Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Deutsche Liebeslieder (Volkslieder)


Sammlung Ludwig Erk (1856)


Inhaltsverzeichnis der Lieder:
 




Lied 1a.
Liebestreue
("Tugendhaffter Jungfrauen und Jungengesellen Zeit-Vertreiber"
[Um 1690] u. flieg. Bl. um 1760)

1. Es steht ein Lindlein in jenem Thal,
ist oben breit und unten schmal;
darauf da sitzt Frau Nachtigall,
das kleine Waldvögelein vor dem Wald.

2. "Sing an, sing an, Frau Nachtigall,
du kleines Waldvögelein vor dem Wald!
sing an, sing an, du schönes mein Lieb!
wir zwei müssen uns scheiden allhie."

3. Er nahm sein Rößlein wol bei dem Zaum,
er bands wol an ein Lindenbaum;
sie half ihm in den Sattel so tief:
""Gesegen dich Gott, du schönes mein Lieb!""

4. ""Wann wirst du wiederum kommen?""
"Erst nauswärts gegen dem Sommer;
wann alle die Bäumlein tragen das Laub,
so schau auf mich, du schöne Jungfrau!"

5. Es gieng wol gegen dem Sommer,
mein schönes Lieb wollt nicht kommen;
ich gieng spazieren wol durch das Holz,
begegnet mir ein Reuterlein stolz.

6. "Gott grüß euch, Jungfrau reine!
was macht ihr hie alleine?
Ei ist euch Vater und Mutter so krank,
oder habt ihr heimlich einen Mann?"

7. ""Mein Vater und Mutter ist mir nicht krank,
aber ich hab heimlich einen Mann;
dort oben bei jener Linden so breit,
darbei schwur er mir einen Eid.""

8. "Ei hat er auch ein Eid geschworn,
und ihr habt euer schöns Lieb verlorn,
so ist es heut ein ganzes Jahr,
daß man ihm ein schöne Jungfrau gab."

9. "Was wollt ihr ihm entbieten?
ich komm erst von ihm geritten,
so ist es heut der dritte Tag,
daß ich eur schöns Lieb gesehen hab."

10. ""Was wollt ich ihm entbieten?
Der liebe Gott thu ihn behüten!
und kann er mir nicht werden zu Theil,
so wünsch ich ihm viel Glück und Heil.""

11. ""Und kann er mir nicht werden
der Liebste auf dieser Erden,
so will ich mir brechen meinen Muth,
gleichwie das Turteltäublein thut.""

12. ""Es fleugt den Winter so kühle
und trinkt das Wasser so trübe,
es setzt sich auf ein dürren Ast,
da irret weder Laub noch Gras.""

13. Da zog er ab sein seiden Hut:
erst kennet ihn die Jungfrau gut.
""Bis Gott willkomm, du schönes mein Lieb!
[bis=sei]
wie lang läßt mich in Trauren allhie?""

14. "Da thät ich dich versuchen,
ob du mir wolltest fluchen;
und hättest mir ein Fluch gethan,
so wär ich wieder geritten darvon."

15. "Da du mir nicht thätst fluchen,
da erfreut sich mein Gemüthe;
du machest mein Herz der Freuden so voll,
daß ich dich jetzund haben soll." -

16. Wer ist, der uns dies Liedlein sang?
Das hat gethan ein Reutersmann;
er singt uns das und noch vielmehr.
Gott behüt alln Jungfrauen ihr Ehr!

17. Er hats so frei gesungen,
hat ihm ganz wohl gelungen;
er hats seinem Buhln zu Ehren gemacht,
wünscht ihr darbei viel guter Nacht.
(S. 3-5)
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Lied 11.
Falsche Liebe
(Vielfach mündlich, durch ganz Deutschland verbreitet)

1. Es kann mich nichts Schönres erfreuen,
als wenn es der Sommer angeht;
da blühen die Rosen im Walde,
ju ja im Walde,
Soldaten marschieren ins Feld.

2. "Ach Schätzchen, was hab ich erfahren,
daß du es willst scheiden von mir?
willst ziehen wol fremde Landstraßen,
ju ja Landstraßen:
wann kommest du wieder zu mir?"

3. Und als ich in fremde Land naus kam,
gedacht ich gleich wieder fort;
ach wär ich zu Hause geblieben,
ju ja geblieben
und hätte gehalten mein Wort!

4. Und als ich nun wieder nach Hause kam,
Feinsliebchen stand hinter der Thür:
"Gott grüß dich, du Hübsche, du Feine!
ju ja Feine!
von Herzen gefallest du mir."

5. "Was brauch ich denn dir zu gefallen?
ich hab ja schon längst einen Mann,
dazu einen hübschen und reichen,
ju ja und reichen,
der mich wol ernähren kann."

6. Was zog er aus seiner Tasche?
ein Messer, war scharf und spitz;
er stach es Feinsliebchen ins Herze,
ju ja ins Herze,
das rothe Blut gegen ihn spritzt.

7. Und als er es wieder heraußer zog,
von Blute war es so roth:
""Ach großer Gott vom Himmel,
ju ja vom Himmel,
wie bitter ist mir der Tod!""

8. ""So gehts, wenn zwei Knaben ein Mädel lieb habn,
da thut dir ja selten gut;
wir beide wir habens erfahren,
ju ja erfahren,
was falsche Liebe thut!""
(S. 27-28)
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Lied 11a.
Falsche Liebe
(Aus dem Elsaß 1776)

1. Es stehen drei Sterne am Himmel,
die geben der Lieb einen Schein.
"Gott grüß euch, schönes Jungfräulein!
ja, ja Jungfräulein!
wo bind ich mein Rösslein hin?"

2. ""Nimm du es dein Rößlein beim Zügel, beim Zaum,
binds an den Feigenbaum!
setz dich eine kleine Weil nieder,
ja, ja Weil nieder,
und mach mir ein kleine Kurzweil!""

3. "Ich kann es und mag es nicht sitzen,
mag auch nicht lustig sein;
mein Herz ist mir es betrübet,
ja, ja betrübet,
feins Lieb, von wegen dein."

4. Was zog er aus seiner Taschen?
ein Messer, war scharf und spitz;
er stachs seiner Lieben durchs Herze,
ja, ja durchs Herze,
das rothe Blut gegen ihn spritzt.

5. Und da er es wieder heraußer zog,
von Blute war es so roth:
""Ach reicher Gott vom Himmel,
ja, ja vom Himmel,
wie bitter wird mir der Tod!""

6. Was zog er ihr abe vom Finger?
ein rothes Goldringelein;
er warf es in fließend Wasser,
ja, ja ins Wasser,
es gab einen hellen Schein.

7. ""Schwimm hin, schwimm her, Goldringelein,
bis an die tiefe See!
mein feines Lieb ist mir gestorben,
ja, ja gestorben;
jetzt hab ich kein feins Lieb meh."" -

8. So gehts, wenn ein Mädel zwei Knaben lieb hat!
thut wunderselten gut;
das haben die beide erfahren,
ja, ja erfahren,
was falsche Liebe thut.
(S. 28-29)

(J. G. Jacobi's "Iris. Band V. Berlin, 1776" S. 134.
J. G. v. Herder's "Volkslieder. I. Theil Leipzig, 1778" S. 38)

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Lied 21.
Zwei Königskinder
(Durch ganz Deutschland verbreitet)

1. Es waren zwei Königskinder,
sie hatten einander so lieb,
sie konnten beisammen nicht kommen,
das Wasser war viel zu tief.

2. "Ach Schätzchen, könntest du schwimmen,
so schwimm doch herüber zu mir!
drei Kerzchen will ich anzünden,
und die solln leuchten zu dir."

3. Das hört ein falsches Nönnchen,
die that, als wenn sie schlief;
sie thät die Kerzlein auslöschen,
der Jüngling ertrank so tief.

4. Es war an eim Sonntag-Morgen,
die Leut warn alle so froh;
nicht so die Königstochter,
ihr Augen saßen ihr zu.

5. "Ach Mutter, herzliebste Mutter,
mein Kopf thut mir so weh!
ich möcht so gern spazieren
wol an die grüne See."

6. ""Ach Tochter, herzliebste Tochter,
allein sollst du nicht gehn;
weck auf dein jüngste Schwester,
und die soll mit dir gehn!""

7. "Ach Mutter, herzliebste Mutter,
meine Schwester ist noch ein Kind,
sie pflückt ja all die Blümlein,
die auf Grünheide sind."

8. ""Ach Tochter, herzliebste Tochter,
allein sollst du nicht gehn;
weck auf deinen jüngsten Bruder,
und der soll mit dir gehn!""

9. "Ach Mutter, herzliebste Mutter,
mein Bruder ist noch ein Kind,
der schießt ja all die Vöglein,
die auf Grünheide sind." -

10. Die Mutter gieng nach der Kirche,
die Tochter hielt ihren Gang,
sie gieng so lang spazieren,
bis sie den Fischer fand.

11. "Ach Fischer, liebster Fischer,
willst du verdienen groß Lohn,
so wirf dein Netz ins Wasser
und fisch mir den Königssohn!"

12. Er warf das Netz ins Wasser,
es gieng bis auf den Grund;
der erste Fisch, den er fischet,
das war sich des Königs Sohn.

13. Sie faßt ihn in ihre Arme
und küßt seinen todten Mund:
"Ach Mündlein, könntest du sprechen,
so wär mein jung Herze gesund!"

14. Was nahm sie von ihrem Haupte?
eine goldene Königskron:
"Sieh da, woledler Fischer,
hast dein verdientes Lohn!"

15. Was zog sie von ihrem Finger?
ein Ringlein von Golde so roth:
"Sieh da, woledler Fischer,
kauf deinen Kindern Brot!"

16. Sie schwang sich um ihren Mantel
und sprang wol in die See:
"Gut Nacht, mein Vater und Mutter,
ihr seht mich nimmermeh!" -

17. Da hört man Glöcklein läuten,
da hört man Jammer und Noth:
Hier liegen zwei Königskinder,
die sind alle beide todt!
(S. 65-66)

(Vielfach mündlich, aus Westphalen und aus Rheingegend - Bonn, Wesel sc.)

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Lied 24.
Der todte Freier
(Mündlich aus der Gegend von Meran in Tyrol)

1. Es gieng ein Knab spazieren
wol am Schlaffenster hin:
"Herzliebste, bist du drinnen?
ei steh auf und laß mich ein!"

2. ""Ich bin jetzt zwar hierinnen,
aber rein laß ich dich nit;
ich habs einem Andern versprochen.""
"Vielleicht derselbe bin ich!"

3. "Streck nur aus dein schneeweiß Händlein,
ei vielleicht erkennst du mich." -
""Mich däucht, du schmeckst wie die Erde,
[schmeckst=riechst]
'ch hab gemeint, daß du seist todt.""

4. "Von der Erde kann ichs leicht schmecken,
weil ich komm von derselben her.
Es ist schon achthalb Jahre,
seit ich gestorben bin."

5. "Weck nur auf dein Vater und Mutter,
weck nur auf all deine Freund;
weck nur auf dein Bruder und Schwester,
und die Hochzeit ist schon bereit!"

6. "Thu dich hübsch und schön aufputzen,
setz nur auf dein grün Kränzelein,
mit rosen Seide gebunden;
wolln wir fahrn in Himmel hinein!"

7. Bald das erste Glöcklein läutet,
[bald=sobald]
macht die Braut das Testament;
bald das andre Glöcklein läutet,
nahm sie auf ein glückseligs End.

8. Zwei Herzliebste die sind verschieden,
verschieden bei der Nacht;
und Gott Vater war selbstens der Priester,
gabs dieselbigen Brautleut zusammn.
(S. 74-75)
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Lied 27b.
Tanhäuser
(Heinrich Kornmann's "Mons Veneris, Fraw Veneris Berg sc.
Gedruckt zu Franckfurt a. M. 1614" 8. S. 127-132)

1. Nun will ich aber heben an,
vom Tanhäuser wöllen wir singen
und was er Wunders hat gethan
mit Frau Venussinnen.

2. Der Tanhäuser war ein Ritter gut,
er wollt groß Wunder schauen;
da zog er in Frau Venus Berg
zu andern schönen Frauen.

3. "Herr Tanhäuser, ihr seid mir lieb,
daran sollt ihr gedenken!
ihr habt mir einen Eid geschworn:
ihr wollt nicht von mir wenken."

4. ""Frau Venus, ich habs nicht gethan,
ich will das widersprechen,
wann Niemand spricht das mehr dann ihr,
Gott helf mir zu dem Rechten!""

5. "Herr Tanhäuser, wie sagt ihr mir?
ihr sollet bei uns bleiben;
ich geb euch meiner Gespielen ein
zu einem ehelichem Weibe."

6. ""Nehme ich dann ein ander Weib,
als ich hab in meinem Sinne,
so muß ich in der Höllen Glut
da ewiglich verbrinnen."

7. "Du sagst mir viel von der Höllen Glut,
du hast es doch nicht befunden:
gedenk an meinen rothen Mund,
der lacht zu allen Stunden."

8. ""Was hilft mir euer rother Mund,
er ist mir gar unmähre:
nun gieb mir Urlaub, Frau Venus zart,
durch aller Frauen Ehre!""

9. "Herr Tanhäuser, wollt ihr Urlaub han,
ich will euch keinen geben:
Nun bleibet, edler Tanhäuser zart,
und frischet (fristet) euer Leben!"

10. ""Mein Leben das ist worden krank,
ich kann nicht länger bleiben;
nun gebt mir Urlaub, Fraue zart,
von eurem stolzen Leibe!""

