"Ach Gott, ach Gott, wie kommt der Tag so früh!"

Das Tagelied der Troubadours, der Minnesänger und anderer
 


Else Lasker-Schüler (1869-1945)
Abschied

 


Das Liederbuch der Clara Hätzlerin (1471)


Lied 2

Lig still meins hertzen trautt gespil,
Wann es ist noch nit morgen,
Der wachter vns betrügen wil,
Der Mon hat sich verporgen.
Man sicht noch vil der sterne glast
Her durch die wolcken dringen;
Lig still by mir ain weil vnd rast,
Vnd lasz den wachter singen.

Wie ist erfrät ain traurigs hertz!
Vmmůt musz vns entweichen;
Der sich nit kert an senlich schmertz,
Der můsz an fräden reichen.

Sy sprach: mein hordt, der lieben mer;
Můsz ich bey dir beleiben,
So ist zergangen all mein swär.
Wir wöllen kurtzweil treiben,
Das dich vnd mich erfräen mag,
Darein will ich mich setzen.
Sy sprach: es ist noch nyendert tag,
Wir wöllen vns laids ergetzen.

Sy truckt ain prüstlin an das mein,
Mein hertz wolt mir zerspringen.
Sy sprach: lasz dir beuolhen sein
Mein Er vor allen dingen,
Vnd schliüsz vff deine ärmlen planck,
Darynn so will ich rasten.
Ze hannd der wachter aber sangk:
Ich sich des tages glasten.


swär, schwär: Schmerz, Liebesschmerz

Aus: Liederbuch der Clara Hätzlerin
Aus der Handschrift des böhmischen Museums zu Prag
Herausgegeben und mit Einleitung und Wörterbuch versehen
von Dr. Carl Haltaus
Quedlinburg und Leipzig
Druck und Verlag von Gottfr. Basse 1840 (S. 2)

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