Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Deutsche Liebeslieder (Volkslieder) aus Schlesien


Sammlung Fallersleben (1842)


53.
Wächterlied
(aus Pawelau)

"Nächten da ich über die Gasse ging,
Stand mein Schönstliebst am Fenster,
Zu einem Fenster schrie ich 'rein:
Steh auf feins Mädel und laß mich ein!
Ich habe schon längst gestanden."

""Ob du schon längst gestanden hast,
Kann ich dich nicht 'rein lassen;
Der Vater der ist nicht daheim,
Die Mutter die schläft noch lange nicht ein,
Bleib noch eine kleine Weil' draußen!""

""Wenn Vater und Mutter wird schlafen sein,
Dann will ich dich 'rein lassen;
So geh du in die Kammer hinein,
So lange wie es dein Wille wird sein,
So lange will ich dich halten.""

Und als er in die Kammer 'nein kam,
In der Kammer war's sehr finster;
Er dacht', er käm ins Paradeis -
Da saß ein Mädel schön roth und weiß
In ihrem schneeweißen Kleide.

Und als es kam um Mitternacht,
Die Wächter thaten schreien:
Wenn einer bei seiner Schönstliebsten ist,
So mach' er sich auf und geh' er nach Haus,
Der Tag kommt angedrungen.

Und als der Knabe die Rede vernahm,
Aus der Kammer that er gehen.
Feins Mädelein unter dem Wändelein saß,
Ihre schwarzbraunen Aeugelein wurden ihr naß,
Sie fing bald an zu weinen.

"Weine nicht, weine nicht, feins Mädelein!
Um mich darfst du nicht weinen!
Ich habe schon manche liebe Nacht
Um deinetwegen zugebracht,
Es hat mich auch keine gereuet."
(S. 87)
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54.
Kurz und erbaulich
(Breslau, Hussinetz und aus verschiedenen andern Gegenden)

Er
Ich wünscht', 's wäre Nacht,
Und mein Bettchen wär' gemacht;
Wollt' ich zu mein'm Schätzchen gehn,
Wollt' vor dem Fenster stehn,
Bis sie mir aufmacht.

Sie
Wer ist denn jetzt hier?
Wer klopfet an der Thür'?

Er
Schönster Schatz, ich bin hier,
Mach auf die Kammerthür'!
Ich steh dafür.

Sie
Die Thür' ist schon zu,
Es schläfet Alles in Ruh'.
's ist zu spät in der Nacht,
Daß man die Thür' aufmacht -
Komm morgen fruh!

Er
Morgen früh hab' ich keine Zeit,
Da sehen mich die Leut'.
Läßt du mich heut' nicht ein,
Mag ich dein Schatz nicht sein,
Komm' auch nicht mehr.
(S. 88)
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55.
Hoffnung giebt Trost
(Vom Zobtenberge)

Sie
Guten Abend, liebes Kind!
Komm, komm gegangen!
Komm, komm! ich warte schon
Ganz mit Verlangen.

Du hast's vielmal gesagt,
Du wollst mich nehmen.
Wenn du dein Wort nicht hältst,
Mußt du dich schämen.

Er
Mit was für einem Band
Bist du gebunden?
Mit einem grün seidnen Band
Bist du gebunden.

Sie
Leb wohl, vergnügter Schatz,
Und komm bald wieder!
Kein'n andern mag ich nicht,
Du bist mir lieber.
(S. 88)
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56.
Kurz abgefertigt
(Erste Lesart)
(Aus Rosenbach im Frankensteiner Kreise, aus der Breslauer und Oppelner Gegend)

Sie
Und nächten in dem Dunkeln
Da kam mein alter Schatz
In den zerriss'nen Klunkern
Zum Thürle 'rein gelatscht.

Warum kamst du nicht nächten,
Wie ich dich kommen hieß?

Er
Das that ich dir zum Besten,
Daß ich dich schlafen ließ.

Sie
Du sagst mir wol vom Schlafen,
Doch selber schläfst du nicht;
Zu einer andern gehst du,
Und zu mir kommst du nicht.

Er
Bin ich nicht zu dir kommen,
Bei Regen, Schnee und Wind?
Kein Weg hat mich verdrossen,
Den ich gegangen bin.

Ich bin schon oft gestiegen
Ueb'r manchen Dornenzaun
Und wegen deiner Liebe
Und deiner Aeuglein braun.

Ei Mädel, willst mich haben,
So sag's mit einem Wort,
Sonst werd' ich ein Soldate,
Marschieren muß ich fort.

Sie
Mußt du gleich fortmarschieren,
Marschier nur immerhin!
Zieht doch eine andre Mutter
Mir auch ein frommes Kind.
(S. 89)
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57.
Kurz abgefertigt
(Zweite Lesart)
(Aus Kapsdorf und Trebnitz)

Es ritt ein Knäblein buhlen,
Ja buhlen bei der Nacht;
Er ritt bis vor das Fenster:
"Schläfst oder wachest du?"

Sie
Und wenn ich gleich nicht schliefe,
Ich ließ' dich doch nicht ein:
Ich hör' dich schon im Reden,
Daß du der rechte nicht seist.

Er
Hörst du mich schon im Reden,
Daß ich der rechte nicht bin,
So steh nur auf und schlag dir Licht,
Und leuchte wer ich bin!

Sie
Die Kohlen sind verloschen,
Die Kerzen sind verbrannt -
Reit immer hin, du Stolzer!
Ich hab' dich schon erkannt.

Er
Und Mädchen, willst mich haben,
So sag's mit einem Wort,
Sonst werd' ich ein Soldate,
Marschieren muß ich fort.

Sie
Und mußt du gleich marschieren,
Es thut mir gar nicht leid:
Ein'n solchen Vielmaulmacher
Bekomm' ich allezeit.
(S. 90)
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58.
Kurz abgefertigt
(Dritte Lesart)
(Aus Grabig)

Er
Es ritt ein G'sell spatzieren,
Spatzieren bei der Nacht.
Er ritt vor der Liebsten ihr Fenster:
"Mein Kind, was machest du?
Schläfst oder wachest du?"

Sie
Mag schlafen oder wachen,
Ich lasse dich nicht ein;
Ich kenn' dich schon am Reden,
Daß du der rechte nicht seist.

Er
Wie kennst du mich am Reden,
Daß ich der rechte nicht sei?
Geh, hol' dir ein Licht und zünd' dir's an,
Damit du mich erkennst.

Sie
Die Kohlen sind verlöschet,
Die Kerzen sind verbrannt -
Komm herein, du mein herztausender Schatz,
Jetzt hab' ich dich erkannt.

Warum kamst du nicht nächten,
Da ich dich kommen hieß?

Er
Das that ich dir zu Liebe,
Daß ich dich schlafen ließ.

Sie
Du redest wol vom Schlafen,
Aber selber schläfst du nicht:
Zu einer andern gehst du,
Zu mir da kommst du nicht.

Er
Zu dir bin ich gekommen
Im Regen und im Wind;
Kein Weg hat mich verdrossen,
Den ich gegangen bin.

Mein Schatz, willst du mich haben,
So sag's mit einem Wort:
Sonst geh' ich unter die Soldaten,
Marschier' mit ihnen fort.

Sie
Und ob du schon marschierest,
Das ist mir Alles eins:
Ein'n solchen Cavaliere
Bekomm' ich allezeit.
(S. 91-92)
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59.
In Gottes Namen
(Aus der Breslauer Gegend)

Er
Ich hab' ja schon so lange
Mein Schätzel nicht gesehn.

Sie
Wärst du hergekommen.

Er
Und wenn ich gleich gekommen wär',
Wer weiß, hättst du mich gelassen ein.

Sie
So thu's probieren!

Er
Probieren steht einem jeden frei,
Schönster Schatz, steh auf und laß mich ein!

Sie
Was wirst du hinne machen?

Er
Zu sehn deine rothen Wängelein
Und deine schwarzbraun'n Aeugelein.

Sie
Das brauchst du nicht zu sehn.

Er
Gestern Abend sah ich dich bei einem andern stehn,
Schönster Schatz, thu es nimmermehr.

Sie
Heute nicht, morgen wieder.

Er
So wie du's morgen wieder thust,
So wünsch' ich mich das junge Blut -

Sie
Wohin?

Er
Wol in die kühle Erd' hinein,
Daß ich nimmermehr dein Schatz darf sein.

Sie
In Gottes Namen! (S. 92-93)
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60.
Laß die Leute sprechen
(Aus der Trebnitzer Gegend)

Er
Schätzchen zum Allerschönsten,
Zu tausend guter Nacht!
Und alle meine Rede,
Die nimm dir wol in Acht.

Sie
Warum kamst du nicht nächten,
Da ich dich kommen hieß?
Zu einer andern gehst du,
Bei einer andern stehst du,
Zu mir kommst aber nicht.

Er
Und unter dem Kammerfenster
Da liegt ein breiter Stein;
Da droben hab' ich gestanden
Schon manche Nacht allein.

Es fror mich an die Beine,
Von Herzen that mir's weh.

Sie
Komm, leg dich in mein Bette,
Da wird dir's wohl ergehn.

Er
Wenn ich auch immer läge
Und läg' auch immerhin,
Da würden die Leute sprechen:
Ich läg' ock immer bei dir.

Sie
Und laß die Leute sprechen
Und sprechen immerhin!
Ich werd' dich schon aufwecken,
Daß du wirst heime gehn.
(S. 93-94)
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61.
Liebeszweifel und Liebestrost
(Aus Grabig)

Sie
Schwarzes Band, du mußt vergehen,
Aber meine Liebe nicht;
Meine Liebe bleibet immer stehen,
Schwarzes Band, mußt weiter gehn.

Dorn und Distel thun sehr stechen,
Falsche Zungen noch viel mehr;
Da thut einer zu dem andern sprechen:
Geh du doch zu der nicht mehr!

Bist schon längst zu mir gekommen,
Jetzo willst du weiter gehn;
Und das thut mich also herzlich kränken:
Was die Schuld und Ursach' sei?

Er
Spielt mir auf, ihr Musikanten!
Rühret euer Saitenspiel!
Spielet meinem Schätzlein zu Gefallen
Bis zu ihr'r Schlafkammerthür'!
(S. 94)
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62.
Geld ist die Losung
(Aus Grabig, Deutschsteine und vom Zobtenberge)

Er
Mädchen, heirath' nicht zu früh,
Steck' dich nicht in Sorg' und Müh'!
Lern' ein wenig Höflichkeit,
Warte bis gelegne Zeit!

Wenn die Burschen dich lachen an,
Denk du nicht, sie woll'n dich han;
Denn sie sind voll falscher List,
Geb'n gute Wort' und halten's nicht.

Sie
Ach, wer hätte das gemeint,
Daß ihr falsche Freier seid,
Die die Tugend lassen stehn
Und nach tausend Thalern gehn.

So ist keiner mehr auf der Welt,
Der mich liebt und nicht das Geld.
Ei so sei er nicht mein Freund,
Der das Geld und mich nicht meint!
(S. 95)
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63.
Nur dem Treuen wird aufgethan
(Aus Conradsdorf bei Haynau)

Er
Schön'n guten Abend, liebes Kind,
Daß ich dich treu wiederfind'!
Komm und mach mir auf die Thür'!
Ich steh' schon eine Weil' dafür.

Sie
Und wenn du stehst die halbe Nacht,
So wird die Thür' nicht aufgemacht;
Wenn du willst mein Schätzel sein,
So komm beim hellen Tag herein.

Er
Wenn ich geh' vom Hause weg,
Die Sonne noch am Berge steht,
Eh' ich kommen kann zu dir,
Da ist die finstre Nacht schon hier.

Sie
Wenn das soll die Wahrheit sein,
Da will ich dich lassen ein;
Wenn du mich aber willst vexier'n,
So sollst du meine Liebe verlier'n.

Er
Zum Vexieren da geh' ich nicht,
Sondern treu zu lieben dich,
Getreu zu lieben, getreu zu sein -
Schätzel, du bist immer mein!
(S. 96)
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64.
Die traurige Entdeckung
(Aus Klein-Ellgut)

Sie
Ei Schönster, wo sind deine Gedanken hingericht?
Ei, willst du mich treu lieben, so sag mir's ins Gesicht!
Oder bin ich dir zu arm, oder bin ich dir zu schlecht!
Oder bin ich deinen Eltern, deiner Freundschaft nicht recht?

Er
Ei Schönste, das will ich dir ja balde sagen:
Die Eltern die wollen's nicht länger mehr haben.
Du bist ihn'n zu arm, du bist ihn'n zu schlecht,
Du bist ja meinen Eltern, meiner Freundschaft nicht recht.

Sie
Ei Schönster, ist dein Herze nicht viel härter als ein Stein?
Und wo mag doch die Liebe verborgen wol sein?
Geh hin zu deinen Eltern, klag ihnen die Noth,
Und eh' ich dich lasse, so leid' ich den Tod.


Ihr Eltern, thut die Kinder zu der Heirath nicht zwingen,
Denn es thut ja selten ein wenig Gutes bringen:
Ich achte kein Gut, ich achte kein Geld,
Drum nehm' ich mir ein Mädchen, wie mir es gefällt.
(S. 96-97)
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65.
Und wenn nicht in dieser, doch in jener Welt

Ach, schönster Schatz, verzeih es mir,
Daß ich so spät bin kommen.
Das hat gethan die finstre Nacht,
Die hat mich eingenommen.

Und wenn ich komme, schläfst du schon
Gar sanft in deinem Bette:
Das thut mir sehr von Herzen leid,
Wenn ich dich soll erwecken.

Erweck' ich dich, erschrickst du sehr,
Das thut mich sehr erbarmen;
Da schließ' ich dich herzinniglich
In meine beiden Arme.

Die Leut' sind schlimm, sie reden viel,
Das wirst du selber wissen;
Und daß mein Herz das deine liebt,
Das thut sie sehr verdrießen.

Reich bin ich nicht, das weißt du schon,
Auch kannst du dir es denken:
Ehrlich und treu ist mein Reichthum,
Mein Herz will ich dir schenken.

Der große Gott vom Himmelsthron,
Der Alles thut regieren,
Der Himmel und Erd' erschaffen hat,
Wird uns zusammen führen.

Nimm diesen Ring von feinem Gold,
Darinnen steht mein Namen;
Und kommen wir nicht in dieser Welt,
So kommen wir dort zusammen.
(S. 97)
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66.
Was fang' ich an?
(Aus Deutschsteine)

Ach! den ich hätt' so gern,
Der ist von mir so fern;
Und den ich gar nicht mag,
Den seh' ich alle Tag'.
Einen Schönen krieg' ich nicht,
Einen Wischer mag ich nicht,
Und ledig bleib' ich nicht -
Was fang' ich an.
(S. 98)
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67.
Immer lustig
(Aus Bielwiese)

Wenn ich einst zu Haus werd' kommen
Und mein Schatz ist mir genommen,
Mach' ich mir nur wenig draus,
Such' mir eine Andre aus.

Kommt einst der gewünschte Tag,
Da mein Schätzchen Hochzeit hat,
Wie wird sich das Mädchen freu'n,
Wenn sie wird verheirath't sein!
(S. 98)
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68.
Stillleben
(Aus Langenbielau und Bielwiese)

Ich bin meinem Mädchen gut,
Wenn sie gleich so spröde thut;
Eins doch weiß ich noch von ihr,
Was mir noch gefällt von ihr.

Sitzt sie in der Einsamkeit,
So vertreib' ich ihr die Zeit;
Seh' ich daß sie's gerne sieht,
Sing' ich ihr ein schönes Lied.

Kommt einst die gewünschte Zeit,
Wo wir zur Hochzeit sind bereit,
Wie wird sich das Herz erfreu'n,
Wenn wir werd'n beisammen sein!
(S. 99)
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69.
Ein kleiner Irrthum

Ich ging einmal spatzieren, Hm hm!
Mit einem schönem Mädchen. Aha!

