Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 

 

 

Liebeslieder der Zigeuner

 

 

 

 

 

Küss' mich, Mägdelein, zart und klein,
Und ich kauf' ein Band dir fein,
Lass' mich ruh'n, Kind, dir im Arm,
Kauf' ich dir ein Mente* warm;
Wirst du aber treulos mir,
Kauf' ich einen Stecken dir.


* Mente: Der zur magyarischen Nationaltracht gehörige Mantel.

 

Aus: Haideblüten. Volkslieder der transsilvanischen Zigeuner.
Originaltexte und Verdeutschungen
von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]
Leipzig 1880 (S. 10)
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Hier im Wald, am grünen Hage,
Steh' ich Armer schon neun Tage;
Will mein Liebchen einmal sehen,
Hier muss es vorübergehen;
Hätt' es Küsse mir versprochen,
Stände gern ich hier neun Wochen;
Würden jemals wir ein Paar,
Stände hier ich auch neun Jahr'.

 

Aus: Haideblüten. Volkslieder der transsilvanischen Zigeuner.
Originaltexte und Verdeutschungen
von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]
Leipzig 1880 (S. 12)
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Schmiede das Eisen, schmied' es hart,
Schmied' es nach rechter Zigeunerart,
Bleib' bei alledem sehr arm,
Herz, mein Herz, voll Leid und Harm!
Doch hätt' ich gewonnen ein grosses Gut,
Könnt' ich bei dieser Feuerglut
Schmieden Feinliebchens Herze weich,
Niemand wäre, wie ich so reich.

 

Aus: Haideblüten. Volkslieder der transsilvanischen Zigeuner.
Originaltexte und Verdeutschungen
von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]
Leipzig 1880 (S. 19)
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Schön ist wohl die weisse Maid,
Schöner noch ihr seid'nes Kleid, -
Mein Zigeunerliebchen braun,
Mag ich doch viel lieber schau'n;
Legt zu mir ins Gras sich still.
Und es herzt mich wie ich will.

 

Aus: Haideblüten. Volkslieder der transsilvanischen Zigeuner.
Originaltexte und Verdeutschungen
von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]
Leipzig 1880 (S. 20)
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Vöglein sitzt im Ried allein,
Gross ist Mägdlein meine Pein;
Komm nur, küsse mich geschwind,
Heil' das Herz mir schönes Kind.

 

Aus: Haideblüten. Volkslieder der transsilvanischen Zigeuner.
Originaltexte und Verdeutschungen
von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]
Leipzig 1880 (S. 25)
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Drüben, wo still ein Bächlein rauscht,
Hab ich mit Liebchen oft Küsse getauscht;
Bächlein rauschet im Tale noch immer,
Doch mein Vielliebchen küsst mich nimmer,
Bächleins Wellen im Tale fliessen,
Wo Blumen am Grabe Liebchens spriessen.

 

Aus: Haideblüten. Volkslieder der transsilvanischen Zigeuner.
Originaltexte und Verdeutschungen
von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]
Leipzig 1880 (S. 41)
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 (45)


Mist und Stroh die Stätte war,
Wo die Mutter mich gebar;
Deßhalb sagt es Jedermann:
"Herr" ich nimmer werden kann!

O, das stört nicht meine Ruh;
Wär' ein Herr ich! doch wozu?
Wenn ich kein Zigeuner blieb,
Hätt' mein Liebchen mich dann lieb?

Herrn liebt mein Liebchen nicht,
Wenn er ihr auch Geld verspricht!
Bleib ihr Liebster d'rum allzeit,
Und ich leb' in Herrlichkeit!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 16)
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(46)


Das, wonach ich stets gestrebt,
Hab' ich endlich doch erlebt!
Hei! ein Nest voll Sonnenschein!
Und das Alles nenn' ich mein:
Blumen rings im weiten Feld,
Lied und Lieb' in meinem Zelt!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 16)
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(47)


Dahin kleine Bächlein fließen,
Wo im Tal viel Blumen sprießen;
Dahin, dahin eilt mein Fuß,
Wo mich wartet süßer Kuß!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 16)
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(48)


Auf der Wiese steht dein Zelt,
Käm' zu dir, du meine Welt,
Gäbst du mir rin Pfühl recht warm,
Stürb' ich gern in deinem Arm.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 16)
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(49)


Bin an Leib und Seel' verdorben
Seit ich mir ein Lieb erworben,
Das ich stets so gerne schau,
Wie die Blume auf der Au!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 17)
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(50)


Mit den Rosen spielt der Wind;
Hinter jenem Berg find
Ich mein süßes Lieb gar bald, -
Dort im hohen, grünen Wald.

