Das Sonntagsgedicht

Geistliche Gedichte deutscher Dichterinnen
(vom 13. Dezember 2009)

(c) Gerd Altmann Pixelio.de





Augusta Elisabeth von Posadowsky
(1715-1739)
 

Ein solcher ist mein Freund

Hohel. Sal. 5, 16

O, wenn mir die gantze Welt
Jemand dafür geben wolte,
Daß ich meinen Heiland nicht
So lebendig kennen solte,
Als ihn meine Seele schmecket,
Als mein Glaube ihn genießt:
O, so würd ich es nicht achten,
Weil er mir viel süsser ist.

Denn was Erd und Himmel trägt
Und nur einzeln in sich haben,
Das kan mich bey meinem Freund
Alles miteinander laben.
Da treff ich den grössten Reichthum,
Leben, Kraft und Gnade an,
Alles was mich hier und dorten
Froh und selig machen kan.

Drum so wil ich sonsten nichts,
Als nur meinen Heiland wissen,
Meinen Heiland, dem das Heer
Aller Engel dienen müssen.
Es sol mich allein erfreuen,
Wenn man seinen Namen liebt,
Wenn man seinen Ruhm erhebet
Und ihm alle Ehre gibt.

Ja, ich wil mich immerdar
Mit Verwundrung vor ihm beugen
Und wenn Andre glaubensvoll
Von dem lieben Heiland zeugen,
Daß er lieblich, süß und herrlich,
So stimm ich mit Lallen ein:
Ja, so ist mein Freund der Seelen
Und so wird er ewig seyn!

Nun, du holder Menschen-Sohn,
Oeffne selbsten mein Verständniß
Und vermehre mehr und mehr
Dein so seliges Erkenntniß,
Daß, wenn in so vielen Wercken
Deine Herrlichkeit erscheint,
Ich mög' aus Erfahrung sagen:
Ja, ein solcher ist mein Freund.



 


Gedicht aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o.J. [1895] (S. 410)

Bild: (c) Gerd Altmann Pixelio.de




 

 

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