Sie ging wol in den Garten,
Sie brach sich ab Muskaten.

Sie band mir auch ein Kränzchen
Von Rosmarin und Nelken.

Sie sprach, ich sollt' sie nehmen,
Sobald der Sommer käme.

Der Sommer ist gekommen,
Ich hab' sie nicht genommen.

Sie dacht', ich würd' sie küssen,
Das hab' ich lassen müssen.
(S. 99)
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70.
Wenn ich so schön wär'!
(Aus Reichenbach)

Wenn ich so schön wär'
Wie der Apfel am Baum,
Und so thät' ich meine Schönheit
Vor's Fenster hinaus;
Meine Schönheit vor's Fenster,
Mein'n Reichthum an die Thür',
Und so thät ich einst sagen:
Komm, tanze mit mir!
(S. 99)
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71.
So gerne und - doch nicht!
(Aus Deutschsteine)

's ging einer vorbei
In grauer Livrei
Mit rothen Aufschlägen -
Ach, wär' er doch mein!

Ach, wenn er doch käm',
Ach, daß er mich nähm',
Und daß ich den Leuten
Aus den Augen käm'!

Ich bin noch so jung,
Ich sehe so frisch,
Ich tanze so gerne -
Und nehmen mich nicht!
(S. 100)
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72.
So oder so, immer mein!

Schätzel, du bist meine,
Ich liebe dich.
Geh mit mir in Keller,
Und trinke Bier!
Ist dir das Bier zu sauer,
Da trinke Wein!
Ei Schätzchen, sei nicht traurig!
Du bist mein.
(S. 100)
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73
Morgenlied einer Grasemagd

Ach mein Himmel, laß dich erbarmen
Und bescheer mir einen Mann,
Der mich schließt in seine Arme,
Mir die Zeit vertreiben kann!
Dürft' ich nicht so früh aufstehn
Und in den Wald nach Grase gehn.
Ach mein Himmel, laß dich erbarmen
Und bescheer mir einen Mann!
(S. 101)
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74.
Bedenkliches
(Aus Deutschsteine)

Die Aepfel sind roth und die Birnen sind grün,
Die Steinauer Mädel sind alle recht schön.

Die Birnen sind grün, und die Blätter sind gelb,
Die Steinauer Knecht' hab'n alle kein Geld.
(S. 101)
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75.
Man muß sich drein finden
(Aus Eichberg im Hirschberger Thale)

Hör' an, mein liebes Kind,
Was muß ich leiden!
Was mir am liebsten ist,
Das muß ich meiden.

All mein' Gelegenheit
Ist mir genommen.
Ich hoff' und tröste mich,
Sie wird wiederkommen.

Mit was für einem Band
Hast du mich gebunden!
Ich hab' weder Tag noch Nacht
Ein' ruh'ge Stunde.

Darum so wall' ich fort,
Thue nicht wanken:
Lieben ist das allerbest',
Lieben in Gedanken.

Wenn man nun lieben will,
Wie muß man's machen?
Muß freundlich zu ihr gehn,
Muß lieblich lachen.

Kriegt man ein protzig Wort,
So muß man's leiden,
Muß auf die Seite gehn,
Muß stille schweigen.
(S. 101-102)
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76.
Angenehme Entdeckungen
(Aus Grabig, Trebnitzer Gegend, Bunzlauer Gegend)

"Ich soll und mag nicht schlafen gehn,
Will vor zu meinem Schätzchen gehn,
Zu meinem Schätzchen unter die Wand,
Da klopf' ich an mit leiser Hand."

""Wer ist denn da? wer klopft denn an,
Der mich so leis' aufwecken kann?""
"Das ist der Herzallerliebste dein,
Steh auf, mein Kind, und laß mich ein!"

""Bleib noch ein wenig haußen stehn!
Bis Vater und Mutter werd'n schlafen gehn.
Tritt nur ein wenig an die Wand!
Sie werden's nicht mehr machen lang.""

"Ich kann nicht länger haußen stehn,
Die Morgenröthe wird bald angehn;
Die Morgenröthe, zwei helle Stern':
Bei meiner Feinsliebsten wär' ich gern!" -

Sie stand wol auf und ließ ihn ein,
Sie hieß ihn schön willkommen sein;
Sie reicht' ihm ihre schneeweiße Hand,
Sie fing auch bald zu weinen an.

"Wein' nicht mein liebfeins Mädelein!
Ueber's Jahr sollt du mein eigen sein."
""Soll ich über's Jahr dein eigen sein,
So schleuß mich in dein' Arme ein!""

"In die Arme kann ich dich nicht schließ'n,
Es möcht' dein'n Vater und Mutter verdrieß'n."
""Mein'n Vater und Mutter verdrießt es nicht,
Sie lieben dich, du weißt es nicht.""
(S. 102-103)
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77.
Liebe in allen Farben
(Aus Vogschütz bei Oels, Aslau bei Bunzlau)

Blau, blau sind alle meine Farben,
Blau, blau ist alle meine Lust.
Was blau ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Färber ist.

Roth, roth sind alle meine Farben,
Roth, roth ist alle meine Lust.
Was roth ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Soldat ist.

Gelb, gelb sind alle meine Farben,
Geld, gelb ist alle meine Lust.
Was gelb ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Gerber ist.

Grün, grün sind alle meine Farben,
Grün, grün ist alle meine Lust.
Was grün ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Jäger ist.

Braun, braun sind alle meine Farben,
Braun, braun ist alle meine Lust.
Was braun ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Fleischer ist.

Grau, grau sind alle meine Farben,
Grau, grau ist alle meine Lust.
Was grau ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Bauerknecht ist.

Weiß, weiß sind alle meine Farben,
Weiß, weiß ist alle meine Lust.
Was weiß ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Müller ist.

Schwarz, schwarz sind alle meine Farben,
Schwarz, schwarz ist alle meine Lust.
Was schwarz ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Schornsteinfeger ist.

Bunt, bunt sind alle meine Farben,
Bunt, bunt ist alle meine Lust.
Was bunt ist, das lieb' ich,
Weil mein Schatz ein Kaufmann ist.
(S. 104)
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78.
Abgelehnte Theilnahme
(Aus Peterwitz)

Er
Wie kommt's, daß du so traurig bist
Und auch nicht einmal lachst?
Ich seh' dir's an den Augen an,
Daß du geweinet hast.

Sie
Und ob ich gleich geweinet hab',
Was geht denn dich das an?
Ich wein' jetzt über die Freude mein,
Die mir nicht werden kann.
(S. 105)
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79.
Des Mädchens Absagelied
(Aus Grabig, Strehlau und Goy)

Willst du mich denn nicht mehr lieben,
Ei so kannst du's lassen sein;
Drob will ich mich nicht betrüben,
Ich leb' für mich ganz allein.

Denn allein hab' ich keinen Kummer,
Ob du mich gleich liebest nicht.
Eine Schwalb' macht keinen Sommer -
O wie bald vergess' ich dich!

Ich vergess' auch deinen Namen,
Wie du mich vergessen hast.
Nie mehr kommen wir zusammen:
Geh nur hin, wo du's besser hast!

Hab' ich dich doch lernen kennen,
Wie dein Herz beschaffen ist:
Du thust ja vor Liebe brennen,
Wenn du eine Andre siehst.

Bist du schon der Lieb' ergeben,
Währt es eine kurze Zeit:
Wechseln, Wechseln ist dein Leben,
Tauschen, Tauschen deine Freud'.

Deiner Schönheit Tugendgaben
Sind die allerschönsten nicht;
Man kann sie weit schöner haben,
Die noch übertreffen dich.

So nimm's Körbchen an die Arme!
Ich leg' dir den Abschied drein:
Sei du nicht so falsch hinfüro,
Oder laß dein Lieben sein.

Und ich hoff', ich werd' erreichen
Und den Segen auch dazu,
Daß ich finde meines Gleichen,
Der mich treuer liebt wie du.
(S. 105-106)
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80.
Und ist es nicht diese, so ist's eine andre
(Aus Grabig und Konradsdorf)

Mein Schätzchen hat mir das Körbel gegeb'n,
Ich soll mich nach einer andern umsehn.
Nach einer andern da frag' ich nicht,
Ich muß es vor wissen, warum es geschicht.
Giebst du mir das Körbel, ich nehm' es, wolan!
Und heißt du mich gehen, so geh' ich voran.

Weich aus dem Herzen, weich aus dem Sinn -
Ade, Feinsliebchen, fahr immer dahin!
Darauf will ich tragen ein schwarzbraun Kleid:
Mein Herz das steht in voller Freud',
In voller Freud', in fröhlichem Muth,
Ein ander Feinsliebchen ist eben so gut.
(S. 106-107)
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81.
Schlechtes Wetter
(Aus Wohlau)

Schönstes Schätzchen, liebstes Herzchen,
Willst du mich denn ganz und gar verlassen?
Willst du mich nicht lieben, sondern nur betrüben,
Willst du hassen, mich verlassen?
Ei, so reis' ich eine andre Straß'.

Ach, ich hätte was verwettet,
Niemand hätt' uns aus einander gebracht.
Da ich eine Zeitlang nicht zu dir bin kommen,
Hat dein falsches Herz einen Andern angenommen -
Und du sagst es und versprachst es,
Mich zu lieben immer für und für!
(S. 107)
_____



82.
Wie du mir, so ich dir
(Aus Kanth)

Ich hab' schon lange still geschwiegen,
Aber jetzund ist es aus,
Weil du mich so sehr verachtst,
Und meine Treue gar auslachst.

Denn du denkst, du bist die Schönste,
Das ist aber weit gefehlt.
Wie du denkst, so denk auch ich:
Wer mich veracht', veracht' auch ich.

Deine Schönheit wird vergehn
Wie die Blumen auf dem Feld:
Kommt ein Reifchen bei der Nacht,
Und raubt den Blümchen ihre Pracht.

Was nützt mich denn ein schöner Garten,
Wenn schon andre drinnen stehn?
Und mir's Röschen brechen ab,
Dran ich meine Freude hab'?
(S. 107-108)
_____



83.
Es geht auch ohne dich
(Aus Wilhelminenort)

An dem Himmel sind zwei Sterne,
Scheinen heller als der Mond,
Der eine scheint auf mein Feinsliebchen,
Der andre auf die grüne Au.

Willst du mich denn nicht mehr lieben,
Ei, so kannst du's lassen sein;
Ich will mich drum nicht betrüben,
Denn ich bleib' für mich allein.

Denkst du denn, ich habe Kummer,
Ob du gleich nicht liebest mich?
Eine Schwalbe macht keinen Sommer,
O wie bald vergess' ich dich!
(S. 108)
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84.
Es wird sich schon finden
(Aus Vogschütz)

Ach, schönster Engel, weine,
Ach, weine nicht so sehr!
Ich habe dich geliebet,
Jetzt aber nun nicht mehr.

Ich habe dich geliebet
Von ganzem treuen Herz'n,
Doch aber du bist falsch
In deinem ganzen Herz'n.

Ach, wart nur, du feins Knäblein,
Es wird dich schon gereu'n,
Wenn du mit einer Andern
Wirst gehn dich lassen träu'n.
(S. 108-109)
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85.
Es wird sich schon finden
(Andere Lesart)
(Aus Konradsdorf)

Ach, schönster Engel, weine,
Ach, weine nicht so sehre!
Ich habe dich geliebet,
Ich liebe dich nicht mehre.

Ich habe dich geliebet
Von Grund meines Herzen,
Du aber warest falsch
In deinem Herzen.

Ei, warte du feins Mädelein,
Es wird dich schon gereuen,
Wenn du dich wirst lassen
Mit einem andern träuen,

Mit einem andern träuen,
Da wirst du mein gedenken,
Wenn dir der Priester
Das Kränzelein wird schenken.

Das Kränzelein wird schenken,
Die Hände wird binden,
So wird es um dein Herze stehn
Ja vollerlei Sünden,

Ja vollerlei Sünden,
Und traurigen Sachen,
Wenn du es wirst weinen,
So werde ich lachen.
(S. 109)
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86.
Darum keine Trauer
(Aus Bielwiese)

Mein Schatz geht mir den Krebsgang,
Ade, das kränkt mich sehr:
Mein Schatz liebt eine Reiche,
Mich Arme läßt er stehn.

Ein armes Mädel kann werden reich,
Eine Reiche kann werden arm.
Wenn du die Reiche genommen hast,
Kann's gehn, daß Gott erbarm'!

Es fliegt auch manches Vögelein
Dem andern in sein Nest;
Wenn es im Neste gesessen hat,
So jagt er's wieder weg.

Kein Trauerkleid lass' ich mir machen
Um deinetwegen nicht.
Ich muß der Sache noch lachen,
Wenn ich gedenk' an dich.

Wenn ich an dich gedenke,
So ändert sich mein Sinn;
Scheint dir auch jetzt die Sonne,
Und geht auch mir der Wind.

Leb wohl in tausend Freuden,
Du allerschönstes Kind!
Leb wohl in tausend Freuden,
Du allerschönstes Kind!
(S. 109-110)
_____



87.
Es ist Alles umsonst
(Aus Grabig)

Er
Was hab' ich denn meinem Feinsliebchen gethan?
Sie geht ja vorüber und schaut mich nicht an,
Sie schläget die Augen wol hinter sich,
Und liebt einen Andern weit lieber als mich.

Das machet ihr Stolz und ihr eigener Sinn,
Weil ich ihr nicht schön und nicht reich genug bin.
Und bin ich denn auch nicht so schön und so reich,
So bin ich gesund doch und grade und gleich.

Ich will mir mein Herze nicht länger mehr quäl'n,
Ich will mir ein ander schön Schätzchen erwähl'n.
Wol aus den Augen, wol aus dem Sinn!
O Herzchen, schön Schätzchen, fahr immer dahin!

Sie
Fahr immer dahin, wo du gewesen bist!
Die Berge hoch, du steigest sie nicht.

Er
Wie hoch sind die Berge, wie tief ist das Thal,
Ich seh' dich, mein Schätzchen, zum letzten Mal.

Sie
Ei junger Gesell', ich rathe dir's nicht,
Die Wasser sind tief, du schwimmst sie ja nicht,
Wie tief sind die Wasser, sie hab'n keinen Grund -
So steht's um die Lieb', es ist Alles umsonst.
(S. 110)
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88.
Kurz angebunden
(Aus Wettschütz)

Schätzchen gewest so lange liebe Zeit,
Du hast mich geliebt und hast nicht treu gemeint;
Du hast mir gegeben so manches preppsche Wort,
Ich hab' dir eine kleine Weile zugehört.

Hübsch soll ich sein, das bin ich aber nicht;
Reich soll ich sein, kein Geld das hab' ich nicht;
Von Tugend bin ich wol, das hilft mich aber nicht;
Drum lieben mich die Wetsch'ger Mädel mit einander nicht.

's ist mir zwar an euch nicht viel geleg'n,
So hübsch wie ihr seid, find't man sie allerweg'n;
Von Tugenden desgleich'n wie auch von Capital,
Und dieses sollt ihr wissen, ihr stolzen Mädel all'.

Ich werd' mich zwar um euch nicht zu sehr kränk'n,
Ich werd' meinen Sinn wol anderswohin lenk'n.
Daß ihr anjetzt so stolz, wird euch dereinst gereu'n,
Daß ihr anjetzt so trotzt, das lehrt der Augenschein.

Denkt ihr denn, ihr närrschen Mädchen all',
Glaubt ihr denn, daß man euch bitten soll?
Nein, bitten thu' ich nicht, viel lieber eil' ich fort,
Und hole mir ein Mädelein an einem andern Ort.
(S. 111)
_____



89.
Sonst und Jetzt

Ach, Blümlein blau, verdorre nicht!
Du stehst auf grüner Heiden.
Du bist einmal mein Schatz gewest,
Jetzt aber muß ich dich meiden.

