Das Sonntagsgedicht

Geistliche Gedichte deutscher Dichterinnen
(vom 27. September 2009)

(c) Gerd Altmann Pixelio.de





Magdalena Sibylla von Hessen-Darmstadt
Herzogin von Württemberg
(1652-1712)
 

Gottgelassenheit


Was ist doch höher wohl zu schätzen,
Als ein Gemüth, das leicht vergnügt?
Das wird sich nicht zuviel ergötzen;
Kein Trauren seine Ruh besiegt.
Hat es genug, so ists zufrieden
Und läst sich Armuth nicht ermüden.

Gedultig seyn und still ertragen,
Was ihm wird immer aufgelegt;
An seinem Schöpffer nicht verzagen,
Wenn er mit herber Ruthen schlägt:
Das ists, woran man Glauben spühret,
Der uns zur sanfften Ruhe führet.

O wohl denn seelig ist zu nennen,
Der seinem GOtt gelassen ist!
Der von der Welt sich abzutrennen,
Sein selbst und aller Lust vergißt:
Nur einig wünscht, was GOtt beliebet
Und sich ums Eitle nicht betrübet.

Ey, liebe Seel! komm laß uns sehen
Und uns erforschen recht und wohl:
Wie wir mit unserm Vater stehen
Und wessen unser Hertz sey voll?
Obs GOtt allein gewidmet lebe,
Nichts von der Welt im Grunde klebe?

Ob du mit allem bist vergnüget,
Was dir der Himmel zugedacht.
Wie? wann dich Ungedult betrüget,
Und wider GOtt dich lästern macht?
Wir murren, wenn die Hoffnung fällt,
Ein schneller Schad das Ziel verstellt.

Ist dir also? ach! so verweile,
O feiges Hertz! und säume nicht:
Zerbrich deß Satans Sorgen-Pfeile,
Die zum Verderben zugericht:
Wirff dich in Demuth GOtt zu Füssen
Um, was gesündigt ist, zu büssen.

Sprich: Vater! ach ich hab verdienet
Mit meiner überschwären Schuld,
Daß mir die Ruht aufs neue grünet;
Weil ich die unverdiente Huld,
Die mich so sanffte noch gehertzet,
Mit schnöder Ungedult verschertzet.

Gedencke nicht, um JEsu willen,
Wie Murren mich zu Fall gebracht.
Dein Lieben kan die Seele stillen
Und brechen aller Wellen Macht.
Verleyhe deinen Geist und Gaben,
So wird mein Hertze Frieden haben.

[Ruht » Ruchte » Gerüchte: lautes Rufen oder Schreien, Lärm, Getöse]



 


Gedicht aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o.J. [1895] (S. 385)

Bild: (c) Gerd Altmann Pixelio.de




 

 

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