Das Sonntagsgedicht

Geistliche Gedichte deutscher Dichterinnen
(vom 23. Mai 2010)

(c) Gerd Altmann Pixelio.de




Luise Kleinwort
(1839-1904)



Pfingstgruß


Pfingsten! tönt's von Millionen Zungen,
Pfingsten! jubelt's laut in Thal und Hain.
Wieder sind die Knospen aufgesprungen,
Wieder schmolz den Schnee der Sonne Schein,
Und der Lenz mit seinen duft'gen Locken
Streut dafür uns bunte Blüthenflocken.

Drum hinaus in Gottes frische Auen,
In's Gehölz, an Quelle und an Bach,
Wo die Tröpflein auf die Blätter thauen
Und erschallt der Nachtigallen Schlag;
Wo auf sonn'ger Flur die Heerde weidet,
Eh' das Frühroth noch vom Tag sich scheidet.

Dann, nur dann erst wird's in Euch sich drängen,
Und was früher zweifelhaft noch war,
Im Gewirr von Farben und von Klängen
Wird es bis zum Urbegriff Euch klar.
Denn der Geist, den einst die Jünger sahen,
Wird auch Euch als milder Tröster nahen.

Strahlt er doch aus Himmels blauen Lüften,
Lächelt hold in der Gestirne Glanz,
Lebt und webt in Vogelgruß und Düften,
Wie in flücht'ger Wellen Kräuseltanz;
Blickt er doch aus jedem Knospentriebe,
Jener Geist des Friedens und der Liebe.
 

 
 


Gedicht aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o.J. [1895] (S. 309)




 

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