Das Sonntagsgedicht

Geistliche Gedichte deutscher Dichterinnen
(vom 22. August 2010)

(c) Gerd Altmann Pixelio.de




Johanna Stauff
(? 19. Jh.)

 

Mission


Wenn ich eifrig lesend forschte
In dem alten, heil'gen Buch,
Und dann sinnend nach des Heilands
Liebsten, treusten Jüngern frug,
Zog an meinem Geistesauge
Eine stille Schar vorbei;
Ohne Prunk, bescheid'nen Sinnes,
Aber standhaft, fest und treu.

Frauen waren's, die von Anfang
Ihm in Liebe sich genaht,
Die wie lichte Blumen schmücken
Des Erlösers rauhen Pfad;
Die ihm dienten, wenn er weilte,
Die, trotz seiner Feinde Zahl,
An ihn glaubten ohne Wanken,
Für ihn wirkten allzumal.

Martha dort, die nimmermüde;
Lydia, fromm und unverzagt;
Seine schmerzensreiche Mutter;
Salome, die reine Magd;
Und das Weib, das sündenbange,
Das zu seinen Füßen lag
Und ihr letztes Nardenkrüglein
In dem Dienst des Herrn zerbrach.

Unter'm Kreuze, wie am Grabe,
Steht der Frauen stummer Chor,
Überall steigt ihre Liebe
Mild wie Blumenduft empor.
Nie hat sie den Herrn verleugnet,
Nie verlassen seinen Bund;
Unter allen seinen Klägern
Findet sich kein Frauenmund!

Nein, – zu opfern und zu dienen
Waren Frauen stets bereit
Für die Sache ihres Meisters,
Und sie sind's, Gott Lob, noch heut!
Rühren gern die fleiß'gen Hände
In dem Dienste der Mission,
Fordern für die Liebeswerke
Keinen Dank und keinen Lohn.

Seid gesegnet, edle Frauen!
Milde Herzen, seid gegrüßt
In dem Herrn, der auch der Heiden
Treuer Seelenhirte ist.
Laßt uns wirken ihm zum Preise;
Sind wir auch nur schwach bestellt,
Der der Wittwe Scherflein ehrte,
Mißt nicht mit dem Maß der Welt.



                                                    


Gedicht aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o.J. [1895] (S. 325)

Bild: (c) Gerd Altmann Pixelio.de




 

zurück zur Startseite