Ach, sie glaubt, flieht sie vor mir,
Ich dann nimmer komm' zu ihr!
Wo die Maid auch immer weilt,
Hin zu ihr mein Schritt stets eilt!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 17)
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(51)


Munt'res Sommerbächlein ruht,
Denn versiegt ist seine Flut;
Mit des warmen Lenzes Hauch
Fließen seine Fluten auch.

Liebster, bin jetzt fern von dir,
Und die Tränen fließen mir;
Meine Augen sind so trüb,
Weinen stets nach dir, mein Lieb!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 17)
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(52)


Lieg' im Walde müd' und matt,
Auf mich fällt leis' Blatt um Blatt;
Vöglein singt in Waldeshöh'n.
Von der Liebe; die ist schön!

Doch mein armes, müdes Herz
Kennt jetzt nur der Liebe Schmerz;
Schön'res, als die Lieb' gibt’s kaum,
Doch auch sie ist nur ein Traum!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 17)
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(53)


Solchen Burschen gibt es nicht,
Dem ein Stern gehört, so licht!
Liebchen ist mein Stern voll Schimmer,
Gäb's für alle Sterne nimmer!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 18)
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(54)


Hier im Wald, im grünen Trieb,
Zog vorbei mein süßes Lieb;
Hoher Himmel schöner blaut,
Weil mein Lieb er hat erschaut!
Hier hat mich die Maid geküßt,
Die mein Leben stets versüßt!
Wo wir Beide kosend geh'n
Dort viel schöne Blumen steh'n;
Dort kein Sturm vorüberzieht,
Dort klingt schön des Vögleins Lied;
Wo mein Liebchen bei mir ist,
Dort nur Lieb' um Liebe sprießt!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 18)
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(55)


Rosen bringt der Lenz geschwind
Ist vorbei der Winterwind;
Dann mein Liebchen zieh'n wir fort,
Hin zu einem stillen Ort!

Kindern gleich, so leben wir
In dem Zelt, im Waldrevier;
Auf den Matten, grün und weich,
Kosen wir den Tauben gleich!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 18)
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 (56)


Stets hab' ich die Vöglein lieb,
Wenn im frischen, grünen Trieb
Fröhlich, lustig ihr Gesang
Tönt den hohen Wald entlang.


Deckt der Schnee Wald, Feld und Ried,
Dann verstummt der Vöglein Lied;
Doch im Herzen, im Gemüt
Stets mir frohe Liebe blüht.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 18-19)
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(57)


Nimmer kann ich weitergeh'n,
Seh' ich vor der Tür dich stehn!
Komm' zu mir du süßes Kind,
Komm' und küß' du mich geschwind!
Doch nicht einmal, tausendmal, -
Weiß ja, daß ich dir gefall'!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 19)
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(59)


Gut verfloß die Winterszeit
Und der Lenz ist nicht mehr weit;
Lebet wohl nun insgesammt,
Die ihr heiß in Liebe flammt!

Wie das Feuer treibt der Wind,
Treibt mich Lieb' zu dir, mein Kind!
Täubchen unter'm Fenster dort,
Doch jetzt muß ich von dir fort!

