Das Sonntagsgedicht

Geistliche Gedichte deutscher Dichterinnen
(vom 18. Oktober 2009)

(c) Gerd Altmann Pixelio.de



Anna Louisa Karsch
(1722-1791)


Die Allmacht und Güte Gottes


Während des siebenjährigen Krieges gedichtet

O Gott, der du allmächtig bist!
An deiner unerschöpften Güte,
Die meines Daseins Ursach' ist,
Ergötzen sich mein Herz und mein Gemüthe;
Ich denke sie,
Denn, Herr, noch nie,
Wenn ich in Noth gesessen,
Ward ich von ihr vergessen.

Sie reicht so weit die Himmel geh'n,
Ist breiter als zehntausend Erden,
Sie hieß Erzengel vor sich steh'n,
Sie sprach – und Thier und Menschen mußten werden!
Das Sternenheer,
Das tiefe Meer,
Sind Werke seiner Hände;
Sie aber ist ohn' Ende.

Mein Gott! von dieser Güte sagt
Mir deiner Creaturen Menge;
Der Vogel nennt sie, wenn es tagt,
Sie sorgt für ihn, er singt ihr Lobgesänge.
Der Donner schilt,
Der Löwe brüllt,
Als deiner Stärke Zeugen;
Und beide müssen schweigen!

Der Löwe muß, wenn du es willst,
Mit blöden Lämmern freundlich spielen
Und wenn du dich in Wolken hüllst,
So muß dein Blitz die heiße Luft nur kühlen!
Des Donners Wuth,
Des Meeres Fluth,
Den Sturmwind und die Stille
Schickt deiner Allmacht Wille!

Du schickst den Hunger in das Land
Und strafst die sündigen Geschöpfe
Mit Ueberschwemmung und mit Brand:
Dein Krieg zermalmt die Menschen wie die Töpfe.
Sie schrei'n zu dir:
Herr! siehe, wir
Sind elend und zerschlagen;
Dann wendest du die Plagen:

Und deine Güte blickt herab
Auf öde Felder voller Leichen,
Sie schließt das ungefüllte Grab
Und gibt die Ruh' verheerten Königreichen.
Das trunkne Schwert,
Noch blutig, fährt
Zurück in seine Scheide,
Und Klagen werden Freude!

Du, unser Gott, noch wie zuvor,
Zur Zeit der Kinder Jakobs, gütig:
Zu dir schreit unser Herz empor!
Noch brüllt der Krieg, und mehr als löwenmüthig,
Von Waffen schwer,
Zieh'n sie daher
Die Feinde, die uns dräuen;
Und du kannst sie zerstreuen!

In deine Vorsicht eingehüllt,
Herr, werden wir dennoch erhalten.
Wenn über uns der Donner brüllt,
Wenn unter uns die Erde will zerspalten;
Wenn diese Welt,
Dein Bau, zerfällt,
Bleibst du im letzten Wetter
Mein Fels und mein Erretter!

Laß deine Allmacht nur ein Wort
Herunter reden; sprich: es hebe
Der Krieg sich hin an seinen Ort;
So thut er's, wie im Ocean die Ebbe.
Auf dein Gebot
Flieh'n Zank und Tod:
Der ewige Rebelle
Empfängt sie in der Hölle.


 


Gedicht aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o.J. [1895] (S. 357)


Bild: (c) Gerd Altmann Pixelio.de



 

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