11. "Herr Tanhäuser, nicht sprecht also,
ihr seid nicht wol bei Sinnen;
nun laßt uns in ein Kammer gahn,
und spielen der heimlichen Minnen!"

12. ""Euer Minne ist mir worden leid;
ich hab in meinem Sinne:
o Venus, edle Jungfrau zart,
ihr seid ein Teufelinne.""

13. "Tanhäuser, wie sprecht ihr also?
Besteht ihr mich zu schelten?
sollt ihr noch länger bei uns sein,
des Worts müßt ihr entgelten."

14. "Tanhäuser, wollt ihr Urlaub han,
nehmt Urlaub von den Greisen,
und wo ihr in dem Land umfahrt,
mein Lob das sollt ihr preisen."

15. Der Tanhäuser zog wieder aus dem Berg
in Jammer und in Reuen:
""Ich will gen Rom wol in die Stadt,
All auf den Bapst vertrauen.""

16. ""Nun fahr ich fröhlich auf die Bahn,
Gott muß es immer walten!
zu einem Bapst der heißt Urban,
ob er mich wollt behalten.

17. ""Herr Bapst, geistlicher Vater mein!
ich klag euch meine Sünde,
die ich mein Tag begangen hab,
als ich euch will verkünden.""

18. ""Ich bin gewest ein ganzes Jahr
bei Venus einer Frauen;
nun will ich Beicht und Buß empfahn,
ob ich möcht Gott anschauen.""

19. Der Bapst hätt einen Stecken weiß,
der ward vom dürren Zweige:
""Wann dieser Stecken Blätter trägt,
so seind dein Sünd verziehen.""

20. ""Sollt ich leben nicht mehr dann ein Jahr,
ein Jahr auf dieser Erden,
so wollt ich Reu und Buß empfahn
und Gottes Gnad erwerben!""

21. Da zog er wieder aus der Stadt
in Jammer und in Leiden:
""Maria Mutter, reine Magd!
muß ich mich von dir scheiden,""

22. ""So zieh ich wieder in den Berg
ewiglich und ohn Ende
zu Venus meiner Frauen zart,
wo mich Gott will hin senden.""

23. "Seid willkommen, Tanhäuser gut!
ich hab euch lang entboren;
seid willkommen, mein liebster Herr
und Held, mein Auserkoren!"

24. Darnach wol auf den dritten Tag
der Stecken hub an zu grünen;
da sandt man Boten in alle Land:
wohin der Tanhäuser wär kommen?

25. Da ward er wieder in den Berg
darinnen sollt er nun bleiben
so lang bis an den jüngsten Tag,
wo ihn Gott will hinweisen.

26. Das soll nimmer kein Priester thun,
dem Menschen Mißtrost geben;
will er dann Buß und Reu empfahn,
sein Sünde seind ihm vergeben.
(S. 89-90)
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Lied 29.
Der treue Knabe
(Mündlich vom Niederrhein, Meurs sc.)

1. Es war einmal ein feiner Knab,
der liebt sein Schätzchen sieben Jahr;

2. Wol sieben Jahr und noch viel mehr,
als wenn der Lieb kein Ende wär.

3. Der Knab der reist ins fremde Land,
derweil wird sein Herzliebchen krank;

4. Ja krank, ja krank bis auf den Tod,
drei Tag, drei Nacht sprach sie kein Wort.

5. Und als der Knab die Botschaft kriegt,
daß sein Feinsliebchen krank da liegt:

6. Da ließ er all sein Hab und Gut,
wollt sehn, was sein Feinsliebchen thut.

7. "Guten Tag, guten Tag, Herzliebste mein!
was machst du hier im Bettelein?"

8. ""Schön Dank, schön Dank, mein feiner Knab!
mit mir wirds heißen bald ins Grab!""

9. "Nicht so, nicht so, Herzliebste mein!
die Lieb und Treu muß länger sein."

10. Er nahm sie gleich in seinen Arm,
da war sie kalt und nicht mehr warm.

11. "Geschwind, geschwind, bringt mir ein Licht!
mein Schätzchen stirbt, daß Niemand sicht."

12. "Zuvor hatt ich ein große Freud,
jetzt muß ich tragen ein schwarzes Kleid;"

13. "Ein schwarzes Kleid und noch viel mehr,
mein Trauern nimmt kein Ende mehr!"
(S. 95-96)

(Auch in Schlesien, im Brandenburgischen, im Meiningischen,
in der Provinz Sachsen sc. bekannt)

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Lied 35.
Vergebliche Warnung
(Vielfach mündlich, durch ganz Deutschland bekannt)

1. Ich habe mein Feinsliebchen :|:
so lange nicht gesehn. :|:

2. Ich sah sie gestern Abend :|:
wol in der Hausthür stehn. :|:

3. Sie sagt, ich sollt sie küssen,
die Mutter sollts nicht wissen;
die Mutter wards gewahr,
daß Jemand bei ihr war.

4. "Ach Tochter, willst du freien?
es wird dich schon gereuen;
gereuen wird es dich! :|:

5. "Wenn andre junge Mädchen
mit ihren grünen Kränzchen
wol auf den Tanzbodn gehn:"

6. "So mußt du junges Weibchen
mit deinem zarten Leibchen
wol bei der Wiege stehn;"

7. "Mußt singen: Ru ru Rinnchen,
schlaf ein, mein liebes Kindchen,
schlaf du in guter Ruh
und thu dein Aeuglein zu!"

8. ""Ach hätte das Feur nicht so sehr gebrannt,
so wär die Lieb nicht angerannt;
das Feuer brennt so sehr,
die Liebe noch viel mehr.""

9. ""Das Feuer kann man löschen,
die Liebe nicht vergessen,
ja nun und nimmermehr!""
(S. 118-119)
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Lied 35a.
Sonntag
(Um 1740)

1. So hab ich doch die ganze Woche
mein feins Liebchen nicht gesehn; :|:
ich sahs an einem Sonntag
wol vor der Thüre stehn: :|:
|: das tausendschöne Jungfräulein,
das tausendschöne Herzelein,
wollt Gott, ich wär heute bei ihr! :|

2. So will mir doch die ganze Woche
das Lachen nicht vergehn;
ich sahs an einem Sonntag
wol in die Kirche gehn:
das tausendschöne Jungfräulein,
das tausendschöne Herzelein,
wollt Gott, ich wär heute bei ihr!
(S. 119)

(Aus dem "Berg-Lieder-Büchlein" "Neu-vermehrtes vollständiges Berg-Lieder-Büchlein,
Welches nicht allein mit schönen Berg-Reyhen, Sondern auch Andern lustigen,
so wohl alt- als auch neuen Weltlichen Gesängen, Allen lustigen und fröhlichen
Hertzen. Zu Ergötzung des Gemüthes versehen. Gedruckt im Jahr."  8. Mit angeblich
238, richtiger 208 Liedern. Wol um 1740 (nicht 1730) in Sachsen gedruckt.)

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Lied 58.
Goldvögelein giebt Bescheid
(Mündlich aus Schlesien Conradsdorf bei Hainau)

1. Nächten als ich schlafen gieng,
gedacht ich an die Liebe:
ich gieng in mein Schlafkämmerlein
und sah wol immer dort nüber.

2. Da sah ich mein geliebtes Kind
bei einem Andern stehen:
da möchte mir mein junges Herz
in tausend Stücke zergehen!

3. Ich gieng einmal in Wald spaziern,
da war Niemand derheime,
als wie ein klein Goldvögelein,
das war allein derheime.

4. Gott grüße dich, Goldvögelein!
jetzt mußt du mir schon singen,
sonst fällt auf dich der kühle Thau,
der wird dich schon bezwingen.

5. "Fällt gleich auf mich der kühle Thau,
treug ich mich in der Sonne.
Wenn zwei Verliebte beisammen sein,
ist lauter Freud und Wonne."

6. "Wenn zwei Verliebte beisammen stehn
und sehn einander recht gerne,
so leuchten ihn die Aeugelein
als wie zwei helle Sterne."

7. "Wenn zwei Verliebte beisammen stehn
und sehn einander nicht gerne,
so leuchten ihn die Aeugelein
als wie zwei dunkle Sterne."
(S. 200)

Nächten = in vergangner Nacht, gestern Abend
treug = trockne

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Lied 59.
Treue Liebe
(Durch ganz Deutschland verbreitet)

1. So viel Stern am Himmel stehen,
an dem güldnen blauen Zelt;
so viel Schäflein als da gehen
in dem grünen grünen Feld;
so viel Vöglein als da fliegen,
als da hin und wieder fliegen,
so viel mal sei du gegrüßt! :|:

2. Soll ich dich denn nimmer sehen,
nun ich ewig ferne muß?
Ach das kann ich nicht verstehen,
o du bittrer Scheidensschluß!
Wär ich lieber schon gestorben,
eh ich mir ein Schatz erworben,
wär ich jetzo nicht betrübt.

3. Weiß nicht ob auf dieser Erden,
die des herben Jammers voll,
nach viel Trübsal und Beschwerden
ich dich wieder sehen soll.
Was für Wellen, was für Flammen
schlagen über mir zusammen;
ach wie groß ist meine Noth!

4. Mit Geduld will ich es tragen,
denk ich immer nur zu dir;
alle Morgen will ich sagen:
o mein Schatz, wann kommst zu mir?
Alle Abend will ich sprechen,
wenn mir meine Aeuglein brechen:
o mein Schatz, gedenk an mich!

5. Ja, ich will dich nicht vergessen,
enden nie die Liebe mein;
wann ich sollte unterdessen
auf dem Todbett schlafen ein:
auf dem Kirchhof will ich liegen
wie das Kindlein in der Wiegen,
das die Lieb thut wiegen ein.
(S. 203)

(Zuerst in "Des Knaben Wunderhorn. II. B. Heidelberg 1808" S. 199)
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Lied 61a.
Drei Röselein
(Mündlich aus der Wetterau Butzbach)

1. Jetzt geh ich ans Brünnelein,
trink aber nicht,
|: und da such ich mein herztausenden Schatz,
find n aber nicht. :|

2. Da laß ich mein Aeugelein
um und um gehn,
und da seh ich mein herztausenden Schatz
bei nem Andern stehn.

3. Bei nem Andern sehn stehen,
ach das thut sehr weh!
Nun ade, mein herztausender Schatz!
jetzt muß ich gehn.

4. Jetzt setz ich mich nieder
aufs Laub und grüne Moos,
und da fallen drei Röselein
mir in den Schooß.

5. Und diese drei Röselein
sind rosenroth:
Jetzt weiß ich nicht, lebt mein Schatz
oder ist er todt.
(S. 205)
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Lied 62.
Verschmähte Liebe

1.Oft Mancher muß leiden und hats nicht verschuldt;
ich weiß mir n schöns Kräutlein, das heißt die Geduld. :|:

2. Im Lieben vexieren, das geht mir nicht ein;
ich kanns nicht begreifen, bin noch vieler zu klein.

3. Hoffärtiges Weibsbild, was führst du im Sinn?
meinst dann, dein Stolzieren bringt dir ein Gewinn?

4. Warum thust du wanken bald hin und bald her?
bald gfällt dir dann Dieser, ein Andrer gleich mehr.

5. Ein pfui deiner Liebe! und schäme dich doch;
bleibe du fein bei Einem: wie Viel liebst du noch?

6. Und daß ich von eim Weibsbild vexieret sollt sein,
das bild sich doch wahrlich nur Keine nicht ein!

7. In Einsamkeit leben ist besser für mich,
kann ichs fein auslachen das falsche Gesicht!

8. Ich weiß mir eine Rose von schöner Gestalt,
den Geruch und die Schönheit verliert sie gar bald.

9. Ach sag mir nur Einer, was bständig dann sei?
falsch sind die Weibsbilder, ich sags ohne Scheu.
(S. 208)

(Mündlich, aus der Gegend von Frankfurt a. M.
Mit Benutzung eines flieg. Bl. "Sieben schöne neue Weltliche Lieder." (Das 2.) Gedruckt um 1750-80
Vgl. Böckh u. Gräter, "Bragur." Leipzig 1791 I, 275.)
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Lied 63.
Drei Ritter am Thor
(Vielfach mündlich und schriftlich, durch ganz Deutschland verbreitet)

1. Es ritten drei Ritter zum Thore hinaus,    ade!
Feinsliebchen schaute zum Fenster hinaus,    ade!
Und wenn es denn soll geschieden sein,
so reich mir dein goldenes Ringelein!
Ade, ade, ade!
ja, Scheiden und Meiden thut weh!

2. Und der uns scheidet das ist der Tod,    ade!
er scheidet so manches Mündlein roth,    ade!
er scheidet so manchen Mann vom Weib,
die konnten sich machen viel Zeitvertreib.
Ade, ade, ade!
ja, Scheiden und Meiden thut weh!

