Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Deutsche Liebeslieder (Volkslieder)


Sammlung Karl Simrock (1851)


Inhaltsverzeichnis der Lieder:
 



Lied 3.
Die Königskinder

Es waren zwei Edelkönigskinder,
die hatten einander so lieb,
Sie konnten beisammen nicht kommen,
Das Waßer war viel zu tief.

"Ach Liebster kannst du schwimmen,
So schwimm doch herüber zu mir,
Drei Kerzchen will ich anzünden,
die sollen auch leuchten dir."

Das hört ein loses Nönnchen,
Das thät als wenn es schlief,
Es thät die Kerzlein ausblasen,
Der Jüngling ertrank so tief.

Und als der Jüngling zu Grunde gieng,
Sie schrieen und weinten so sehr,
Sie gieng mit weinenden Augen
Wohl vor der Mutter Thür.

"Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Mein Kopf thut mir so weh,
Laß mich ein wenig spazieren
Wohl an die tiefe See."

Ach Tochter, herzliebste Tochter,
Allein sollst du nicht gehn,
Ruf deinen jüngsten Bruder
Und der soll mit dir gehn.

"Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Mein Bruder ist noch ein Kind,
Er schießt ja all die Vögelein,
Die auf grüner Haide sind."

Ach Tochter, herzliebste Tochter,
Allein sollst du nicht gehn,
Weck deine jüngste Schwester
Und die soll mit dir gehn.

"Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Meine Schwester ist noch ein Kind,
Sie pflückt ja all die Blümelein,
Die auf grüner Haide sind."

Die Mutter gieng zur Kirche,
Die Tochter gieng ihren Gang,
Sie gieng so lang spazieren
Bis sie einen Fischer fand.

"Ach Fischer, liebster Fischer,
Willst du verdienen Lohn,
So senk dein Netz ins Waßer,
Fisch mir den Königssohn."

Er senkte sein Netz ins Waßer,
Und nahm sie in den Kahn,
Er fischte und fischte so lange
Bis sie den Königssohn sahn.

Was nahm sie von ihrem Haupte?
Eine goldne Königskron:
"Sieh da, viel edler Fischer,
Das ist dein verdienter Lohn."

Was zog sie von ihrem Finger?
Ein Ringlein von Gold so roth:
"Sieh da, du armer Fischer,
Kauf deinen Kindern Brot."

Sie schloß ihn in die Arme,
Küsst ihm den bleichen Mund:
"Ach Mündlein, könntest du sprechen,
So wäre mein Herz gesund."

Sie schloß ihn an ihr Herze
Und sprang mit ihm ins Meer:
"Gute Nacht, mein Vater und Mutter,
Ihr seht mich nimmermehr."

Da hörte man Glöcklein läuten,
Da hörte man Jammer und Noth.
Hier liegen zwei Königskinder,
Die sind alle beide todt.
(S. 7-9)
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Lied 4.
Tannhäuser

Nun wollen wir aber heben an,
Von dem Tannhäuser wollen wir singen
Und was er Wunders hat gethan
Mit Venus der Teufelinne.

Tannhäuser war ein Ritter gut,
Er wollt groß Wunder schauen,
Da zog er in Frau Venus Berg
Zu andern schönen Frauen.

"Herr Tannhäuser, ihr seid mir lieb,
Daran sollt ihr gedenken,
Ihr habt mir einen Eid geschworn,
Ihr wollt nicht von mir wenken." -

Frau Venus, nein, das hab ich nicht,
Ich will das widersprechen,
Und spräch das Jemand mehr als Ihr,
Ich hülf es an ihm rächen.

"Herr Tannhäuser, wie sprecht ihn nun?
Ihr sollt bei mir verbleiben,
Ich geb euch meiner Gespielen ein'
Zu einem stäten Weibe." -

Und nähm ich denn ein ander Weib
Denn ich hab in meinen Sinnen,
So müst ich in der Hölle Gluth
Auch ewiglich verbrinnen.

"Ihr sagt mir viel von Höllengluth,
Habt es doch nie empfunden:
Gedenkt an meinen rothen Mund,
Der lacht zu allen Stunden."

Was hilft mich euer rother Mund,
Er ist mir ganz unmäre:
Nun gebt mir Urlaub, Fräulein zart,
Durch aller Frauen Ehre.

"Tannhäuser, wollt ihr Urlaub han?
Ich will euch keinen geben.
Nun bleibet, edler Tannhäuser zart,
Und fristet euer Leben."

Mein Leben ist mir worden krank,
Ich kann nicht länger bleiben:
Nun gebt mir Urlaub, Fräulein zart,
Von euerm stolzen Leibe.

"Herr Tannhäuser, nicht sprecht also,
Ihr seid nicht wohl bei Sinne;
So gehn wir in ein Kämmerlein
Und spielen der edeln Minne."

Ihr sagt mir viel von Kämmerlein
Aus euerm falschen Sinne;
Ich seh aus euern Augen wohl,
Ihr seid ein Teufelinne.

"Tannhäuser, warum sprecht ihr so?
Wie dürfet ihr mich schelten?
Sollt ihr noch länger bei uns sein,
Des Worts müßt ihr entgelten." -

Frau Venus, nein, das will ich nicht,
Ich mag nicht länger bleiben.
Maria, Mutter, reine Magd,
Nun hilf mir von den Weiben.

"Tannhäuser, wollt ihr Urlaub han,
Nehmt Urlaub von den Greisen,
Und wo ihr in dem Land umfahrt,
Mein Lob, das sollt ihr preisen."

Da schied er wieder aus dem Berg
In Jammer und in Reuen:
"Ich will gen Rom wohl in die Stadt
Auf eines Papstes Treuen."

"Nun fahr ich fröhlich auf die Bahn,
Gott müß mein immer walten,
Zu einem Pabst, der heißt Urban,
Ob er mich möcht behalten."

"Herr Pabst, ach lieber Herre mein,
Ich klag euch meine Sünden,
Die ich mein Tag begangen hab
Als ich euch will verkünden."

"Ich bin gewesen auch ein Jahr
Bei Venus einer Frauen;
Nun will ich Beicht und Buß empfahn,
Ob ich möcht Gott anschauen."

Der Pabst hätt einen Stecken weiß,
Der war von dürrem Zweige:
"Wenn dieser Stecken Blätter trägt,
So mag dir Gott verzeihen."

Tannhäuser zog da aus der Stadt
In Jammer und in Leide.
"Maria, Mutter, reine Magd,
Ich muß mich von dir scheiden!"

"So geh ich wieder in den Berg
Ewiglich und ohne Ende
Zu Venus meiner Frauen zart,
Wohin mich Gott will senden."