Süßes Mägdlein nicht mehr wein'!
Weißt mein ganzes Herz ist dein;
Mich verläßt die Treue nicht,
Wie kein Stern den Himmel licht!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 19)
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(60)


Heiß des Sommers lichter Tag,
Bald das Korn ich schneiden mag!
Und von dem erworb'nen Lohn
Leben wir im Winter schon!
Kauf' im Herbst mir Stiefel fein,
Will mein süßes Lieb dann frei'n!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 20)
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(61)


Nirgends wächst jetzt mehr ein Kraut,
Öffne mir, o Liebchen traut!
Gib mir deinen Pfühl so warm,
Sterben laß' mich dir im Arm!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 20)
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(62)


Lieber Mann aus fernem Land,
Drück' verstohlen dir die Hand;
Willst du, so umarme mich, -
Herzlich werd' ich küssen dich!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 20)
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(63)


Wie viel Stern' im Himmelreich,
Wie viel Blumen farbenreich;
Mein Zigeunerliebchen braun,
Mag ich doch viel lieber schau'n!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 20)
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(65)


Kalt die Winterwinde blasen,
Durch die Nacht sie tosen, rasen;
Glücklich, wer an Herdesglut
Sanft bei seinem Liebchen ruht!

Winterwind blas' immerzu,
Bald find' ich auch Rast und Ruh;
Meine Hochzeit wird bald sein, -
Nenn' ein Zelt, ein Weib dann mein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 20-21)
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(66)


Wenn das Bächlein fließt recht schnell,
Spielt mein Lieb die Geige hell;
Fließt das Bächlein klar und leise,
Lebt mein Lieb' nach herrenweise!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 21)
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(67)


Rotes Tüchlein in meiner Hand,
Mein Geliebter ist Musikant!

Ist mein Tüchlein gelb und gar fein,
Muß auch mein Liebster ein Schulze sein!

Hab' ich ein Tüchlein weiß in der Hand,
Wird auch mein Liebster ein "Herr" genannt!

Wenn ich ein schwarzes Tüchlein habe,
Ist mein Lieb ein Zigeunerknabe!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 21)
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(68)


Wie das meine, so ein Leben,
Kann's auf Erden nimmer geben!
Habe Speise, Trank, ein Weib -
Alles nur zum Zeitvertreib!
Esse, trinke, bin gesund,
Küss' des Weibchens roten Mund!
Ja, den ganzen lieben Tag
Ich nur essen, trinken mag;
Und vom Abend bis zum Morgen
Küss' mein Liebchen ich ohne Sorgen!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 21)
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(70)


Laß' dich küssen Mägdelein,
Blüh'n die Au'n im Sonnenschein!
Ist die Blume abgeblüht,
Flieht auch Liebe mein Gemüt;
Steht entlaubt der hohe Wald,
Dann verläßt die Lieb' mich bald,
Welkt gleich einem zarten Blatt,
Das der Reif getroffen hat;

Wenn der Winterwind kalt weht,
Meine Lust zum Kuß vergeht!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 22)
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(71)


Durch die Nacht, durch tiefen Kot
Schreit' ich vorwärts nur mit Not
Auf den mir bekannten Stegen,
Trotz dem Sturmwind, trotz dem Regen.

Dort, ein Lichtstrahl bricht hervor,
Liebste öffnet Tür und Tor!
Bin ich einmal nur bei ihr,
Ich gewiß dann nicht mehr frier'!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 22)
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(73)


Wohl kein Weib bäckt solches Brot,
Wie mein süßes Lieb es bot
In dem Wald, beim Festgelag
Mir am Sanct Georgitag.

Knetet Blumen von der Au
In den Teig und frischen Tau,
Bäckt hinein die Liebe groß, -
Sklav' wird ihr, der es genoß.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 23)
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(74)


Werd' ich einen Liebsten haben,
Will ich dann ein Brünnlein graben!
Kommt ein Fremder hier vorüber,
Fließ' es trüb und immer trüber;
Will er trinken, dann o Quelle,
Rasch versiege deine Welle;
Will mein Liebster Wasser haben,
Dann sollst du ihn köstlich laben,
Dann verwand'le, klare Quelle,
Rasch in Wein sich deine Welle!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 23)
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(75)


Gehst du Liebchen, durch die Wiesen
Soll dich jeder Grashalm grüßen;
Gehst du Liebchen, in dem Walde
Jeder Baum spricht: Gott erhalte
Dieses Mägdlein zart und fein!
Wo es hinsetzt seinen Fuß,
Dort ein Blümlein sprießen muß!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 24)
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(76)