3. Er scheidet das Kind wol in der Wiegn,    ade!
Wann werd ich mein schwarzbraunes Mädel noch kriegn?    ade!
Und ist es nicht morgen, ach! wär es doch heut,
es macht uns allbeiden gar große Freud.
Ade, ade, ade!
ja, Scheiden und Meiden thut weh!
(S. 209)
(Vgl. Fr. Nikolai "Eyn feyner kleyner Almanach" I. Jahrg. Berlin und Stettin 1777 I, 72-75)

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Lied 66.
Wer sLieben erdacht?
(Schwäbisch)

1. Zum Sterben bin ich
verliebet in dich,
dein schwarzbraune Aeugelein :|:
die fesseln ja mich.

2. Bist hier odr bist dort,
oder sonst an eim Ort,
wollt wünsche, könnt rede
mit dir ein paar Wort!

3. Mein Herz ist verwundt,
komm, Schatzerl, mach mich gsund;
ach erlaub mir zu küsse
dein englischen Mund!

4. Sonst Keine ist hier,
dieselbig gfall mir,
hätt deine braun Aeugelein,
dein schöne Manier!

5. Dein purpurrother Mund
macht Herze gesund,
macht Todte lebendig
und Kranke gesund. -

6. Der sLiedel hat gmacht,
hat sLieben erdacht;
drum wünsch ich meim Feinsliebchen
viel tausend gute Nacht.
(S. 212-213)

(Fr. Nikolai "Eyn feyner kleyner Almanach" I. Jahrg. Berlin und Stettin 1777 S. 88
Mit Benutzung mehrerer flieg. Bl. und eines handschr. Liederbuchs
aus der ersten Hälfte des 18. Jahrh.)
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Lied 67.
Schätzchen, ade!
(Mündlich, aus der Gegend um Würzburg)

Schätzchen, ade!
Scheiden thut weh.
Weil ich denn scheiden muß,
so gieb mir einen Kuß!
Schätzchen, ade!
Scheiden thut weh.
(S. 213)

(J. G. Büsching "Wöchentliche Nachrichten sc. II. B. Breslau, 1816" S. 353)

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Lied 68a.
Gruß
(Mündlich aus Regensburg)

1. |: Wann zu meim Schätzel kommst,
sag, i laß grüße; :|
wann es fragt, wie mers geht,
wie es steht, wie mers geht,
sag, auf zwei Füße. ::

2. Wann es fragt, ob i krank,
sag, i sei gstorbe;
wann es an zweine fangt,
klage fangt, weine fangt,
sag, i komm morge.

3. Mädel, trau nit so wol,
du bist betroge;
daß i di gar nit mag,
nimme mag, gar nit mag,
sell is geloge.
(S. 215)

nimme = nicht mehr; sell = selbiges, das

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Lied 69.
Das erwählte Schätzchen
(Vielfach mündlich, aus dem Bergischen und Clevischen)

1. |: Ich habe mir Eines erwählet,
ein Schätzchen und das mir gefällt; :|
|: ist hübsch und so fein,
von Tugend so rein;
fein tapfer und ehrlich sich hält. :|

2. Ich hab es mir öfters lassn sagen,
du hättest ein Andern so lieb;
doch glaub ich es nicht
bis daß es geschicht,
mein Herze bleibt ewig bei dir.

3. Glaube nicht den falschen Zungen,
die mir und dir nichts gönn' (gunn);
bleib ehrlich und fromm,
bis daß ich wieder komm,
drei Jahre gehn bald herum.

4. Und wenn ich dann wiederum komme,
mein Herz ist vor Freuden so voll:
dein Aeuglein so klar,
dein schwarzbraunes Haar
vergnügen mich tausendmal.
(S. 218)

(Vgl. Wunderhorn R. A. III, 138. (1. Aufl. III, 146) Vom J. 1581.
Auch in flieg. Bl. des vorigen Jahrh. (1750-90) vorkommend)

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Lied 70.
Kein Glück noch Sterne
(Mündlich, vom Niederrhein)

1. Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht, :|:
er fiel auf die zarten Blaublümelein:
sie sind verwelkt, verdorret.

2. Es hatt ein Knab ein Mägdlein lieb,
sie flohen gar heimlich von Hause fort,
es wußts nicht Vater noch Mutter.

3. Sie sind gewandert hin und her,
sie habn gehabt weder Glück noch Stern:
sie sind verdorben, gestorben.
(S. 218-219)

(Vgl. H. Heine "Der Salon. I. B. Hamburg 1834" S. 151)

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Lied 72.
Lieben bringt Freud
(Schwäbisch)

1. Das Lieben bringt groß Freud,
es wisses alle Leut.
Weiß mir ein schönes Schätzele
mit zwei schwarzbraune Aeugele,
die mir, die mir,
die mir mein Herz erfreut.

2. Ein Briefle schrieb sie mir,
i soll treu bleibe-n-ihr.
Drauf schick i ihr ein Sträußele,
schön Rosmarin, brauns Nägele,
sie soll, sie soll,
sie soll mein eige sein!

3. Mein eige soll sie sein,
keinm Andre mehr als mein.
So lebet wir in Freud und Leid,
bis uns Gott der Herr auseinander scheidt.
Ade, ade,
ade, mein Schatz, o weh!
(S. 220)

(Vgl. Fr. Silcher "XII Volkslieder für Männerstimmen. II. H. Tübingen" (1827) Nr. 9.
und "Der Freihafen sc. II Jahrg. 2. Heft. Altona 1839" S. 31)

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Lied 74.
Zum Abschied
(Mündlich, vom Niederrhein, Meurs)

1. Schätzchen, reich mir deine Hand
zum Beschluß und Unterpfand!
|: Zum Beschluß
einen Kuß,
weil ich von dir scheiden muß! :|

2. Scheiden ist ein hartes Wort;
du bleibst hier und ich muß fort.
Hartes Wort!
ich muß fort,
hin nach einem fremden Ort.

3. Wenn wir uns nicht wiedersehn,
bleibt doch unsre Liebe stehn.
Liebst du mich
wie ich dich,
nimmermehr verlaß ich dich.

4. Auf dem Berg da fließt ein Wasser:
Schätzchen, wär es kühler Wein!
Kühler Wein
soll es sein:
Schatz, du sollst mein eigen sein!

5. In dem Wasser schwimmt ein Fisch:
glücklich ist wer das vergißt,
glücklich ist
wer vergißt,
was nicht mehr zu ändern ist.
(S. 221)
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Lied 75.
Was ich möchte
(Mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Babenhausen, Gießen)

1. Ach was wird mein Schätzchen denken,
weil ich bin so weit von ihr!
weil ich bin, :|:
weil ich bin so weit von ihr!

2. Gerne wollt ich zu ihr gehen,
wenn der Weg so weit nicht wär.

3. Gerne wollt ich ihr was kaufen,
wenn ich wüßt, was rathsam wär.

4. Gerne wollt ich bei ihr schlafen,
wenn die Nacht drei Jahr lang wär.

5. Gerne wollt ich mit ihr sterben,
wenn der Tod nicht bitter wär.

6. Gold und Silber, Edelstein, -
schönster Schatz, gelt, du bist mein?
Du bist mein, ich bin dein:
ei was kann dann schöner sein!
(S. 222)
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Lied 76.
Treue Liebe
(Mel. mündlich, aus der Gegend von Hildburghausen)

1. Ach, wie ists möglich dann
daß ich dich lassen kann!
hab dich von Herzen lieb,
das glaube mir!
Du hast das Herze mein
so sehr genommen ein,
daß ich kein Andern mehr :|:
liebe so sehr.

2. Obschon das Glück nicht wollt,
daß ich dein werden sollt,
so lieb ich dennoch dich,
glaubs sicherlich!
Es soll kein Andrer sein,
der mich soll nehmen ein,
als du, o schönstes Kind!
dir ich treu bin.

3. Stoß mir das Herz entzwei,
wann eine falsche Treu
oder nur falsche Lieb
spürest an mir!
Dir will ich jederzeit
Zu Diensten sein bereit,
bis daß ich kommen werd
unter die Erd.

4. Nach meinem Tod alsdann,
damit man sagen kann,
nimmst an meiner Todtenbahr
die Grabschrift wahr:
Hier liegt begraben ein,
die dich geliebt so fein,
die dich geliebet hat
bis in das Grab.
(S. 223)

(Flieg. Bl. "Neun schöne neue Weltliche Lieder" Das fünfte.
Um 1750-80. und "Drei schöne neue Lieder" Das zweite. Um 1800)

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Lied 77.
Liebeszwist
(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen,
aus Schlesien und dem Hessen-Darmstädtischen)

1. Ich wünscht es wäre Nacht
und mein Bettchen wär gemacht,
wollt ich zu meim Schätzchen gehn
und bei ihr am Fenster stehn,
bis sie mir aufmacht.

2. "Wer ist denn dafür?
wer klopfet an die Thür?" -
""Schönster Schatz, und ich bin hier,
ich komm aus Lieb zu dir:
mach mir auf die Thür!""

3. "Die Thür ist schon zu,
s schläft Alles in der Ruh;
denn du weißt, daß bei der Nacht
Niemand die Thür aufmacht:
komm morgen fruh!"

4. ""Morgen früh hab ich keine Zeit,
da sehn mich alle Leut.
Hättst du mir in dieser Nacht
einmal die Thür aufgemacht,
hätt es mich erfreut.""

5. Schönes Geld und schönes Gut,
hübsche Mädchen die sind gut.
Wenn mein Schatz einen Andern liebt,
bin ich auch nicht betrübt,
scher mich nichts darum.""
(S. 224)
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Lied 84.
Vorbedeutung
(Vielfach mündlich, aus dem Odenwald, dem Bergischen sc.)

1. Schönster Schatz auf Erden,
ich lieb dich ganz allein:
ich hoff du sollst mein werden,
sollst auch mein eigen sein.

2. Giebst du mir Wein zu trinken,
so thu ich dir Bescheid;
thust du mir heimlich winken,
so ist mein Herz erfreut.

3. All Freud ist mir benommen
vor lauter Traurigkeit,
weil ich mein Schatz seh kommen
in eim schneeweißen Kleid.

4. Ja ja, ich habs gesehen,
und nicht mehr sehen kann.
Mein Herz thut mir so wehe,
es brennt wie Feur und Flamm.

5. Glaub nicht der falschen Zunge,
die mich so sehr veracht:
Wer mir mein Schatz nicht gönnet,
dem sag ich gute Nacht.

6. Ich geh nicht aus den Stegen,
ich geh nicht aus der Stadt
bis ich mein Schatz gesehen
und ihn geküsset hab.
(S. 229-230)
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Lied 88.
Der Abschied im Korbe
(Mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Alsfeld)

1. Wo gehst du hin, du Stolze!
was hab ich dir gethan,
daß du an mir vorbei gehst
und schaust mich gar nicht an?
Du schlägst ja deine Augen
vor meinen zu der Erd,
als wenn ich deines Gleichen
niemals gewesen wär.

2. Wärst du nicht erst gekommen,
hätt nicht nach dir geschickt;
hätt anders mich besonnen,
viel besser wärs für mich.
Denn reich und schön das bist du nicht,
das weißt du selber wol,
und deines Gleichen wie du bist,
bekommt man überall.

3. Der Abschied ist geschrieben,
das Körbchen ist gemacht;
wärst du mir treu geblieben,
hätt ich nicht falsch gedacht.
So nimm das Körbchen in die Hand
und leg den Abschied drein;
hinfüro sei fein gscheiter,
laß falsche Liebe sein!
(S. 233)

(Mündlich, mit Benutzung von flieg. Bl. aus der Zeit um 1800-24
Vgl. Wunderhorn III, 107. Neueste Aufl. III, 103)

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Lied 89.
Tritt zu!
(Vielfach mündlich, aus dem Odenwald, aus der Gegend
von Frankfurt a. M., Darmstadt, Babenhausen sc.)

1. |: Wenn alle Brünnlein fließen,
so soll man trinken. :|
|: Wenn ich mein Schatz nicht rufen darf,
ju ja, rufen darf,
thu ich ihm winken. :|

2. Ja winken mit den Augen
und treten auf den Fuß;
s ist Eine in der Stuben,
ju ja, Stuben,
und die mir werden muß.

3. Warum soll sie mir nicht werden,
und die ich seh so gern?
Sie hat zwei blaue Aeugelein,
ju ja, Aeugelein,
die glänzen wie zwei Stern.

4. Sie hat zwei rothe Bäckelein,
sind röther als der Wein;
ein solches Mädchen findt man nicht,
ju ja, findt man nicht
wol unterm Sonnenschein.

5. "Herziger Schatz, ich bitte dich,
ach laß mich gehen!
denn deine Leut die schmähen mich,
ju ja, schmähen mich,
ich muß mich schämen."

6. Was frag ich nach den Leuten,
die mich thun schmähen;
ei so lieb ich noch einmal,
ju ja, noch einmal
die schönen Mädchen!
(S. 234)

("Trium vocum cantiones centum, etc. Tom. I. Norimbergae apud
Johan. Petreium. Anno M. D. XLI." 4. Nr. 28 -
Ivo de Bento, "Newe Teutsche Lieder, mit viern, fünff und sechs stimmen sc.
Gedruckt zu München, bey Adam Berg. M. D. LXXX." 4. Nr. 16. - Vgl. Uhland, I, 71.)

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 Lied 90.
Flug der Liebe
(Durch ganz Deutschland verbreitet)

1. Wenn ich ein Vöglein wär
und auch zwei Flüglein hätt,
flög ich zu dir;
weils aber nicht kann sein, :|:
bleib ich allhier.

2. Bin ich gleich weit von dir,
bin ich doch im Schlaf bei dir
und red mit dir:
wenn ich erwachen thu,
bin ich allein.

3. Es vergeht keine Stund in der Nacht,
da nicht mein Herz erwacht
und an dich gedenkt,
da du mir viel tausendmal
dein Herz geschenkt.
(S. 235)

(J. G. v. Herder, "Volkslieder. I. Th. Leipzig 1778." S. 67)

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Lied 90a.
Wenn ich ein Vöglein wär

1. Wenn ich ein Vöglein wär
und auch zwei Flüglein hätt,
flög ich zu dir;
weils aber nicht kann sein, :|:
bleib ich allhier.