"Tannhäuser, seid willkommen hier,
Hab euer lang entbohren,
Seid mir willkommen, lieber Herr,
Zum Buhler auserkoren."

Darnach wohl auf den dritten Tag
Der Stab fieng an zu grünen.
Der Pabst schickt aus in alle Land,
Wo Tannhäuser hin wär kommen?

Da war er wieder in dem Berg,
Darin soll er nun bleiben,
Bis er am jüngsten Tage fährt
Wohin ihn Gott will weisen.

Das soll nie mehr ein Priester thun,
Den Menschen Misstrost geben.
Und will er Buß und Reu empfahn,
Die Sünde sei ihm vergeben. (
S. 10-13)
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Lied 13.
Lenore
(Nicht verbürgt)

Es stehn die Stern am Himmel,
Es scheint der Mond so hell,
Die Todten reiten schnell.

"Wach auf, mein Schatz, dein Fenster,
Laß mich zu dir hinein,
Kann nicht lang bei dir sein."

"Der Hahn, der thät schon krähen,
Er singt uns an den Tag,
Nicht lang mehr bleiben mag."

"Weit bin ich hergeritten,
Zweihundert Meilen weit
Muß ich noch reiten heut."

"Herzallerliebste meine,
Komm setz dich auf mein Pferd,
Der Weg ist reitenswerth."

"Dort drin im Ungarlande
Hab ich ein kleines Haus,
Da geht mein Weg hinaus."

"Auf einer grünen Haide,
Da ist mein Weg gebaut
Für mich und meine Braut."

"Laß mich nicht lang mehr warten,
Komm Schatz zu mir herauf,
Weit fort geht unser Lauf!"

"Die Sternlein thun uns leuchten,
Es scheint der Mond so hell,
Die Todten reiten schnell."

"Wo willst mich denn hinführen?
Ach Gott, was hast gedacht
In dieser finstern Nacht?"

"Mit dir kann ich nicht reiten,
Dein Bettlein ist nicht breit,
Der Weg ist auch zu weit."

"Allein leg du dich nieder,
Herzallerliebster, schlaf
Bis an den jüngsten Tag."
(S. 37-38)
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Lied 43.
Gemalte Blumen

Es wollt ein Mädchen Waßer holn
Bei einem kühlen Bronnen.
Ein schneeweiß Hemdchen hätt sie an,
Dadurch schien ihr die Sonne.

Sie sieht sich hin, sie sieht sich her,
Sie meint sie wär alleine.
Da kommt ein Ritter und sein Knecht,
Er grüßt die Jungfrau reine.

Gott grüß euch, zartes Jungfräulein,
Was steht ihr hier alleine?
Wollt ihr dieß Jahr mein Schlafbuhl sein,
So ziehet mit mir heime.

Und euer Schlafbuhl bin ich nicht,
Ihr bringt mir denn drei Rosen,
Die dieses Jahr gewachsen sind
Wohl zwischen Weihnachten und Ostern.

Er ritt den Berg, das tiefe Thal,
Er konnte keine finden.
Er ritt vor einer Frau Malerin Thür:
Frau Malerin, seid ihr darinnen?

Seid ihr darinne, so tretet herfür
Und malet mir drei Rosen
Wie sie dieß Jahr gewachsen sein
Wohl zwischen Weihnachten und Ostern.

Und da die Rosen gemalet warn,
Da hub er an zu singen:
Freu dich, feins Mägdlein, wo du bist,
Drei Rosen thu ich dir bringen.

Das Mägdlein an dem Laden stund,
Gar bitterlich thät sie weinen:
Ach Herr, ich habs im Scherz geredt,
Ich meint', ihr fändet keine.

Hast du es nur im Scherz geredt,
Gar scherzlich wollen wirs wagen.
So bist du mein und ich bin dein,
Und scherzen wir beide zusammen.
(S. 96-98)
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Lied 81.
Falsche Liebe

Es kann mich nichts schöner erfreuen
Als wenn der lieb Sommer angeht,
Dann blühen die Rosen im Walde,
Ju ja im Walde,
Soldaten marschieren ins Feld.

Ach Schätzel, was hab ich erfahren,
Daß du willst scheiden von mir,
Und willst ins fremde Land reisen:
Wann kommst du wieder zu mir?

Und als ich in das fremde Land kam,
Gedacht ich gleich wieder nach Haus:
Ach wär ich zu Hause geblieben
Und hätte gehalten mein Wort.

Und als ich nun wieder nach Hause kam,
Feinsliebchen stand hinter der Thür.
Gott grüß dich, du Hübsche, du Feine,
Von Herzen gefallest du mir.

"Was brauch ich dir denn zu gefallen,
Ich hab schon längst einen Mann,
Einen hübschen und einen reichen,
Der mich wohl ernähren kann."

Was zog er aus seiner Scheide?
Ein Meßer, war scharf und spitz,
Es stachs Feinsliebchen durchs Herze,
Das rothe Blut gegen ihn spritzt.

Und als ers wieder heraußen zog,
Von Blut war es so roth.
Ach höchster Gott im Himmel,
Wie bitter ist mir der Tod!

So gehts wenn zwei Knaben ein Mädchen lieb haben,
Das thut gar selten gut,
Wir beide, wir habens erfahren,
Ju ja erfahren
Was falsche Liebe thut.
(S. 166-167)
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Lied 82.
Falsche Liebe

Es stehen drei Sterne am Himmel,
Die geben der Lieb einen Schein,
Gott grüß euch, schönes Jungfräulein,
Wo bind ich mein Rösselein hin?

Nimm du es, dein Rösslein beim Zügel, beim Zaum,
Binds an den Feigenbaum,
Setz dich eine kleine Weil nieder,
Mach mir eine kleine Kurzweil.

Ich kann und mag nicht sitzen,
Mag auch nicht lustig sein,
Mein Herz möcht mir zerspringen,
Feins Lieb, von wegen dein.

Was zog er aus seiner Taschen?
Ein Meßer, war scharf und spitz.
Er stachs seiner Lieben durchs Herze,
Das rothe Blut gegen ihn spritzt.

Und da ers wieder heraußer zog,
Von Blut war es so roth.
"Ach reicher Gott vom Himmel,
Wie bitter wird mir der Tod!"

Was zog er ab vom Finger?
Ein rothes Goldringelein,
Er warf es in flüßig Waßer,
Es gab seinen klaren Schein.

Schwimm hin, schwimm her, Goldringelein,
Bis an die tiefe See.
Mein Feinslieb ist mir gestorben,
Jetzt hab ich kein Feinslieb meh.