Den Ring und den ich hab' von dir,
Den trag' ich an dem Finger:
Du bist einmal mein Schatz gewest
Jetzunder aber nimmer.

Den Gürtel den ich hab' von dir,
Den trag' ich um die Lenden:
Du bist einmal mein Schatz gewest,
Nun aber hat's ein Ende.
(S. 111)
_____



90.
Kränzelkraut
(Aus Conradsdorf)

Er
Rosel, wenn du meine wärst? Nu ja ja, nu ja ja!
Und nach meinem Willen thätst? Nu ja ja, nu!

Rosel, pfluck dir Kränzelkraut,
Du sollst werden meine Braut.

Sie
Kränzelkraut das pfluck' ich nicht,
Ich bin jung und heirath' nicht.

Er
Bist du jung und heirathst nicht,
Bin ich zu stolz und mag dich nicht.
(S. 112)
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91.
Harren macht Narren
(Aus Allerheiligen und Rawicz)

Ich stand auf hohen Bergen,
Ich sah ins tiefe Thal,
Es stund ein Mädel drinne,
Die hatt' ein Leibkleid an.

Das Leibkleid war zerrissen,
Es bleckten ihr die Knie:
Ach Herre, lieber Herre,
Ich steh' noch immer hie.

Ich hab' wol schon gestanden
Ueber vierundfünfzig Jahr';
Es wär' wol auch kein Wunder,
Mein Häuptel würd' mir grau.

Und alle alten Schachteln
Die kriegen doch einen Mann:
Ich bin ein hübsch jung Mädel,
Und will mich keiner han.
(S. 112)
_____



92.
Die Soldatentochter
(Aus Neukirch bei Schönau)

Es hatt' ein Soldat ein Töchterlein,
Die wollte nicht mehr dienen,
Sie wollte tragen Mantel und Rock
Und Schuhe mit schmalen Riemen.

Willst du schon tragen Mantel und Rock
Und Schuhe mit schmalen Riemen,
So mußt du vor nach Hirschberg ziehn
Und mußt dir's vor verdienen.

Und als sie nun nach Hirschberg kam
Wol in die breitste Straße,
Da kam sie in ein Wirthshaus 'nein,
Worin drei Knaben saßen.

Der eine hieß sie willkommen sein,
Der andre gab ihr zu trinken,
Der dritte trat sie auf das Bein,
Daß sie den Becher ließ sinken.

"Herr Wirth, hol' er die Karten 'rein!
Wir wollen um sie spielen,
Und wer die meisten Augen hat,
Der soll das Mädlein kriegen."

Der jüngste, der war freudenvoll,
Der hatte die meisten Augen:
""Mein Kind, mein Kind, reich mir die Hand!
Wir wollen uns verloben!""

Und als sie nun verlobet war'n,
Da gingen sie zusammen
In ein schneeweißes Federbett'
In einer dunkeln Kammer.
(S. 113)
_____



93.
Unmöglichkeiten
(Aus Breslau bei Ohlau)

"Mädel, willst du zu mir ziehn,
Mußt du bei mir bleiben,
Mußt du mir die wilden Schwein'
In den Wald 'naus treiben."

""Soll ich dir die wilden Schwein'
In den Wald 'naus treiben,
Mußt du mir ein Zäunlein mach'n,
Daß sie drinnen bleiben.""

"Soll ich dir ein Zäunlein mach'n,
Daß sie drinnen bleiben,
Mußt du mir die Ruthen schlepp'n
Fünfundfünfzig Meilen."

""Soll ich dir die Ruthen schlepp'n
Fünfundfünfzig Meilen,
Mußt du mir die Sternlein zähl'n,
Die am Himmel weilen.""

"Soll ich dir die Sternlein zähl'n,
Die am Himmel weilen,
Mußt du mir ein Trepplein mach'n,
Daß ich kann 'nauf reichen."

""Soll ich dir ein Trepplein mach'n,
Daß du kannst 'nauf steigen,
Mußt du mir die Wolken halt'n,
Die vorüber eilen.""
(S. 115)
_____



94.
Meine Wahl
(Aus Wettschütz)

Was ich mir jetzt erwähle,
Ist eine gute Seele,
Ein redlich Herz, ein gut Gemüth,
Ein Engel von Geblüt.

Ein Kind von Liebesflammen,
Aus reiner Brust entstanden,
Ein Mädchen ohne falsche Treu'
Soll mein Vergnügen sein.

Die schon mit allen scherzet
Und einen jeden herzet,
Die schon mit ihrer Lieb' so frei -
Giebt's wenig Lust dabei.
(S. 116)
_____



95.
Freiledig das Beste
(Aus Fürstlich-Ellgut)

Brüder, laßt das Sorgen!
Warum wollt ihr traurig sein?
Es hat ein jeder Morgen
Seine eigne Pein.
Denn wo ich geh' und steh',
Thut mir mein Kopf so weh
Von den verdammten Grillen,
Wenn mir's nicht geht nach Wunsch und Willen.

Heirath' ich mir 'ne Reiche,
Die da hat viel Geld und Gut,
Sie ist nicht meines Gleichen,
Sie hat 'en stolzen Muth,
Sie spricht bei Tag und Nacht:
Hab' dich zum Mann gemacht,
Du Lumpenhund, du Prahler,
Du Bettler, geh du mit deinem Thaler!

Heirath' ich mir 'ne Schöne,
So wie ich's gerne hätt',
Wer weiß, ob sie mich nähme
Zu ihr ins Federbett';
Sie spricht bei Tag und Nacht:
Hab' dich zum Mann gemacht;
Drum laß dich's nicht verdrießen,
Wenn andre meiner auch genießen.

Heirath' ich mir 'ne Arme,
So wie ich selber bin,
So heißt's: ach Gott erbarme!
Wo woll'n wir beide hin?
Kein' Kleider, keine Schuh,
Kein Hausgeräth dazu;
Kein' Kist, kein' Kast, kein' Kammer,
Und ist das nicht ein großer Jammer?

Pfui, ich muß mich schämen,
Ein Jeder sagt es mir,
Ich sollt' es mir nicht nehmen
Das alte Murmelthier,
Ist häßlich von Gestalt,
Schon achtzig Jahre alt,
Kann kein Vergnügen geben -
Und ist das nicht ein hundsföttsch Leben!

Viel lieber will ich bleiben
Frei und ledig wie ich bin,
Will mir die Zeit vertreiben
Mit manchem schönen Kind,
Da leb' ich sorgenfrei
Und stets vergnügt dabei;
Wenn andre machen Grillen,
Kann ich den Wunsch bei schönen Mädchen stillen.
(S. 116-117)
_____



96.
Die Heirathslustige
(Aus der Liegnitzer Gegend)

Tochter
Ach Mutter, 's hat Freier hier, weiß ich genau:
Der Nachbar vom Sande hätt' gern eine Frau.
Er hat ja an mir so recht eine Lust -
Ach Mutter, was gebt ihr, wenn's gleich auch was kost't?

Mutter
Ach Tochter, ich geb' es den Willen nicht drein,
Du mußt es noch schlafen ein Jahr lang allein.
Dazu auch steht dir es der Freier nicht an,
Ach Tochter, ich geb' dir noch keinen Mann.

Tochter
Ach Mutter, bringt ihr doch nicht vor solche Ding'!
Der Freier der liebt mich ja nicht ein klein wing;
Er hat mich so lieb und er hat mir's gesagt -
Ach Mutter, wie ihr mir die Freier verjagt!

Mutter
Ach Tochter, du bist ganz toll auf einen Mann:
Geht dir es denn übel, mir darfst du's nicht klag'n,
Und kommst du mir mit einer Klage ins Haus,
So jag' ich dich mit dem Thürriegel hinaus.

Tochter
Ach Mutter, ich werd' ja zu euch nicht mehr komm'n;
Der Freier der hat mir mein Herze genomm'n,
Er hat mir's genommen, er hat mich so lieb -
Ach Mutter, ich häng' mich, wenn ich ihn nicht krieg'!
(S. 118)
_____



97.
Es wird sich schon aufklären
(Aus dem Strehlener Kreise und Lorenzberg)

"Steht einer draußen, Frau Mutter!"
""Heiß ihn willkommen sein, mein' Tochter!
dudeldudeldei
Heiß ihn willkommen sein, mein' Tochter!""

"Wo soll er sitzen, Frau Mutter!"
""Bei dir im Stübelein, mein' Tochter!"" etc.

"Was soll er essen, Frau Mutter?"
""Ein kälbernes Brätelein, mein' Tochter!"" etc.

"Was soll er trinken, Frau Mutter?"
""Ein Gläschen kühlen Wein, mein' Tochter!"" etc.

"Wo soll er liegen, Frau Mutter?"
""Bei dir im Bettelein, mein' Tochter!"" etc.

"Was wird dann werden, Frau Mutter?"
""Wird dich zum Bräutlein frei'n, mein' Tochter!"" etc.
(S. 119)
_____



98.
Fünfhundert Thaler!
Zum ersten, zum andern, und zum -!

"Sind drei draußen, Frau Mutter!"
dei didl dum dei
""Frag, was sie woll'n, meine Tochter!""
dei didle dum dei

"Einer will mich haben, Frau Mutter!"
""Frag, ob viel Thaler, meine Tochter!""

"Dreihundert Thaler, Frau Mutter!"
""Das ist zu wenig, meine Tochter!""

"Sind drei draußen, Frau Mutter!"
""Frag, was sie woll'n, meine Tochter!""

"Einer will mich haben, Frau Mutter!"
""Frag, ob viel Thaler, meine Tochter!""

"Vierhundert Thaler, Frau Mutter!"
""Das ist zu wenig, meine Tochter!""

"Sind drei draußen, Frau Mutter!"
""Frag, was sie woll'n, meine Tochter!""

"Einer will mich haben, Frau Mutter!"
""Frag, ob viel Thaler, meine Tochter!""

"Fünfhundert Thaler, Frau Mutter!"
""Den sollst du haben, meine Tochter!""
(S. 119-120)
_____



99.
Billige Glückseligkeit
(Aus Pawelau, Kr. Trebnitz)

Es wollt' ein Mädel einen Freier haben
Für 15. Pfennige,
Und wenn sie ihn sollt' aus der Erd' 'rausgrab'n
Für 15. Pfennige.

Sie grub wol ein, sie grub wol aus
Für 15. Pfennige,
Da grub sie einen Schäfer aus
Für 15. Pfennige.

Der Schäfer der hat des Gelds soviel,
Für 15. Pfennige,
Er kauft dem Mädchen was es will
Für 15. Pfennige.

Er kauft dem Mädchen ein schönes Band
Für 15. Pfennige,
Von Gold und Silber überall,
Für 15. Pfennige.

Er kauft ihr einen runden Hut
Für 15. Pfennige,
Der war auch für die Sonne gut
Für 15. Pfennige.

Wol für die Sonne, wol für den Wind -
Für 15. Pfennige,
Bleib du bei mir, mein liebes Kind,
Für 15. Pfennige!

Bleib du bei mir und ich bei dir
Für 15. Pfennige,
Und alle Güter schenk' ich dir
Für 15. Pfennige.
(S. 120-121)
_____



100.
Das Mädchen und die Hasel
(Aus Trebnitz Groß-Laswitz)

Es wollt' ein Mädel zum Tanze gehn,
Sie schmückte sich wunderschöne.
Was fand sie an dem Wege stehn?
Eine Hasel die war grüne.

"Gott grüße dich, Frau Hasel mein,
Warum bist du so grüne?"
""Schön Dank, schön Dank, feins Mädelein!
Warum bist du so schöne?""

"Warum daß ich so schöne bin,
Das kann ich dir wol sagen:
Ich esse Semmel, trink' kühlen Wein,
Davon bin ich so schöne."

""Warum daß ich so grüne bin,
Das kann ich dir wol sagen:
Es fällt alle Morgen ein Thau auf mich,
Vo dem bin ich so grüne.""

""Wenn eine Jungfer will Ehre hab'n,
Zu Hause muß sie bleiben,
Sie muß sich zeitig schlafen leg'n
Mit ihrem zarten Leibe.""

""Bei Mondenschein, stockfinstrer Nacht
Ist keine Ehre vorhanden.
Es giebt der falschen Buben viel,
Die setzen dich in Schande.""

"Schön Dank, schön Dank, Frau Hasel mein!
Für deine gute Lehre!
Ich wollt' zu mein'm schönen Schatz hingehn,
Jetzt aber will ich heimkehren."

""Kehrst du gleich um und wieder um,
Du hast bei einem geschlafen,
Du hast dein Rosenkränzelein
Auf seinem Haupt gelassen.""

"Schweig still, schweig still, Frau Hasel mein,
Thu dich einmal umschauen!
Ich hab' der stolzen Brüder zwei,
Die werden dich bald umhauen."

""Hau'n sie mich gleich im Winter ab,
Im Sommer grün' ich wieder;
Eine Jungfer die ihr' Ehr' verliert,
Die kriegt sie nicht mehr wieder.""

""Eine Eiche, wenn sie das Laub verliert,
So trauern alle Aeste:
Ach Mädchen, liebes Mädchen mein,
Halt du dir dein Kränzchen feste!""

"Warum soll ich's denn feste halt'n?
Es mag mir nicht mehr bleiben.
Viel lieber trag' ich ein Häubelein,
Gestickt von weißer Seide."
(S. 121-122)
_____



101.
Das Mädchen und die Hasel
(Zweite Lesart)
(Aus Strehlen)

Es wollt' ein Mädel zum Tanze gehn,
Sie ging gar wunderschöne.
Was fand sie an dem Wege stehn?
Eine Hasel und die war grüne.

"Und grüß dich Gott, Frau Haselin,
Von was bist du so grüne?"
""Und grüß dich Gott, feins Mädelein,
Von was bist du so schöne?""

"Von was ich auch so schöne bin,
Das will ich dir wol sagen:
Ich esse Semmel und trinke Wein,
Davon bin ich so schöne."

""Von was ich auch so grüne bin,
Das will ich dir wol sagen:
Mich labt alle Tag' der frische Thau,
Davon bin ich so grüne.""

""Wenn eine will eine Jungfer sein,
Zu Hause muß sie bleiben,
Muß hübsch und fein zu Bette gehn
Mit ihrem schönen Leibe.""

""Und wenn sie will zu Tanze gehn,
So sei's in Zucht und Ehren,
Beim Sonnenschein auch wieder heim,
Dann wird sie haben viel Ehre.""

""Bei Mondenschein, stockfinstrer Nacht,
Ist wenig Ehre vorhanden;
Es giebt der Buben vielerlei,
Die setzen die Mädel in Schanden.""

""Und wenn eine Eiche das Laub verliert,
So trauern alle Aeste.
Drum halte du, feins Mädelein,
Dein Ehrenkränzlein feste.""

"Schweig still, schweig still, feins Häselein,
Thu dich einmal umschauen!
Ich habe der starken Brüder zwei,
Die werden dich umhauen."

""Und hauen sie mich im Winter ab,
Im Sommer grün' ich wieder;
Wenn aber eine Jungfer ihren Kranz verliert,
Sie findet ihn nicht mehr wieder."
(S. 123-124)
_____



102.
Das Mädchen und die Hasel
(Dritte Lesart)
(Aus Grabig)

Es wollt' ein Mäd'l zu Tanze gehn,
Sie zog sich an gar schöne,
Und als sie vor das Thor 'naus kam,
Begegn't ihr 'n Haselstrauch grüne.

"Gut'n Tag, gut'n Tag, feins Haselstrauch,
Warum bist du so grüne?"
""Schön Dank, schön Dank, feins Mägdelein,
Warum bist du so schöne?""

"Ich esse Semmel und trinke Wein,
Davon bin ich so schöne."
""Und auf mich fällt ein kühler Thau,
Davon bin ich so grüne.""