2. Es vergeht keine Stund in der Nacht,
daß nicht mein Herz erwacht
und an dich denkt,
wie du mir viel tausendmal
dein Herz geschenkt.

3. Bin ich auch sehr weit von hier,
bin doch im Traum bei dir,
rede mit dir.
O wie viel tausendmal
seufz ich zu dir!

4. Wenns die Leut nicht haben wolln,
daß wir uns lieben solln,
so gute Nacht!
Obs gleich die Leut verdrießt,
lieb ich dich doch.
(S. 236)

(Mündlich, aus Bornhausen im Braunschweigischen. Im J. 1820
durch Hrn. Prof. Hoffmann von Fallersleben daselbst aufgenommen. -
Vgl. A. Kretschmer, "Deutsche Volkslieder" sc. I, 513)

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Lied 91.
Die Nachtigall als Botin
(Mündlich, aus dem Bergischen, Homberg)

1. "Nachtigall, kleins Vögelein,
willst du diese Nacht mein Bote sein?" -
|: ""Ich will wol dein Bote sein,
nur bin ich son klein Vögelein."" :|

2. "Bist du klein, so bist du schnell,
so bestell du mir die Botschaft selbst;
nimm den Brief in deinen Mund
und flieg dahin in einer Stund!"

3. Sie fliegt über Berg und Thal,
bis sie vor das Schlaffenster kam;
sie klopft an mit aller Noth:
""Schatz, schläfst du oder bist du todt?""

4. ""Ich schlaf nicht, ich bin nicht todt,
ich hör, was mein Feinsliebchen thut;
er schreibt mir wol einen Brief,
er hat getraut ein ander Lieb.""

5. ""Was ich ihm zu gönnen hab:
das erste Jahr ein jungen Sohn,
das zweite Jahr ein Töchterlein,
bis daß ihr fünfundzwanzig sein.""

6. ""Fünfundzwanzig an dem Tisch,
dann weiß die Braut, was Sorge ist;
für jedes Kind dann Strümpf und Schuhn,
dann het die Braut noch Geld van duhn.""
(S. 231)

van duhn holl. van doen, = vonnöthen, nöthig

(Vgl. L. Erk, "Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen." B. I, H. 3, S. 57. -
G. Görres, "Altrheinländische Mährlein und Liedlein" S. 124. -
und das Lied: Frau Nachtigall, mach dich bereit! in Hoffmann's v. F.
Gesellschaftsliedern des 16. u. 17. Jahrh. S. 33. -
K. Simrock, "Die deutschen Volkslieder." S. 174. -
K. Müllenhoff, "Sagen Märchen und Lieder" sc. S. 480.)

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Lied 92.
Schlimme Auslegung
(Mündlich, aus Schlesien, Waltdorf bei Neiße)

1. Mein Schatz ist in der Fremde,
o ho!
mein Schatz ist in der Fremde:
was wird er mir mitbringen?
O ho hm hm, o ho hm hm, o ho!

2. Von weißer Seid ein Tüchlein,
o ho!
von weißer Seid ein Tüchlein,
von Rosmarin ein Riechlein,
O ho hm hm, o ho hm hm, o ho!

3. Von rothem Gold ein Ringlein,
o ho!
von rothem Gold ein Ringlein
an mein schneeweißes Fingerlein.
O ho hm hm, o ho hm hm, o ho!

4. Das Ringlein war gebogen,
o ho!
das Ringlein war gebogen,
mit Liebe überzogen.
O ho hm hm, o ho hm hm, o ho!

5. Die Liebe soll sein feste,
o ho!
die Liebe soll sein feste,
so viel der Baum trägt Aeste.
O ho hm hm, o ho hm hm, o ho!

6. Wie lange daurt die Liebe?
o ho!
wie lange daurt die Liebe?
als wie das Wasser im Siebe.
O ho hm hm, o ho hm hm, o ho!
(S. 241)

Riechlein - ein Blumenstrauß, woran man riecht
(Aus der Sammlung des Hrn. Prof. Hoffmann v. F.)

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Lied 93.
Ständchen
(Melodie mündlich, aus der Gegend von Frankfurt a. M.)

1. Ach, schönster Schatz, verzeih es mir,
daß ich so spat bin kommen;
|: doch hat die heiße Lieb zu dir
mich noch dazu gezwungen. :|

2. Und schläfst du schon, wenn ich jetzt komm,
so sanft in deinem Bettchen,
so möcht ich dich gar inniglich
mit meinem Liedlein wecken.

3. Erweck ich dich, erschreck ich dich,
so thuts mein Herz erbarmen;
gern läg ich dir, o schönster Schatz,
in deinen beiden Armen!

4. Dein zwei schwarzbraunen Aeugelein,
die gar so freundlich blicken,
sollt dir daran geschehn ein Leid,
so spräng mein Herz in Stücken.

5. Der große Gott vom Himmelsthron,
der Alles thut regieren,
der Himmel und Erd erschaffen hat,
wird uns zusammen führen.
(S. 242)

(O. L. B. Wolff, "Halle der Völker. Frankfurt a. M. 1837." B. II, S. 167.
Mündlich aus dem Itzgrunde - Vgl. Wunderhorn III, 13.)

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Lied 94.
Schönster Schatz, mein Augentrost
(Vielfach mündlich, aus dem Odenwald,
aus der Gegend von Frankfurt a. M., Gießen sc.)

1. Schönster Schatz, mein Augentrost,
hast meiner ganz vergessen?
Du hast mir ja die Treu versagt
und mir mein Herz so schwer gemacht,
gänzlich hast mich verlassen.

2. Des Morgens wenn ich früh aufsteh,
die Sonn geht auf mit Strahlen,
seh ich mein Schatz schneeweiß gekleidt,
so hüpft mein Herz vor lauter Freud,
vor lauter Lieb und Freude.

3. Des Abends wenn ich schlafen geh,
denk ich an jene Stunde,
denk ich wol in dem Herzen mein:
wo wird mein Herz, mein Engel sein,
den ich so treulich liebe?

4. Die Leut sind schlimm, sie reden viel,
das wirst du selber wissen;
und wenn ein Herz das andre liebt,
und keines dann ein Falschheit übt,
so thuts die Leut verdrießen.

5. Ich hab ein Ring an meiner Hand,
darin da steht dein Name;
und wenns von Gott verordnet ist,
so kommen wir zusammen.
(S. 244)
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Lied 95.
Alles steht in Gottes Hand
(Vielfach mündlich, aus dem Odenwald, aus der Bergstraße und der Wetterau)

1. O Engel, allerschönstes Kind!
sieh doch, wie ich mich quäle;
mein Herz das rinnt,
das Blut raus springt,
o Engel, allerschönstes Kind!

2. Du hast mir ja die Treu versagt,
hast mir mein Herz so schwer gemacht!
Wie betrübt ich bin,
wo soll ich hin?
mein Schatz ist mir genommen!

3. Ich hoff ja bald in kurzer Zeit
ein Andern zu bekommen;
der soll ja sein
so hübsch und fein,
viel schöner als die Sonne.

4. Ich hab ein Ring an meiner Hand,
darinnen stehn zwei Namen;
und wenns von Gott
verordnet ist,
so kommen wir zusammen.
(S. 245)
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Lied 96.
Sehnsucht nach Liebe
(Durch ganz Deutschland verbreitet)

1. Schönstes Kind, zu deinen Füßen
lieg ich hier, wein bitterlich.
Sollt ich dich verlassen müssen,
wärs die größte Pein für mich.
Lieber wollt ich den Schluß fassen
und mein jung frisch Leben lassen,
als von dir entfernt zu sein;
wär für mich die größte Pein!

2. Gold und Silber, Meerkorallen,
Reichthum, Schätz und Edelstein,
thut mir nichts so wol gefallen
als du, Schönste, nur allein.
Die Leut reden, was sie wollen,
du allein bist auserkoren;
fällt mir nichts ins Herz hinein
als du, Schönste, nur allein.

3. Nachts, wenn ich die Ruh erwähle
und ins Ruhbett schlafen geh,
thu ich mir im Traum vorstellen
dein liebreiches Contrefait:
wie du redest, wie du lachest,
eine süße Miene machest;
ich stell mir im Traume für,
als wenn du hier schliefst bei mir.

4. Alles, was ich red und denke,
Alles, alles ist von dir;
wo ich nur mein Aug hinlenke,
stellt sich mir dein Bildniß für.
Ist kein Künstler auf der Erden,
kann auch nicht gefunden werden,
der dich schöner malet ab,
als ich dich im Herzen hab.

5. Schönster Schatz, willst daß ich lebe,
sag zuvor, du liebst mich noch!
oder willst den Abschied geben?
dieses Wort entsetzt mich hoch.
Lieben mußt du oder hassen,
Eins von beiden mußt du lassen;
schönster Schatz, ich stell dirs frei:
haß mich oder bleib getreu!
(S. 246)

(Vielfach mündlich und nach flieg. Bl. des vorigen Jahrh. (1750-1800) -
Vgl. F. D. Gräter "Bragur. II. B. 1792" S. 219. -
und Büsching und von der Hagen "Sammlung deutscher Volkslieder. Berlin, 1807" S. 26)

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Lied 97.
Waldvögelein
(Mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen.
Alsbach, Babenhausen, Knoden, Hergershausen)

1. Ich gieng durch einen grasgrünen Wald
da hört ich die Vögelein singen;
sie sangen so jung, sie sangen so alt,
die kleinen Vögelein in dem Wald:
die hör ich so gerne wol singen.

2. Stimm an, stimm an, feins Nachtigall,
sing mir es von meinem Feinsliebchen,
sing mir es so hübsch, sing mir es so fein:
"Bis Abend da will ich bei ihr sein,
will schlafen in ihren Armen."

3. Der Tag vergieng, die Nacht brach an,
Feinsliebchen das kam gegangen.
Er klopfte so leise mit seinem Ring:
"Mach auf, mach auf, herzliebstes Kind,
ich hab es schon lange gestanden."

4. ""So lange gestanden das hast du nicht,
ich hab ja noch nicht geschlafen.
Hab immer gedacht in meinem Sinn,
wo ist mein allerliebst Schätzchen hin,
wo bist du so lange geblieben?""

5. "Wo ich so lange geblieben bin,
das kann ich dir Schätzchen wol sagen:
wol bei dem Bier, wol bei dem Wein,
allwo die schönen jungen Mädercher sein,
da bin ich auch jederzeit gerne."

6. Ihr Jungfern, ihr Jungfern, nehmts wol in Acht
und traut keinem Junggesellen!
Sie versprechen euch viel u. haltens nicht,
sie suchen euch hinter dem närrischen Spiel
und thun sich nur immer verstellen.
(S. 247)
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Lied 100.
Das Blümelein
(Mündlich, aus der Gegend von Gießen, Reiskirchen und Maulbach)

1. Da drunten im Garten da ist
ein schönes Paradies;
das ist so schön anzusehn,
daß man möcht drinne gehn,
daß man möcht drinne, ja drinne gehn.

2. Und als ich in Garten nein kam,
schaut die schönen Blümelein an,
da brach ich mir eine Blum
zu meinem Eigenthum,
zu meinem Eigen-, ja Eigenthum.

3. Ich nahm es das Blümlein fein,
schloß es in Kämmerlein ein,
und stellts an ein einigen Ort,
daß es ja nicht verdorrt,
daß es ja nicht, ja nicht verdorrt.

4. Ich ließ es die ganze Woche stehn,
wollt es den Sonntag darnach sehn;
als ich kam an denselben Ort,
saß eine schöne Jungfrau dort,
saß eine schöne Jungfrau, ja Jungfrau dort.

5. Sie sprach: "Erschrecke nur nicht!
denn ich bin dir es verpflicht;
ich bin ja deine Braut,
du sollst mir werden vertraut,
du sollst mir werden, ja werden vertraut!"
(S. 249)

(Vgl. "Des Knaben Wunderhorn" II. B. Heidelberg 1808, S. 11)

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Lied 102.
Trost
(Mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Offenthal, Neunkirchen)

1. Ach Schätzchen, was hab ich dir zu Leide gethan,
daß du verachtest mich?
Ei das haben die falschen Zungen gethan,
die belügen mich und dich.

2. O du falsche falsche Zunge, verlogener Mund,
was wird es helfen dich?
Gott wird dich strafen sicherlich
vor seinem Angesicht.

3. Die Armuth die ist gar sehr veracht,
man stellt sie hinter die Thür:
ja, hätt ich der gelben Dukaten so viel,
dann zög man mich herfür!

4. Ich hoffe noch einmal recht reich zu werdn,
aber nicht an Geld und Gut:
wenn ich erlang das ewige Lebn,
ei so bin ich reich genug.

5. Das ewige Leben viel schöner ist
als Gold und Edelstein.
Ein so wünsch ich meinem Schatz viel tausend gute Nacht:
dies soll der Abschied sein.
(S. 251-252)

(Auch in Schlesien, Thüringen und Franken einheimisch)

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Lied 103.
Verstiegen!
(Mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Wälsch-Rohrbach)

1. Des Abends wenn ich schlafen geh,
dann kommt mein Schatz mit mir;
mit einem kleinen Riegelein
verriegelt sie die Thür.

2. "Ach riegle nicht zu feste zu,
mein Schatz, mein einzger Trost;
ich will ja bei dir schlafen
in deinem Arm und Schooß."

3. ""Willst du es bei mir schlafen
in meinem Arm und Schooß,
so mußt du draußen im Garten stehn
im grünen grünen Gras.""