Steh' ich nachts vor deinem Haus,
Wirf zum Fenster dann heraus
Einen einz'gen Seufzer mir;
Froh geh' ich in's Waldrevier,
Singe dort dem Waldgetriebe
Von der Freude uns'rer Liebe.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 24)
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(77)


Schöner Sommer schwand dahin,
Wandervögel weiterflieh'n,
Doch aus Liebchens Augen bricht
Heiß hervor das Sonnenlicht,
Daß ich frei von Angst und Leid
Lebe selbst zur Winterszeit!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 24)
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(78)


Auf der Straße wie der Wind
Fährt der Bauersmann geschwind;
Ich erreiche auch zu Fuß
Jenen Ort, wo süßer Kuß
Mich empfängt im Waldgetrieb',
Dort, bei meinem süßen Lieb!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 24)
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(79)


Auf der Haid' von Hermannstadt
Jeder Stern viel Lichtlein hat!
In mein Stübchen blinkt herein
Licht der gold'nen Sterne Schein;
Doch für alle Sterne licht,
Gäb' mein süßes Lieb ich nicht!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 25)
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(80)


Birnbaum blüht so schön am Gartenzaun,
Nicht vergeblich komm' zu dir ich, traun!
Deine süßen Küsse sind mein täglich Brot
Und in deinem Arm vergeß' ich Pein und Not!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 25)
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(81)


Von des Lenzes warmen Hauch
Frisch ergrünt bald jeder Strauch;
Blühen wird er doch erst dann,
Wenn mich herzt ein schöner Mann.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 25)
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(82)


Wo ich immer geh' und steh',
Kommst du Lieb mir in den Sinn,
Wo ich immer geh' und steh,
Möcht' ich Liebchen zu dir hin!

Möcht' ich Liebchen zu dir hin,
Möcht' zu dir, du meine Ruh!
Meiner Seele trüb und matt,
Liederfrohe Lerche du!

Einsam steht mein Zelt und leer,
Sehnt sich nach dem Lenz so sehr,
Daß ergrüne Wald und Au
Und du werdest meine Frau!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 25)
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(83)


Was ist mir am Sturm gelegen?
Mich nicht hindert Wind und Regen;
Wenn ich Liebchens Zelt erreich',
Ruh' in ihrem Arm ich weich!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 26)
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(85)


Sommervöglein singt im grünen Ried versteckt,
Hab' mit Küssen meinen Liebsten auferweckt,
Küßt' ihn heiß im gold'nen Morgenschein,
Ihn, deß' Herz ist ewig, ewig mein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 26)
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(86)


Schöner Sommerblumen Duft
Rings erfüllt die Morgenluft!
Blick' der Maid ich in's Gesicht,
Brauch' ich Trank und Speise nicht!
Schäkert sie dann noch mit mir,
Hab ich bald der Liebsten vier!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 26)
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(87)


Sprich, warum läßt du dein Köpfchen hangen,
Sprich, was hält dein armes Herz befangen?
"Ach, mein Herz stahl längst ein Dieb,
Dieser Dieb, das ist mein Lieb;
Hat geraubt mir den Verstand
Und auch mein Gehirn verbrannt!"

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 27)
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(88)


Nur ein einz'ger Augenblick!
Und bestimmt war mein Geschick!
Kaum sah ich dich Mägdelein,
Mußt' ich schon dein Sklave sein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 27)
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(89)


Mag der Regen draußen rinnen,
Ich sitz' in der Höhle drinnen;
In die Welt bin ich gegangen
Und der Fuß blieb mir jetzt hangen;
Doch nicht Freund, an einem Dorn,
Sondern bei der Freude Born
Sitz ich jetzt, bei meinem Liebchen zart,
Und ergötze mich nach meiner Art!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 27)
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(90)


Ich war des Gedankens voll,
Wie zur Maid ich sprechen soll?
Wenn sie mir ist angetraut
Und sie wird mein Weibchen, traut!

