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      Else Lasker-Schüler 
      (1869-1945) 
      Abschied  | 
      
      
      
          
      
         
        Dafydd ap 
        Gwilym  
        (um 1320 - um 1350/70) 
        walisischer Dichter 
         
         
        (Gedicht 97: 
        Tagelied) 
         
        Von Minne sprach ich zu der Holden, 
        Doch war's vergebens sieben Jahr; 
        In Reimen flehte ich das Weib an, 
        Bis gestern endlich ich sie traf. 
        Da ward mir Lohn für meine Sorgen 
        Um dieser Wellenweissen Trug. 
        Nachdem wir uns begrüsst einander, 
        Ward höchste Wonne mir zuteil. 
        Ich weilte bei der Brauenschwarzen 
        Im Kuss und im Geplauder noch 
        Und hielt im Arm, schuldlose Bürde, 
        Das Haupt so hell wie Mond und Schnee. 
        Nachdem mit diesem teuern Kleinod 
        Ich nun nach Herzenslust gekost, 
        Sprach ich bedächtig, ängstlich prüfend, 
        Vom Tag und ihrem Ehebund. 
        Darauf versetzt die glänzend Reine, 
        Mein holdes Goldchen, schön wie Schnee: 
        "Man hört vor Tag den Kuckuckspartner, 
        Den klaren Sang des würd'gen Hahns!" - 
        "Wie aber, kommt vor gutem Ende 
        Der widerwärt'ge Tropf zu Haus?" - 
        "Sprich, David, doch von etwas Bess'rem! 
        Schlecht angebracht ist deine Furcht." - 
        "Mein goldigs Lieb wie Sommerfäden, 
        Im Türspalt sehe ich den Tag." - 
        "Der Neumond ist es oder Sterne, 
        An jedem Pfosten strahlen die." - 
        "Nein, meine Feine, Glanz der Sonne, 
        So wahr ein Gott ist, schon ist's Tag." - 
        "Bist du so unstätt aufzubrechen, 
        Tu wie's beliebt - so magst du gehn!" 
        Da stand ich auf vor dem, was drohte, 
        Ergriff mein Hemd, im Busen Furcht, 
        Und lief dahin durch Wald und Farren 
        Vor Tag ins Dickicht eines Tals. 
        Wie vor und hinter mir der Tag nun 
        Sich lange dehnte, floh ich Tor.  
         
        übersetzt von 
        Ludwig Christian Stern (1846-1911) 
         
        Aus: Davydd ab 
        Gwilym Ein walisischer Minnesänger 
        des XIV. Jahrhunderts 
        nach seinen Gedichten geschildert 
        von Ludwig Christian Stern 
        Halle a. S. Max Niemeyer 1908 (S. 138-139) 
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