So gehts, wenn ein Mädel zwei Knaben lieb hat,
Thut wunderselten gut.
Das haben wir zwei erfahren
Was falsche Liebe thut.
(S. 167-168)
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Lied 84.
Liebesprobe

Es sah eine Lind ins tiefe Thal,
War oben breit und unten schmal.

Worunter zwei Verliebte saßen,
Vor Lieb ihr Leid vergaßen.

Feins Lieb, wir müßen voneinander,
Ich muß noch sieben Jahr wandern.

Must du noch sieben Jahr wandern,
Heirat ich doch keinen Andern.

Und als die sieben Jahr umme warn,
Sie meint, ihr Liebchen käme bald.

Sie gieng wohl in den Garten,
Ihr Feinslieb zu erwarten.

Sie gieng wohl in das grüne Holz,
Da begegnet ihr ein Reiter stolz.

Gott grüß dich, du Hübsche, du Feine,
Was machst du hier alleine?

Ist dir dein Vater oder Mutter gram,
Oder hast du heimlich einen Mann?

Mein Vater oder Mutter ist mir nicht gram,
Ich hab auch heimlich keinen Mann.

Gestern wars sechs Wochen über sieben Jahr,
Daß mein Feinsliebchen gewandert war.

"Gestern bin ich geritten durch eine Stadt,
Da hat dein Feinsliebchen Hochzeit gemacht."

"Was willst du ihm denn wünschen an,
Daß er seine Treu nicht gehalten hat?"

Ich wünsch ihm all das Beste,
Soviel der Baum hat Aeste.

Ich wünsch ihm soviel gute Zeit,
Soviel als Stern am Himmel seind.

Ich wünsch ihm soviel Ehre,
Soviel als Sand am Meere.

Was zog er von dem Finger sein?
Einen Ring von rothem Golde fein.

Er warf den Ring in ihren Schooß,
Sie weinte, daß das Ringlein floß.

Was zog er aus seiner Taschen?
Ein Tuch schneeweiß gewaschen.

Trokn ab, trokn ab dein Aeugelein,
Du sollst ja nun mein eigen sein.

Ich wollt dich nur versuchen
Ob du würdest schwören oder fluchen.

Hättst du einen Fluch oder Schwur gethan,
Von Stund an wär ich geritten hindann.
(S. 170-172)
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Lied 85.
Liebesprobe

Es hat ein Mädchen einen Pferdsknecht lieb,
Viel lieber als sich selber.
Sie bestellten sich an die grüne Linde, ja Linde,
Wo die beiden sich wollten finden.

Als sie wohl an den grünen Lindenbaum kam
Und den Knaben da nicht fand,
Sie setzt sich darnieder zu weinen:
Ach Gott, wär ich daheime!

Da kam ein stolz Reiter geritten daher,
Geritten und nicht gegangen:
Was stehst du hier alleine
Und zählst die hohen Bäume?

Die hohen Bäume die zähl ich nicht,
Die Laubern an grün Haide nicht,
Ich warte auf meinen Schlafbuben,
Ich hoffe, er wird bald kommen.

Und dein Schlafbube der kommt noch nicht,
Er geht auf freier Landstraßen nicht,
Er geht auf Irreland Auen
Spazieren mit andern Jungfrauen.

Was zog er von seinem Finger?
Von rothem Gold ein Ringel:
Das will ich dir Mädchen schenken,
Daß du sollst an mich gedenken.

Und wär das Ringlein noch eins so roth,
Gleichwie die Sonn am Himmelsthron,
So wollt ich ihn doch nicht haben,
Auf meinen Schlafbuben will ich warten.

Was zog er aus seiner Taschen?
Einen Schleier schneeweiß gewaschen:
Den will ich dir Mädchen schenken:
Daß du sollst an mich denken.

Und wär der Schleier noch eins so weiß
Und wenn er die ganze Welt bespreit,
So wollt ich ihn doch nicht haben,
Auf meinen Schlafbuben will ich warten.

Der Reiter setzt ab den silbernen Hut,
Daß ihn das Mädchen erkennen thut.
Ach Mädchen du bist fromme,
Drum bin ich auch wieder gekommen.

Wenn du nicht wieder gekommen wärst,
Wenn du im Meer ertrunken wärst,
Wer wollte mich Mädchen trösten
Als Gott der Allerhöchste?

Die Tauben haben auch solchen Muth,
Ihnen schmeckt das klare Waßer nicht gut,
Sie thun sich das Waßer trüben
Mit ihren gelben Goldfüßen.
(S. 172-174)
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Lied 86.
Frau Nachtigall als Botin

Auf dem Kirchhof steht ein Rosenbaum,
Klare Stein wie die Rammstein.
Darauf setzt sich Frau Nachtigall;
Von der Jungheit zum Dingedingeding,
Von der Jungheit ein ander Lied.

Frau Nachtigall, klein Vögelein,
Willst du Herzliebchens Botschaft sein?

Wie wollt ich dein Botschaft können sein?
Ich bin ein klein Waldvögelein.

Bist du klein, so bist du hell,
So trag meinem Lieb die Botschaft schnell.

Nimm du den Brief in deinen Mund
Und flieg dahin in einer Stund.

Sie flog den Berg, den tiefen Thal,
Bis daß sie vor Schlaffenster kam.

Sie gab dem Fenster einen Stoß:
Schläfst du, mein Lieb, oder bist du todt?

Ich schlafe nicht, ich bin nich todt,
Ich höre was mir mein Lieb entbot.

Er hat geschrieben einen Brief,
Er hat getraut ein ander Lieb.

Hat er getraut ein ander Lieb,
So wünsch ich ihm viel Glück dazu.

Das erste Jahr ein Söhnelein,
Das ander Jahr ein Töchterlein.

Das dritte Jahr noch eins dabei
Bis daß ihrer fünf und zwanzig sein.

Fünf und zwanzig an Hosen und Schuhn,
So gedenkt, ihr Jungen, was geht dazu!

Fünf und zwanzig an einem Tisch,
Klare Stein wie die Rammstein.
So gedenkt ihr Jungen, was heiraten ist;
Von der Jungheit zum Dingedingeding,
Von der Jungheit ein ander Lied.
(S. 174-175)
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Lied 95.
Jagdglück

Es ritt ein Jäger wohlgemuth
Wohl in der Morgenstunde,
Wollt jagen in dem grünen Wald
Mit seinem Ross und Hunde.
Und als er kam auf grüne Haid
Fand er seins Herzen Lust und Freud.
Im Maien am Reihen sich freuen
Alle Knaben und Mägdelein.

Der Guckuck scherzt, der Auerhahn pfalzt,
Dazu die Turteltauben,
Da fieng des Jägers Rösslein an
Zu schnarchen und zu schnauben.
Der Jäger dacht in seinem Muth:
Das Jagen das wird werden gut.
Im Maien am Reihen sich freuen
Alle Knaben und Mägdelein.