""Ich hab' etwas von dir gehört,
Du hast bei einem gesessen,
Du hast dein Ehrengoldringelein
Von deinem Finger gelassen.""

""Ich hab' noch was von dir gehört,
Du hast bei einem geschlafen,
Du hast dein Ehrengrünkränzelein
Von deinem Haupte gelassen.""

"Schweig still, schweig still, feins Haselstrauch!
Ich habe zwei freche Brüder,
Und wenn ich's ihnen erzählen thu',
So hauen sie dich nieder."

""Und hau'n sie mich den Winter ab,
Das Frühjahr grün' ich ja wieder;
Wenn aber ein Mädchen den Kranz verliert,
So kriegt sie ihn nimmermehr wieder.""
(S. 124)
_____



103.
Der verlorene Jungfernkranz
(Aus Breslau, Neiderei und Deutschsteine)

Kommt, ihr Jungfern, helft mir klagen,
Denn mein Jungfernkranz ist fort.
Ei so möcht' ich schier verzagen,
Wenn ich denk' an jenen Ort,
Wenn ich denk' an jenen Morgen,
Wo ich bin verführet worden -
Drum bewein' ich alle meine Noth:
Mein schöner grüner Jungfernkranz ist fort.

Hänschen, bringe mir das Kränzchen,
Das du mir geraubet hast
Dort bei jenem Spiel und Tänzchen,
Da du mir nachgetrachtet hast.
Jetzund thust du mich auslachen,
Thust mir nichts als Kummer machen -
Drum bewein' ich alle meine Noth:
Mein schöner grüner Jungfernkranz ist fort.

Nehmt mir weg den schönen Spiegel,
Weil ich blaß bin von Gesicht;
Jetzund hängen mir die Flügel,
Weil ein jeder zu mir spricht:
Mädel, mit dir ist's nicht richtig,
Deine Sachen sind hoch und wichtig -
Drum bewein' ich alle meine Noth:
Mein schöner grüner Jungfernkranz ist fort.

Alte Schlösser die zerbrochen,
Kann man wieder bauen auf:
Ist der Jungfernkranz zerbrochen,
Niemand bringt ihn zum Verkauf.
Könnt die ganze Welt auslaufen,
Bringt nicht solchen Kranz zu kaufen -
Drum bewein' ich alle meine Noth:
Mein schöner grüner Jungfernkranz ist fort.
(S. 125-126)
_____



104.
Erst Geld, dann Heirathen

Ich hab' so einmal ein Mädel geliebt für's Geldel,
Sie sollte mit mir spatzieren gehn ins Feldel.
Ich sprach zu dem Mädel: hast du auch brav Geld?
Sonst geh' ich mit dir nicht spatzieren ins Feld,
Wenn du noch, wenn du noch viel schöner wärest.

Das Mädchen versprach ins Angesicht, in die Hände:
Dreitausend Dukaten bekommst du mit mir an Gelde,
Und Alles was ich am Leibe hab',
Bekommst du an deinem Hochzeitstag -
Geh mit mir, geh mit mir zu meinem Vater!

Sie gingen zusammen dieselbige Nacht ins Bettchen,
Da ward ein Frauchen dieselbige Nacht das Mädchen.
Sie herzten und scherzten die lange Nacht,
Sie hatten sich große Freuden erdacht -
Da guckte, da guckte der Alte ins Bettchen.

Der Alte der schüttelte mit dem Kopf und schmälte,
Er dachte schon wieder an alle sein Geld und zählte:
Dreitausend Dukaten das ist ja viel Geld,
Die hat ja nicht mancher in der Welt -
Hätt' ich sie, hätt' ich sie in meiner Tasche!

Wenn andre junge Mädchen zum Tanze gehn und springen,
So mußt du bei der Wiege stehn und singen:
Juchheia, popeia, mein Töchterlein,
Wo mag das schöne Mädchen sein?
Man sucht sie, man sucht sie, man kann sie nicht finden.
(S. 126-127)
_____



105.
Der Brautkranz
(Aus Grabig)

Braut, wo ist dein Kränzchen hin,
Das dir stand so niedlich grün?
Ach, das Kränzchen geht dir nah,
Es ist leider nicht mehr da.

Kränze stehen zwar sehr schön,
Doch die stets im Kranze gehn,
Werden öfters ausgelacht:
Drum, o Kränzchen, gute Nacht!

Deines Hauptes schönste Zier,
Dieses Kränzchen raubt man dir.
Wo nimmst du's wol wieder her?
Sorge nicht, du kriegt's nicht mehr.

Laß das Kränzchen Kränzchen sein,
Denn es bringt dir doch nichts ein,
Aber viel Gewinn hast du,
Gehst du ohne Kranz zur Ruh'.

Erstlich liegst du nicht allein,
Zweitens schläfst du nicht bald ein,
Dann erwärmest du dich bald,
Ist es gleich im Winter kalt.

Sicher ziert es über's Jahr
Deiner kleinen Tochter Haar.
O wie schön wird's dieser stehn,
Denn es stand der Mutter schön.

Oder käme auch nun schon
Ueber's Jahr ein kleiner Sohn:
Gelt, dies Söhnchen wär' dir lieb,
Weil dein Kranz in ihm beklieb.

Gute Nacht nun, liebe Braut!
Sonsten werd' ich zu vertraut.
Morgen grüßet man dich schlau
Nicht mehr Braut, nein, junge Frau.

Lachst du heute über mich,
Lach' ich morgen über dich;
Denn du mußt bekennen frei,
Daß mein Scherz doch Wahrheit sei.

Fragst du, wer der Schäfer sei?
Ich bekenn' mich frank und frei
Zu der kleinen Schäferei,
Hör! ich bin's bei meiner Treu'.
(S. 127)
_____



106.
Gute Vorsätze gelingen nicht mehr
(Aus Breslau und anderen Gegenden)

Ganz vergnügt und einsam will ich leb'n,
Will der Liebe ganz den Abschied geb'n;
Ich will auch nicht mehr
Lieben wie vorher,
Denn die Freiheit nur allein
Soll mein Vergnügen sein.

Gestern Abend in der stillen Ruh'
Hört' ich in dem Wald der Amsel zu;
Als ich da nun saß,
Meiner ganz vergaß,
Kam mein Schatz: ich liebe dich!
Und er küßte mich.

Geh, du falsche Seele, von mir weg!
Du hast meinen Aufenthalt entdeckt.
In dem grünen Wald
Ist mein Aufenthalt,
Denn die Freiheit nur allein
Soll mein Vergnügen sein.

So viel Laub auf Busch und Linden ist,
So vielmal hat mich mein Schatz geküßt.
Ich muß frei gestehn,
Hat's niemand gesehn,
Als die Amsel gar allein,
Die soll mein Zeuge sein.
(S. 128)
_____



107.
Die Unbeständige
(Aus Wettschütz)

Schöne Augen, schöne Strahlen,
Schöner rother Wangen Prahlen,
Schöne rothe Lippen,
Schöne Marmorklippen
Liebt mein Gesicht.

Unter diesen Schönen allen
Thut mir eine nur gefallen,
Aber ihretwegen
Fesseln anzulegen,
Das thu' ich nicht.

Ich will stets in Freiheit bleiben,
Meine Zeit in Lust vertreiben;
Auch in jungen Jahren
Mein Herz wol bewahren
Vor Liebesschmerz.

Man kann denken, wie es schmerzet,
Wenn ein andrer mit ihr scherzet;
Mit den Augen zielet,
Mit den Lippen spielet,
Mir zum Verdruß.

Fahre hin, du  falsche Seele!
Ich will mich um dich nicht quälen.
Willst du mich nicht lieben,
Sondern nur betrüben,
Bleib wer du bist.

Jetzt hab' ich mir vorgenommen,
Nimmermehr zu dir zu kommen,
Denn du bist von Flandern,
Liebst einen um den andern,
Drum hass' ich dich.
(S. 128-129)
_____



108.
Ueberschwänglich, aber kurz
(Aus Seifersdorf bei Lauban und Görlitz)

Wahre Freundschaft soll nicht wanken,
Wenn sie weit entfernet ist,
Und dabei stets in Gedanken
Die entferntste Freundschaft küßt.

Keine Ader soll je schlagen,
Wenn sie nicht an dich gedacht;
Für dich werd' ich Liebe tragen
Bis ins kühle Schlafgemach.

Wenn der Mühlstein träget Reben
Und daraus fließt süßer Wein,
Wenn der Tod mir nimmt das Leben,
Hör' ich auf dein Freund zu sein.

Jetzo schlägt die Trennungsstunde,
Reißt gewaltsam mich von dir;
's schlägt zu früh die Scheidestunde -
Ach, ich fand mein Glück in dir!

Stille werd' ich Thränen weinen,
Träumend dir zur Seite stehn,
Seh' ich Gottes Sonne scheinen,
Werd' ich um dein'n Segen flehn.

""Wo mag er sein, wo mag er stecken?
Mir ahnet nichts von seiner Treu':
Er mag mit andern Liebchen scherzen:
Sein'n guten Schatz läßt er allein.""
(S. 129)
_____



109.
Ehrlich und ehrbar geliebt

Lieben so geschieht in Ehren
Und in aller Ehrbarkeit,
Soll und kann uns niemand wehren;
Keusch zu lieben allezeit,
Lieben, so in Ehr'n geschicht
Und dem Mädchen nichts abbricht,
Lieben, so geschicht in Ehren,
Soll und kann uns niemand wehren.

Hat doch Jacob selbst geliebet,
Da er Labans Tochter nahm,
Sieben Jahr' um sie gedienet,
Damit er sie nur bekam;
Da die sieben Jahr' um war'n,
Meint' er, 's wären sieben Tag',
Ob er gleich die Schaf' mußt' weiden,
Große Hitz' und Kälte leiden.

Drum muß sich die liebe Jugend
Auch bemühen hier auf Erd':
Ein fein Mädchen voller Tugend,
Die ist ja noch liebenswerth.
Ist sie gleich nicht allzureich,
Ei so gilt mir's Alles gleich,
Tugend kann in allen Sachen
Angenehm und trostreich machen.
(S. 130)
_____



110.
Sonntagsvergnügen
(Aus Schmitzdorf und Domanze)

Mein Kind, ich bin dir dennoch gut,
Ob du mich gleich nicht liebst,
Ob du gleich einen Andern liebst
Und mich dabei vexierst.

Ich denk' des Tags viel tausendmal:
Wie mag's meinem Schätzchen gehn?
All' Zeit und Weile wird mir lang,
All' Arbeit fällt mir schwer.

Des Sonntags wenn es acht Uhr schlägt,
Das Herz im Leibe lacht,
Da nehm' ich meinen Mantel um,
Seh' was mein Schätzchen macht.

Des Montags wenn es vier Uhr schlägt,
Da geh' ich wieder nach Haus,
Ach! und wenn dies mein Vater wüßt',
Da macht' er mich brav aus.

Da denk' ich: ach, ihr alter Narr,
Wie gut hat mir's geschmeckt!
Es bringt mich auch kein Teufel nicht
Von meinem Schätzchen weg.
(S. 130-131)
_____



111.
Schäfers Leid und Freude
(Aus Grabig und Groß-Laswitz)

Der Schäfer trägt Sorgen
Des Morgens sehr fruh,
Seine Schäflein zu versorgen,
Hat niemals kein' Ruh'.

Geht Abends spät schlafen,
Steht Morgens früh auf,
Und dann kommt 's liebe Schätzchen
Und wecket ihn auf.

Keine Rose, keine Nelke
Kann blühen so schön,
Als wenn zwei Verliebte
Beisammen thun stehn.

Kein Feuer, keine Kohle
Kann brennen so heiß,
Als heimliche Liebe,
Von der niemand weiß.

Komm, reich mir dein Händchen,
Und's Jawort dazu!
So kommen wir zusammen
Und leben in Ruh'.
(S. 131)
_____



112.
Die drei Rosen
(Aus Wohlau)

Es woll't ein Mädel nach Wasser gehn
Zu einem kühlen Brunnen.

Sie hatt' ein schneeweiß Hemdlein an,
Dadurch schien ihr die Sonne.

Sie sah sich um, sie wandte sich um,
Sie dacht', sie wär' alleine.

Ein schöner Herr geritten kam:
"Feins Mädel, bis du meine!"

""Ich bin nicht dein, du bist nicht mein,
Bis du mir bringst drei Rosen,""

""Und die im Winter gewachsen sein
Und blühn hinaus bis Ostern.""

Er ritt über Berg und Thal,
Er konnt' ihrer keine finden.

Er ritt wol vor der Malerin Thür':
"Frau Malerin, seid ihr drinne?"

"Und seid ihr drin, so kommt herfür,
Und malet mir drei Rosen."

"Und die im Winter gewachsen sein
Und blühn hinaus bis Ostern."

Und da sie die erst gemalet hat,
Da fing er an zu lachen:

"Ich hab' ein Mädel am kühlen Brunn
Die will ich traurig machen."

Und da sie die zweite gemalet hat,
Da fing er an zu pfeifen.

Und da sie die dritte gemalet hat,
Da fing er an zu reiten.

Er ritt wol über Berg und Thal,
Bis vor des Mädchens Thüre:

"Ach Mädel, liebes Mädel mein,
Mache auf! ich bin dafüre."

"Ach Mädel, liebes Mädel mein,
Hier bring' ich dir drei Rosen,"

"Und die im Winter gewachsen sein
Und blühn hinaus bis Ostern."

Und da er ihr die erste gab,
Da fing sie an zu lachen.

Und da er ihr die zweite gab,
Da fing sie an zu tanzen.

Und da er ihr die dritte gab,
Da fing sie an zu weinen:

""Ich hab' ein Wort aus Spaß gesagt
Und hab's nicht so gemeinet.""

"Hast du ein Wort aus Spaß gesagt,
In Ernst hab' ichs genommen."

"Jetzt bist du mein und ich bin dein,
Beisammen wollen wir bleiben,
Bis uns der Tod wird scheiden."
(S. 132-133)
_____



113.
Der vorlaute Reiter
(Aus Breslau und andern Gegenden)

Es saßen drei Gesellchen
Auf einem schmalen Schwellchen;
Sie aßen und sie tranken,
Sie schlugen einen Rath,
Und welcher auf den Abend
Das schönste Mädel hat.

Es war wol einer drunter,
Der nichts verschweigen kunnte:
"Es hat mir nächsten Abend
Ein Mädel zugesagt,
Ich sollte bei ihr schlafen
Bis an den hellen Tag."

"Wenn ich sie könnte kriegen,
So wollt' ich sie betrügen;
Ich wollte gehen fort
Gar weit ins fremde Land,
Da bleib' ich in den Ehren,
Das Mägdlein in der Schand."

Das Mädel stand hinter den Wänden,
Sie hörte der Rede kein Ende,
Sie ging in ihr Schlafkämmerlein,
Das Thürel schlug sie zu:
""Da rede, du stolzer Jüngeling,
Und rede immerzu!""

Sie war kaum in dem Hause,
Kam der stolze Reiter im Sause,
Ganz leise klopft' er an
Mit seinem goldnen Ring:
"Schläfst oder wachest du,
Mein auserwähltes Kind?"

""Ich schlafe nicht, ich wache,
Die Thür' ich nicht aufmache,
Reit du nur immerhin,
Wo du herkommen bist,
Ich kann allein schon schlafen,
Wenn du auch nicht bei mir bist.""

"Wo soll ich denn hinreiten?
Es schlafen ja alle Leute,
Es schlafen alle Leut'
Und alle Bürgerskind,
Es regnet und es schneiet,
Es geht ein kühler Wind."

""Reit du an jene Heide!
Da stehn zwei Lindenbäume.
So binde an dein Pferdchen
An einen Lindenbaum,
Und hast du dir gut gebettet,
So schläfst du ohne Traum.""

