Charlotte Stieglitz (1806-1834) - Liebesgedichte

Charlotte Stieglitz



Charlotte Stieglitz
(1806-1834)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 


 



Vergeltung

Meine Schwestern reden bedächtig
Von meiner Liebe viel,
Die Lieb' aber ist eigen mächtig,
Sie kennt ihr eigen Ziel.

Sie denken, ich war' die Kleine;
Das ist der Kleinen Loos;
Ich denke mich die Deine
Und fühle mich riesengroß.

Nun hör' ich Dich auch sprechen
Zu ihnen, wie mir Du gesinnt;
Will zeigen, durch Lieb'? – nein, durch Rächen,
Daß Liebe gereift das Kind!

Du siehst mich an verlangend,
Ich wende mich ab von Dir –
"Den Blick, sonst an mir hangend,
Was zieht ihn ab von mir?

Wo ist des süßen Bebens,
Verschlossner Liebe Wort?
Hat es der Rausch des Lebens
Gerissen mit sich fort?

Sag an, Du Liebe, Süße,
Einst warst Du mir wohl gut?
Jetzt scheint's, wenn ich Dich ließe,
Du sähst's mit leichtem Mut.

O glaube mir, Du Eine,
Die ich erkoren früh,
Wirst Du nicht einst die Meine,
Eine Andre wird es nie!" –

""Wohl will ich werden die Deine
Mit meiner ganzen Seel,
Doch will ich auch sein die Eine,
Vor der Du habest kein Hehl.

Und ob Du mich viel gekränket,
Jetzt will ich verzeihen Dir;
Doch sieh, wie die Sonne sich senket,
Wir müssen eiligst von hier.

Die Schwestern, sie werden uns suchen,
Und wahrlich sie kommen schon;
Schnell sprich mir von dunkeln Buchen
Und ihrer Schattenkron.

Denn ein Geheimniß kettet
Manch süßen Augenblick;
Und daß ich's uns gerettet,
Dankst Du's nicht dem Geschick?"" –

"O Holde, daß die Stunde
So spät ich erkaufen mußt,
Zu hören aus Deinem Munde,
Was Dein Mund nur gewußt!

Laß eilen mich jetzt von hinnen,
Laß ungesehn mich gehn,
Ich weiß nicht was ersinnen,
Sie würden es doch verstehn.

Du blickst mich an süß-spöttisch –
Bist mir doch treu gesinnt? –
Ich liebe Dich abgöttisch,
Du liebes reifes Kind!"
(S. 12-13)
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Stumme Liebe

Schweigen fordert Deine Nähe,
Und ich bin ein tändelnd Kind;
Wenn ich Dir ins Auge sehe,
Weiß ich noch, was Schmerzen sind? –

Doch wenn ich Dich nicht mehr sehe,
Wie beredt red' ich zu Dir!
Schlägt mir Wunden Deine Nähe,
Ew'ge Nähe heilt sie mir.

Und ich seh' Dich schweigend wieder,
Lächle, lächle immerzu,
Bis ein Engel bringt hernieder
Todeslächeln, ew'ge Ruh'.
(S. 26)
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"Ein andrer Liebhaber zum Hackebrett"

Wär' ich doch ein großer Wallfisch,
O Du meines Lebens Lust,
Jeden Tag 'nen Wasserschwall frisch
Brächt' ich, Kühlung Deiner Brust.

Wär ich nur 'ne kleine Katze,
O Du Herzens-Sonnenschein,
Strecktest Du nach mir die Tatze,
Blinzt' ich mit den Äugelein.

Ja, zugleich wär' Bär und Basse,
Katz und Maus ich, Seel' und Leib,
Wünschtest Du mich so zum Spasse,
So zum süßen Zeitvertreib.
(S. 43)
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An meinen Dichter
(Mit sechs Schreibfedern zum Weihnachtheiligabend)

Diese Federn für die "Reise"
Nutze bald mit kühnem Sinn;
Fragst zu lang Du: "welche Weise?"
Wächst das Moos wohl drüber hin.

Gieß ein Füllhorn aus mit Früchten,
Bluth' und Früchte gieb zugleich;
Weisheit sei in Deinem Dichten,
Witz und Jugend mach' es reich.

Menschen laß uns drinnen finden,
Menschen die gelebt, gedacht,
Laß von Lieb' Dich warm entzünden,
Und von Zorns Gewitternacht.

Greif in Deines Busens Tiefen –
Hast Erfahrung nicht genug?
Allen Stimmen, die noch schliefen,
Gönne jetzt den kühnen Flug!

Was am Stoffe muß zerschellen,
Hat hier Freiheit, hat hier Raum –
Reise, Freiheit sind Gesellen,
Freiheit ist im Wein der Schaum!

Laß es sprudeln, laß es setzen,
Gieb uns einen guten Wein,
Und ich will Dir mit Ergetzen
Auch ein treuer Streiter (Streicher) sein.
(S. 51)
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An meinen Heinrich Stieglitz
(Gruß zum 22. Februar 1834)

Komm' ich auch mit leeren Händen,
Käm' ich auch mit vollen gern,
Wird's der Gott Dir reichlich spenden,
Nenn' es Deinen guten Stern.

Dichter kennen andre Gaben,
Tändelnd Spiel sie achten's nicht,
Von dem Gotte woll'n sie's haben,
Götterkraft und Götterlicht.

Windet heut ihm zarte Kränze,
Veilchen und Gedenkemein,
Morgen im erneuten Lenze
Nennt die Blüthenwelt er sein.

Ladet liebend frohe Gäste,
Gebet was das Herz erfreut,
Einer nur – der Wirth vom Feste
Ist wo anders, ist zerstreut.

Und es sollte drob mich quälen,
Leere Hand und leeres Haus?
Kommen nur die rechten Seelen,
Leben wir in Saus und Braus!

Gute Geister, ungeladen
Giebt der Dichter euch Quartier,
Und die Gattin spricht: "Eur Gnaden,
Laßt's euch lang gefallen hier.

Macht euch breit und macht euch dicke,
Lagert euch in bunten Reihn,
Mit euch leben wir im Glücke,
Mit euch fehlt's uns nicht an Wein!"

Und es sollte drob mich quälen
Leere Hand und leeres Haus?
Kommen nur die rechten Seelen,
Leben wir in Saus und Braus!
(S. 52-53)
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Sie singt ihn in Schlummer

Rauschet, ihr Zweige,
Wehet, ihr Winde,
Säuselt ihm Fried' und
Kühlung ins Herz!

Rauschende Zweige –
Wehende Winde –
Nächtiges Dunkel –
Leitender Stern!

Ewige Sterne
Zittern durch's Dunkel,
Waldnacht erhellt ihr
Strahlender Glanz.

Engel des Friedens
Rauschen hernieder,
Säuselnde Harfen
Tönen darein.

Wie sich der Himmel
Leuchtend schon aufthut!
Heiliges Ahnen!
Selige Lust!
(S. 213)
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Aus: Theodor Mundt Charlotte Stieglitz ein Denkmal
Berlin 1835
 

 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Charlotte_Stieglitz






 

 


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