Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Madegassische Liebeslieder

 


Liebeslied

Nahandove, schöne Nahandove!
Horch! schon ruft der Vogel der Nacht,
Und der Mond erglänzt am Himmel;
Meine Locken näßt der Thau des Abends,
Naht die Stunde, was kann noch Dich hindern?
Nahandove, schöne Nahandove!

Fertig ist das Lager, das aus Blättern
Und aus duft'gen Blumen ist bereitet;
Würdig ist es Deiner süßen Reize,
Nahandove, schöne Nahandove!

Und sie kommt; das schwere Athmen hör' ich,
Das der rasche Gang veranlaßt, höre
Auch das Rauschen ihres Kleides wieder,
Das die zarten Glieder einhüllt; ja sie ist es!
Nahandove, schöne Nahandove!

Odem schöpfe, meine junge Freundin!
Ruhe aus auf meinem Knie. Wie freundlich
Ist Dein Blick, wie lebhaft wallt Dein Busen!
Sanft gedrückt von des Geliebten Händen!
Und Du lächelst, schöne Nahandove!

Deine Küsse dringen durch die Seele,
Mir entflammt Dein Kosen wild die Sinne;
Halt! ich sterbe - stirbt man denn vor Wollust?
Nahandove, schöne Nahandove!

Wie der Blitz verschwindet das Vergnügen,
Schwächer wird Dein Odem, und es schließen
Deine feuchten Augen sich. - Du senkest
Sonst Dein Köpfchen, sanft Dein reizend Köpfchen.
Deine Glut erlischt in mattem Schmachten!
Nimmer warst so schön du Nahandove!
Nahandove, schöne Nahandove!

O wie süß ist Schlaf im Arm der Liebe!
Aber nicht so süß als solch Erwachen;
Weh Du scheidest! bis zum Abend muß ich
Unter Wunsch und Sehnsucht schmachtend warten,
Doch Du kommst gewiß heut Abend wieder,
Nahandove, schöne Nahandove!
(S. 75-76)

In der Übersetzung von Oskar Ludwig Bernard Wolff (1793-1851)
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Mittagsruhe

Es ist so süß bei heißer Mittagsruhe
Im Schatten des belaubten Baum's zu ruh'n,
Und zu erwarten, daß der Abendwind
Dir Kühlung bringt.

Ihr Frauen nahet Euch und ich ruhe
Im Schatten dieses dichtbelaubten Baumes,
Beschäftiget mein Ohr mit Eurer Klänge
Gedehntem Ton!

Singt von der jungen Maid, wie ihre Finger
Die Matte flechten, wie sie bei dem Reis
Zur Wache sitzt und die begier'gen Vögel
Sorgfältig scheucht.

Mich freut Gesang! und einem Kusse gleichend,
Erscheinet mir an Süßigkeit der Tanz.
Bewegt Euch langsam, ahmt die Lust, das Schmachten,
Die Wollust nach!

Der Abendwind erhebt sich, durch die Bäume
Des Hügels bricht des Mondes heller Strahl.
So gehet denn, ihr Frauen, und bereitet
Das Mahl der Nacht!
(S. 76-77)

In der Übersetzung von Therese Albertine Louise
von Jakob verh. Robinson 1797-1870


 

Aus: Versuch einer geschichtlichen Charakteristik der Volkslieder germanischer Nationen
mit einer Übersicht der Lieder aussereuropäischer Völkerschaften
von Talvj [Therese Albertine Louise von Jakob verh. Robinson 1797-1870 ]
Leipzig 1840

 

 

 


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