Hab' mich d'rum an sie geschmiegt,
Doch mich nicht in Schlaf gewiegt,
Sie geküßt, an mich gepreßt,
Sprachlos sie umarmt gar fest …

So hab' ich die erste Nacht
Bei dem Weibchen zugebracht!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 27)
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(91)


Mägdlein, du bist mir gar lieb!
Trank und Speise du mir gieb,
Für den Hunger eine Wurst,
Recht viel Schnaps für meinen Durst!
Dann die ganze, lange Nacht
Halt' vor deinem Zelt ich Wacht!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 28)
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(93)


Rot im Garten wächst das Kraut;
Ich verlaß' dich Liebchen, traut!
Nach der Ernte kehr' ich heim,
Bring' dir Fleisch und Honigseim!
Will um dich dann Liebchen, frei'n,
Dein werd' ich und du wirst mein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 28)
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(94)


Auf die Bäume unbewegt,
Hat sich kalt der Schnee gelegt;
Gleich dem Baum im Winterfrost,
Ist mein Herz vom Leid umtost.

Winterschnee gar bald zergeht,
Wenn die laue Lenzluft weht;
Doch nie schmilzt mein Herzeleid,
Denn mein Lieb weilt von mir weit! …

Bienchen meinen Finger stach,
Erde heilt' den Stich gemach;
Wenn mein Herz im Grabe weilt,
Ob mein Leid die Erde heilt?

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 28-29)
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(95)


Fröhlich singt die Lerche auf der Au,
Denn sie trank vom frischen Morgentau!
Ich sing auch recht zärtlich, süß,
Wenn mein schönes Lieb ich küß'.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 29)
_____

 

 

(96)


Welk die Bäume steh'n im Garten,
Auf den Regenguß sie warten;
Ich nach dir, mein Lieb, verlange,
Daß von dir ich Lieb' empfange!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 29)
_____

 

  

(97)


Licht erglänzt der Sterne Schein;
Dein bin ich mein Lieb, ja dein!
Daß wir Beide arm, verhöhnt, -
Längst hab' ich mich d'ran gewöhnt!
Gab für dich, mein süßer Schatz,
Jüngst beim Schenken in Versatz
Meinen Kittel, schön und bunt, -
Küßtest mir dafür den Mund!
Gäb' für dich die Augen mein,
Dürft' ich stets nur bei dir sein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 29)
_____

 

 

(98)


Kleines Bächleins klare Welle
Eilt zum tiefen See so schnelle;
Auch ich laufe hin und her,
Find' die Ruh' doch nimmermehr.

Durch das Feld zieh'n Regenschauer,
Durch mein Herz zieht tiefe Trauer;
Hast mit Treu' und süßem Lieben
Stets dein böses Spiel getrieben.

Alle Menschen hier auf Erden
Ruh' im Grabe finden werden,
Doch selbst aus des Grabes Schlummer
Wird aufwecken mich der Kummer.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 29-30)
_____

 

  

(99)


Mich beweinen alle Blumen auf der Au,
Tränenfeucht sie steh'n im frischen Morgentau;
Klagelieder klingen in den Zweigen,
Die sich tief zur Erde niederneigen.
Doch was nützt mir Trän' und Klagegesang,
Bleibt mein Herz doch ewig trüb und bang!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 30)
_____

 

  

(100)


Treulos ward mir nie mein süßes Lieb,
Als ich in der Welt herum mich trieb,
Keinem Burschen lief sie nach;
Sei gesegnet sie d'rum tausendfach!

Ach, vor Sehnsucht ist sie fast erstarrt,
Hat in treuer Lieb' auf mich geharrt;
Als ich mit dem Frühling wiederkam,
Neues Leben seinen Anfang nahm!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 30)
_____

 

  

(101)


Alles jauchzt dem Lenz entgegen,
Vöglein singen allerwegen;
Ich auch hab' mein kleines Zelt,
An dem Bachrand aufgestellt.

Blumen hast du, Lenz, gebracht,
Und verscheucht des Winters Nacht;
Kehre auch ins Herz mir ein,
Schenke mir ein Liebchen fein!

