Umkreisen
 

in ausgewählten Gedichten deutscher Dichter und Dichterinnen







Camill Hoffmann
(1878-1944)


Ich fühle, wie im Schreiten

Ich fühle, wie im Schreiten
Mich eine Hand berührt
Und weiß mich nun bei Zeiten
Gehalten und geführt.

Ich habe deinen leisen,
Geliebten Griff erkannt.
So fern du bist,
umkreisen
Seither mich wie gebannt
Die lieblichsten Gedanken.
Verzaubert scheint die Zeit,
Mein Herz gerät ins Schwanken,
Ob nah du bist, ob weit.

Aus: Camill Hoffmann (1878-1944)
Zuflucht Späte Gedichte und Erzählungen
Mit einem Nachwort herausgegeben von Dieter Sudhoff
Vergessene Autoren der Moderne XLVIII
Herausgegeben von Marcel Beyer und Karl Riha
Universität-Gesamthochschule Siegen 1990 (S. 23)

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Ignaz Hub
(1810-1880)


Was ist ein Himmel für der Liebe Glück?
Der Schöpfung unerreichbar Weltgetriebe
umkreist mit Zaubermacht die süße Liebe;
Das weite All sonnt sich in ihrem Blick.

Wer bebte je vor ihrer Macht zurück?
Sie hellet uns das Leben, ernst und trübe,
Zerreißt der kranken Sorgen Dornensiebe,
Und schrecket selbst das eiserne Geschick.

O laßt sie lieben mit dem reinen Herzen,
Laßt ihn das Mädchen seiner Liebe herzen,
Und zum Accord verschmelzen, zu dem Einen.

Und wie Gedanken sich umarmen und vereinen,
Und Sympathie sich theilt in Lust und Schmerzen,
Im heißen Kuß die Freudenperlen weinen!


Aus: Lyra-Klänge Gedichte von Ignaz Hub
Augsburg 1833 Gedruckt bei J. C. Wirth (S. 51)

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Stephan Milow
(1836-1915)


Vorüber

III.
Wen du erfüllst, o Liebesglück!
Du Schatz, gepriesen überschwänglich,
Der schaut nicht vor und nicht zurück,
Für alles Andre unempfänglich.

Wer zitternd sich in dich verlor,
Der ist gefeit in seinen Wonnen,
Der schwebt im leichten Flug empor,
umkreist von tausend goldnen Sonnen!

So jauchz' ich meinem Mädchen laut,
Daß ihr's im Tiefsten wiederklinget,
Da Aug' in Auge flammend schaut,
Und eins das andre eng umschlinget.

Ruft nicht in unsern Jubel kalt,
Die Seligkeit sei nur erlogen,
Und wenn die Gluten ausgewallt,
So fänden wir uns arm, betrogen.

O nein! wie rasch der Traum vergeh',
Ich werde stets mich seiner freuen,
Und keine Freudenthräne je
Und keinen Jubelruf bereuen.

Das eben ist so rührend schön,
Daß wir, ob ird'schen Glücks auch trunken,
Doch schwärmen auf zu Himmelshöhn
Und uns die ganze Welt versunken;

Daß Zwei, die fest sich an die Brust
In seliger Erfüllung drücken,
Der heißen Herzen kurze Lust
So wunderbar sich können schmücken.

As: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 67-75)

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Albert Möser
(1835-1900)


Nachtlieder

1.
Es geht ein Rufen durch die Nacht,
Verklingend in den stillen Fernen,
Der Wälder Meer rauscht heimlich-sacht,
Bestrahlt von tausend goldnen Sternen;
Rings Nacht und Einsamkeit!
Leis flüstert's in den stillen Gründen,
Nun will sich weit und breit
Der Nacht geheimes Liebesfest entzünden.

Hernieder von des Berges Rand
Send' ich den Blick in Thalestiefen,
Der Nachtwind geht durchs stille Land,
Mir ist, ob fern mich Stimmen riefen;
Du holdes Mädchen mein,
Nun steig herauf aus Thalesmatten,
Laß uns im Sternenschein
Still wandeln durch die grünen Waldesschatten.

Ich schmieg' um deinen Leib den Arm,
Wir plaudern süß in leisem Flüstern,
Ich halte still dich, fest und warm,
Wenn schwarz der Wald sich will verdüstern:
O Liebe hold und traut,
Wenn tönend uns
umkreist der Sterne Reigen,
Wenn, tief von Nacht umgraut,
Wie träumend rings die grünen Wälder schweigen.


Aus: Gedichte von Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft 1890 (S. 53-54)

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Hermann Rollett
(1819-1904)


Dein Geist

Das war ein stiller Frieden,
Der liebend mich umflog,
Als ich, von dir geschieden,
Durch grüne Wälder zog.

Ich hab' durch laute Gassen
Getrieben mich im Schmerz,
Doch fühlt' ich mich verlassen
Bei Menschen allerwärts.

Hier aber in dem Frieden,
Der mich im Wald
umkreis't,
Umflog, von dir geschieden,
Mich wundersam dein Geist.


aus: Gedichte von Hermann Rollett
AAswahl. Mit dem Bildnis des Dichters
Leipzig Franz Wagner 1865 (S. 95-96)
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Ferdinand von Saar
(1833-1906)


Franziska

Blick' ich dich an, du Hohe, Schlanke,
So weiß ich nicht, wie mir geschieht,
Schon lang
umkreist dich mein Gedanke,
Der immer wieder scheu entflieht.

Noch hab' ich dich nicht ganz empfunden,
Noch hab' ich dich nicht ganz erkannt,
Noch nicht den rechten Ton gefunden,
Der dich in meine Lieder bannt.

Von Mädchenwünschen hold umwoben,
Scheinst du oft träum'risch, wandelbar -
Dann wieder, stolz das Haupt erhoben,
So selbstbewußt, so kühl und klar.

Gibt's eine Liebe, dich zu lieben -
Und die auch deine Liebe weckt?
Wohl mancher ist dir fern geblieben,
Von solchem Zweifel leis erschreckt.

Oft ist es mir, als sollt' ich nahen,
Als sollt' ich fassen deine Hand,
Den zarten Leib dir sanft umfahen
Und küssen deiner Lippe Rand.

Doch folg' ich nicht dem Drang der Gluten,
Der scheu aus meinem Innern bricht -
Und möchte nichts, als stumm verbluten
Vor deinem hellen Angesicht.

Aus: Ferdinand von Saars Sämmtliche Werke in zwölf Bänden
Zweiter Band: Gedichte Erster Teil
Herausgegeben von Jakob Minor
Leipzig Max Hesses Verlag o. J. [1908] (S. 99-100)

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Johanna Schultze-Wege
(1844-1918)


Sonett

Wie ich Dich liebe, möcht' ich gern Dir sagen,
Wie all mein Denken Dir sich muß verbinden,
Zum schönen Kranze möcht' ich für Dich winden
Mein süßes Glück und meine stillen Klagen.

Doch was ich auch ersann, fühl' ich entschwinden,
Wenn Du mir nahest, und mit bangem Zagen
Mag ich es nimmer auszusprechen wagen,
Die rechten Worte weiß ich nicht zu finden.

Nicht eigenmächtig kann den Schritt ich lenken,
Du schriebst die Bahn mir vor, nun muß ich immer
umkreisen Dich, Du wunderbare Sonne.

In Deiner Nähe flieht, ein matter Schimmer,
Vergangenheit und Zukunft meinem Denken,
Dann fühl' ich nur des Augenblickes Wonne.


Aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
III. Band Berlin 1885 (S. 183)
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