Der Jäger fand ein feines Wild,
Fein hurtig und geschwinde,
Es war ein schönes Frauenbild,
Das sich allda ließ finden.
Der Jäger dacht in seinem Sinn:
Wo das Wild ist, da komm ich hin.
Im Maien am Reihen sich freuen
Alle Knaben und Mägdelein.

Gott grüß euch, zartes Jungfräulein,
An Ehr und Tugend reiche!
Euch sei zu eigen, was ich hier
In diesem Wald erschleiche.
Ach edler Jäger wohlgestalt,
Sprach sie, ich bin in eur Gewalt.
Im Maien am Reihen sich freuen
Alle Knaben und Mägdelein.

Er nahm sie bei ihrer schneeweißen Hand
Nach aller Jäger Weise,
Er führt sie in ihr Vaterland,
Viel Glück auf ihre Reise!
Das Glücke das ist kugelrund,
Es freut sich mancher rothe Mund,
Im Maien am Reihen sich freuen
Alle Knaben und Mägdelein.
(S. 186-187)
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Lied 104.
Frühjahrsanfang

Jetzunder geht das Frühjahr an
Und Alles fängt zu grünen an.

Es ist nichts schöner auf der Welt,
Als die Blümlein auf dem Feld,
Sie blühen roth, weiß, blau und gelb.

Wenn sich nun Alles lustig macht
Daß ich auch nicht schlafen mag,
Geh ich zum Schätzchen bei der Nacht.

Zwischen Berg und tiefem Thal
Hör ich schon die Nachtigall,
Sie schlägt bei einem Waßerfall.

Als ich nun vor dem Fenster bin,
Da hör ich schon einen andern drin.

Du hast mir so oft die Thür aufgemacht:
Nun wünsch ich dir eine gute Nacht.

Wenn ich durch die Auen geh,
Da singt die Lerche wohl in der Höh
Ade, du falscher Schatz, ade!
(S. 201)
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Lied 105.
Mailied

Im Maien, im Maien ists lieblich und schön,
Da findt sich viel Kurzweil und Wonn.
Frau Nachtigall singet,
Die Lerche sich schwinget
Ueber Berg und über Thal.

Die Pforten der Erden sie schließen sich auf
Und laßen so manches Blümlein herauf,
Als Lilien und Rosen,
Violen, Zeitlosen,
Cypressen und Nägelein.

In solchen wohlriechenden Blümelein zart
Spaziert ein Jungfrau von edeler Art,
Sie windet und bindet
Gar zierlich und fein
Ihrem Herzallerliebsten ein Kränzelein.

Da herzt man, da scherzt man, da freuet man sich,
Da singt man, da springt man, da ist man fröhlich;
Da klaget ein Liebchen
Dem andern sein Noth,
Da küsst man so manches Mündelein roth.

Ach zartes Jungfräulein von schöner Gestalt
In Zucht und Ehren mannichfalt!
Und wenn ich euch hätte,
So wär ich gesund,
Ihr habt mir mein junges Herze verwundt.

Die Liebe, die hat mich zu euch gezwungen,
Ist mir durch Mark und Bein gedrungen:
Ich will euch lieben
Bis in den Tod,
Mein Herzchen, mein Schätzchen, mein Mündelein roth.

Verlaßen will ich euch nimmermehr,
Reicht mir euer schneeweißes Händelein her,
Und saget mirs zu
In Zucht und in Ehren,
Daß ihr mir wollt zu eigen werden.

Ach Scheiden, ach Meiden, du schneidendes Schwert,
Hast mir mein junges Herze versehrt.
Wiederkommen macht,
Das man Scheiden nicht achtt,
Ade, zu tausend guter Nacht.

Im Maien, im Maien, da freut man sich,
Da singt man, da springt man, da ist man fröhlich,
Da kommt so manches
Liebchen zusammen;
Ade, in tausend Gottes Namen.
(S. 202-203)
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Lied 106.
Abschiedslied

Wie schön blüht uns der Maien,
Der Sommer fährt dahin,
Mir ist ein feins Jungfräulein
Gefallen in den Sinn.
Oft sehen thut den Augen wohl:
Wenn ich an sie gedenke,
Mein Herz ist freudenvoll.

Wenn ich des Nachts will schlafen,
Kommt mir mein Feinslieb für;
Wenn ich dann thu erwachen,
So find ich nichts bei mir.
Erst hebt sich an ein große Klag:
Wenn ich von ihr muß scheiden,
Das macht mich alt und grau.

Ein Blümlein auf der Haiden
Mit Namen Wohlgemuth
Laß uns der lieb Gott wachsen,
Ist uns für Trauern gut.
Vergißmeinnicht steht auch dabei:
Grüß mir sie Gott im Herzen,
Die mir die Liebste sei.

Wollt Gott, ich möcht ihr wünschen
Zwei Rosen auf einem Zweig;
Hilf Gott, sollt ich sie wecken
Mit meinem stolzen Leib!
Das wär meinem Herzen ein großer Hort:
Nun thu mich, Herzlieb, trösten
Mit einem freundlichen Wort.

Der uns das Lied gesungen hat,
Von Neuem gesungen hat,
Das hat gethan ein freier Knab,
Gott geb ihm ein gut Jahr.
Er singt uns das und noch viel mehr,
Denn er ist inne worden
Was scheiden von Liebe thut.
(S. 204-205)
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Lied 107.
Maienlied

Im Maien, im Maien, die Vögelein singen,
Die Lämmelein auf grün Haide springen.

Sie springen und singen vor Herzliebchens Thür:
Komm doch zum Abendtänzchen herfür.

Ein Abendtänzchen, es ist nicht lang
Mit einer Schalmeien in Engelland.

Ich hoffe, sie werde bald wiederum kommen,
Der lustige Mai bringt fröhlich den Sommer.

Der fröhliche Sommer bringt frischen Klee,
Von Herzlieb Scheiden und das thut weh.

Von Herzlieb scheiden thut nimmermehr gut;
Wer soll denn trösten den Mädchen den Muth?

Das soll sich thun ein junger Gesell
Und der dem Mädchen recht wohl gefällt.

Gefällt er ihr im Herzen nicht,
So kriegt er das wacker braun Mädchen nicht.

Die Honneser Jungen tragen breite Hüt,
Darunter tragen sie das falsche Gemüth.

Die Honneser Männer gehn gern zum Wein,
Da sind die Weiber auch gern dabei;
Drum eßen die Kinder den Waßerbrei.