Möcht' mit ihr im Grase liegen,
Möcht' mit ihr gen Himmel fliegen,
Lagern stets nur im Waldraum,
Träumen manchen schönen Traum!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 30-31)
_____

 

  

(102)


Hab' ein Feuer mir entfacht
Und erwarte nun die Nacht;
Hätt' ein Lieb' ich, oder einen Braten doch!
Hätt' ich beides, wär's mir wahrlich lieber noch!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 31)
_____

 

  

(103)


Bin ein Vöglein, das im Schatten
Zwitschert hier auf grünen Matten;
Wo ich immer steh' und gehe
Weilt die Lieb' in meiner Nähe!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 31)
_____

 

  

(104)


Weiber hast geliebt du nie,
Stets verachtet hast du sie!
Wirst du alt, bleibst du allein, -
Ohne Licht und Sonnenschein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 31)
_____

 

 

(106)


Auf dem Grenzstein sitz' ich hier;
Freude, sprich, wo blühst du mir?
In dem Himmel licht und hoch,
Oder hier auf Erden noch? …

Deinem Lieb blick' in's Gesicht,
Dann an Freud' dir's nicht gebricht!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 32)
_____

 

  

(108)


Ja, was soll noch hier auf Erden
Aus mir armen Burschen, werden?
Schlaf' in Betten, schön und weich,
Hab' drei Liebchen, schön und reich!

Die Dorfschulzin ist die eine,
Ja, die ist es, die ich meine!
Eine Herrin ist die zweite,
Ich allnächtlich zu ihr reite;
Mein Zigeunerliebchen braun,
Ist mein schönstes Liebchen, traun!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 32)
_____

 

 

(109)


Laut, wie wilde Seufzer ziehn
Winde über Bäume hin;
Doch wir stehen Hand in Hand
Liebchen, uns die Lieb' verband.
Des Windkönigs stärkster Sohn
Flög' mit dir so gern davon;
Doch die Lieb' ist starkes Band,
Stärker als die Felsenwand!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 33)
_____

 

  

(111)


Warum ich nicht lieben soll,
Wenn der Lenz der Rosen voll?
Denn in niegeseh'ner Pracht
Mir die Lieb' entgegenlacht!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 33)
_____

 

  

(112)


Möge Winterstürme tosen,
Mit dem Lenz blühn wieder Rosen;
Für das Herze kalt und leer,
Kommt der Frühling nimmermehr.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 33)
_____

 

 

 (117)


Wenn der Frühling jetzt auch wieder ist,
Altes Glück mein Herz doch nicht vergißt;
In mein armes Herz zieh' Lenz hinein
Und in Träume wieg' es sanft du ein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 34)
_____

 

 

 (118)


Bei den Mädchen überall
Wachsen Küsse ohne Zahl,
Wächst und blüht die Seligkeit!
D'rum weil' ich zu jeder Zeit
Dort, wo gut ist stets der Wein,
Kußgelaunt die Mägdelein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 35)
_____

 

 

(119)


Zahlreich sind die Blätter an dem Baum,
Zahlreich sind die Stern' im Himmelsraum;
Nur ein einz'ges Mädchen, hold und zart,
Ist auf dieser Welt von guter Art!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 35)
_____

 

 

(120)


Feuer brennt in meiner Esse
Und ich schmied', daß ich vergesse
Jene Maid, o! jene blasse,
Die ich jüngst sah auf der Straße.

Dort an Mühlbachs Kirchenmauer
Weh'n die Frühlingslüfte lauer,
Ach! dort träumt im Lenzgetriebe
Jene blasse Maid von Liebe.

Könnt' ich doch zu ihr einkehren,
Dürft' ich sie doch Liebe lehren;
Ihre Wangen von den Küssen,
Dann wohl röter werden müssen.

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 35)
_____

 

 

(121)


Sprich doch schönes Mägdelein,
Soll ich dir behülflich sein?
Willst du: helf' ich dir gar schnell,
Schöpfe Wasser aus dem Quell
In den Krug dir, schön und bunt,
Wenn du küßest meinen Mund!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 35-36)
_____

 

  

(125)


Ach, es bebt der Blütenkeim,
Fliegt der Wandervogel heim;
Zieht von mir der Liebste mein,
Fehlt mir stets der Sonnenschein!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 37)
_____

 

  

(126)


Täubchen fliegt von Dach zu Dach;
Wand're stets dir Liebchen, nach.

Täubchen fliegt im Sonnenschein;
Ich doch wand're stets in Pein.

Täubchen findet bald sein Paar;
Mein wann wirst du Lieb, fürwahr?