"Mit was soll ich mich decken?
Und wer wird mich aufwecken?"
""Leg dich ein Stückel 'nüber,
Da steht ein Nesselstrauch,
Leg du dich nackend drunter!
Der wird dich wecken auf.""
(S. 135-136)
_____



114.
Lieb und lieber
(Aus Groß-Laswitz)

Und wie ein Mädel nach Wasser ging,
Und wie ein Mädel nach Wasser ging
Zu Hirschberg über die Gasse.

Und wie 's ein Stückel 'nunter kam,
Der Riemer wol gegangen kam,
Er wollte bei ihr schlafen.

"Ach nein, ach nein, das kann nicht sein!
Die Mutter giebt den Willen nicht drein,
Der Vater könnte schelten."

Und wie 's nun um den Abend kam,
Der Riemer wol gegangen kam,
Er klopfte an fein leise.

Er klopfte an mit seinem goldnen Ring:
Steh auf, du wunderschönes Kind,
Und laß mich zu dir 'nein.

Das Mädel stand auf und ließ ihn ein
In ihrem schneeweißen Hemdelein
Und ließ ihn bei ihr schlafen.

Und wie 's nun um die Mitternacht kam,
Der rechte Freier geritten kam,
Er klopfte an fein leise.

"Ach nein, ach nein, das kann nicht sein!
Ich hab' ja schon den Riemer drein,
Der's besser mit mir meinet."

""Wo soll ich denn nun reiten hin,
Wenn alle Thür'n verschlossen sind
Und alle Leute schlafen!""

"Nimm du das Pferd bei seinem Zaum
Und bind es an den Sadelbaum
Und leg dich auf die Erde!"

Er nahm das Pferd bei seinem Zaum
Und band es an den Sadelbaum
Und legte sich auf die Erde.

Und wie 's nun um den Morgen kam,
Und Jungfer Lieschen in die Kirche kam,
Er bot ihr'n schön'n gut'n Morgen.

""Guten Morgen, gut'n Morgen Jungfer Lieschen mein!
Wie schön steht dir dein Häubelein!
Wie hast du heut' geschlafen?""

"Ich hab' geschlafen, daß Gott erbarm'!
Die ganze Nacht in Riemers Arm,
Mein' Ehr' hab' ich verschlafen."
(S. 139-140)
_____



115.
Die schlechte Wahl
(Aus Breslau und anderen Gegenden)

Es wollt' ein Mädel früh aufstehn,
Sie wollt' in Wald spatzieren gehn,
Sie ging in Fürstens Garten.

Sie pflückte Blümchen mancherlei,
Und macht dem Schneider ein Kränzelein,
Danach legt sie sich nieder.

Sie schlief ein Stündchen, zwei oder drei,
Da kam der Schneider auch herbei
Und wollte bei ihr schlafen.

Sie schlief ein Stündchen, zwei oder drei,
Da kam der andre auch herbei
Und wollte bei ihr sitzen.

Er klopfte an mit seinem Ring:
"Mach auf, mach auf, allerschönstes Kind!
Und laß mich bei dir sitzen."

""Ich steh' nicht auf, lass' dich nicht ein,
Du magst mir auch der wahre sein!
Bei dir mag ich nicht sitzen.""

"Wo soll ich denn nun jetzund hin?
Da alle Thore verschlossen sind
Und alle Leute schlafen."

""Nimm du dein Pferd bei seinem Zaum
Und reit hin unter den Sadelbaum
Und leg' dich dabei nieder!""

Er nahm das Pferd bei seinem Zaum
Und ritt hin unter den Sadelbaum
Und legte sich dabei nieder.

Er schlief ein Stündchen, zwei oder drei,
Da kam der helle Tag herbei,
Kam's Mägdelein gegangen.

""Guten Tag, guten Tag, feins Mägdelein!
Wie steht dir denn dein Häubelein,
Wie hast du denn geschlafen?""

"Ich hab' geschlafen, daß Gott erbarm'!
Die ganze Nacht in Schneiders Arm,
Meine Ehr' hab' ich verschlafen."

""Hättst du mich lassen gestern ein,
So hätten wir uns lassen träu'n
Mit Pauken und Trompeten.""

""Ein Schneider, ein Schneider ist selten gut,
Hat weder Nadel noch Fingerhut,
Die Scheere hat er versoffen,
Zum Teufel ist er geloffen.""
(S. 140-141)
_____


116.
Der Liebesapfel
(Aus Kapsdorf)

Es stand ein Bäumlein im tiefen Thal,
Alle Weile bei der Nacht,
Es stand ein Bäumlein im tiefen Thal,
's war oben breit und unten schmal.
Eine Weil' und alle Weil' und alle Weile bei der Nacht.

Es hing ein schöner Apfel dran,
Er fiel herunter ins tiefe Thal.

Ich ging vorbei und las mir'n auf,
Und ich mir'n in mein Lädlein schloß.

Ich schloß das Lädlein auf und zu,
Der Apfel ließ mir keine Ruh'.

Ich schnitt den Apfel mitten entzwei,
Und gab meinem Schatz den größten Theil.

Die Körner die waren süße,
Sie fielen mir vor die Füße.

Sie fielen in Nachbars Gärtelein,
Es wuchsen ein paar schöne Schnätterlein.

Ich brach mir ab ein Zweigelein
Und legte mir's in mein Bettelein.

Und wie ich nun erwachte,
Da lag der Zweig und lachte.

Ich dachte es wäre das Zweigelein,
Derweile war's Nachbars Söhnelein.
(S. 141)
_____



117.
Ueberraschung
(Aus Wilhelminenort)

Gestern Abend bei Mondenschein
Ging ich spatzieren
Wol in das Rosengärtelein,
Wol in das Rosengärtelein,
Mich abzukühlen.

Und als ich darinnen war,
Fand sich ein Reiter,
Der stellte sich wol neben mich,
Der stellte sich wol neben mich
An meine Seite:

"Guten Abend, Feinsliebste mein,
Was machst du hier alleine
Wol in dem Rosengärtelein,
Wol in dem Rosengärtelein,
Bei Mondenscheine?"

Ich winde dir ein Kränzelein
Von grüner Cypresse. -
"Winde mir's, Feinsliebste mein,
Winde mir's Feinsliebste mein,
Winde mir's fein feste!"

"Und wenn er wird gewunden sein,
Werd' ich ihn mir holen,
Wol um der Ehre dein,
Wol um der Ehre dein,
Sollst meine Braut werden!"
(S. 142)
_____



119.
Wie schnell sich das Wetter ändert!
(Aus Warmbrunn)

"Spinn, spinn, meine liebe Tochter!
Ich kauf' dir ein Paar Schuh'."
""Ja, ja, meine liebe Mutter,
Auch Schnallen dazu.
Ich kann ja nicht spinnen,
Hab' Schmerzen im Finger;
Er thut mir so weh,
Er thut mir so weh.""

"Spinn, spinn, meine liebe Tochter!
Ich kauf' dir einen Mann."
""Ja, ja, meine liebe Mutter,
Den möcht' ich gern han.
Nun will ich brav spinnen,
Nun thut mir mein Finger
Auch gar nicht mehr weh,
Auch gar nicht mehr weh.""
(S. 144)
_____



120.
Die Ertappte
(Aus Breslauer Gegend)

Ich habe mein Feinsliebchen
Gar lange nicht gesehn,
Ja ja, gar lange nicht gesehn.

Ich sah sie nächten Abend
Wol in der Thüre stehn,
Ja ja, wol in der Thüre stehn.

Ich that sie freundlich grüßen,
Der Vater sollt's nicht wissen,
Die Mutter ward's gewahr.

"Ei Tochter, willst du freien,
Ei wart, es wird dich gereuen,
Es reut dich ganz gewiß."

"Wenn andre junge Mädchen
In ihrem grünen Kränzchen
Wol auf den Tanzsaal gehn;"

"Da mußt du junges Weibchen
Mit deinem schneeweißen Häubchen
Wol an der Wiege stehn;"

"Wol bei der Wiege sitzen
Und heiße Thränen schwitzen
Und singen hun nu nei fassei;"

Und singen hun nu ninchen,
Schlaf ein du kleines Kindchen,
Schlaf wol in guter Ruh'!"

"Das Feuer kann man löschen,
Die Liebe nicht vergessen;
Das Feuer brennt gar sehr,
Ja ja, die Liebe noch weit mehr.""
(S. 144-145)
_____




121.
Verred' es nicht
(Aus Guhrau, Grabig, Steinauer Kreise)

Ich ging wol bei der Nacht,
Die Nacht die war so finster,
Heller die beller jupp jupp jupp
Daß man kein Sternlein sah.

Ich kam vor eine Thür',
Die Thüre war verschlossen, etc.
Ein Rieglein steckt dafür.

Es war'n der Schwestern drei,
Die jüngste war die Schönste, etc.
Die ließ mich zu sich ein.

Die führte mich hinter die Thür',
Bis Vater und Mutter schliefen, etc.
Da holte sie mich herfür.

Sie führte mich auf den Saal;
Ich dachte sie führte mich schlafen, etc.
Zum Fenster stieß sie mich 'naus.

Ich fiel auf einen Stein,
Schlug mir entzwei zwei Rippen, etc.
Dazu das linke Bein.

Der Schaden thut sehr weh,
Und wird er einmal heilen, etc.
Zu dir komm' ich nicht mehr.

""Mein Kind, verred' es nicht!
Denn ist der Schaden geheilet, etc.
Das Naschen läßt du nicht.""
(S. 146-147)
_____



122.
Wie man's treibt, so geht's
(Aus Breslau)

Nun wißt ihr, wie mir's ging!
Da ich zu frei'n anfing,
Da freit' ich um ein Mädelein,
Die dacht' weit besser als ich zu sein -
Nun wißt ihr, wie mir's ging!

Einmal ging ich zu ihr,
Verschlossen war die Thür';
Ich sahe zu dem Fenster 'nein,
Das Mädchen das war ganz allein,
Und ließ mich doch nicht ein.

""Geh du nur, Latscher, hin!
Du hast ja Geld nicht viel,
Und ich ein hübsch jung Mädchen bin
Und einen Reichen haben will -
Geh du nur, Latscher, hin!""

So ging ich armer Tropf,
Ich ging nach meinem Kopf.
Wer Tag und Nacht nach Reichen tracht,
Und andre hübsch junge Mädel veracht,
Wird endlich ausgelacht.
(S. 148)
_____



123.
Nächten Abend und heute Abend
(Aus Grabig)

Nächt'n Abend ging ich zu ihr,
Da stand sie in der Thür'.
Sie ging wol in die Stube 'nein,
Sie dacht', wir würden sicher sein.
Wir war'n in guter Ruh',
Der Alte kam dazu.

Wir war'n in guter Ruh',
Der Alte kam dazu:
Er griff gleich nach dem Feuerzeug,
Zu sehn, wer in der Stube sei.
Da schlüpft' ich ihm hinaus,
Versteckt' mich wol im Haus.

Mein Alter war gar fein,
Er kam bald hinterdrein;
Er macht' geschwind die Haustür' auf,
Da schlüpft' ich ihm unter'n Armen 'naus.
Da war ich ihm entwischt,
Da hatt' mein Alter nischt.

Heut' Abend ging ich zu ihr,
Da schloß sie zu die Thür'.
Zum Oberfenster rief sie 'raus:
"Gut Nacht, mein Schatz, und Alles ist aus.
Ich hab' mich anders besonn'n,
Zu mir darfst nie mehr komm'n."

Ich hob mein' Augen auf
Und sprach zu ihr hinauf:
Ei, wär' ich reich und hätt' ich Geld,
Wär' ich angenehm der ganzen Welt,
Ich käm' auch für und für,
Mein Schatz, nicht mehr zu dir.

Ihr Burschen, seht euch für,
Daß euch's nicht geht wie mir!
Ein Stückchen Brot, ein Gläschen Wein,
Ein Mädchen die ist hübsch und fein,
Und stets brav Gut und Geld,
Das ist's was mir gefällt.
(S. 148-149)
_____



124.
Des Mädchens Antwort
(Aus Deutschsteine bei Ohlau)

Da der Vogel auf dem Baume saß,
Da pfiff er, da pfiff er. La la etc.

Da das Mädel vorüber ging,
Da rief er, da rief er:

"Mädel, wo bist du gewesen?"
""Im Zimmer, im Zimmer!""

"Mädel, hast dich lassen küssen."
""Thu's immer, thu's immer.""
(S. 149)
_____



125.
Für das bissel Lieben werden sie einen nicht aufhängen
(Aus Strehlau)

"Es hat einen Schnee geschneiet;
Es war wol an der Zeit,
Ich wollte zu meiner Herzliebsten gehn,
Der Weg war mir verschneit."

""Ist dir der Weg verschneiet,
So bade durch den Schnee!""
"Mich friert in den Händen und Füßen,
Im Herzen thut's mir so weh."

""Friert dich in Händen und Füßen,
Thut's dir im Herzen so weh,
Komm, leg dich in mein Bette,
Das Frieren wird dir vergehn.""

"Und in dein Bette darf ich nicht,
Ich fürchte mich gar zu sehr,
Ich fürcht', ich möchte verschlafen
Meine Treu' und auch dein' Ehr'."

""Fürchtst du, du möchtst verschlafen
Deine Treu' und meine Ehr',
Ich werde dich schon aufwecken,
Wenn's um die Zeit wird sein.""

Und wie der Knabe nach Hause kam,
Die Mutter stund in der Thür'
""Wo bist du hinte gewesen,
Ei du gottloses Kind?""

"Und wo ich hinte gewesen bin,
Das kann ich euch bald sag'n.
Ich bin es heute gewesen
Bei einem Mädlein jung."

""Bist du es heute gewesen
Bei einem Mädlein jung,
Im Galgen sollst du hängen.
Ei du gottloses Kind.""

"Soll ich im Galgen hängen,
Ich bin kein Schelm, kein Dieb,
Würd's euch denn nicht erbarmen
Ueber euer eignes Kind?"

Die erste Stufe und die er stieg,
Die andere blieb er stehn:
"Ach, hört, ach Ritter, ach Grafen,
Was ich euch erzählen werd'!"

Steig 'runter, steig' 'runter, du Knäblein jung!
Das Leben sei dir geschenkt.
Das Mädlein sollst du haben
Zu einem ehlichen Weib.
(S. 149-150)
_____




126.
Bauernabentheuer
(Aus Grabig)

Es fuhr ein Bau'r -
Ei Hans, was du sagst!
in Wald hinaus,
Ei Nickel, was du klagst!
Es fuhr ein Bau'r in Wald hinaus,
Was begegnet ihm auf der Straße?

Ein' wunderschö -
ne, schöne Dam', -
Ein wunderschöne, schöne Dam', -
Er thät sie freundlich grüßen.

Er grüßte sie, -
er sprach ihr wol zu, -
Er grüßte sie, er sprach ihr wol zu,
Wol Gutes und über die Maßen:

"Ei, wenn ich nur könnt' -
ein' Viertelstund', -
Ei, wenn ich nur könnt' ein' Viertelstund'
In ihren Armen schlafen!"

"In ihrem Arm!" -
""Kein, kein Erbarm', -
In ihrem Arm, kein, kein Erbarm',
Er bringt mir denn drei Rosen.""

"Drei Rosen roth -
machen guten Muth, -
Drei Rosen roth machen guten Muth,
Sie wachsen auf grüner Aue."

""Auf grüner Au -
da steht ein Bett', -
Auf grüner Au da steht ein Bett'
Von lauter Sammt und Seide.""

Sie blieben beisamm -
die liebe lange Nacht, -
Sie blieben beisamm die liebe lange Nacht,
Sie schliefen bis an den Morgen.

""Auf, auf, mein Kind!
's ist hohe Zeit; -
Die Vögel in der Luft hab'n ihren Streit,
Der Fuhrmann fährt auf der Straße.""
(S. 150-151)
_____



127.
Schelmerei
(Aus Grabig)

Ich stand auf hohem Berge,
Sah hinab ins tiefe Thal:
Sieh, da stand ein schwarzbraun Mädel
Und dabei drei junge Herrn.