Den Waßerbrei, den dünnen Schlapp;
Der macht die Kinder nicht halb satt.
(S. 205-206)
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Lied 108.
Der Mai

Der Mai, der Mai, der lustige Mai,
Der kommt heran gerauschet.
Ich gieng in den Busch und brach mir einen Mai,
Der Mai und der war grune.
Faldera Bidubbedubbedubb,
Der Mai und der war grune.

Ich gieng vor Herzliebchens Fenster stehn,
Ich redt mit falscher Zungen:
Herzlieb, steh auf und laß mich ein,
Ich bringe dir den Mai von Grune.

Der Mai, den du mir bringen willst,
Den laß du mir dadraußen.
So setz ihn auf die weite breite Straß,
So wird er nicht erfrieren.

Ich setz ihn nicht auf die weite breite Straß,
Lieber wollt ich ihn begraben,
So soll das Grab auf ein anderes Jahr
Drei Rosen und eine Lilie tragen.

Trägt das Grab keine Rosen mehr,
So trägt es Mandelkerne,
Und wer ein fein Herzliebchen hat,
Der siehts von Herzen gerne.

Zu Rheindorf steht ein neues Haus,
Das ist gedeckt mit Leien
Da kommt alle Morgen mein Liebchen heraus,
Braun Nägellein sind ihre Kleider.

Sind sie nicht braun Nägellein,
So sind sie roth Scharlachen,
Und wer ein fein Herzliebchen hat,
Der kann wohl herzlich lachen.
Faldera Bidubbedubbedubb,
Der kann wohl herzlich lachen.
(S. 206-207)
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Lied 109.
Mailehen

Was steht auf unserer Lauben?
Drei Fähndelein stolz;
Ein Baum mit Haselnüßen,
Drei Fähndeldum Dähndelum Dideldumdei,
Der Liebchen und der sind zwei.

Wem wollen wir das Blöndchen geben?
Drei Fähndelein stolz.
Dem Simon wohl in dem Leben,
Drei Fähndeldum, Dähndelum, Dideldumdei,
Der Liebchen und der sind zwei.

Der soll sie auch behalten,
Drei Fähndelein stolz
Drei Tag und drei Nacht im Arme,
Drei Fähndeldum, Dähndelum, Dideldumdei,
Der Liebchen und der sind zwei.
(S. 208)
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Lied 110.
Blumen an mein Hütchen

Jungfrau, giebt mir die schneeweiße Hand
Und geht mit mir an diesen Tanz.
Blau, blau Blumen auf meinen Hut,
Hätt ich Geld und das wär gut,
Blumen an mein Hütchen.

Jungfer, ihr sollt tanzen,
Auf diesem Knubbel Lanzen.

Jungfrau, ihr sollt küssen;
Das thät die Jungfrau lüsten.

Jungfrau, ihr sollt nichen (neigen),
Das thät die Jungfrau strichen (ihr schmeicheln).

Jungfrau, ihr sollt scheiden;
Das thät der Jungfrau leide.
Blau blau Blumen auf meinen Hut,
Hätt ich Geld und das wär gut,
Blumen an mein Hütchen.
(S. 209)
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Lied 111.
Mit Fuß und Augen

Wenn alle Brünnlein fließen,
So soll man trinken.
Wenn ich mein'n Schatz nicht rufen darf, ja ja, rufen darf,
Thu ich ihm winken.

Ja winken mit den Augen
Und treten auf den Fuß,
Es sitzt eins in der Stuben,
Und die mir werden muß.

Was soll sie mir nicht werden?
Ich sehe sie so gern.
Sie hat zwei blaue Aeuglein,
Die glänzen wie zwei Stern.

Sie hat zwei rothe Bäckelein,
Sind rother als der Wein;
Ein solches Mädchen findt man nicht
Wohl unterm Sonnenschein.

"Herziger Schatz, ich bitte dich,
Ach laß mich gehen!
Denn deine Leute schmähen mich,
Ich muß mich schämen."

Was frag ich nach den Leuten,
Die mich thun schmähen?
Hei, so lieb ich noch einmal, ja ja, noch einmal
Die schönen Mädchen.
(S. 210)
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Lied 112.
Das Abendstänzchen

Ach Mutter, laßt uns schlafen gahn,
Wir haben unsre
Zum Falderidi zum Dideldumdei,
Wir haben unsre Abendsarbeit gethan.

Ich kam wohl über einen Bungert zu gahn,
Da fand ich einen w. o.
Da fand ich einen Apfel stahn.

Ich pflück ihn ab, da war er mein;
Ich legt ihn in mein
Ich legt' ihn in mein Schreinelein.

Ich schnitt ihn in der Mitte von einein,
Die Kerne sprangen,
Die Kerne sprangen weit und breit.

Sie sprangen vor Herzliebchens Thür:
Da hielten sie ein
Zum Falderidi zum Dideldumdei,
Da hielten sie ein Abendstänzchen dafür.
(S. 211)
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Lied 113.
Abendstänzchen

Ich trat auf einen Zaun und daß er kracht,
Da stand ein Herzbildchen und mich anlacht.

Ach Herzchen auf der Mauern, ach Lieb verzeih es mir,
Es ist mir kein ander lieber als du.

Die Leute klappern viel, es ist nicht wahr,
Mein Lieb schenkt mir einen Apfel in einem neuen Jahr.

Den Apfel trug ich mit mir heim,
Ich schloß ihn in ein Kistchen und das war klein.

Da lag der Apfel sieben ganzer Jahr
Und schadt dem Apfel nicht ein Haar.

Mein Lieb schenkt mir ein Meßer blank,
Da schnitt ich den Apfel und daß er sprang.

Die Kerne sprangen vor Herzliebchens Thür,
Da kam ein Abendstänzchen herfür.
(S. 212)
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Lied 114.
Abendlied

Des Abends wenn ich schlafen geh,
Dann kommt mein Schatz zu mir,
Mit einem goldnen Riegelein
Verriegelt ist die Thür.

Ach riegel nicht so feste zu,
Mein Schatz, mein Augentrost,
Ich will auch bei dir schlafen
In deinem Schooß.

Willst du auch bei mir schlafen
In meinem Schooß,
So must du draußen im Gärtchen stehn
Im grünen Gras.

Muß ich draußen im Gärtchen stehn
Im grünen Gras,
So fallen die Lilienblättchen
In meinen Schooß.

Die Blätter von den Bäumelein
Die fielen all auf mich;
Daß mich mein Schatz verlaßen hat,
Das kränket mich.

Daß mich mein Schatz verlaßen hat,
Das ist nun so,
Und wenn ichs wieder verbeßern könnt,
Des wär ich selber froh.