4. "Ei sollt ich draußn im Garten stehn
im grünen grünen Gras,
so fallen all die Blätterchen
in meinen Arm und Schooß."

5. Ich stieg einmal ein Bäumelein,
das nicht zu steigen war;
da trat ich auf die Aesticher
und fiel auch oben rab.

6. Die Kirschen von dem Bäumelein
die schmecken zuckersüß;
ach wenn mich nur mein Mütterlein
bald heirathen ließ!
(S. 252-253)

(Vgl. F. K. v. Erlach "Die Volkslieder der Deutschen" sc. IV, 168)

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Lied 104.
Den Leuten zum Trutz
(Mündlich, aus dem Odenwald, Alsbach)

1. Wo ist dann das Mädchen,
das mich so lieb hat?
Es ist draußen im Garten,
bricht Röselein ab.

2. "Komm zu mir in Garten,
komm zu mir in Klee,
und klag mir dein Jammer
und klag mir dein Weh!"

3. Was soll ich dir klagen,
herztausender Schatz!
wir beide müssen scheiden
und finden kein Platz.

4. Geh, hol mir mein Mantel,
geh, hol mir mein Stock;
jetzt muß ich marschieren,
muß nehmen Bhüt Gott!

5. Und wenn schon bisweilen
die Falschheit schleicht ein,
so wolln wir halt denken:
es muß schon so sein.

6. So wolln wir halt denken,
der Tod hat regiert;
er hat mir genommen
mein allerfeinst Lieb.

7. Mein allerfeinst Liebchen,
nimm mich in dein Schutz!
jetzt wolln wir erst lieben,
den Leuten zum Trutz.

8. Den Leuten zum Possen,
den Leuten zum Trutz:
ich will mein Schatz lieben,
wenn michs gleich nichts nutzt.

9. Ach Scheiden, ach Scheiden,
wer dich hat erdacht,
hat mir und meinem Schätzchen
viel Leides gemacht!
(S. 254)

(Vgl. "Des Knaben Wunderhorn" 1808 III, 21)
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Lied 106.
Verzeihung
(Mündlich, aus der Uckermark, Gramzow)

1. Es leuchtet schon wieder
der Himmel so blau,
die Blümlein verwelken
bei dem lieblichen Thau.

2. Wol alle die Veilchen
die blühen bei der Nacht,
die haben mein Herze
zum Verlieben gebracht.

3. Einst stand ich unter Linden
in einem grünen Wald,
da kam ja mein Schönster
und küßte mich bald.

4. "Warum bist du nicht gekommen,
als ich dich gerufen hab?
denn du hättest vernommen,
daß mein Herze du warst!"

5. ""Ja vorhin warst du spröde,
aber nun und nimmermehr!""
"Ei so bitt ich dich, mein Engel,
verzeih es doch mir!"
(S. 255)
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Lied 108.
Das ungetreue Schätzchen
(Vielfach mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen,
Dreieichenhain, Offenthal, Wallerstädten, Reinheim, Neunkirchen)

1. Und jetzund geht das Frühjahr an, :|:
und Alles fängt zu grünen an. :|:

2. Es wachsen Blümlein auf dem Feld,
sie blühen weiß, blau, roth und gelb.

3. Und wenn sich Alles lustig macht,
geh ich zum Schätzlein bei der Nacht.

4. Wenn ich zu meinem Schätzlein geh, :|:
da singt das Lerchlein in der Höh,
weil ich zu meinem Schätzlein geh.

5. Ich gieng wol über Berg und Thal,
da hört ich schon die Nachtigall
auf grüner Heid und überall.

6. Und als ich vors Schlaffenster gieng,
da hört ich schon ein Andern drin;
da sagt ich, daß ich nicht mehr käm.

7. Hab ich dich nicht recht treu geliebt
und dir dein Herz niemals betrübt?
aber du führst eine falsche Lieb!

8. Nun geh ich in den grünen Wald,
zu suchen meinen Aufenthalt,
weil mir mein Schätzlein nicht gefallt.
(S. 257)
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Lied 109.
Heimliche Liebe
(Durch ganz Deutschland verbreitet)

1. Kein Feuer, keine Kohle
thut brennen so heiß,
als heimliche Liebe,
von der Niemand nichts weiß.

2. Keine Rose, keine Nelke
thut blühen so schön,
als wenn zwei verliebte Seelen
bei einander thun stehn.

3. Setze du mir einen Spiegel
ins Herze hinein,
damit du kannst sehen,
wie so treu ich es mein.
(S. 258)

(Vgl. J. G. Büsching und H. von der Hagen "Sammlung Deutscher Volkslieder
Berlin 1807" S. 282)

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Lied 111.
Abschied von der Geliebten
(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen,
aus Schlesien, Sachsen, vom Niederrhein sc.)

1. Nun so reis ich weg von hier
und muß Abschied nehmen.
Ach du allerschönste Zier,
Scheiden das bringt Grämen!
Scheiden macht mich so betrübt,
weil ich dich, die mich geliebt
über alle Maßen,
soll und muß verlassen.

2. Wenn zwei gute Freunde sich
von einander trennen,
wie das ist so jämmerlich,
mußt du selbst bekennen;
noch viel größer ist der Schmerz,
wenn ein treu verliebtes Herz
muß von seines Gleichen
eine Zeitlang weichen.

3. Schatz, leb wol und denk an mich,
denn ich muß nun scheiden;
du wirst mir auch ewiglich
im Gedächtniß bleiben.
Hörst du oftmals Vögelein,
wisse, das es Boten sein,
die mit ihrem Singen
einen Gruß dir bringen.

4. Küsset dir ein Lüftelein
Wangen oder Hände,
wisse, daß es Seufzer sein,
die ich zu dir sende;
tausend schick ich täglich aus,
die da wehen um dein Haus,
diese da zu finden,
die mich konnte binden.

5. Dieses hab ich noch zuletzt
meiner Tausend-Freude
jetzt zur Nachricht aufgesetzt;
und nun heißts: Ich scheide!
Lebe du in Fried und Ruh,
bis du thust die Augen zu;
reich mir deine Hände,
denn es geht zum Ende.
(S. 261-262)
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Lied 112.
Husarenliebe
(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen,
aus Schlesien, Thüringen, vom Niederrhein sc.)

1. (Er:) Wolan, die Zeit ist kommen,
mein Pferd das muß gesattelt sein;
ich hab mirs vorgenommen,
geritten muß es sein.
Geh du nur hin, ich hab mein Theil,
ich lieb dich nur aus Narrethei;
ohne dich kann ich schon leben,
ohne dich kann ich schon sein.

2. So setz ich mich auf Pferdchen
und trink ein Gläschen kühlen Wein,
und schwör bei meinem Bärtchen,
dir ewig treu zu sein.
Geh du nur hin, ich hab mein Theil, sc.

3. (Sie:) Du denkst ich werd dich nehmen,
ich habs noch nicht im Sinn Sinn Sinn;
ich muß mich deiner schämen,
wenn ich in Gsellschaft bin.
Geh du nur hin, ich hab mein Theil, sc.

4. In meines Vaters Garten
da wächst ein schöne Blum Blum Blum;
drei Jahr soll ich noch warten,
drei Jahr sind bald herum.
Geh du nur hin, ich hab mein Theil sc.

5. (Er:) Du glaubst du bist die Schönste
wol auf der ganzen weiten Welt,
und auch die Angenehmste -
ist aber weit gefehlt.
Geh du nur hin, ich hab mein Theil, sc.

6. In meinen jungen Jahren
da will ich allzeit lustig sein;
kein Kreuzer will ich sparen,
versoffen muß er sein!
Geh du nur hin, ich hab mein Theil,
ich lieb dich nur aus Narrethei;
ohne dich kann ich schon leben,
ohne dich kann ich schon sein.
(S. 264-265)
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Lied 113.
Die Unbeständige
(Die Melodie mündlich, aus Schlesien und dem Brandenburgischen)

1. Schöne Augen, schöne Strahlen,
schöne rothe Wangen prahlen,
|: schöne rothe Klippen,
rosenrothe Lippen
liebt mein Gesicht. :|

2. Unter diesen Schönen allen
thut mir Einer wol gefallen;
aber seinetwegen
Fesseln anzulegen,
das thu ich nicht.

3. Ich will stets in Freiheit bleiben,
meine Zeit in Lust vertreiben,
auch in jungen Jahren
mein Herz wol bewahren
vor Liebesschmerz.

4. Man kann denken wie es schmerzet,
wenn ein Ander mit ihm scherzet,
mit den Augen zielet,
mit den Lippen spielet, -
ist mein Verdruß.

5. "Fahre hin, du falsche Seele!
ich will mich um dich nicht quälen:
willst du mich nicht lieben,
sondern nur betrüben,
bleib wer du bist!"

6. "Jetzt hab ich mirs vorgenommen,
nimmermehr zu dir zu kommen;
denn du bist von Flandern,
liebst Einen um den Andern,
das thu ich nicht."
(S. 265-266)

("Ganz neu entsprossene Liebes Rosen, Worinne Viele neue Liebes Arien
und angenehme Weltliche Lieder zu finden, welche ohne Aergerniß
können gesungen werden. (Folgt ein Holzschnitt)
Mit den neuesten Liedern dieser Zeit vermehret und auf Begehren
guter Freunde zusammen getragen und in Druck gebracht.
1747" 8. - 51 Lieder enthaltend. Vermuthlich in Sachsen gedruckt. Das. Nr. 6)

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Lied 114.
Liebe in Nöthen
(Mündlich, aus der Gegend von Frankfurt a. M., Dreieichenhain)

1. Sieh an, mein schönstes Kind,
was muß ich leiden!
was ich von Herzen lieb,
das muß ich meiden.
Alle Gelegenheit
ist mir genommen;
Hoffnung - des tröst ich mich -
wird wiedrum kommen.

2. Mit was für einem Band
bin ich gebunden!
hab weder Tag noch Nacht
kein ruhge Stunden.
Drum, Schatz, sei wolgemuth,
thu nur nicht wanken:
es ist das Allerbest,
liebn in Gedanken.

3. Amor hat scharfe Pfeil;
man darf nicht trauen.
Denn wer recht lieben will,
muß wol aufschauen;
und wer recht lieben will,
der muß oft leiden:
es giebt der Leute viel
die s widerstreiten.

4. Ei nun, so bleibts dabei:
ich will nicht weichen,
bis endlich mir der Tod
das Herz thut beugen;
bis man den jungen Leib
ins Grab wird tragen:
dann kann man jederzeit
von Treuheit sagen.
(S. 266-267)
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Lied 115.
Liebeswunden
(Die Melodie mündlich, aus Anhalt-Zerbst)

1. Ich wollt, ich läg und schlief
viel tausend Klafter tief
im Schooß der kühlen Erden,
weil du mein nicht kannst werden
und nichts zu hoffen hab
als nur das kühle Grab.

2. Du sagst, du liebest mich,
das Widerspiel seh ich;
ein Andern thust du lieben,
suchst mich nur zu betrüben:
drum sage nun nicht mehr,
daß du mich liebst so sehr!

3. Ach hätt ich nicht getraut
und auf dein Wort gebaut,
so hätt ich nicht empfunden
so heiße Liebeswunden,
die jetzund quälen mich
und niemals stillen sich.

4. O Erde, deck mich zu!
hier find ich keine Ruh;
vertilge meinen Namen,
lösch aus die Liebesflammen,
lösch aus die heiße Glut,
die in mir brennen thut!
(S. 268-269)

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, aus Sachsen, Franken u. s. w.
Mit Benutzung von flieg. Bl. aus der Zeit von 1750-1800)

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Lied 116.
Liebesklage
(Mündlich, aus Franken, Königshofen im Grabfelde)

1. In Trauern und Unruh
bring ich mein Leben zu;
keine Trost kann ich mehr haben,
womit ich mich kann laben:
ich weine in der Still
und seufze oftmals viel.

2. Mein Herze thut mir weh,
ich liege oder steh,
mag schlafen oder wachen,
so macht es mir zu schaffen;
obschon die Augen zu,
hat doch das Herz nicht Ruh.

3. Wie kanns denn anders sein
in solcher Liebespein?
Wenn zwei verliebte Herzen
treu mit einander scherzen,
so ist doch allzumal
das Leben voller Qual.

4. Mein Wirthschaft ist bald aus,
jetzt muß ich aus dem Haus:
muß Alles hinterlassen,
muß reisen fremde Straßen;
mein Schatz der ist nicht hier,
und ich bin weit von ihr.
(S. 269)

(Vielfach mündlich und nach flieg. Bl. aus der Zeit von 1750-1820)

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Lied 118.
Scheiden
(Allbekannte Melodie)

1. Schatz, mein Schatz, warum so traurig?
bin ich aller Freuden voll!
Meinst, ich sollte dich verlassen?
du gefällst mir gar so wol.

2. Eh ich dich, mein Kind, will lassen,
muß der Himmel fallen ein,
und die Sternlein sich erblassen
und der Mond verfinstert sein.

3. Saßen da zwei Turteltauben,
oben auf dem dürren Ast:
wo sich zwei Verliebte scheiden,
da verwelket Laub und Gras.

4. Laub und Gras das mag verwelken,
aber treue Liebe nicht:
kommst mir zwar aus meinen Augen,
doch aus meinem Herzen nicht!
(S. 271)

(Mehrfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, aus Schwaben
und dem Hessen-Darmstädtischen. - Vgl. "Teutsches Liederbuch für Hochschulen.
Stuttgart, 1823" S. 433.)