Der erste war ein Müller,
Der zweit' ein Kaufmannsohn,
Und der dritte ein Soldate,
Der das Mädel haben wollt'.

Er wandt' sich, er dreht' sich,
Er nahm sie bei der Hand,
Und er führte das wackre Mädchen
Ins Wirthshaus hinein.

"Frau Wirthin, Frau Wirthin,
Schenk sie uns kühlen Wein,
Denn das Mädchen hat schöne Kleider,
Versoffen soll'n sie sein!"

Für des Mädchens schöne Kleider
Schenk' ich kein'n kühlen Wein,
Denn sie ist noch jung von Jahren,
Sie stehn ihr gar zu fein.

Die schönen Kleider sind versoffen,
Kein Geld ist mehr da,
Und so mußte das arme Mädchen
Bei der Nacht zu Hause gehn.

""Bei der Nacht zu Hause gehen,
Das steht mir gar nicht an:
Ei so wollt' ich, daß ich im Leben
Kein'n Soldaten hätt' gesehn."

""Die Soldaten sind schöne Leute,
Füselier und Musketier -
Sie belügen und betrügen
Was schöne Mädchen sein.""
(S. 151-152)
_____



128.
Schelmerei
(Andere Lesart)
(Aus der Bunzlauer Gegend)

Ich stand auf hohen Bergen
Und sah ins tiefe Thal,
Drei junge schöne Knäbelein
Bei einer Jungfrau war'n.

Der erste war ein Schneider,
Der andr' ein Edelmann,
Der dritte war ein Bergbursch,
Der's Mädel wollte han.

Die Bergbursch'n sind betrüglich;
Wenn sie am besten sein,
Sie belügen, sie betrügen
Was feine Mädel sein!

"Frau Wirthin hat sie Wein?
Schenk sie fein tapfer ein!
Das Mädel schöne Kleider,
Versoffen soll'n sie sein!"

""Die Kleider sind versoffen,
Kein Geld ist nicht mehr da -
Ich wollte wünschen, ich hätt' den Bergbursch'
Mein' Tage nicht gesehn!""
(S. 152)
_____



129.
Zu späte Reue
(Aus Wilhelminenort)

Es hüt't sich ein Mädel die Lämmelein am Raine,
Da kam sich ein lustiger Mauergesell vom Weine:
"Feins Mädchen, feins Mädchen, was machest du hier?
Du hütest die Lämmlein und weidest das Vieh."
Da lachte das Mädel so sehre.

"Komm, komm, wir wollen spatzieren gehn im Walde!
Komm, komm, wir wollen spatzieren gehn im Walde!
Komm, komm, wir woll'n einen andern Weg gehn,
Daß uns die Leute nicht also sehr sehn."
Da lachte das Mädel so sehre.

"Komm, komm, wir woll'n unter die Eiche gehn, ja Eiche!
Komm, komm, wir woll'n unter die Eiche gehn, ja Eiche!"
Er brach ihr ab einen grünen Zweig
Und machte das Mädel zu einem Weib.
Da lachte das Mädel so sehre.

Sie haben eine Weile mitsammen gesessen:
""Ach lieber Herr, ich habe noch eins vergessen.
Wenn mich die Mutter jagt hinaus,
Wo werd' ich finden euer Haus?""
Da weinte das Mädel so sehre.

"Ich hab' ein Haus zu Köln am Rheine,
Das ist von Marmelsteinen gebaut gar feine;
Mein Haus hat weder Weg noch Steg -
Du Mädel, packe dich deiner Weg'!"
Da weinte das Mädel so sehre.

Das Mädel wol zu Hause war gegangen,
Die Mutter ihr schon entgegen kam gegangen:
Wo gewesen? wo gewesen? du faule Haut!
Du bist gewesen des Mauers seine Braut.
Da weinte das Mädel so sehre.
(S. 153)
_____



130.
Zu späte Reue
(Andere Lesart)

Es hüt't sich ein Mädel die Lämmelein am Raine,
Da kam sich ein lustiger Mauergesell vom Weine;
"Gott grüß dich, feines Mädelein,
Hütst du es die Lämmelein ganz allein
Am Raine, hier am Raine,
Am Raine hier alleine?"

"Wir wollen ein wenig aus dem Wege 'rausgehn vom Raine,
Daß uns die Leute alle nicht sehn alleine!
Er führte das Mädchen unter'n Eichenbaum,
Da dachte das Mädel, sie wär' allein,
Da lachte das Mädel so sehre.

Er brach ihr ab einen grünen Zweig vom Baume,
Und machte das Mädel zu einem Weib im Traume,
Er drückte sie voller Lieb' und Lust
Wol hundertmal an Wangen und Brust,
Da lachte das Mädel so sehre.

""Wenn andre junge Mädel zum Tanze gehn und springen,
Da muß ich bei der Wiege stehn und singen:
Schlaf ein, schlaf ein, mein Töchterlein!
Wo wird sich dein Vater der Maurer sein?
O Kuckuck, wo werd'n wir ihn finden?""
(S. 154)
_____



131.
Waldabentheuer
(Aus sehr verschiedenen Gegenden)

Als ich an einem Sommertag
Im grünen Wald im Schatten lag,
Sah ich von fern ein Mädchen stehn,
Das war ganz unvergleichlich schön.

Und als das Mädchen mich erblickt',
Nahm sie die Flucht in Wald zurück;
Ich aber eilte auf sie zu
Und sprach: mein Kind was fliehest du?

Sie sprach: mein Herr, ich kenn' euch nicht
Und scheu ein Mannsbild-Angesicht,
Denn meine Mutter sagte mir,
Ein Mannsbild sei ein wildes Thier.

Mein Kind, glaub du der Mutter nicht,
Die Mutter die versteht das nicht;
Dein' Mutter ist ein altes Weib,
Drum hasset sie uns junge Leut'.

Mein Herr, wenn das die Wahrheit ist,
So glaub' ich meiner Mutter nicht,
So setz' er sich, mein schöner Herr,
Zu mir ins grüne Gras hieher!

Ich setzte mich an ihre Seit',
Da war sie voller Zärtlichkeit;
Ich neigte mich an ihre Brust,
Da war sie voller Liebeslust.

Da kann man sehn, wie Mädchen sein,
Sie geben sich geduldig drein;
Und stellt' man sich ein wenig dumm,
So bitten sie ein'n selber drum.
(S. 155)
_____



132.
Junkerlust und Mädchenlist
(Aus verschiedenen Gegenden)

Es war ein hübsches Mädchen, von reizender Gestalt,
Dem Herrn des Dorfs, dem Herrn des Dorfs gefiel sie bald.
Es traf auf ihrem Wege der Herr sie einmal an:
Vernimm, vernimm, vernimm, was er gethan!

Er stieg herab vom Pferdchen, ganz eilend naht er sich:
"Mein liebes Kind, mein liebes Kind, umarme mich!"
Sie sprach ganz unerschrocken: ""ganz gerne, gnäd'ger Herr!""
Merk auf, merk auf, merk auf, was wird geschehn!

"Erschrick nicht, liebes Mädchen! ganz glücklich mach' ich dich.
Nimm hin, mein Herz! nimm hin, mein Herz, und liebe mich!
Nimm diesen Ring zum Pfande, und diese Uhr dazu!"
Merk auf, merk auf, merk auf, was sie wird thun!

""Mein Bruder ist im Garten, und sieht er mich und euch,
Dann sagt er es, dann sagt er es dem Vater gleich.
Steigt nur auf diesen Felsen, so werdt ihr ihn wol sehn!""
Vernimm, vernimm, vernimm, was wird geschehn!

Er wanket hin und wieder, das sah das Mädchen schon,
Stieg auf sein Pferd, stieg auf sein Pferd und ritt davon:
""Ade, mein Herr vom Dorfe! fliegt über Stock und Stein:
""Mein Herz, mein Herz, mein Herz bleibt ganz allein.""

So führt man heut' die schlausten Junker an,
Wenn man nur will, wenn man nur will, ist's bald gethan.
Wo wird man dennoch heute dergleichen Mädchen sehn,
Die Gold, die Gold, die Gold und Geld verschmähn!
(S. 156)
_____



133.
Hinterdrein doch betrogen
(Aus Groß-Laswitz und andern Gegenden)

Ob ich gleich kein'n Schatz nicht hab',
Wird sich einer finden;
Ich ging das Gäßlein auf und ab
Bis zu der Linde.

Als ich zu der Linde kam,
Stand mein Schatz daneben:
""Grüß dich Gott, herztausender Schatz!
Wo bist du gewesen!""

Und wo ich gewesen bin,
Kann ich dir wol sagen:
Ich bin gewesen im fremden Land,
Hab' was Neu's erfahren.

""Was du Neu's erfahren hast,
Kannst du mir wol sagen.""
Ich hab's erfahren, herztausender Schatz!
Hinte bei dir zu schlafen.

""Bei mir schlafen kannst du wol,
Will dir's auch nicht wehren,
Aber nur, herztausender Schatz!
Aber nur in Ehren!""

Zwischen Berg und tiefem Thal
Saßen auch zwei Hasen,
Fraßen ab das grüne Gras,
Bis auf den Rasen.

""Da sie satt gefressen hatt'n,
Legten sie sich nieder -
Aber, mein herztausender Schatz!
Wann seh' ich dich wieder?""

Da sie satt gefressen hatt'n,
Legten sie sich nieder -
Nun ade! herztausender Schatz!
Jetzt komm' ich nicht wieder.
(S. 157)
_____



134.
Ländlich, sittlich
(Aus Pawelau)

Nächten, da ich vorüberging,
Stand sie an der Pforte,
Sprach zu mir: mein liebes Kind!
Gab mir gute Worte.

Sprach: mein Kind, was machest du?
Was hast dir vorgenommen?
Daß du doch das ganze Jahr
Nicht bist zu mir kommen?

Bin ich auch das ganze Jahr
Nicht zu dir gekommen,
Komm' ich auf den Donnerstag
Unter dein' Schlafkammer.

Endlich wurd's der Bauer gewahr:
""Kerl, was ist dein Begehren?
Willst du meine Kühmagd hab'n?
Die will ich dir geben.""

Eure Kühmagd mag ich nicht,
Die ist mir nicht eben:
Gebt mir euer Töchterlein,
Die will ich mir nehmen.

""Meine Tochter kriegst du nicht,
Kerle, du mußt weichen;
Packe dich zum Thor' hinaus,
Such dir deines Gleichen!""

Meines Gleichen hab' ich schon,
So wie ich und ihre;
Hab' auch noch zwei Thaler Geld
Auf Morgen zu dem Biere.

's Morgens zu dem Branntewein,
's Mittags zu dem Biere,
Abend mit der Jungfer heim,
Ist das nicht Maniere?

Hab' ich gleich kein'n Tressenhut,
Wie die Bürgerssöhne;
Hab' ich doch ein Bauergut,
Hab' auch viel Vermögen.

Bauerfrau'n die haben's gut,
Können lange schlafen;
Wenn der Bauer zu Markte fährt,
Bringt er 's Geld mit Haufen.
(S. 158)
_____




135.
Das Goldvögelein giebt Bescheid
(Aus Konradsdorf)

Nächten als ich schlafen ging,
Gedacht' ich an die Liebe:
Ich ging in mein Schlafkämmerlein
Und sah auch immer dort 'nüber.

Da sah ich mein geliebtes Kind
Bei einem andern stehen,
Da möchte mir mein junges Herz
In tausend Stücke zergehen.

Ich ging einmal in Wald spatziern,
Da war niemand derheime,
Als wie ein klein Goldvögelein,
Das war allein derheime.

Gott grüße dich, Goldvögelein!
Jetzt mußt du mir schon singen,
Sonst fällt auf dich der kühle Thau,
Der wird dich schon bezwingen.

"Fällt gleich auf mich der kühle Thau,
Treug' ich mich in der Sonne.
Wenn zwei Verliebte beisammen stehn,
Ist lauter Freud' und Wonne."

"Wenn zwei Verliebte beisammen stehn
Und sehn einander recht gerne,
So leuchten ihnen die Aeugelein
Als wie zwei helle Sterne."

"Wenn zwei Verliebte beisammen stehn
Und sehn einander nicht gerne,
So leuchten ihnen die Aeugelein
Als wie zwei dunkle Sterne."
(S. 159)
_____



160.
Liebe und Bescheidenheit
(Aus Wilhelminenort)

Er
Auf dieser Welt hab' ich kein' Freud',
Ich hab' einen Schatz, der ist sehr weit,
Er ist sehr weit über Berg und Thal,
Auf daß man ihn nicht sehen kann.

Ich ging wol über Berg und Thal,
Da sang die schöne Frau Nachtigall,
Sie sang so schön, sie sang so fein,
Als wie ein Vögelein am Rhein.

Ich ging wol zu dem Goldschmidt 'nein:
Schmied er mein'm Schatz ein Ringelein,
Ein Ringlein an die rechte Hand,
Sie muß mit mir ins schles'sche Land.

Sie
Ins schles'sche Land da will ich nicht,
Denn lange Kleider die trag' ich nicht,
Ja, lange Kleider und Schnabelschuh',
Die kommen keiner Dienstmagd zu.
(S. 160)
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137.
Das betrogene Mädchen
(Aus Breslau)

Ich ging wol in den Kretscham,
Ich tanze aber nicht;
Ich sucht' mir mein Feinsliebchen,
Ich fand's aber nicht.

Und da ich es nicht fand,
So ging ich wieder heim;
Da hätte ich mich balde
Zu Tode geweint.

Ich setzte mich wol nieder
Auf eine gute Ruh',
Da fielen mir drei Rosen
Auf meine Schuh'.

Drei rothe Röselein
Und ander mehrers Kraut -
Das hätt' ich meinem Feinsliebchen
Nicht zugetraut!
(S. 161)
_____



138.
Das betrogene Mädchen
(Andere Lesart)
(Aus Minken)

Ich ging zum kühlen Wein,
Ich trank ihn aber nicht;
Ich suchte mir mein'n allerschönsten Schatz,
Ich fand ihn aber nicht.

Ich setzte mich da nieder
Ins grüne grüne Gras,
Und da fiel'n mir drei Röselein
Gerad' auf meinen Fuß.

Und die drei Röselein
Die waren rosenroth:
Lebt denn noch mein allerschönster Schatz,
Oder ist er todt?

Ich ließ mein' Aeugelein
All ringsum, ringsum gehn,
Und so sah ich mein'n allerschönsten Schatz
Bei einer Andern stehn.

Bei einer Andern zu stehn,
Bringt mir auch keinen Trost -
Drum ade, mein allerschönster Schatz!
Jetzund geh' ich fort.

""Wenn du fortgehen willst,
So hat es ja noch Zeit -""
Drum ade, mein allerschönster Schatz!
Meine Wege sind weit.
(S. 162)
_____



139.
Die Trauernde
(Aus Neiderei)

Was führ' ich denn so für 'n trauriges Leben,
Daß mir mein Schatz hat Urlaub gegeben,
Hat Urlaub gegeben und meiner nicht gedacht,
Drum geb' ich meinem Schatz viel tausend guter Nacht.

Viel tausend gute Nacht, viel tausend gute Stund'n -
Ach, hätt' ich doch ein Wort mit ihm reden gekonnt?
Dieweil ich aber sehe, daß dieses nicht kann sein,
Da andre falsche Herzen zu sehr dawider sein.

Darum will ich mir kaufen ein aschegraues Kleid,
Darunter will ich tragen groß Herzeleid,
Groß Herzeleid und ein'n getreuen Muth,
Wie es das Turteltäubelein auch thut.