Auf einem Apfelbäumelein,
Da brech ich mir ein Reis,
Aus einem wackern Mägdelein,
Da mach ich mir ein Weib.

Ich hab dich also treu geliebt,
Du mich aber nicht:
Was hast du für ein falsches
Angesicht?
(S. 213-214)
_____



Lied 117.
Verlust der Liebsten

Ei Baur, laß mir die Röslein stehn,
Sie sind nicht dein,
Du trägst wohl noch von Neßelkraut
Ein Kränzelein.

Das Neßelkraut ist bitter und herb,
Es brennet sehr,
Verloren hab ich mein feines Lieb,
Das reut mich sehr.

Es reut mich sehr und thut mir
In meinem Herzen weh,
Daß ich die Herzallerliebste mein
Soll sehen nimmermeh.
(S. 216-217)
_____



Lied 118.
Haidenröslein

Es sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Haiden:
Sah, es war so frisch und schön
Und blieb stehn es anzusehn
Und stand in süßen Freuden.
Röslein Röslein Röslein roth,
Röslein auf der Haiden!

Der Knabe sprach: Ich breche dich,
Röslein auf der Haiden!
Röslein sprach: Ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Daß ichs nicht will leiden.
Röslein Röslein Röslein roth,
Röslein auf der Haiden!

Doch der wilde Knabe brach
Das Röslein auf der Haiden;
Röslein wehrte sich und stach;
Aber er vergaß darnach
Beim Genuß das Leiden.
Röslein Röslein Röslein roth,
Röslein auf der Haiden.
(S. 217)
_____



Lied 122.
Der Kuckuck als Liebesbote

Der Kuckuck auf dem Zaune saß,
Kuckuck!
Es regnet sehr und er ward naß.
Guck immer Guck immer Kuckuck.

Darnach, so kam der Sonnenschein,
Der Kuckuck der ward hübsch und fein.

Da schwang er sein Gefieder,
Wollt übern See hinüber.

Der Kuckuck breit't seine Flügel aus,
Und flog den grünen Wald gar aus.

Der Kuckuck fraß weder Laub noch Gras,
Bis er auf Goldschmieds Fenster saß.

Ach Goldschmied, lieber Goldschmied mein,
Schmied mir von Gold ein Ringelein.

Schmied mir es an die rechte Hand,
Denn ich muß fort ins fremde Land.

Der Kuckuck breit't seine Flügel aus
Und flog den Wald bald ein bald aus.

Der Kuckuck fraß weder Laub noch Gras,
Bis er auf Liebchens Fenster saß.

Gott grüß dich, liebstes Herzchen mein,
Kuckuck!
Hier schickt dein Schatz ein Ringelein.
Guck immer Guck immer Kuckuck.
(S. 221-222)
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Lied 123.
Frau Nachtigall

Nachtigall, ich hör dich singen,
Das Herz im Leib möcht mir zerspringen.
Komm nur bald und sag mirs wohl,
Wie ich mich verhalten soll.

Nachtigall, ich seh dich laufen,
Aus dem Bächlein thust du saufen,
Du tunkst dein klein Schnäblein ein,
Meinst es war der beste Wein.

Nachtigall, wo ist gut wohnen?
Bei den Linden, in den Donen,
Bei der schönsten Frau Nachtigall;
Grüß meinen Schatz viel tausendmal.

Deine Schönheit hat mich gebunden,
Ich hab deine Lieb empfunden,
Deine Lieb und Süßigkeit
Hat mir oft mein Herz erfreut.

Es freut mich mein junges Leben,
Das mit reiner Lieb umgeben;
Daß ich so viel leiden muß
Ist gewiss ein schwere Buß.

Thu dein Herz in zwei Stück theilen,
Komm zu mir, ich will dirs heilen.
Schlag die Grillen aus dem Sinn,
Laß die Lieb nur fahren hin.

Laß die Lieb nur immer fahren,
Weg mit solchem Hochmuthsnarren,
Der sich so viel bildet ein,
Meint, er wollt der Schönste sein.

Laß nur nach mit dem Stolzieren,
Du brauchst mich nicht zu vexieren,
Hast nicht Ursach stolz zu sein,
Schau nur in dein Herz hinein.

Lange hab ich still geschwiegen,
Weil du bist so hoch gestiegen:
Wer du bist, der bin auch ich;
Drum laß nach, zu lieben mich.

Hast gemeint, du wollst mich fangen,
Dieses war ja dein Verlangen;
Aber jetzt ist Alles aus,
Ich such mir einen Andern aus.
(S. 222-224)
_____



Lied 124.
Gruß

So viel Stern am Himmel stehen,
Soviel Schäflein als da gehen
In dem grünen grünen Feld,
Soviel Vöglein als da fliegen,
Als da hin und wieder fliegen,
Sovielmal sei du gegrüßt.

Soll ich dich denn nimmer sehen,
Ach, das kann ich nicht verstehen,
O du bittrer Scheidensschluß.
Wär ich lieber schon gestorben
Eh ich mir ein Lieb erworben,
Wär ich jetzo nicht betrübt.

Weiß nicht ob auf dieser Erden
Nach viel Trübsal und Beschwerden
Ich dich wiedersehen soll:
Was für Wellen, was für Flammen
Schlagen über mich zusammen,
Ach wie groß ist meine Noth.

Mit Geduld will ich es tragen,
Alle Morgen will ich sagen:
O mein Schatz, wann kommst zu mir?
Alle Abend will ich sprechen,
Wenn mir meine Aeuglein brechen:
O mein Schatz gedenk an mich.

Ja ich will dich nicht vergeßen,
Wenn ich sollte unterdessen
Auf dem Todbett schlafen ein.
Auf dem Kirchhof will ich liegen
Wie ein Kindlein in der Wiegen,
Das die Lieb thut wiegen ein.
(S. 224-225)
_____



Lied 125.
Gruß

Wenn du zu meim Schätzel kommst,
Sag, ich ließ sie grüßen;
Wenn sie fraget wie mirs geht?
Sag, auf beiden Füßen.

Wenn sie fraget, ob ich krank
Sag, ich sei gestorben,
Wenn sie an zu weinen fangt,
Sag, ich käme morgen.
(S. 225)
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Lied 126.
Keine Freude

Auf dieser Welt hab ich kein Freud,
Ich hab einen Schatz und der ist weit,
Und wenn ich mit ihm reden kunnt,
So würd mein junges Herz gesund.

Frau Nachtigall, Frau Nachtigall,
Grüß mir mein'n Schatz vieltausendmal,
Grüß ihn so hübsch, grüß ihn so fein,
Sag ihm, er soll mein eigen sein.