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Lied 119.
Abschied treuer Liebenden
(Vielfach mündlich, aus Schlesien, Hainau, Breslau sc.)

1. (Er:) Ade, jetzt muß ich scheiden,
weils anders nicht kann sein,
muß dich, mein Engel, meiden,
gieb dich geduldig drein!
Ach, Schatz, mein Engelein,
gieb dich geduldig drein;
wir werdn zusammen kommen,
wenns Gottes Will wird sein.

2. Wir habn beisammen gesessen
so manche liebe Nacht,
so manchen Schlaff vergessen,
aus Liebe zugebracht.
Aus Lieb aus Herzensgrund
hab ich den süßen Mund
viel tausendmal geküsset
in einer Viertelstund.

3. (Sie:) Reis du in Gottes Namen
zu Wasser und zu Land!
kommst du zu schönen jungen Damen,
verlieb dich nicht so bald!
Kehrst du ins Wirthshaus ein
und trinkst ein Gläslein Wein,
sollst mir zur Gesundheit trinken,
wenn du mein Schatz willst sein! -

4. Und thun sie mich begraben
tief in die Erd hinein,
sie werden mich verscharren
zwischn Fels und Marmelstein:
wenn einst verwest wird sein
der Leib und die Gebein,
wirst du in jenem Leben
mein schönster Schatz noch sein.
(S. 273)
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Lied 120.
Abschied
(Schwäbisch, aus dem Remsthal)

1. Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus,
und du, mein Schatz, bleibst hier?
Wenn i komm, wenn i komm, wenn i wiedrum komm,
kehr i ein, mein Schatz bei dir.
Kann i glei net allweil bei dir sein,
han i doch mein Freud an dir;
wenn i komm, wenn i komm, wenn i wiedrum komm,
kehr i ein, mein Schatz, bei dir.

2. Wie du meinst, wie du meinst, daß i wandere muß,
wie wenn dLied jetzt wär vorbei;
sind au draus, sind au draus der Mädele viel,
lieber Schatz, i bleib dir treu.
Denk du net, wenn i e-n-Andre seh,
no sei mein Lieb vorbei:
sind au draus, sind au draus der Mädele viel,
lieber Schatz, i bleib dir treu.

3. Uebers Jahr, übers Jahr, wemmer Träubele schneidt,
stell i hier mi wiedrum ein;
bin i dann, bin i dann dein Schätzele non (noch),
so soll die Hochzig (Hochzeit) sein.
Uebers Jahr, da ist mein Zeit vorbei,
da ghör i mein und dein;
bin i dann, bin i dann dein Schätzele non (noch),
so soll die Hochzig (Hochzeit) sein.
(S. 274-275)

(F. Silcher, "XII Volkslieder für Männerstimmen." 1831, II. H. Nr. 12. -
Die Str. 2 und 3 sind von Wagner (einem Schwaben) neu hinzugedichtet.
Vgl. "Der Freihafen. II. Jahrg. 2. H. Altona 1839" S. 40)
Glei = gleich; allweil = immer; no = hernach; au = auch; wemmer = wenn mer, wenn man

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Lied 121.
Vergebne Liebesmüh
(Mündlich, aus Franken)

1. Denk ich alleweil, denk ich alleweil,
schön Schätzlein wär mein;
jetzt seh ichs vor Augen,
es kann ja nicht sein!

2. Wo ich stehe, wo ich gehe,
das Herzlein thut weh;
den Leuten ists zuwider,
wenn ich nur mit ihr geh.

3. Herzig Schätzlein, bist du drinnen,
geh raus und mach auf!
es friert mich an mein Fingerle,
bin sonst nicht wol auf.

4. "Friert dichs an dein Fingerle,
zieh Handschühle an;
so kannst du recht klopfen,
klopf nur einmal an!"

5. Was hilft mir mein Klopfen,
du machst mir nicht auf;
du thust mich vexieren
und lachst mich brav aus!

6. Läßt du mich nicht eine,
so geh ich nach Haus,
und bleibe für morgen
und immer ganz aus.
(S. 276-277)

(J. G. Büsching "Wöchentliche Nachrichten für Freunde der Geschichte" sc. 1816, I, 354
Str. 6 nach L. Erk's Volksliedern B. I, H. 6, S. 31, Nr. 26)

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Lied 122.
Schwere Trennung
(Vielfach mündlich, aus Schlesien, Hainau, Neiße
aus dem Hessen-Darmstädtischen und Meiningischen)

1. Ich will mich umschauen
nach Tint und Papier,
meinem Schätzchen zu schreiben
den Abschied an die Thür;
wol ane die Thüre,
wol ane das Haus:
Ach Herzchen, schönstes Schätzchen,
unsre Freundschaft ist aus!

2. Ich weiß nicht, wie ichs mache,
daß ich sie aufwecken thu;
wie soll ichs anfangen?
sie liegt schon in der Ruh.
Ich trat wol an ihr Fenster,
klopfte an mit meinem Ring:
"Ach Herzchen, schönstes Schätzchen,
wen hast du bei dir drin?"

3. Das Mädchen thät erschrecken,
aus dem Bette sprang sie raus,
thät das Röcklein überwerfen,
zum Fenster schaut sie naus:
""Scher dich weg von meinem Fenster,
scher dich weg von meiner Thür!
sonst greif ich nach den Waffen
und schlage nach dir.""

4. ""Du hast mir versprochen
die Treue so fest;
du hast sie gebrochen:
geh hin wo du gewest!
Die Thränen von den Augen,
die Tröpflein von den Wangn!
wir zwei verliebte Herzen
kommen nimmermehr zusammn.""
(S. 278-279)
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Lied 123.
Es ist Alles umsonst
(Vielfach mündlich, aus der Bergstraße und dem Odenwald,
Großhausen, Reinheim, Alsbach sc.)

1. (Er:) Was hab ich denn meinem Feinsliebchen gethan?
sie geht ja vorüber und schaut mich nicht an;
sie schlägt ihre Aeuglein wol unter sich
und sieht einen Andern viel lieber als mich.

2. Das macht wol ihr stolzer hochmüthiger Sinn,
daß ich ihr nicht schön und nicht reich genug bin.
Ei bin ich nicht gar reich, so bin ich doch fromm:
herztausendes Schätzchen, was scher ich mich drum!

3. Ich will mir mein Herze nicht länger so quäln
und will mir ein ander schön Schätzchen erwähln.
Wol außer den Augen, wol außer dem Sinn:
herzallerschönst Schätzchen, fahr immer nur hin!

4. Fahr immer nur hin! ich halte dich nicht,
ich hab meinen Sinn auf ein Andre gericht;
ich hab die Gedanken von dir gewandt:
ach hätt ich dich niemals, ja niemals gekannt!

5. (Sie:) Ach junger Geselle, ich rathe dir nicht!
die Berge sind hoch, du steigest sie nicht. -
(Er:) Wie hoch sind die Berge, wie tief ist das Thal,
jetzt seh sich mein schönst Schätzchen zum allerletzten Mal!

6. (Sie:) Geh, junger Geselle, ich rathe dir nicht!
die Wasser sind tief, du schwimmest sie nicht. -
(Er:) Wie tief sind die Wasser, sie haben kein Grund,
laß ab von der Liebe, s ist Alles umsonst!

7. Und wenn sich der Hase thut fangen den Hund
und eine Muscat muß wiegen sechs Pfund,
und wenn ein Mühlstein schwimmt über den Rhein,
so sollst du auch länger Feinsliebchen mir sein!
(S. 280-281)
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Lied 124.
Liebesgruß
(Die Melodie nach Büsching's u. von der Hagen's Volksliedern 1807,
Aus Fr. Nicolai's handschriftlicher Sammlung)

1. Sind wir geschieden
und leb ich sonder dich,
gieb dich zufrieden,
du bleibst mein ander Ich.
Die Zeit wird fügen,
daß mein Vergnügen
nach überstandner Pein
wird desto schöner sein.

2. Ich will indessen,
mein Engel, meine Lust,
dich nicht vergessen;
du schwebst in meiner Brust.
Bleib nur beständig
und unabwendig:
mein letzter Tropfen Blut
bleibt dir, mein Engel, gut.

3. Geht, geht, ihr Winde,
und bringet diesen Kuß
dem schönen Kinde,
das um mich trauren muß;
küßt ihre Wangen,
sagt mein Verlangen,
bringt ihr die Nachricht bei:
ich lieb und sterbe treu.
(S. 282)

("Picanders [Christian Friedrich Henrici's] Ernst-Schertzhaffte und Satyrische Gedichte,
Anderer Theil. Andere Auflage. Leipzig 1734" 8. [Das Vorwort vom J. 1729]
Das. S. 155 als ein übersandtes Lied mitgetheilt in: "Postbericht der Liebe.
Auf die S. und K. Hochzeit. Chemnitz den 4. Sept 1725" -
Vgl. Büsching und von der Hagen, "Sammlung Deutscher Volkslieder" S. 14.)

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Lied 125.
Die Mühle
(Vielfach mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Odenwald,
Meinigischen, aus Westfalen, Franken sc.)

1. Da droben auf jenem Berge
da steht ein hohes Haus,
da schauen wol alle Frühmorgen
drei schöne Jungfrauen heraus.

2. Die eine die heißet Susanne,
die andere Anne-Marei;
die dritte die darf ich nicht nennen,
weil sie es mein eigen soll sein.

3. (In meines Vaters Lustgarten
da stehen zwei Bäumelein;
das eine das träget Muscaten,
das andre Feinsnägelein.

4. Muscaten und die sind süße,
Feinsnäglein die riechen so wol;
die will ich meim Schätzchen verehren,
daß s meiner gedenken soll.)

5. Da drunten in jenem Thale
da treibet das Wasser ein Rad,
das mahlet nichts anders als Liebe
von Morgen bis Abend spat.

6. Das Mühlrad ist zerbrochen,
die Liebe hat noch kein End -
und wenn zwei Herzliebchen sich scheiden,
so reichens einander die Hände.

7. Ach Scheiden, du bitteres Scheiden!
wer hat doch das Scheiden erdacht?
das hat ja mein jung frisch Herze
aus Freud in Trauren gebracht.
(S. 283)
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Lied 126.
Fenstergang
(Die Melodie mündlich, aus Anhalt-Cöthen, Baasdorf
und dem Oderbruche, Groß-Neuendorf)

1. "Ich kann nicht sitzn, ich kann nicht stehn,
ich muß zu meinem Schätzchen gehn,
zu meinem Schätzchen muß ich gehn,
und wenn ich soll vorm Fenster stehn."

2. ""Wer ist denn da, wer klopfet an,
der mich so leis aufwecken kann?"" -
"Es ist der Herzallerliebste dein,
steh auf, feins Lieb, und laß mich ein!"

3. ""Ich steh nicht auf, laß dich nicht ein,
bis Vatr und Mutter schlafen sein:
stell dich ein wenig an die Wand,
sie werdens nicht mehr machen lang.""

4. "Ich kann nicht längr hier außen stehn,
ich seh die Morgenröth angehn,
die Morgenröth, zwei helle Stern:
bei meim Feinsliebchen wär ich gern!"

5. Sie stand wol auf und ließ ihn ein,
sie hieß ihn auch willkommen sein;
sie reicht ihm ihr schneeweiße Hand,
da fieng sie bald zu weinen an.

6. "Weine nicht, weine nicht, mein Engelein!
übers Jahr sollst du mein eigen sein;
mein eigen sollst du werden gwiß,
sonst keine die auf Erden ist."
(S. 287-288)

(Das Gedicht vielfach mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Brandenburgischen,
aus Schlesien, Franken, Thüringen sc.)

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Lied 127.
Botschaft
(Die Melodie mündlich, aus dem Coburgischen)

1. Hoffnung, Hoffnung, komm nur bald,
meines Herzens Aufenthalt!
mein Verlangen steht allein
zu dem Herzallerliebsten mein.

2. Wer schreibt mir ein Briefelein
an den Herzallerliebsten mein,
ob er noch ist frisch und gsund,
ob noch lacht sein rother Mund?

3. Schwing dich auf, Frau Nachtigall,
grüß mein Schatz viel tausendmal!
grüß mir ihn aus Herzensgrund,
wünsch ihm, daß er bleib gesund.

4. Merk nur fleißig was er redt,
ob er sich entfärben thät;
ob er weinet oder lacht,
oder meiner gar nicht acht.

5. Ob er meiner gleich nicht acht,
wünsch ich ihm ein gute Nacht.
Kehr dich um und flieg davon,
Untreu bekommt doch ihren Lohn.
(S. 290)

(Das Gedicht nach flieg. Blättern aus der Zeit um 1750
und dem "Berg-Lieder-Büchlein." 1740)

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Lied 128.
Priester als Arzt
(Mündlich, aus Schlesien, Hainau, aus Thüringen und vom Niederrhein)

1. (Sie:) Guten Abend, liebes Kind!
freut mich sehr, daß ich dich find.

2. Liebes Kind, was machest du?
schläfest oder wachest du?

3. (Er:) Schlafe nicht, ich bin sehr krank,
werd es nicht mehr machen lang.