Täubchen bald im Neste ruht;
Mich verzehrt die Liebesglut!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890  (S. 37)
_____

 

 

(133)


Auf, steh' auf, Geliebter mein!
Ach, geschieden muß es sein!
Wahrlich, unlieb wär' es mir,
Träf' dich meine Mutter hier!

Wird es Abend: kehr' zurück.
Du mein Blümchen, süßes Glück!
Öffne dann das Pförtchen ich
Liebster, stets nur, stets für dich!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 39)
_____

 

 

(134)


Weithin hallt der Vöglein munt'rer Ton,
Aufgestanden ist mein Liebster schon!
Und in aller Frühe manchen Kuß
Meinem Liebsten ich schon geben muß!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 39)
_____

 

 

(135)


Steh' auf, steh' auf, du Vielliebster mein!
Die Sonne scheint zum Zelt herein,
Die Sonne blinkt schon in Feld und Wald,
Wir scheiden nun, du mein Liebster, bald!
O, wenn es ewig Nacht nur blieb,
Daß nie von mir du gingst mein Lieb!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 40)
_____

 

 

(136)


Wach' nun auf, o Liebster mein!
Golden scheint der Sonnenschein
Auf die ganze weite Welt, -
Treibt dich fort aus meinem Zelt!

Abends schlafen geht die Sonne,
Dann kommst du, o meine Wonne;
Ruhst auf meinem Lager warm,
Ruhst in meinem weichen Arm!

 

Aus: Volksdichtungen der siebenbürgischen
und südungarischen Zigeuner
Gesammelt und aus unedirten Originaltexten
übersetzt von Dr. Heinrich von Wlislocki [1856-1907]

Wien 1890 (S. 40)
_____

 

 
Lass dich küssen, Mägdelein,
Blüh'n die Au'n im Sonnenschein!
Ist die Blume abgeblüht,
Flieht auch Liebe mein Gemüt;
Steht entlaubt der hohe Wald,
Dann verlässt die Lieb mich bald,
Welkt gleich einem zarten Blatt,
Das der Wind getroffen hat;
Wenn der Winterwind kalt weht,
Meine Lust zum Kuss vergeht!

 

Aus: Vom Wandernden Zigeunervolke.
Bilder aus dem Leben der siebenbürger Zigeuner.
Geschichtliches, ethnologisches, Sprache und Poesie.
Von Dr. Heinrich Wlislocki [1856-1907]
Hamburg 1890 (S. 341)

_____

 

 

 Küss' mich, Mägdelein, zart und klein,
Und ich kauf' ein Band dir fein!
Lass' mich ruh'n, Kind, dir im Arm,
Kauf' ich dir ein Kleidchen, warm;
Wirst du aber treulos mir,
Kauf' ich einen Stecken dir!

 

Aus: Vom Wandernden Zigeunervolke.
Bilder aus dem Leben der siebenbürger Zigeuner.
Geschichtliches, ethnologisches, Sprache und Poesie.
Von Dr. Heinrich Wlislocki [1856-1907]
Hamburg 1890 (S. 341-342)

_____

 

 

 Liegt die Nacht auf Erden weit und breit,
Weckt mich auf ein tiefes Herzeleid,
Und ich denke dein, du Röslein roth,
Das so schnell gepflückt der Tod.
Auf der Au' der schönste Rosenstengel,
Warst, mein Liebchen, du ein lichter Engel!
Um dein Grab spielt jetzt des Mondes Strahl.
Auf verlass'ner Halde bleich und fahl;
Dorthin möcht' ich auch so gerne geh'n
Und erwarten dort das Aufersteh'n!

 

Aus: Vom Wandernden Zigeunervolke.
Bilder aus dem Leben der siebenbürger Zigeuner.
Geschichtliches, ethnologisches, Sprache und Poesie.
Von Dr. Heinrich Wlislocki [1856-1907]
Hamburg 1890 (S. 343)

_____

 

 

 Wo ich, Armer, immer geh' und steh',
Überall ich nur die Öde seh'!
Felsen hoch und nackt und kahlen Stein,
Ohne Lenztrieb, ohne Sonnenschein!
Alles meinem trüben Herzen gleicht,
Dem der Lenzschmuck früh entweicht!
Keine Thräne heisser Reu'
Weckt mein todtes Lieb aufs neu!
Ob ich unten in der Erde
Einmal wohl auch glücklich werde?

