Das Sonntagsgedicht

Geistliche Gedichte deutscher Dichterinnen
(vom 22. Mai 2011)

(c) Gerd Altmann Pixelio.de




Christine Prinzessin von Mecklenburg-Schwerin
(um 1639-1693)



Von der Erbsünde

Mel.: Es ist das Heyl uns kommen

DAs Elend weist du, GOtt, allein,
Das mir ist angeerbet,
Und wie mir alle Kräffte seyn
Durch Adams Fall verderbet:
Denn mein Verstand verfinstert ist;
Ich kan dich gar nicht, wie du bist,
Noch deinen Rath erkennen.

Mein Wille ist so sehr verkehrt
In meinem Thun und Lassen,
Daß er am meisten das begehrt
Was du befiehlst zu hassen:
Hingegen, Vater, was du wilt,
Bey mir sehr wenig offtmahls gilt;
Ich setz es aus den Augen.

Es geht deß alten Adams Trieb
Nur immerdar zu Sünden:
Daß recht Vertrauen, rechte Lieb,
Sich in mir nicht befinden;
Daß ich dem Nächsten diene nicht,
Wenns nicht zu meinem Nutz geschicht,
Und suche nur das Meine.

Ja, wenn ich alles recht betracht,
So wird gar leicht auf Erden
Ein Abgott aus mir selbst gemacht,
Dem fort gedient muß werden:
Denn eigne Lieb und eigne Ehr,
Auch Eigennutz und anders mehr
Mir leider! noch anhanget.

Diß ist die Wurtzel und der Grund,
Draus alles Unheil rühret,
Daß ich zu aller Zeit und Stund
Von dir werd abgeführet;
Es steht mir stets mein Hertz und Muth
Nach Wollust, Ehre, Geld und Gut
Und solchen eiteln Dingen.

Da ich mich nun der Sünden-Lust
Nicht solt gefangen geben,
Und, wie mirs macht dein Wort bewust,
Ihr allzeit widerstreben:
So denck ich nicht so fleissig dran;
Ruff auch dich nicht um Hilffe an,
Dabey noch träg und sicher.

Wenn, mir was Böses kömmt in Sinn,
Dawider ich solt kämpffen,
So tracht ich meistens nicht dahin,
Die erste Glut zu dämpfen;
Die nimmt denn in mir überhand,
Ich falle drauff in Sünd und Schand,
Gleich grossen Uebelthätern.

Offt will mich auch die arge Welt,
Die ich doch solte fliehen,
Weil meinem Fleisch ihr Werck gefällt,
Mit zur Gesellschafft ziehen:
Sie will, daß ich auch Uebels thu
Und andre reitzen soll dazu,
Daß sie mit Sünd begehen.

Ach GOtt! ich hab nach solcher Art
Gar lang mit grossem Schaden,
Eh ich zu dir bekehret ward,
Gelebet ausser Gnaden.
Ich bin auch noch nicht ohn Gefahr,
Dieweil mir jetzund immerdar
Die Sünden-Lust anklebet.

O HErr, in dieser meiner Noth
Sih mich an mit Erbarmen!
Komm mir zu Hülff, du treuer GOtt,
Und steh mir bey, mir Armen:
Erleucht durch deine Gnad und Güt
Mein unverständiges Gemüth,
Daß ich dich recht erkenne.

Den Willen leit, nach deinem Wort,
Daß ich dich hertzlich liebe:
Dir fest vertrau und fort und fort
In Gottesfurcht mich übe:
Daß ich dir meine Tauff-Zusag
Mit starckem Fürsatz alle Tag
Aufs neue wiederhohle.

Und weil dir Niemand ohn Gebet
Beständig kan anhangen,
So gib, daß ich offt für dich trett,
Die Gnade zu erlangen,
Damit mein gantzes Christenthum
Deß Nächsten Nutz und deinen Ruhm
Ohn Heucheley befördre.

Gib mir des Geistes Freudigkeit,
Daß ich dadurch verachte
Geld, Ehr und Wollust dieser Zeit;
Das Ewige betrachte.
Ach! nimm mich mir und gib mich dir,
Daß ich dir leb und sterbe mir
Und meinen bösen Lüsten.

Deß Fleisches und des Geistes Krieg
Ist diß bey Jung und Alten!
Laß mich doch immerfort den Sieg
Durch deine Krafft erhalten.
HErr, stärcke mich und mich erneu,
Daß ich stets unverdrossen sey
An diesen Streit zu kommen.

Für Stoltz und Ehrsucht mich behüt,
Daß sie nicht funden werden
In meinem Hertzen und Gemüth,
In Worten und Gebärden:
Denn Hoffart war deß Teuffels Fall.
Ach hilff, HErr, daß ich überall
Fest an der Demuth halte!

Die Sorg der Nahrung nimm von mir!
Laß mich nicht mehr begehren,
Denn was ich hab vonnöthen hier,
Mich ehrlich zu ernehren:
Daß ich auch keinen Zweiffel hab,
Du werdest mich biß in mein Grab
Mit Unterhalt versorgen.

HErr, gib mir Gnade, daß ich dämpff
Deß Fleisches bösen Willen
Und wider mich ja selber kämpff,
Die Lust nicht zu erfüllen,
Wenns gleich nur in Gedancken wär.
Hilff auch, daß ich mich nicht beschwer
Mit Essen oder Trincken.

Gib, daß ich offt der Höllen Qual
Hiewider mög bedencken:
Wie häuffig man die wird einmahl
Für böse Lust einschencken:
Pech, Schwefel, Jammer ohne Maß
Wird folgen dort ohn Unterlaß
Auf kurtze Lust und Sünden.

Laß mich allzeit fürsichtig seyn,
Mit wem und wie ich wandle:
Daß ich halt mein Gewissen rein
In allem, was ich handle;
Und achte keines Menschen Gunst,
Wenn mich die Welt durch ihre Kunst
Von dir zu sich will ziehen.

Dem bösen Geist gib nimmer zu,
Mich irgends zu verletzen
Und meine Seel aus ihrer Ruh
In Noth aufs neu zu setzen:
Wenn sich Verfolgung zu mir wendt,
Laß sie gewinnen so ein End,
Damit ichs könn ertragen.

Verleih, o Vater! gnädiglich,
Daß es ja mög geschehen,
Was ich, dein Kind, nun bitte dich,
Mit Seuffzen und mit Flehen:
Hilff, wenn mir alle Hülff zerrinnt,
Daß ich gedultig überwind
In JEsu Christi Nahmen.





                                                    


Gedicht aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o.J. [1895] (S. 377-379)

Bild: (c) Gerd Altmann Pixelio.de




 


 

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