Das Turteltäubelein so hübsch und so fein,
Es trinket kein Wasser, es trinket kein'n Wein,
Es trinket kein Wasser, es trinket kein'n Wein,
Es schlägt mit beiden Flügeln drein.

Und bin ich auch nicht sehr reich dabei,
So ist doch gewiß mein Herze getreu;
Es gäbe wol mancher eintausend Thaler Schatz,
Wenn er nur fände ein getreues Herz.
(S. 162-163)
_____



140.
Das Mädel lass' ich nicht, es ist mein Leben
(Aus Grabig)

Scheint der Mond so schön,
's ist Zeit zum Schlafengehn.
Scheint der Mond an meines Vaters Fenster:
"Kerl, wo bleibst so lang? wol bei dem Mensche?"

"Hab' ich dir's nicht gesagt?
Komm um halber acht!
Jetzund ist es schon halb elfe:
Ei, du loser Bub', ich werd' dir helfen!"

Vater, zanket nicht!
Beim Mensche war ich nicht;
Ich war bei meinesgleichen Buben
In der Nachbarschaft wol in der Stube.

Vater, zanket nicht!
Beim Mensche war ich nicht -
Vater, zanket nicht, es ist vergebens!
Das Mädel lass' ich nicht, es ist mein Leben.

's ist ein junges Blut,
Ich bin ihr gar zu gut.
Mädel, ruck, ruck, ruck an meine Seite!
Ich bin dir gar zu gut, ich kann dich leiden.

Wenn's die Leut' nicht wehr'n,
Könntst mein Weibchen werd'n,
Wenn wir werd'n den grünen Hafer schneiden.
Ich bin dir gar zu gut, ich kann dich leiden.

In dem Böhmerwald
Geht der Wind so kalt!
Mädel, ruck, ruck, ruck an meine Seite!
Ich bin dir gar zu gut, ich kann dich leiden.
(S. 163-164)
_____



141.
Ach! wenn die Leut' nicht wären!

Unter meines Vaters seinem Fenster
Ach! da gehn die Mädel wie Gespenster.
Ach! wenn die Leut' nicht wären,
Könntst mein Schätzel werden,
Bis wir wieder grünen Hafer schneiden -
Schatz, ich bin dir gut, ich kann dich leiden.

Und in meines Vaters seinem Hause
Ach! da gehn die Mädel wie die Mause.
Ach! wenn die Leut' nicht wären, etc.

Und in meines Vaters seinem Garten
Ach! da thun die Mädel auf mich warten.
Ach! wenn die Leut' nicht wären, etc.
(S. 164)
_____



142.
Der Kuckuck als Liebesbote
(Aus Breslau)

Der Kuckuck auf dem Zaune saß, kuckuck!
Er war beregnet, er war naß.
Guck immer, guck immer, kuckuck!

Da kam ein warmer Sonnenschein,
Der Kuckuck der ward hübsch und fein.

Der Kuckuck breit't seine Flügel aus,
Und flog den grünen Wald bald aus.

Der Kuckuck fraß weder Laub noch Gras,
Bis er auf Goldschmidts Fenster saß:

Gott grüß dich, lieber Goldschmidt mein,
Schmied mir von Gold ein Ringelein!

Schmied mir es auf die rechte Hand,
Es kommt ja weit ins fremde Land.

Der Kuckuck breit't seine Flügel aus,
Und flog den Wald bald ein und aus.

Der Kuckuck fraß weder Laub noch Gras,
Bis er auf Hannchens Fenster saß.

Gott grüß dich, liebes Herzchen mein!
Hier schickt dir dein Liebster ein Ringelein.
(S. 165)
_____



143.
Liebe weiss Rath
(Aus Breslau)

In meines Vaters Garten
Da lag ich und ich schlief,
Da träumte mir ein Träumelein
Von meinem Feinsherzlieb.

Und da ich nun erwachte,
Da stand niemand bei mir;
Es waren die rothen Rosen,
Sie blühten über mir.

Ich brach mir ab ein Zweiglein,
Ich band mir einen Kranz,
Ich gab ihn meiner Herzliebsten,
Auf daß sie mit mir tanzt.

Und wie der Tanz am besten war,
So war das Geigen aus;
Wir wollten beide heimgehn,
Wir hatten keins kein Haus.

Ich will ein Häuslein bauen
Von Petersilje grün,
Ich will mir's lassen decken
Mit rothen Rosen schön.

Und wenn ich's nun werd' fertig han,
Bescheer' mir Gott was 'nein,
Daß ich zu Jahr kann sprechen:
Das Häuslein das ist mein!
(S. 166)
_____



144.
Solche Krankheit heilt der Geistliche am besten
(Aus Grabig und andern Gegenden)

Sie
Guten Abend, liebes Kind!
O daß ich dich wiederfind'!

Liebes Kind, was wachest du?
Schläfest oder wachest du?

Er
Schlafe nicht, ich bin sehr krank,
Werd' es nicht mehr machen lang.

Mädel, lauf zum Priester geschwind,
Daß er uns zusammenbind'!

Wenn wir werd'n beisammen sein,
Werd sich unser Herz erfreu'n;

Unser Herz und unser Sinn,
Denn du bist und bleibst mein Kind.

Deine Hände schleierweiß:
Liebe dich mit ganzem Fleiß.

Deine Stirne kugelrund:
Liebe dich aus Herzensgrund.

Deine Lippen zuckersüß:
Habe dich vielmal geküßt.

Deine Zähne von Elfenbein:
Ja du bist und bleibest mein.

Deine Aeuglein kirschbraun schwarz:
Ja du bist und bleibst mein Schatz.

Deine Wänglein rosenroth:
Liebe dich bis in den Tod.
(S. 167)
_____



145.
Was ich möchte
(Aus Grabig)

Breslau ist ein schönes Städtchen,
Weil's so nah am Wasser liegt,
Weil's so nah am Wasser liegt.

Drinnen giebt's so schöne Mädchen,
Daß man sich in sie verliebt.

Möchte gern zu einer gehen,
Wenn der Weg so weit nicht wär';

Möchte gerne ihr was kaufen,
Wenn ich wüßt' was ihr gefiel.

Gold und Silber, Demantsteine
Möchten ihr das Liebste sein.

Möchte gerne bei ihr bleiben,
Möchte gerne bei ihr sein!
(S. 168)
_____



146.
Breslauer Mädchen
(Aus Grabig)

Breslau ist ein schönes Städtchen,
Das da an der Oder liegt.

Drinnen giebt's so schöne Mädchen,
Daß man sich in sie verliebt.

Darf man nur ein' Viertelstunde
Haußen vor dem Thore stehn,

Sieht man sie wie Rudelhunde
Hin und her vorübergehn.

Manche thun sehr freundlich lachen,
Manche gehn auch drunter her,

Die dazu ein schief Maul machen,
Wie ein alter Zeidelbär.
(S. 168)
_____



147.
Jungfernparade
(Aus Wettschütz im Glogauer Kreise)

Wie sind doch in Breslau die Jungfern so rar!
Sie schmieren die Schuhe und pudern das Haar.

Und wenn nur das Töchterchen kommt zur Welt,
So wendet der Vater an solche das Geld.

Da muß sie nun lernen alamodischen Tanz
Und ist auch zuweilen das Hemde nicht ganz.

Ja, wenn man nicht wüßte den Brauch in der Welt,
So meint man, der Geier! das Mädel hat Geld.

Ja, ja, sie stolzieret bei Tag und bei Nacht,
Und hat doch niemalen kein Brot auf die Nacht.

Der Vater geht nackend, die Mutter geht bloß,
Doch kommet die Tochter und machet sich groß

Mit Tanzen, mit Springen, und Kleidern geschmückt,
Darunter sind Lumpen und Loden gestickt.
(S. 169)
_____



148.
Flitterstaat

Zu Breslau wol auf der Promenade
Da kann man den Unterschied sehn,
Da kann man schöne Mädchen finden,
Wie Edeldamen gehn sie einher.

Sie tragen große Hüte,
Schöne Kleider haben sie an;
Aber, ach! es sind geborgte Güter,
Sie haben keinen Antheil daran.

Sieh, da kam die Lehnsfrau gegangen
Auf Wegen und Stegen daher:
"Sie Mamsell, jetzt hab' ich Sie gefangen,
Sie haben meine Kleider noch an."

"Sie Mamsell, jetzt zahlen Sie die Gelder
Von ihrem Verdienst und Lohn,
Sonst geh' ich nach dem Herrn Schersanten
Und lass' mir meine Kleider abhol'n."

""Vor dem Schersanten da thu' ich mich nicht fürchten,
Der Comsarius muß selber herkomm'n;
Aber, ach! sie können uns nicht gebrauchen,
Der Stock der ist ja gar zu voll.""
(S. 169)
_____



149.
Es geht mir alle Jahr' doch so!
(Aus Krummendorf)

Ich ängste mich, ich gräme mich,
Ach je, was heißt denn das?
Mein Schätzel hat mir 's Körbel gegeb'n,
Ich weiß doch nicht um was?

Er ist mir immer gut gewest,
Nun sieht er mich nicht an;
Nun geht er zu 'ner Andern hin,
Und jene kriegt 'en Mann.

Und alle Mädel kriegen 'n Mann,
Und ich bin übrig geblieb'n.
Es geht mir alle Jahr' doch so,
Ich werd' am End kein'n krieg'n.
(S. 170)
_____



150.
Die Entehrte
(Aus Wilhelminenort)

Wie schön ist doch eine Lilje,
Die auf dem Wasser schwimmt!
Wie schön ist doch die Jungfrau,
Wenn sie ihre Ehre behält!

Wie häßlich ist der Schaum doch,
Der auf dem Wasser schwimmt!
Wie häßlich ist der Junggesell,
Wenn er ein Mädchen beschimpft!

Und wenn er sie beschimpft hat,
So läßt er sie ja stehn.
Wenn ich mir's recht bedenke,
Wo soll ich jetzt hingehn?

Und geh' ich in die Fremde,
Wer nimmt sich meiner an?
Ich darf mich nicht berühmen,
Daß ich noch Eltern ha'n.

Ich hab' ja wol noch Eltern,
Die hatten mich so lieb;
Es thut mir leid von Herzen,
Daß ich sie hab' betrübt.
(S. 170-171)
_____



151.
Der Jungbrunne
(Aus Breslau)

Sie
Und in dem Schneegebirge
Da fließt ein Brünnlein kalt,
Und wer daraus thut trinken,
Der wird ja nimmer alt.

Er
Ich hab' daraus getrunken
Gar manchen frischen Trunk;
Ich bin nicht alt geworden,
Ich bin noch immer jung.

Sie
Das Brünnlein was da drüben fließt,
Draus soll man immer trink'n;
Wer eine Feinsherzliebste hat,
Der soll man immer wink'n.

Er
Ich winkte dir mit den Augen,
Ich trat dich auf den Fuß -

Sie
Ach, wie ein schweres Roden,
Wenn einer scheiden muß.

Er
Ade, mein Schatz, ich scheide,
Ade, mein Schätzelein!

Sie
Wann kommst du denn doch wieder,
Herzallerliebster mein?

Er
Wenn es wird schneien Rosen
Und regnen kühlen Wein -
Ade, mein Schatz, ich scheide,
Ade, mein Schätzelein!

Sie
Es schneit ja keine Rosen
Und regn't auch keinen Wein:
Da kommst du denn nicht wieder,
Herzallerliebster mein!
(S. 171)
_____



152.
Liebesschmerz
(Aus Breslau)

Des Montags, des Dinstags in aller Fruh,
Da kam mir eine traurige Botschaft zu,
Weil ich von meinem Mädchen hat Abschied genomm'n,
Ich sollte doch noch einmal zu ihr komm'n.

Und da ich zu ihr gekommen bin,
Da that sie mir was sagen in aller Still',
Ich sollt' sie nicht verlassen in aller Noth,
Ich sollt' sie treulich lieben bis in den Tod.

"Schau an mein bleiches Angesicht,
Schau an, wie mich die Liebe hat zugericht!
Kein Feuer ist auf Erden was brennet so heiß,
Als die verborgene Liebe die niemand nicht weiß."

"Mit Trauern da muß ich schlafen gehn,
Mit Trauern muß ich wieder auferstehn.
Mit Trauern und mit Weinen verbring' ich meine Zeit,
Dieweil ich nicht kann haben was mein Herz erfreut."
(S. 172)
_____



153.
Feinsliebchen und die drei Reiter
(Aus verschiedenen Gegenden)

Es ritten drei Reiter zum Thore hinaus,
Ade!
Feinsliebchen schaute zum Fenster hinaus,
Ade!
"Und wenn es denn soll geschieden sein,
So reich mir dein goldenes Ringelein!
Ade! ade! ade!
Ja, Scheiden und Meiden thut weh."

""Und der uns scheidet das ist der Tod,
Ade!
Er scheidet so manches Mädelein roth,
Ade!
Und wär' doch geworden der liebe Leib
Der Liebe ein süßer Zeitvertreib.
Ade! ade! ade!
Ja, Scheiden und Meiden thut weh.""

""Er scheidet so manches Kind in der Wieg'n.
Ade!
Wann werd' ich mein schwarzbraunes Schätzel doch krieg'n?
Ade!
Und ist es nicht morgen, ach! wär' es doch heut',
Es macht uns allbeiden gar große Freud'.
Ade! ade! ade!
Ja, Scheiden und Meiden thut weh!""
(S. 173-174)
_____



154.
Feinsliebchen und die drei Reiter
(Andere Lesart)
(Aus Freistadt)

Es ritten drei Reiter zum Thore hinaus,
Ade!
Feinsliebchen schaute zum Fenster hinaus:
Ade!
"Wo ritten denn die Reiter hin?
's ist Schade, daß ich kein Reiter bin!
Ade! ade! ade!
Es thut mir so leid und so weh."

Die Reiter die ritten nun immerfort,
Ade!
Sie ritten an einen entlegenen Ort,
Ade!
Sie ritten, heißa! immerzu
Und riefen im Reiten noch einmal zu:
""Ade! ade! ade!
Es thut mir so leid und so weh.""

"Fort sind nun die Reiter, ich seh' sie nicht mehr,
Ade!

Verschwunden ist Alles, die Straß' ist leer,
Ade!
Lebt wohl, ihr lieben Reiter, ihr!
Kommt aber bald wieder, ihr Reiter, zu mir!
Ade! ade! ade!
Es thut mir so leid und so weh."
(S. 174)
_____



155.
Missverständnisse
(Aus Klein-Ellgut und Neiderei)

Er
Jetzt kommt die Zeit, daß ich wandern muß,
Mein Schatz, mein Eigenthum!

Sie
Wann wirst du wieder heimkommen
Und mich erfreuen thun?

Er
Und wenn ich wieder heimkomme,
Erfreu'n thu' ich dich nicht;
Ein' kleine Weil' thu' ich dich lieben,
Heirathen aber nicht.

Sie
Thust du mich ein' kleine Weil' lieben,
Heirathen aber nicht,
So bitt' ich dich, mein schönster Schatz,
Verführe du mich nicht.

Er
Und wenn ich dich verführen thu',
Die Schuld ist selber dein:
So vielmal ich gekommen bin,
Hast du mich gelassen ein.

Sie
Ich hab' dich 'rein gelassen
Aus lauter Lieb' und Treu';
Hab' g'dacht, du wirst mich nehmen,
Jetzt aber sprichst du: nein!

Ist gleich der Apfel schön rosenroth,
Steckt doch ein Würmchen drin;
Sobald der Knab' geboren wird,
Trägt er ein'n falschen Sinn.

Ein'n falschen Sinn, einen stolzen Muth,
Den tragt ihr allezeit;
Wenn ihr ein Mädel verführen könnt,
Ist eure größte Freud'.
(S. 175-176)
_____



156.
Genügsamkeit
(Aus Minken)

Wenn ich an den letzten Abend gedenke,
Als ich Abschied von dir nahm -
Denn die Sonne scheint nicht mehr, ich muß scheiden von dir -
Drum ade, Schatz, lebe wohl!
Drum ade, ade, ade!
Drum ade, Schatz, lebe wohl!