 

Aus: Vom Wandernden Zigeunervolke.
Bilder aus dem Leben der siebenbürger Zigeuner.
Geschichtliches, ethnologisches, Sprache und Poesie.
Von Dr. Heinrich Wlislocki [1856-1907]
Hamburg 1890 (S. 343)

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Bin ein Wand'rer, einsam und verlassen,
Zieh' einher ich meine Strassen!
Ach, ich hab' mein Lieb verloren,
Wär' ich Armer nie geboren!

Bin ein Vöglein in dem welken Riede,
Sprech' von Klagen nur in meinem Liede!
Ach, ich hab' mein Lieb' verloren,
Wär' ich Armer nie geboren!

Zög' ich durch die Welt auch mit den Winden,
Würd' ich doch die Liebe nirgends finden!
Keine Lieb' mehr auf der Welt ich habe,
Denn beim Liebchen ruht sie, dort im Grabe!

 

Aus: Vom Wandernden Zigeunervolke.
Bilder aus dem Leben der siebenbürger Zigeuner.
Geschichtliches, ethnologisches, Sprache und Poesie.
Von Dr. Heinrich Wlislocki [1856-1907]
Hamburg 1890 (S. 343-344)

_____

 

 

 Alle ruhen in dem Grab,
Die stets ich geliebet hab';
Kehr' zu ihnen ich bald ein,
Endigt dann mein Leid, die Pein.

Oft in stiller Sommernacht
Hab' im Friedhof ich gewacht,
Dort kehrt in mein Herz zurück
Das verlorne Liebesglück!

Du kommst mir dann in den Sinn
Kind, dess' Mutter ich jetzt bin!
Nie konnt' dich dein Vater seh'n:
Sterb' ich, wie wird's dir ergeh'n!

Deines Vaters Grab allein
Schmückt kein Kreuz, kein Kränzelein,
Steh' als Kreuz im Friedhofsgrund,
Du der Kranz d'rauf, schön und bunt!

 

Aus: Vom Wandernden Zigeunervolke.
Bilder aus dem Leben der siebenbürger Zigeuner.
Geschichtliches, ethnologisches, Sprache und Poesie.
Von Dr. Heinrich Wlislocki [1856-1907]
Hamburg 1890 (S. 344)

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Kleines Bächleins klare Welle
Eilt zum tiefen See so schnelle,
Auch ich laufe hin und her,
Finde Ruh' doch nimmermehr.

Durch das Feld zieh'n Regenschauer,
Durch mein Herz zieht tiefe Trauer,
Hast mit Treu' und süssem Lieben
Stets dein böses Spiel getrieben!

Alle Menschen hier auf Erden
Ruh' im Grabe finden werden;
Doch selbst aus des Grabes Schlummer
Wird aufwecken mich der Kummer.

 

Aus: Vom Wandernden Zigeunervolke.
Bilder aus dem Leben der siebenbürger Zigeuner.
Geschichtliches, ethnologisches, Sprache und Poesie.
Von Dr. Heinrich Wlislocki [1856-1907]
Hamburg 1890 (S. 345)

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Bächleins Wellen weiterzieh'n,
Rastlos weiter, weiter flieh'n;
Mich vergass'st du, treulos Lieb,
Spott dein Herz stets mit mir trieb.

Bist jetzt eines Andern Braut,
Du, der ich in Lieb' vertraut!
Meine Seufzer, meine Pein
Sollen dein Ruhkissen sein!

Auf Pfingstrosen unbewegt,
Hat sich kalter Schnee gelegt;
Die ich liebt' treu, inniglich,
Stets betrog, belog sie mich!

 

Aus: Vom Wandernden Zigeunervolke.
Bilder aus dem Leben der siebenbürger Zigeuner.
Geschichtliches, ethnologisches, Sprache und Poesie.
Von Dr. Heinrich Wlislocki [1856-1907]
Hamburg 1890 (S. 345)

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