4. Mädel, lauf zum Priester gschwind,
daß er uns zusammenbind!

5. Wenn wir werdn beisammen sein,
wird sich unser Herz erfreun.

6. Unser Herz und unser Sinn,
denn du bist und bleibst mein Kind.

7. Deine Hände und die sind weiß:
liebe dich mit ganzem Fleiß.

8. Deine Stirn ist kugelrund:
liebe dich aus Herzensgrund.

9. Deine Lippen sind zuckersüß:
geb ich dir viel tausend Küß.

10. Deine Zähne von Elfenbein:
liebe dich ja ganz allein!

11. Deine Augen kirschbraun schwarz:
und du bist und bleibst mein Schatz.

12. Deine Wangen rosenroth:
liebe dich bis in den Tod.
(S. 291)

(Vgl. Hoffmann v. F. "Schlesische Volkslieder" S. 167)

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Lied 129.
Das todtkranke Schätzchen
(Mündlich, aus der Gegend von Hildburghausen)

1. "Schätzichen, was machest du?
schläfest oder wachest du?" -
""Schlafe nicht, ich bin sehr krank,
und der Tod macht mir so bang.""

2. "Ach du Tod, du bittres Kraut!
hätt ich dirs nicht zugetraut,
daß du mir mein Schatz wegnähmst
und mein Herze so sehr grämst!"

3. "Stirbest du, so sterb auch ich,
sterbn wir beide seliglich.
In das Grab senkt man uns ein,
weil wir zwei Brautleute sein."

4. "Auf dem Grab da liegt ein Stein,
wächst darauf ein Blümelein;
Blümelein ist rosenroth:
liebe dich bis in den Tod."
(S. 294)

(Vgl. L. Erk, "Die deutschen Volkslieder" B. I, H. 4, S. 53, Nr. 46. -
O. L. B. Wolff, "Halle der Völker" B. II, S. 171 [Aus dem Itzgrunde] -
und F. K. v. Erlach, "Die Volkslieder der Deutschen." IV, 107. [Wunderhorn. IV, 357]
Aus Urach im Würtembergischen)

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Lied 130.
Leichter Abschied
(Vielfach mündlich, aus Thüringen u. dem Hessen-Darmstädtischen)

1. Jetzund wird der Beschluß gemacht:
schönster Schatz, eine gute Nacht!
Du bleibst hier, ich muß fort,
scheiden an ein andern Ort.

2. Reich mir deine rechte Hand
zum getreuen Unterpfand!
Einen Kuß zum Beschluß
weil ich von dir scheiden muß.

3. Denkst, du wärst die Schönst allein?
s giebt 'er, die viel schöner sein:
Deine Schönheit wird vergehn
wie die Rosen im Garten stehn.

4. s kommt ein Reiflein in der Nacht,
nimmt dem Blümlein seine Kraft;
seine Kraft, die nicht allein,
seine Schönheit obendrein.

5. Da drunten in dem Teich da schnalzt ein Fisch:
lustig wer noch ledig ist!
Ledigen Leuten geht es wol,
ihre Kinder schlafen schon.

6. "Da drunten in dem Thal da liegt ein Steg,
darüber geht meim Schatz sein Weg;
der Weg der führt wol hin und her:
wer weiß ob es der rechte wär!"
(S. 295)
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Lied 131.
Wie du mir, so ich dir
(Mündlich, aus dem Odenwald, Neunkircher Höhe)

1. Lang genug hab ich geschwiegen,
aber jetzt ist Alles aus,
weil du mich so sehr veracht
und meine Treuheit nur auslachst.

2. Hast gemeint, du bist die Schönste,
das ist aber weit gefehlt:
Wer du bist, der bin auch ich,
wer mich veracht, den veracht auch ich.

3. Was nützt mir ein schöner Garten,
wenn schon Andre drinnen gehn,
brechen mir die Röslein ab,
daran ich meine Freude hab?

4. Deine Schönheit wird vergehen
wie die Blumen auf dem Feld:
kommt ein Reiflein bei der Nacht
und nimmt den Blümchen ihre Pracht.
(S. 296)

(Vielfach mündlich, aus dem Odenwald, aus Schlesien, Thüringen
und dem Brandenburgischen.)

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Lied 132.
Liebesklage und Abschied
(Die Mel. mündlich, aus Schwaben u. dem Brandenburgischen, Oranienburg)

1. Heut hab ich die Wach allhier,
schönstes Kind, vor deiner verschloßnen Thür:
warum stehest du nicht auf und lässest mich nicht ein?
wie kannst du denn so unbarmherzig sein?

2. Harfenklang und Saitenspiel
die hab ich lassen spielen so oft und viel;
ich hab sie lassen spielen so oft und viel,
bis daß mir keine Saite mehr klingen will.

3. Ach in Trauern muß ich schlafen gehn!
in Trauern muß ich wiederum früh aufstehn;
in Trauern und in Weinen verbring ich meine Zeit,
dieweil ich nicht kann haben die mein Herz erfreut.

4. Geht dirs wol, so denk an mich,
geht dirs aber übel, so kränkt es mich.
Froh wollt ich sein, wenns dir und mir wolgeht,
obschon mein jung frisch Herze in Trauern steht.

5. Hohe Berg und tiefe Thal,
jetzt seh ich mein lieb Schätzchen zum allerletzten Mal!
Die Sonn und auch der Mond, das ganze Firmament
das wird sich um mich trauern bis an mein End.
(S. 298)

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, Hessen-Darmstädtischen,
Badischen, aus Thüringen, Franken, Schlesien usw.)

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Lied 133.
Abrede
(Die Melodie mündlich, aus Schlesien, Umgegend von Hainau)

1. Ein Knäblein gieng spazieren
ins Rosengärtelein;
das Gärtlein war gezieret
mit schönen Blümelein.

2. Er thät ein Röslein brechen,
zum Fenster steckt ers nein:
"Thust schlafen oder wachen,
Herzallerliebste mein?"

3. ""Ich schlafe nicht, ich wache,
von dir hab ich keine Ruh;
wenn ich könnt mit dir reden,
von Herzen wollt ichs thun.""

4. Die Thür ward aufgeschlossen,
das Knäblein eingelon;
er fand sein Liebchen weinen,
seit gestern weint sie schon.

5. Was zieht er aus der Tasche?
ein seidnes Tüchelein:
"Nimm hin, nimm hin, Herzliebste,
trockn ab dein Aeugelein!"

6. "Ich hab dich nicht verlassen,
das fiel mir ja nicht ein,
nur solln die Leut nicht wissen
von unsrer Lieb und Treu."

7. "Und gehst du in die Schenke,
so tritt nicht vorn hervor,
tritt in den hindersten Winkel,
für gwiß, ich zieh dich vor!"

8. "Und wenn ich dich werd schwenken,
so sieh du mich nicht an;
dann werdn die Leute denken,
die sind einander gram."

9. "Und red ich mit einr Andern,
dann kränk du dich nur nicht;
ich red mit einer Andern,
ich denk allein an dich."

10. "Und wirst du wollen heimgehn,
so wart nur nicht auf mich:
geh fort das schmale Steiglein,
für gwiß, ich komm dir nach!"
(S. 299)

(J. G. Meinert, "Alte teutsche Volkslieder in der Mundart des Kuhländchens.
Wien u. Hamburg 1817" S. 227)

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Lied 135.
Das Wiedersehen am Brunnen
(Vielfach mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Dreieichenhain,
Offenthal, Ditzenbach, Alsfeld sc.)

1. Der Wächter auf dem Thürnlein saß,
ins Hörnlein thät er blasen:
Und wer bei seinem Schätzlein leit,
der steh nur auf, es ist schon Zeit:
der Tag bricht an mit Strahlen,
ja Strahlen.

2. Das Mägdlein aus dem Bette sprang,
den Tag wollt sie anschauen:
"Bleib nur liegen, bleib nur liegen, mein herztausender Schatz!
es ist fürwahr noch lang nicht Tag;
der Wächter hat uns belogen,
betrogen."

3. Das Mägdlein zu dem Brunnen Brunnen gieng,
frisch Wasser wollt sie holen;
da begegnet ihr derselbige Knab,
der des Nachts bei ihr geschlafen hat,
und bot ihr ein guten Morgen
verborgen.

4. ""Guten Morgen, guten Morgen, mein herztausender Schatz!
wie hast du heint geschlafen?""
"Ich hab geschlafen in deinem Arm,
ich hab geschlafen, daß Gott erbarm!
meine Ehr hab ich verschlafen,
verschlafen."

5. ""Wenn du dein Ehr verschlafen hast,
so laß dichs nicht gereuen!
ich bin fürwahr derselbige Knab,
der auch noch Geld und Güter hat:
deine Ehr will ich dir bezahlen,
ja zahlen.""

6. "Meine Ehr, meine Ehr die bezahlst du mir nicht,
du bist ein loser Schelme.
Wenn Feuer und Stroh beisammen leit,
und wenn auch Schnee dazwischen schneit,
so muß es doch endlich brennen,
ja brennen."
(S. 301-302)
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Lied 139.
Reigentanz
(Mündlich, aus der Umgegend von Bonn, Kessenisch, Poppelsdorf sc.)

1. Nimm sie bei der schneeweißen Hand
und führ sie in den Rosenkranz.
Blau blau Blumen auf meinem Hut,
hätt ich Geld und das wär gut,
Blumen auf meim Hütchen.

2. Jungfer, ihr sollt tanzen
in diesem Rosenkranze!
Blau blau Blumen sc.

3. Jungfer, ihr sollt küssen!
das thät die Jungfer lüsten.
Blau blau Blumen sc.

4. Jungfer, ihr sollt nichen!
[nichen=nicken]
das thät die Jungfer strichen.
[strichen=schmeicheln]
Blau blau Blumen sc.

5. Jungfer, ihr sollt scheiden!
das thät der Jungfer leide.
Blau blau Blumen sc.

6. Jungfer, ihr sollt draußer gehn!
ein Ander soll darinne stehn!
Blau blau Blumen auf meinem Hut,
hätt ich Geld und das wär gut,
Blumen auf meim Hütchen.
(S. 308)

(Vgl. auch Firmenich "Germaniens Völkerstimmen" I, 460. -
Ferner: L. Erk, "Neue Sammlung deutscher Volkslieder" B. II, H. 4 u. 5, S. 85, Nr. 78.)

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Lied 145.
Absage
(Melodie aus dem Brandenburgischen)

1. Willst du mich denn nicht mehr lieben,
ei so kannst dus lassen sein;
ich werd mich drum nicht betrüben
und kann leben ganz allein.

2. Kaum hab ich dich lernen kennen,
wie dein Herz beschaffen ist;
gleich thust du vor Liebe brennen,
wenn du eine Andre siehst.

3. Glaub, du machst mir keinen Kummer,
wenn du läßt zufrieden mich:
Eine Schwalbe macht kein Sommer;
leicht kann ich vergessen dich.

4. Ich werd schon mein Ziel erreichen
und den Segen auch dazu,
daß ich finde meines Gleichen,
der mich treuer liebt als du.

5. Hast du Guts von mir genossen,
so behalts! es bleib bei dir!
Unsre Liebschaft ist geschlossen
und der Korb steht vor der Thür.
(S. 319)

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, Hessen-Darmstädtischen,
aus Schlesien, Thüringen, Pommern usw. Mit Benutzung eines
handschriftl. Liederbuches vom Jahre 1750)

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Lied 147.
Strahlaugig Mägdlein
(Durch ganz Deutschland verbreitet)

1. Der Jäger in dem grünen Wald
muß suchen seinen Aufenthalt.
Er gieng im Wald wol hin und her,
ob auch nichts anzutreffen wär.

2. Mein Hündelein ist stets bei mir
in diesem grünen Laubrevier.
Mein Hündlein blafft, mein Herz das lacht,
meine Augen leuchten hin und her.

3. Es ruft mir eine Stimme zu:
"Wo bist denn du, wo bist denn du?" -
""Wie kommst du in den Wald hinein, du strahlenaugig Mägdelein?
du strahlenaugig Mägdelein, wie kommst du in den Wald hinein?""

4. "Um deiner aufzuspüren hier,
bin ich in diesem Laubrevier.
Ich gieng im Wald wol hin und her,
ob auch kein Jäger drinne wär."

5. Ich küßte sie ganz herzelich
und sprach: "Fürwahr, du bist für mich!
Bleib du bei mir als Jägerin,
du strahlenaugig Mägdelein, bleib du bei mir als Jägerin"

6. ""Du sollst mir nicht mehr wandeln hier
in diesem grünen Laubrevier.
Bleib du bei mir als Jägerin so lang ich auf Erden bin
du strahlenaugig Mägdelein, bleib du bei mir als Jägerin!""
(S. 322)

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, aus Schlesien,
Franken, Baden, aus dem Hessen-Darmstädtischen, vom Niederrhein sc.)

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Lied 149.
Wankelmüthige Liebe
(Mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Messel, Alsfeld, Hopfgarten)

1. O Himmel, wie lang soll ich noch
tragen das bittere Joch?
Du sagst, du liebest mich,
aber du hassest mich;
Alles scheint finster und trüb,
weil du vergissest die Lieb.

2. Wenn du mein Schätzchen willst sein,
muß du mich lieben allein;
mußt hübsch zu Hause bleibn,
mußt andre Burschen meidn:
so du das aber nicht thust,
hast du zum Lieben kein Lust.

3. Und wer sich ein Rose abbricht,
öfters in Dornen sich sticht.
Geh hin und schweige still,
hör was ich sagen will:
Trau nur der Schönheit nicht gar,
denn sie bringt Viel in Gefahr.
(S. 326)
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Lied 151.
Winterrosen
(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen,
aus Sachsen, Schlesien, Hessen-Darmstadt sc.)

