Das Sonntagsgedicht

(vom 17. Juli 2011)

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Friedrich Spee (1591-1635)
Aus der Trutznachtigall

Die gesponß Jesu lobet jhren geliebten mit einem Liebgesang

Die reine Stirn der Morgenröth
War nie so fast gezieret/
Der Frühling nach dem Winter öd
War nie so schön muntiret/
Die weiche brust der Schwanen weiß
War nie so wohl gebleichet/
Die gülden Pfeil der Sonnen heiß
Nie so mit glantz bereichet:

Alß Jesu Wangen/ stirn/ vnd mundt
Mit gnad sein vbergossen;
Lieb hat auß seinen äuglein rundt
Fast tausent Pfeil verschossen;
Hat mir mein Hertz verwundet sehr/
O wee der süssen peine!
Für Lieb ich kaum kan rasten mehr/
Ohn vnderlaß Ich weine.

Wie Perlen klar auß Orient
Mir Zähr von Augen schiessen:
 Wie Rosenwässer wolgebrent
Mir Thränen vberfliessen.
O keusche Lieb/ Cupido rein/
Alda dein hitz erkühle;
Da dunck dein heisse flüttig ein/
Daß dich so starck nit fühle.

Zu scharpff ist mir dein heisser brand/
Zu schnell seind deine Flügel:
Drumb nur auß Zähren mit verstand
Dir flechte Zaum vnd Zügel.
Kom nit so streng/ mich nit verseng:
Nit brenn mich gar zu Kohlen;
Halt zihl vnd maß/ dich weisen laß/
Dich brauch der linden stralen.

O Arm vnd Hände JESV weiß/
Ihr Schwesterlein der Schwanen/
Vmbfasset mich nit lind/ noch leiß/
Darff euch der griff ermahnen.
Starck hefftet mich an seine Brust/
Vnd satt mich lasset weinen:
Ich ihn erweich/ ist mir bewust/
Vnd wär daß Hertz von steinen.

O JEsu mein/ du schöner Heldt
Lang warten macht verdriessen:
Groß lieb mir nach dem leben stelt/
Wan soll ich dein geniessen?
O süsse Brust! O Frewd vnd Lust!
Hast endtlich mich gezogen:
O miltes Hertz!
All pein vnd schmertz
Ist nun in Wind geflogen.

Alhie wil ich nun rasten lind/
Auff JESV brust gebunden:
Alhie mag mich Cupido blind
Biß gar zu todt verwunden.
Am Hertzen JESV sterben hinn/
Ist nur in lüsten leben;
Ist nur verlieren mit gewinn/
Ist todt im leben schweben.



                    


Gedicht aus: Friedrich Spee Trutznachtigall
Hg. von Gustave Otto Arlt Halle/S. (Niemeyer) 1936 (S. 5-6)

Bild: (c) Pingoo Pixelio.de





 

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