Das Sonntagsgedicht

Geistliche Gedichte deutscher Dichterinnen
(vom 30. August 2009)

(c) Gerd Altmann Pixelio.de




Wilhelmine Mylius
(um 1846)



Sonntagmorgen


Sonntagmorgen, Sabbathstille,
O du milder Friedensgruß!
Ich empfinde sel'ges Ahnen,
Fühle Gottes Gnadenkuß.
Aus dem Aether blau und sonnig
Träuft die Lebenswärme nieder,
Schwellt die Herzen still von Wonne,
Strahlt und glänzt im Goldgefieder.

Glockenklänge, Feiertöne,
O du heil'ge Melodie!
Frommer Sang, empor zur Höhe,
Zu der Weltenharmonie!
Glockenstimme ruft die Beter
In des Ew'gen Tempelhallen,
Und die Menschen, festgeschmückt,
Schaarenweis' zur Andacht wallen.

Bergeshöhe, Waldesstille,
O du tiefe Einsamkeit,
Mir ein heil'ger Andachtstempel
Stiller, süßer Seligkeit!
Mir erglüht in lichter Freude
Rings die milde Erdenschöne,
Mich durchzittern süße Schauer,
Mich umwehen sanfte Töne.

Herzenswonne, Seelenfriede,
O du himmelsüße Lust!
Tragt mich in das Land der Engel,
Webt und schwebt um meine Brust.
Ich erklimme Gottes Höhen
Ahnend, still mit frommem Triebe,
Schöne Welt, dich zu umfangen
Mit der süßen, ew'gen Liebe.



 


Gedicht aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o.J. [1895] (S. 342)

Bild: (c) Gerd Altmann Pixelio.de

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