horch! - die Liebe, die mir sang?
Ihr Glöckchen, das so silbern klang?
Nun steh und harr' ich, Monde bang -
Sie kommt nie mehr an meiner Tür entlang.
(S. 25)
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Als die Sonne untergegangen

Du wendest dich und grüsst zurück;
Du winkst noch lächelnd mit der Hand!
So scheidet Sonne, scheidet Glück,
Die Jugend lacht noch, eh' sie schwand.

War's Abendglühn, das grauer Mauer
Zuletzt noch bunten Flimmer malt?
Hat nicht für eines Herzschlags Dauer
Mir Lieb' aus deinem Aug' gestrahlt?

Dann ist ein Sonnentag gegangen;
In Dämmerkühle bebt die Flur.
Unfried', in heissem Lichtverlangen,
Rauscht müder Sehnsucht Fittich nur.

Ach, dass es Liebe gibt,
Die keine Liebe findet!
Was bist du nicht ein Strahl,
Der seine Flammen selbst entzündet?

Dass heimatlos mein Herz
Durch öde Strecken irren muss,
Ein müd', verkanntes Königskind,
Beut's schüchtern seinen Wandergruss.

Du gehst vorbei verständnislos.
Versteh' doch recht: "Gott grüsse dich!"
Sprichst du denn fremden Landes Brauch?
Der Gott der Liebe grüsst durch mich!

Umsonst - Und liessest Lieb' ohn' Lieb' allein?
O, Gott der Liebe! - Dreifach Hohn! - -
- Wenn Menschenspott ans Kreuz dich schlug:
Auf, hilf dir selber, bist du Gottes Sohn!

Was kommst du denn allnächtlich
Im Traume noch zu mir?
Du wandst am Tag' dich doch verächtlich,
Verstiessest ja mein Herz von dir!

Was hältst du die Gedanken
Denn immer, immer fest,
Wenn meine Hand du ohne Schwanken
Aus deiner gleiten lässt?

Ich muss ja weiter wandern,
Noch lang' durch ödes Tal;
Den Höhen fern, gleich vielen Andern;
Auch ohne Sonnenstrahl.
(S. 26-28)
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Meine Seele

Meine Seele schläft vor dir;
Weck' sie nicht mit rauhem Schrei'n.
Von dem deinen nie begehrt,
Schlief mein Wesen ein.

Wie ein dunkler Fittich schwebt
Über ihr dein kalter Hohn -
Und doch lacht sie, - denn sie träumt,
Träumt vom Glück so lange schon.

Kling, kling, es zittern die Saiten
Wieder vom Lebensspiel.
Sie klingen und klagen noch immer,
Immer das alte Lied.

Das Lied von Liebe und Sehnsucht,
Von ungelebter Lust,
Das meine gefrorene Seele
Belauscht in erstarrter Brust.

Ihr ungeküssten Lippen,
Euch schloss keine Liebe zu;
Noch immer verlangend geöffnet,
Küsst nur ein Traum euch wund.

Im Traum nur, ihr suchenden Hände,
Umschliessen euch Finger warm,
Im Traum nur halt' ich die Liebe,
Das jauchzende Glück im Arm.

Du hast dein Leben gelebt,
Ich hab's geträumt.
Dir hat das Herz in Stürmen gebebt,
In Wonnen die Lippe geschäumt.

Dich trägt dein Gott auf zur Höh',
Vom Festmahl des Lebens einst müde und satt,
Wenn Winde mich wehen in Grabesnäh',
Vom Baume des Lebens ein welkendes Blatt.
(S. 35-37)
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Es ziehet Herbstesahnung
Durch Sommers schönste Tage,
Wie eine stille, trübe Mahnung,
Dass Glück vergänglich ist.

Doch mitten durch des Winters Eis
Verkündet, hold zu trösten,
Ein lindes Lüftchen leis,
Dass Liebe ewig ist.
(S. 51)
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Die Sünde

Es lachte die Sonne so lieblichen Schein
Auf alle die Blümlein im Grase.
Der Hahnenklee kichert,
Der Rittersporn klirrt,
Massliebchen klein
Erzählet gar fein
Von Falterstreichen, den losen.
Und rings geht ein Surren und Kosen,
Von den Käfern allen,
Ein Liebeslallen.
Auch Hummeln, die wissen
Gar herzhaft zu küssen;
An Blütenstaub nippen
Keck Schmetterlingslippen.
Beim Weiher drüben, im Erlenbusch,
Da schnäbeln sich Amseln, husch, husch!
In der Ackerfurch' hier, im Kartoffelfeld,
Die Liebste traulich dem Liebsten gesellt,
Beschnuppern possierlich sich stumpfe Nasen
Von zwei allerliebsten, verliebten Hasen,
Und geht ein Wehen die Flur entlang
Von Liebesduften, ein Werdedrang:
Der weich über Wiesen, ein Lenzhauch, zieht,
Der tat's, er brachte die Sehnsucht mit!

Vom Menschenvolk droben
Ein Mädchen, ein Knab',
Gehn Arme verwoben,
Den Hügel hinab.
Und spüren der Stunde
Lebendigen Hauch,
Vom Herzen zum Munde - -
Sie täten's auch! -
Sie täten's so gerne
Dem Hasenpaar gleich,
Dem Vogel hoch, ferne,
Im luftigen Reich.

Das Mägdlein vom Mieder
Die Rose ihm schenkt;
Da - plötzlich - scheu nieder
Die Blicke sie senkt - -
Was liegt hier im Gras,
Ein wunderlich Wesen?
Woher nur kam uns das?
Wer ist sein Erzeuger gewesen?
Schuf Gott es im Zorne,
Uns Unheil zu künden?
Zwei Hörnchen hat's vorne,
Ein Feuermal hinten;
Wie's schillert! wie grünliche Schlangen -
O seht nur die grässlichen Ohren!
- - Dort kommt ein Pfaffe gegangen,
Der hat's aus der Tasche verloren.
(S. 56-58)
_____

Aus: Thekla Skorra
Wovon mein Herz sich freigesungen
Verlag M. Lilienthal Berlin NW. 7 1905

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Thekla_Skorra



 

 


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