Und komm ich vor ein Goldschmiedshaus,
Der Goldschmied schaut zum Fenster hinaus:
Ach Goldschmied, lieber Goldschmied mein,
Schmied mir ein feines Ringelein!

Schmieds nicht zu groß, schmieds nicht zu klein,
Schmieds für ein schönes Fingerlein;
Auch schmied mir meinen Namen dran,
Es soll mein Herzallerliebster han.

Hätt ich einen Schlüßel von rothem Gold,
Mein Herz ich dir aufschließen wollt.
Ein schönes Bild das ist darein,
Mein Schatz es muß wohl deines sein.

Wär ich ein Waldkleinvögelein,
So säß ich auf dem grünen Zweig,
Und wenn ich genug gepfiffen hätt,
Flög ich zu dir mein Schatz ins Reich.

Wenn ich zwei Taubenflügel hätt,
Wollt fliegen über die ganze Welt,
Wollt fliegen über Land und Meer
Hin wo mein Herzallerliebster wär.
(S. 226-227)
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Lied 127.
Keine Freude

Auf dieser Welt hab ich kein Freud,
Ich hab einen Schatz und der ist weit,
Er ist weit über Berg und Thal,
Daß ich ihn nicht mehr sehen kann.

Ich gieng wohl über Berg und Thal,
Da sang die schöne Frau Nachtigall,
Sie sang so hübsch, sie sang so fein,
Sie sang ich sollte glücklich sein.

Als ich wohl in die Vorstadt kam,
Da stund mein Schatz schon Schildwacht da.
Ach Schatz, ach Schatz, du kränkest mich,
Mein Fleisch und Blut verwandelt sich.

Mein Schatz nahm mich zum Goldschmied ein:
Schmied meinem Schatz ein Ringelein,
Schmied es an ihre rechte Hand,
Sie soll mit mir in Sachsenland.

In Sachsenland da reis ich nicht,
Lange Kleider trag ich nicht,
Lange Kleider und spitze Schuh
Die kommen keiner Dienstmagd zu.

Mein Schatz wollt mir einen Thaler gebn,
Ich sollt mit ihm spazieren gehn.
Spazieren gehn, das wäre fein:
Behalt den Thaler und geh allein.
(S. 227-228)
_____



Lied 129.
Das erwählte Schätzchen

Ich hab mir eines erwählet
Ein Schätzlein und das mir gefällt,
Ist hübsch und fein,
Von Tugend so rein,
Fein tapfer und ehrlich sich hält.

Die Leute thun oftmals sagen,
Du hättest ein anderes Lieb;
So glaub ich es nicht
Bis daß es geschicht,
Mein Herz bleibt immer vergnügt.

Glaub nicht den falschen Zungen,
Die mir und dir nichts gunnen.
Bleib ehrlich und fromm
Bis daß ich wieder komm,
Drei Jahr gehen bald herum.

Und wenn ich dann wiederum komme,
So komm ich gleich wieder zu dir.
Dein' Aeugelein klar,
Dein schwarzbraunes Haar
Vergnügen mich ganz und gar.
(S. 227-228)
_____



Lied 130.
Das Lieben erdacht

Zum Sterben bin ich
Verliebet in dich,
Dein schwarzbraune Aeugelein
Verführen ja mich.

Bischt hier oder bischt dort
Oder sonscht an eim Ort,
Wollt wunsche könnt rede
Mit dir ai paar Wort.

Wollt wunsche, swär Nacht,
Mein Bettlein wär gmacht;
I wollt mich drein lege,
Feins Liebsche darnebe,
Wollt's herze, daß s lacht.

Mein Herz ischt verwundt,
Komm Schatzerl, mach mich gsund;
Ach 'rlaub mir zu küsse
Dein purpurrothn Mund.

Dein purpurrothr Mund
Macht Herze gesund,
Macht d'Jugend verständig,
Macht Todte lebendig,
Macht Kranke gesund.

Sonscht Kainer ischt hier,
Derselbig gfall mir,
Hätt deine braun Aeugelein,
Dein schone Manier.

Mein Mutter d'hat nu
Ain schwarzbraune Kuh:
Wer wird sie dann melke,
Wenn 'ch heirate thu?

Der das Liedl hat gemacht
Hats Lieben erdacht,
Drum wunsch ich mein feins Liebchen
Vieltausend gute Nacht.
(S. 231-232)
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Lied 131.
Die Amsel

Gestern Abend in der stillen Ruh
Hört ich im Wald der Amsel zu.
Als ich nun da saß,
Meiner ganz vergaß,
Sprach mein Schatz: Nun hab ich dich,
Komm nun her, und küsse mich.

Sie kam daher und schmeichelt mir so schön,
Ließ ihre Treuheit zärtlich sehn;
Schmieget sich um mich,
Drückt' und küsste mich
Und schwur bei ihrer Lieb, allein
Ewig mir getreu zu sein.

Ei du Schmeichlerin, sprach ich unerschreckt,
Wer hat dir meinen Aufenthalt entdeckt?
Ja im grünen Wald
Ist mein Aufenthalt,
Wo ich schon oft in meinem Sinn
Ganz vergnügt gewesen bin.

So viel Laub an Busch und Linden ist,
Sovielmal hat mich mein Schatz geküsst;
Doch ich muß gestehn,
Daß sonst nichts geschehn;
Die Amsel in dem Wald allein
Könnte meine Zeugen sein.
(S. 232-233)
_____



Lied 132.
Treue Liebe

Ach wie ists möglich dann,
Daß ich dich laßen kann!
Hab dich von Herzen lieb,
Das glaube mir.
Du hast das Herze mein
So sehr genommen ein,
Daß ich kein'n Andern lieb
Als dich allein.

Wenn mir das Glück nicht wollt,
Daß ich dein werden sollt,
So lieb ich dennoch dich,
Glaubs sicherlich.
Ich will zu jeder Zeit
Dir zu Dienst sein bereit
Bis daß ich kommen werd
Unter die Erd.

Nach meinem Tod alsdann
Nimmst du geliebter Mann
An meiner Todtenbahr
Die Inschrift wahr:
Hier liegt begraben drein,
Die dich geliebet allein,
Die dich geliebet hat
Bis an das Grab.
(S. 233-234)
_____



Lied 133.
Nach derselben Weise

Blau ist ein Blümelein,
Heißet Vergißnichtmein.
Leg es ans Herze dein
Und denk an mich.
Stirbt Blum und Hoffnung gleich,
Sind wir an Liebe reich,
Denn die stirbt nie bei mir,
Das glaube mir.