1. Es wollt ein Mägdlein Wasser holn
aus einem kühlen Brunnen,
hm hm hm, ha ha ha,
aus einem kühlen Brunnen;

2. Ein schneeweiß Hemdchen hatt sie an,
dadurch schien ihr die Sonne. sc.

3. Sie sieht sich hin, sie sieht sich her,
sie meint, sie wär alleine;

4. Da kam ein Reiter geritten stolz,
der grüßt das Mägdlein feine.

5. "Gott grüß euch, zartes Jungfräulein,
was steht ihr hier alleine?"

6. "Wollt ihr dies Jahr mein Schlafbuhl sein,
so ziehet mit mir heime!"

7. ""Und euer Schlafbuhl bin ich nicht,
ihr bringt mir denn drei Rosen,""

8. ""Die in der Zeit gewachsen sein
wol zwischen Weihnachtn und Ostern.""

9. Er ritt wol über Berg und Thal,
er konnt ihr keine finden.

10. Er ritt vor einer Malerin Thür:
"Frau Malerin, seid ihr drinnen?"

11. "Seid ihr darin, so trett herfür
und malet mir drei Rosen,"

12. "Die eine roth, die andre weiß,
die dritte wie Violen!"

13. Und als die Rosen gemalet warn,
da fieng er an zu singen:

14. "Erfreu dich, Mägdlein, wo du bist!
drei Rosen thu ich dir bringen."

15. Das Mägdlein an dem Laden stand,
gar bitterlich thät sie weinen:

16. ""Ach Herr, ich habs im Scherz geredt,
ich meint, ihr fändet keine.""

17. "Hast du es nur im Scherz geredt,
gar scherzlich wolln wirs wagen:

18. "So bist du mein und ich bin dein,
und scherzn wir beide zusammen!"
(S. 327-329)

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, Hessen-Darmstädtischen,
aus Schlesien, Sachsen, vom Niederrhein sc.)

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Lied 154.
Träumelein
(Melodie mündlich, aus dem Odenwald)

1. Wol heute noch und morgen
bleib ich, mein Schatz, bei dir;
wann aber kommt der dritte Tag,
so muß ich fort von hier.

2. "Wann kommst du aber wieder,
Herzallerliebster mein?" -
Wanns schneiet rothe Rosen
und regnet kühlen Wein.

3. "Es schneiet keine Rosen
und regnet auch kein Wein:
so kommst du auch nicht wieder,
Herzallerliebster mein."

4. Wann ich auch wiedrum käme,
was würd es helfen dich?
ich habe dich geliebet,
aber heirathen thu ich dich nicht. -

5. "In meines Vaters Gärtelein
legt ich mich nieder und schlief;
da träumet mir ein Träumelein
wies schneiet über mich."

6. "Und als ich nun erwachte,
da war es lauter Nichts;
es warn die rothen Röselein,
die blühten über mich."

7. "Ein Haus will ich mir bauen,
ein Stock von grünem Klee,
mit Buchsbaum ausstaffieret
und gelber Lilie."

8. "Und als das Haus gebauet war,
beschert mir Gott was nein;
ein Bürschchen das von achtzehn Jahr,
das soll mein eigen sein!"
(S. 345)

(Mehrfach mündlich, aus dem Odenwald, Neunkirchen-Höhe
und der Gegend von Mosbach in der Pfalz)

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Lied 156.
Nichts Schöners als Treu
(Melodie mündlich, aus Schwaben)

1. Zwei Herzen im Leben
gar schön sich ergeben,
wenn sie es verstehen
und recht zusammen gehen;
so kann ja auf Erden
aus zwei Herzen Eins werden:
sie sagen, es sei
nichts Schöners als Treu.

2. Die Perlen, Korallen
die können zwar prahlen;
die Perlen, Rubinen,
die können das rühmen;
sie können zwar trutzen,
ihr Schönheit aufputzen:
sie sagen, es sei
nichts Schöners als Treu.

3. Frag alle Bekannte,
frag alle Verwandte,
frag alle Verliebte,
frag alle Betrübte,
frag Himmel und Erden,
frag, was kann gefragt werden:
sie sagen, es sei
nichts Schöners als Treu.

4. Nun sei es beschlossen,
ganz treu, unverdrossen;
dir will ich mein Leben
ganz treu untergeben:
und den du wirst fragen,
der kann dirs gleich sagen,
daß Schöners nichts sei,
als bleiben getreu.
(S. 350)

(Flieg. Bl. 8. "Acht kurtzweilige weltliche Lieder. Gedruckt 1786." das dritte. -
Vgl. Wunderhorn. IV, 176. und Freimund Pfeiffer, "Sesenheimer Liederbuch" S. 143)

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Lied 157.
Ade, mein Schatz
(Melodie mündlich, aus der Prignitz, Klein-Welle bei Perleberg)

1. "Ade, mein Schatz! und ich muß fort;
ich muß dich meiden,
vor dir abscheiden
an fremden Ort."

2. ""Schatz, gehst du denn so weit von mir?"" -
"Im Rosengarten
will ich deiner warten,
im grünen Klee."

3. ""Brauchst meiner nicht zu warten, bin viel zu schlecht;
frei dir ein Reiche,
die deines Gleichen
ist eben recht.""

4. "Ich frei ja nicht nach Geld und Gut:
an Gottes Segen
ist Alles gelegen,
wers glauben thut."

5. "Wers glauben thut, der ist nicht hie;
ist fortgezogen,
wird wiedrum kommen
spät oder früh."

6. ""Kommst du nicht wieder zu rechter Zeit,
so sind wir Beide
geschiedne Leute
auf ewge Zeit."" -

7. Wer hat denn dieses Lied erdacht?
Es habens gesungen
drei Goldschmiedsjungen
zur guten Nacht.
(S. 351)

(Mehrfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, Oranienburg, Perleberg, Seehausen, Gramzow sc. -
Vgl. F. H. Bothe, "Frühlings-Almanach. Berlin, 1804." S. 70.
Die Aenderung der Verse 2 u. 3 in Str. 4 rührt wol von Bothe her.)

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Lied 158.
Liebesschmerz
(Melodie vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen,
Hessen-Darmstädtischen, aus Schlesien, Thüringen sc.)

1. Den Sonntag, den Montag in aller Fruh,
da kam mir eine traurige Botschaft zu,
dieweil ich von meim Schätzchen hab Abschied genommn,
ich sollte doch noch einmal zu ihr kommn.

2. Und als ich zu ihr gekommen bin,
da thät sie mir was sagen in aller Still:
ich sollt sie nicht verlassen in aller ihrer Noth,
ich sollt sie treulich lieben bis in den Tod.

3. "Schau an, schau an mein bleiches Angesicht,
schau, wie mich die Liebe hat zugericht!
Kein Feuer ist auf Erden, das brennet also heiß,
als die verborgne Liebe, die Niemand weiß."

4. "Dorn und Disteln die stechen gar zu sehr,
aber falsche Zungen noch viel mehr;
viel lieber wollt ich gehn, wo Dorn und Disteln stehn,
als wo zwei falsche Zungen beisammen stehn."

5. "Mit Trauern muß ich schlafen gehn,
mit Trauern muß ich wiedrum auferstehn;
mit Trauern und mit Weinen verbring ich meine Zeit,
dieweil ich nicht kann lieben was mein Herz erfreut."

6. "Geht dirs wol, so gedenk an mich,
geht dirs aber übel, so kränkt es mich.
Wie froh wollt ich sein, wenns dir und mir wolgeht,
obschon mein junges Leben in Trauern steht."

7. "Ach herzelieber Schatz, ich bitte dich noch eins:
du wollest auch bei meinem Begräbnis sein!
bei meinem Begräbnis bis in das kühle Grab,
dieweil ich dich so treulich geliebet hab."
(S. 354-355)

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, aus Schlesien, Thüringen u. s. w.
Mit Benutzung von flieg. Blättern aus der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts.)

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Lied 159.
Frau Nachtigall
(Melodie mündlich, aus dem Brandenburgischen,
Clevischen, Hessen-Darmstädtischen, aus Franken sc.)

1. Nachtigall, ich hör dich singen,
das Herz im Leib möcht mir zerspringen;
komm nur bald und sag mirs wol,
wie ich mich verhalten soll.

2. Nachtigall, ich seh dich laufen,
aus dem Bächlein thust du saufen,
tunkst dir dein klein Schnäblein ein,
meinst es wär der beste Wein.

3. Nachtigall, wo ist gut wohnen?
bei der Linden an der Dohnen,
bei der schön Frau Nachtigall?
grüß mein Schatz viel tausendmal!

4. "Thu dein Herz in zwei Stück theilen,
kommm zu mir, ich will dirs heilen;
schlag die Grillen aus dem Sinn,
laß die Lieb nur fahren hin!"

5. "Laß die Lieb nur immer fahren,
weg mit solchen stolzen Narren,
die ihr (sich) so viel bildet ein:
meint, sie wollt die Schönste sein!"

6. Geh nur hin mit deim Stolzieren,
du darfst mich nicht lang vexieren,
hast nicht Ursach stolz zu sein,
schau nur in dein Herz hinein!

7. Hast gemeint, du wollst mich fangen,
dieses war nur dein Verlangen;
aber nun ist Alles aus,
ich such mir ein Andre aus.
(S. 357)

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, Berlin, Brandenburg,
Trebbin, Oderberg, Clevischen, Bergischen, Herssen-Darmstädtischen, Dreieichenhain,
Franken, Schlesien sc.
Mit Benutzung von flieg. Bl. aus den Jahren 1750, 1786, 1801 u. 1806.)

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Lied 163.
Im Wald bei der Amsel
(Melodie mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Dreieichenhain)

1. Gestern Abend in der stillen Ruh
hört ich in dem Wald einer Amsel zu.
Als ich nun da saß,
meiner ganz vergaß,
kam mein Schatz und sprach: Jetzt hab ich dich,
und küßte mich.

2. Kam daher und schmeichelt mir so schön,
ließ so zärtlich ihre Treuheit sehn;
schmieget sich an mich,
drückt und küßte mich,
schwur bei ihrer Leib: mir ganz allein
getreu zu sein.

3. Ei du Schmeichler, sprach ich unerschreckt,
wer hat dir mein Einsamkeit entdeckt!
Dieser grüne Wald
ist mein Aufenthalt,
wo ich oft vergnügt in meinem Sinn
gewesen bin.

4. So viel Laub als auf der Linden ist,
so vielmal hat mich mein Schatz geküßt;
doch ich muß gestehn,
s hats Niemand gesehn;
nur die Amsel in dem Wald allein
könnt Zeuge sein.
(S. 364)

(Mündlich, aus dem Hessen-Darmstädtischen, Dreieichenhain und Schlierbach im Rotthau
Vgl. F. D. Gräter, "Bragur. II. B. Leipzig, 1792" S. 221.)

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Lied 164.
Abschiedsklage
(Melodie mündlich, aus dem Hessen-Darmstätischen, Dreieichenhain, Offenthal sc.)

1. Ach in Trauern muß ich leben,
sag, woran hab ichs verschuldt?
Weil mein Schatz mirs hat aufgeben,
muß ichs tragen mit Geduld.

2. Wo ich geh auf Weg und Straße,
sehen mirs die Leute an;
meine Augen geben Wasser,
ich kein Wort mehr sprechen kann.

3. Vater und Mutter wollns nicht leiden,
schönster Schatz, das weißt du wol:
Kannst dein Glück noch besser machen,
weil ich dich nicht haben soll.

4. Sind wir oft beisammen gesessen
manche schöne halbe Nacht,
und den süßen Schlaf vergessen
und mit Lieben zugebracht.

5. Spielet auf, ihr Musikanten!
spielet mir ein Saitenspiel,
meinem Schätzchen zu Gefallen,
weil ich Abschied nehmen will.

6. Rosmarin und Lorbeerblätter
schenk ich dir zu guter Letzt:
das soll sein das letzt Gedenken,
weil du mich nochmals ergötzt.
(S. 365)

(Vielfach mündlich, aus dem Hessen-Darmstätischen, Dreieichenhain, Offenthal,
Brandenburgischen, Gramzow, Wilsnack sc.
aus dem Sachsen-Meiningen, Herpf, Schlesien, vom Niederrhein u. s. w.)

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Lied 165.
Abschied vom Liebchen
(Melodie mündlich, aus dem Brandenburgischen)

1. O Berlin, ich muß dich lassen,
o du wunderschöne Stadt!
und darinnen muß ich lassen
meinen auserwählten Schatz.

2. Schönster Schatz, du thust mich kränken
tausendmal in einer Stund:
wenn ich nur das Glück könnt lenken,
dir zu küssen deinen Mund!

3. Ich bin zwar noch jung von Jahren,
und das Reisen mir gefällt,
etwas Neues zu erfahren,
wie es zugeht in der Welt.

4. O ihr Wolken, gebet Wasser,
daß ich weinen kann genug;
meine Aeugelein sind nasser,
nasser als der Donaufluß.

5. Liebster Schatz, wenn du willst schreiben,
schreibe mir ein Briefelein,
daß du mir getreu willst bleiben;
drücke auch dein Herzchen ein!
(S. 366)

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen, Berlin, Wilsnack, Oberberg,
Hessen-Darmstädtischen, Neunkirchen im Odenwald, aus Baden, Schlesien sc.
Mit Benutzung von flieg. Blättern aus der Zeit zwischen 750 u. 1808.)

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Aus: Deutscher Liederhort
Auswahl der vorzüglichen deutschen Volkslieder
aus der Vorzeit und Gegenwart
mit ihren eigenthümlichen Melodien
Herausgegeben von Ludwig Erk
Berlin Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin 1856






 


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