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      Else Lasker-Schüler 
      (1869-1945) 
      Abschied  | 
      
      
      
          
      
         
        August Wilhelm von Schlegel 
        (1767-1845) 
         
         
        Tagelied 
        Frei nach dem 
        Provenzalischen 
        (Raynouard V. p.74) 
         
        Einst ein Ritter lag am Herzen 
        Seinem Lieb, in Lust und Schmerzen. 
        Küßend sprach er dann mit Schmerzen: 
        Süße Wonne! was geschieht? 
        Tag beginnt, und Nacht entflieht. 
        Ach! 
        Denn der Wächter ruft: Erwach'! 
        Eilig auf! Der Tag erscheint 
        Nach der Morgenröthe. 
         
        Süße Wonn', o käme nimmer 
        Doch der Morgenröthe Schimmer! 
        Weilte Nacht umhüllend immer, 
        Wo der Traut' in hohen Muth 
        An der Trauten Busen ruht! 
        Ach! 
        Denn der Wächter ruft: Erwach'! 
        Eilig auf! Der Tag erscheint 
        Nach der Morgenröthe. 
         
        Süße Wonne! wer kann nennen 
        Qualen, die im Innern brennen, 
        Wenn sich Freund und Freundin trennen? 
        Ich nur weiß es, der's empfand. 
        Weh, wie rasch die Nacht entschwand! 
        Ach! 
        Denn der Wächter ruft: Erwach'! 
        Eilig auf! der Tag erscheint 
        Nach der Morgenröthe. 
         
        Süße Wonn', ich muß von hinnen. 
        Denke mein in treuen Sinnen! 
        Was ich thun mag und beginnen, 
        Dennoch bleibt mein Herz ja hier, 
        Scheidet nimmer sich von dir. 
        Ach! 
        Denn der Wächter ruft: Erwach'! 
        Eilig auf! der Tag erscheint 
        Nach der Morgenröthe. 
         
        Süße Wonn' ich muß verderben, 
        In der Sehnsucht Qualen sterben, 
        Soll ich nicht dich bald erwerben, 
        Wird mir nicht dein Gruß zu Theil; 
        Du bist Leben mir und Heil. 
        Ach! 
        Denn der Wächter ruft: Erwach'! 
        Eilig auf! der Tag erscheint 
        Nach der Morgenröthe!  
         
        Aus: August Wilhelm 
        von Schlegel's Poetische Werke  
        Herausgegeben von Eduard Böcking Dritte, sehr vermehrte Ausgabe 
        Erster Theil. 1. - 3. Buch. Vermischte Gedichte, Lieder, Romanzen und 
        Sonette. 
        Leipzig Weidmann'sche Buchhandlung 1846 (S. 298-299) 
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