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Henriette Köhler
(1813-1890)
Wo ist dein
Gott?
Wo ist dein Gott, der starke Gott,
Zu dem du flehst in jeder Noth,
Den Erd' und Himmel künden?
Er winkt, und Welten sie entsteh'n,
Er winkt, und Welten sie vergeh'n,
Wo ist er nur zu finden?
Es ist dein Gott allüberall,
So weit nur dringt ein Ton, ein Schall,
Da wird dein Gott auch wohnen.
So weit des Lichtmeers Welle zieht,
Wohin kein irdisch Aug' mehr sieht,
Wird er als Herrscher thronen.
Vom Sternensaal zur Grabesnacht
Reicht Gottes Blick, reicht seine Macht,
Nichts ist vor ihm verborgen.
Wo du auch weilst, dein Gott ist da,
Als Vater dir, als Richter nah',
Heut', gestern, so wie morgen.
O frage nicht: Wo ist mein Gott?
Er ist dir nah' in Glück und Noth,
Such' nie ihn in der Weite.
Lern' glaubend und vertrauend fleh'n,
Dann wird dein Haus auf Felsen steh'n
Und Gott dir stets zur Seite!
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