Meine Mutter hat gesagt, ich soll mir eine Reiche nehm'n,
Die da hat viel Silber und Gold;
Ei, viel lieber will ich mich in die Armuth begeb'n,
Als ich dich verlassen sollt'.
Drum ade, ade, ade!
Drum ade, Schatz, lebe wohl!

Großes Reichthum macht mir keine Ehr',
Große Armuth keine Schand';
Ei, so wünsch' ich daß ich tausend Thaler reicher wär'
Und hätte mein Schätzchen im Arm!
Drum ade, ade, ade!
Drum ade, Schatz, lebe wohl!

Und ich wünsche noch einmal recht reich zu sein,
Aber nicht an Silber und Gold;
Ei, so schenke mir Gott das ewige Leben,
Und so bin ich ja reich genug.
Drum ade, ade, ade!
Drum ade, Schatz, lebe wohl!
(S. 176-177)
_____



157.
Abschied vom Liebchen
(Aus Wilhelminenort)

O Berlin, ich muß dich lassen,
O du wunderschöne Stadt!
Und darinnen muß ich lassen
Meinen auserwählten Schatz.

Schatz, o Schatz, du thust mich kränken
Tausendmal in einer Stund':
Wenn ich nur das Glück könnt' haben
Dir zu küssen deinen Mund!

Ich bin zwar noch jung an Jahren,
Das Marschieren mir gefällt,
Etwas Neures zu erfahren,
Wie es zugeht in der Welt.

Wir haben oft beisammen gesessen
Manche schöne halbe Nacht,
Und so manchen Schlaf vergessen
Und die Zeit so zugebracht.

O ihr Wolken, gebet Wasser,
Daß ich weinen kann genug;
Meine Aeugelein sind nasser,
Nasser als der Donaufluß.

Mein Schatz, wenn du mir willst schreiben,
Schreibe mir ein Briefelein!
In den Brief, den du willst schreiben,
Drücke auch dein Herzchen ein!

Jetzt spann' ich meine zwei Pistolen,
Thu' vor Freuden zwei, drei Schuß,
Mein'm Feinsliebchen zu Gefallen,
Weil ich sie verlassen muß.
(S. 177-178)
_____



158.
Beim Abschiede vom Geliebten
(Aus Neiderei)

Jetzt muß ich in Trauern leben,
Sagt, was hab' ich denn verschuldet?
Daß ich soll mein'n Schatz aufgeben,
Leiden will ich's mit Geduld.

Komm' ich 's Morgens auf die Gassen,
Schauen mich die Leute an,
Daß mein' Aeugelein stehn voll Wasser,
Weil er mich nicht nehmen kann.

Treue Liebe läßt nicht schlafen,
Treue Liebe ruhet nicht,
Ach, wie wohl ist jedem Menschen,
Der nicht weiß was Liebe ist.
(S. 178)
_____



159.
Getrennt, aber wie schwer!
(Aus Wettschütz)

"Ich will mich umschauen nach Tint' und Papier,
Meinem Schätzchen zu schreiben den Abschied an die Thür',
Wol hinter die Thüre, wol an das Haus:
Ach Schätzchen, schönstes Schätzchen, unsre Freundschaft ist aus."

Er klopft' an ganz leise mit seinem goldnen Ring:
""Schatz, schläfst du oder wachst du, du allerschönstes Kind?""
Sie war ganz erschrocken, aus dem Bette sprang sie 'raus,
Thät das Hemdchen überwerfen, zum Fenster schaut sie 'naus:

"Geh weg von meinem Fenster, geh weg von meiner Thür'!
Sonst greif' ich meine Waffen und schlage nach dir.
Du hast mir versprochen die Treue so fest,
Du hast sie gebrochen, geh hin wo du gewest."

Da diese zwei Verliebte aus einander gegang'n,
Sind die Thränen von den Augen herunter gerannt,
Die Thränen von den Augen, die Tröpflein von den Wang'n -
Aber diese zwei Verliebte kommen nicht mehr zusamm'n!
(S. 179)
_____



160.
Liebesbetheuerung
(Aus Wohlau, Pawelau und Konradsdorf)

Mädchen, wenn ich dich erblicke,
Hab' ich keine Ruhe mehr,
Jeder Tag und jede Stunde
Ist für mich ganz freudenleer.

Wo ich gehe, wo ich stehe,
Liegt mir stets mein Schatz im Sinn,
Seufzer schick' ich in die Höhe,
Ruf' und schrei' mit lauter Stimm'.

Kommst mir zwar aus meinen Augen,
Aber nicht aus meinem Sinn;
Kannst es mir in Wahrheit glauben,
Daß ich in dich verliebet bin.

Alle Leute, die dich hassen,
Reden dies und jenes vor dir,
Und sie meinen, ich soll dich lassen
Und mein Herz nicht schenken dir.

Und so lang das Wasser rinnet,
Und die Berge tragen Wein
Und so lang das Feuer brinnet,
Sollst und mußt du mein eigen sein.

Sollt' ich aber unterdessen
Auf mein'm Lager schlafen ein,
Ach, dann pflanz' mir auf mein Grübchen
Blümelein Vergißnichtmein.
(S. 180)
_____



161.
Stille Liebe
(Aus Lausitz)

Ich küsse dich oft in Gedanken
Und schaue dich im Geiste an.
Mein Herz verehrt dich ohne Wanken,
Ob ich dich gleich nicht sehen kann.

Dein Name steht in meinem Herzen,
Du bist mein Trost und meine Lust;
Dein Bild vertreibt mir meine Schmerzen
Aus der so sehr gequälten Brust.
Wenn ich dich nur im Geiste seh',
Vergeht mir aller Schmerz und Weh.

Was ich nur rede oder denke,
Ist einzig und allein von dir.
Wohin ich meine Augen lenke,
So stell' ich mir dein Bildniß für.
Ja keine Stunde geht dahin,
Daß ich im Geist nicht bei dir bin.

Zufrieden muß ich itzo leben,
Weil ich so weit entfernet bin,
Und mich in die Geduld ergeben,
Weil ich vom Seufzen müde bin.
Doch schick' ich dir in meinem Sinn
Oft mehr als tausend Seufzer hin.

Und ob du gleich nicht willst erkennen
Die Treue meiner Redlichkeit,
So soll doch meine Liebe brennen
Bis an das Ende dieser Zeit,
Ja selbst auf meinem Leichenstein
Soll meine Treu zu lesen sein.
(S. 181)
_____



162.
Der höchstunglücklich Liebende
(Aus dem Striegauer Kreise)

In Sorgen und Unruh'
Bring' ich mein Leben zu;
Mag schlafen oder wachen,
So machst du mir zu schaffen;
Hab' schon die Augen zu,
Hat doch der Leib kein' Ruh.

Du sagst, du liebest mich,
Das Widerspiel seh' ich.
Ein'n andern thust du lieben,
Mich aber nur betrüben;
Drum sage nun nicht mehr,
Daß du mich liebst so sehr.

Ich wünscht', ich läg' und schlief'
Zehntausend Klaftern tief
Im Schoß der kühlen Erden,
Weil du nicht mein kannst werden,
Ich keine Hoffung hab'
Als nur das kühle Grab.

Wer hätte dies geglaubt?
Ein Haus auf Sand gebaut!
Wer hätte das empfunden?
Die heißen Liebesstunden,
Die heiße Liebesglut,
Die so sehr brennen thut!

O Erde, deck' mich zu,
Daß ich sanft schlaf' und ruh'!
Vertilge meinen Namen!
Lösch' aus die Liebesflammen!
Lösch' aus die heiße Glut,
Die so sehr brennen thut!
(S. 181-182)
_____



163.
Trost beim Abschiede
(Aus Wilhelminenort)

Einen Ring hab' ich von dir,
Den trag' ich am Finger,
Und den Ring den lieb' ich sehr,
An dich denk' ich immer.

Schätzchen, kränk' dich nicht so sehr,
Ich werd' bald wieder kommen;
Komm' ich gleich den Winter nicht,
So komm' ich doch den Sommer.
(S. 182)
_____



164.
Lieber todt mit ihr als getrennt von ihr
(Aus Grabig)

Er
Ade, mein Kind, behüt' dich Gott!
Du bleibest hier, und ich muß fort.
Halt dich, mein Kind, bei deiner Ehr',
Bis daß ich wiederkomm' zu dir.

Sie
Wenn ich nicht allzeit bei dir bin,
Du liegst mir stets in meinem Sinn;
Du liegst mir in dem Herzen mein,
Wollt' Gott, ich könnte bei dir sein!

Wollt' Gott, es würde heut' noch wahr:
Wir beide stünden vor'm Altar,
Wir hätt'n einander die Hand schon gegeb'n -
Vergnügte wollten wir da leben!

Er
Wollt' Gott, es würde heut' noch wahr:
Wir beide stünden auf der Bahr'!
Und von der Bahr' ins kühle Grab,
Dann nimmt unsre Liebe nicht ab.
(S. 183)
_____



165.
Abschied treuer Liebenden
(Aus verschiedenen Gegenden)

Er
Ade, jetzt muß ich scheiden,
Weil's anders nicht kann sein,
Muß dich, mein Engel, meiden,
Gieb dich geduldig drein!
Mein Schatz, mein Engelein,
Weil's anders nicht kann sein;
Wir werden zusammen kommen,
Wenn's Gottes Will' wird sein.

Wir haben beisammen gesessen
So manche liebe Nacht,
So manchen Schlaf vergessen,
Aus Liebe zugebracht.
Aus Liebe von Herzensgrund
Hab' ich den süßen Mund
Viel tausendmal geküsset
In einer Viertelstund'.

Sie
Reis' du in Gottes Namen
Zu Wasser und zu Land!
Kommst du zu hübschen Damen,
Verliebe dich nicht bald!
Kehrst du ins Wirthshaus ein
Und trinkst ein Gläschen Wein,
Thu meine Gesundheit trinken,
Wenn du mein Schatz willst sein!

Wir werden zusammen kommen,
Wenn's Gottes Will' wird sein,
Und niemand soll uns trennen
Als nur der Tod allein.
Wenn einst verfault wird sein
Der Leib und die Gebein',
Wirst du in jenem Leben
Mein schönster Schatz noch sein.
(S. 184)
_____



166.
Trost auf den Weg
(Aus Neiderei)

Er
Ade, mein Schatz, jetzt muß ich fort,
Dich muß ich meiden,   Von dir abscheiden
An fremden Ort.

Ich kann bei Nacht nicht fröhlich sein;
Wenn andre schlafen,   So muß ich wachen,
Muß traurig sein.

Sie
Warum denn du so traurig bist?
Wenn sie dich fragen,   So thu du sagen:
Daß mein du bist.

Schatz, ich bin dein und du bist mein,

Er
Schatz, du bist mein   Und ich bin dein,

Beide
Drum gute Nacht.

Wer hat uns denn das Lied erdacht?
Zwei Goldschmiedsjungen,    Die hab'n gesungen
Zur guten Nacht.

Sie haben's gesungen und auch erdacht,
Daß manchem Mädchen
Das Herze lacht.
(S. 185-186)
_____



167.
Der verwundete Knabe
(Aus Breslau und Großburg, Kreis Strehlau)

Es wollt' ein Mädel früh aufstehn,
Sie wollt' in grünen Wald nach Röslein gehn.

Und da sie in den Wald 'naus kam,
Begegnet ihr ein verwundter Knab'.

Der hat sich einen Finger verwundt:
"Verbinde mich, Feinslieb, so werd' ich gesund."

""Wie könnt' ich deine Verbinderin sein,
Ich bin ein armes Dienstmädelein.""

"Bist du ein arm's Dienstmädelein,
Viel desto lieber sollst meine sein.

Wie sie ihn verband, so war er roth,
Und wie sie ihn verbunden hatt', so war er todt.

""Wo nehm' ich denn sechs Träger her,
Die mir mein feines Lieb helfen trag'n?""

""Wo nehm' ich denn sechs Jungfern her,
Die mir mein Leid werd'n helfen klag'n.""

Sechs Jungfern, die sind schon bereit,
In schwarzbraune Seid' sind sie eingekleid't.

Wie lange wirst du trauern gehn?
""Bis all' schnell Wasser werd'n stille stehn.""

""Und all' schnell' Wasser stehn stille nicht,
So hat mein Trauern kein Ende nicht.""
(S. 186-187)
_____



168.
Der verwundete Knabe
(Zweite Lesart)
(Aus Vielwiese)

Es wollt' ein Mädlein früh aufstehn,
Und in den grünen Wald spatzieren gehn.

Und als sie nun in den grünen Wald kam,
Da fand sie einen verwundeten Knab'n.

Der Knab' der war von Blut so roth,
Und als sie sich verwandt', war er schon todt.

Wo krieg' ich nun zwei Leidfräulein,
Die mein feines Liebchen zu Grabe wein'n?

Wo krieg' ich nun zwei Reiterknab'n,
Die mein feines Liebchen zu Grabe trag'n?

Wie lang soll ich denn trauern gehn?
Bis alle Wasser zusammen gehn.

Ja alle Wasser gehn nicht zusamm'n,
So wird mein Trauren kein Ende ha'n.
(S. 188)
_____



169.
Der verwundete Knabe
(Dritte Lesart)
(Aus verschiedenen Gegenden)

Ich wollt' einmal recht früh aufstehn,
Wol in den grünen Wald
Spatzieren gehn.

Und als ich in den Wald 'rein kam,
Da fand ich einen
Verwund'ten Knab'n.

Der Knabe war von Blut so roth,
Und eh' man sich's versah,
So war er todt.

Wo nehm' ich nun sechs Träger her,
Die mein schön's Lieb
Zu Grabe trag'n?

Sechs Träger, die sind schon bestellt,
Die mein schön's Lieb
Trag'n aus der Welt.

Wie lang soll ich nun traurig sein?
Bis alle Wasser
Verlaufen sein.

Und alle Wasser verlaufen nicht,
So nimmt mein Trauern
Kein Ende nicht.
(S. 189)
_____



170.
Die untreue Braut
(Aus Grabig und andern Gegenden)

Was soll ich denn nun singen?
Ein wunderschönes Lied
Von einer Kaufmannstochter,
Hat sich in zwei verliebt.

Der eine war ein Schiffsmann,
Der andre ein Kaufmannssohn;
Den Schiffsmann ließ sie fahren,
Sie nahm den Kaufmannssohn.

Und als der Schiffsmann das erfuhr,
Fuhr er über Berg, über Thal,
Es dauerte kaum drei Tage,
Da ging die Hochzeit an.

"Ich weiß von keiner Liebe,
Ich weiß von keiner Treu':
Der Schwarze soll mich holen,
Wo ich von Liebe weiß!"

Und als es um den dritten Tag kam,
Da ging die Hochzeit an;
Der Schwarz aus der Hölle kam,
Er setzte sich obenan.

Er mocht' weder essen noch trinken,
Wollte tanzen mit der Braut:
Den ersten Tanz den er tanzte,
Den tanzt' er mit der Braut.

Er nahm sie unter die Arme,
Zerbrach ihr Hals und Bein:
Ade, ihr wackern Mädchen!
Verliebt euch nicht in zwei!

Der Bräutigam hinter der Thüre stand
Ganz traurig und betrübt:
Warum bist du so traurig,
Ja traurig und betrübt?

""Warum sollt' ich nicht traurig sein,
Ja traurig und betrübt?
Sie haben mir meine Ehr' genommen,
Dazu mein feins Herzlieb.""
(S. 190)
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Aus: Schlesische Volkslieder mit Melodien
Aus dem Munde des Volks gesammelt
und herausgegeben von
Hoffman von Fallersleben und Ernst Richter
Leipzig Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1842




 


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