Wär ich ein Vögelein,
Wollt ich bald bei dir sein,
Scheut Falk und Habischt nicht,
Flög schnell zu dir.
Schöß mich ein Jäger todt,
Fiel ich in deinen Schooß.
Sähst du mich freundlich an,
Gern stürb ich dann.
(S. 234-235)
_____



Lied 134.
Priester als Arzt

Guten Abend, liebes Kind,
Ach wie froh, daß ich dich find.

Liebes Kind, was machest du?
Schlafest oder wachest du!

Ich schlafe nicht, ich bin sehr krank,
Ich werd es nicht mehr machen lang.

Lauft zum Priester, lauft geschwind,
Daß er uns zusammen bind.

Wenn wir dann beisammen sein,
Wird sich unser Herz erfreun.

Unser Herz und unser Sinn,
Denn du bist und bleibst mein Kind.

Deine Haar sind kirschenschwarz,
Liebe mich, mein schönster Schatz.

Deine Augen sind hell und klar,
Liebe mich noch manches Jahr.

Deine Wangen sind rosenroth,
Liebe mich bis in den Tod.

Dein Mund der ist zuckersüß,
Liebe mich an Händ und Füß.

Deine Brüst sind kugelrund,
Liebe mich aus Herzensgrund.

Deine Hände sind schneeweiß,
Liebe mich über alle Weis.

Deine Füße sind geschwind,
Liebe mich, mein liebes Kind.

Und am End ist alles aus,
Jeder geht vergnügt nach Haus.
(S. 235-236)
_____



Lied 136.
Schätzelein es kränket mich

Schätzelein, es kränket mich,
Deine Eltern leidens nicht,
Daß ich liebe dich;
Aber ich kann nicht mehr
Vergessen dich.

Es mag sein beim Trinken oder Eßen
Kann ich deiner nimmermehr vergeßen.
Es vergeht ja keine Stund,
Es vergeht kein Augenblick,
Daß ich Seufzer zu dir schick
Aus Herzensgrund.

Wenn alle Waßer wären Wein,
Und alle Berge wären Edelstein,
Und sie wären mein,
So sollte mir mein Schätzelein
Noch viel lieber sein.

Schätzelein nun zum Beschluß,
Dieweil ich von dir scheiden muß,
Von der Herzenslust,
Reich du mir dein Händelein,
Reich ich dir mein Mündelein
Zum Abschiedskuß.
(S. 238)
_____



Lied 137.
Die Verlaßene

Ach in Trauer muß ich leben,
Sag einmal, was ist die Schuld?
Weil mein Schatz mirs hat aufgeben,
Muß ichs leiden mit Geduld.

Vater und Mutter wollens nicht leiden,
Gelt, mein Schatz, das weißt du wohl.
Kannst dein Glück noch beßer machen,
Weil ich dich nicht haben soll.

Rosmarin und Lorberblätter
Schenk ich dir zu gutter Letzt,
Das soll sein das Angedenken
Weil du mich nochmals ergetzt.

Treue Liebe brennt von Herzen,
Treue Liebe brennet heiß,
Ach wie muß das Herzlein lachen,
Das von keiner Untreu weiß.

Stehn zwei schöne Stern am Himmel,
Leuchten wie das klare Gold,
Der Eine leuchtet meinem Schätzchen,
Der Andre durch das finstre Holz.

Da sind wir oft beisammen geseßen
Manche schöne halbe Nacht,
Haben manchen Schlaf vergeßen,
Und mit Lieben zugebracht.

Morgen wenn ich früh aufstehe,
Ist mein Schatz schon aufgeputzt,
Schon in Stiefeln, schon in Sporen
Reicht er mir den Abschiedskuss.

Spielet auf, ihr Musikanten,
Spielet auf eur Saitenspiel,
Meinem Schätzlein zu gefallen,
Mags verdrießen wer da will.

Bist nun weit aus meinen Augen
Aber nicht aus meinem Sinn,
Du hättest mir doch können glauben,
Daß ich treu beständig bin.

Komm ich Morgens auf die Gaße,
Sehn mich alle Leute an,
Meine Augen stehn voll Waßer,
Weil ich dich nicht vergeßen kann.
(S. 239-240)
_____



Lied 138.
Vorbedeutung

Schönster Schatz auf Erden,
Lieb ich dich ganz allein:
Ich hoff du sollst mein werden,
Mein eigen sollst du sein.

Giebst du mir Wein zu trinken,
So thu ich dir Bescheid,
Thust du mir heimlich winken,
So ist mein Herz erfreut.

All Freud ist mir benommen
Vor lauter Traurigkeit.
Ich hab meinen Schatz gesehen
In einem weißen Kleid.

Hab ich ihn heut gesehen
Und nicht mehr sehen kann,
Thut mir mein Herz so wehe,
Es brennt wie Feur und Flamm.

Glaub nicht der falschen Zunge,
Die mich so sehr veracht't:
Wer mir meinen Schatz nicht gönnet,
Dem sag ich gute Nacht.

Ich geh nicht aus dem Städtchen,
Ich geh nicht aus der Stadt
Bis ich meinen Herzallerliebsten
In meinen Armen hab.
(S. 240-241)
_____



Lied 139.
Erhörung

Heut hab ich die Wach allhier,
Schönste, vor deiner verschloßenen Thür.
Alle Flüße haben ihren Lauf
Und Niemand ist, der mit mir bleibet auf.

Hohe hohe Berge und tiefes Thal
Bin ich zu dir gegangen viel tausendmal.
Froh wollt ich sein, wenn es dir wohl ergeht,
Obwohl mein jung frisch Leben in Trauern steht.

Harfenklang und Saitenspiel
Hab ich laßen klingen so oft und so viel.
Geht es dir wohl, so denk an mich,
Geht es dir übel, so kränkt es mich.

Die Sonn und der Mond und das ganze Firmament
Die sollen mit mir trauern bis an das End.
Ach warum ließest du mich nicht ein:
Wie kannst du so unbarmherzig sein?

Unbarmherzig bin ich nicht,
Mein Vater und Mutter schlafen noch nicht:
Wenn Vater und Mutter schlafen sein,
So kannst du bei mir bleiben die ganze Nacht allein.
(S. 242)
_____



Lied 140.
Trauerbotschaft

Des Sonntag Morgens in aller Fruh,
Da kam mir eine traurige Botschaft zu,
Dieweil ich von meinen Schatz hab Abschied genommen,
Ich sollt doch noch einmal zu ihr kommen.

Und da ich zu ihr gekommen bin,
Da thät sie mir sagen in aller Still:
Ich sollt sie nicht verlaßen in aller ihrer Noth,
Ich sollt sie treulich lieben bis in den Tod.

Schau an mein bleiches Angesicht,
Schau an wie die Lieb es hat zugericht't.
Kein Feuer auf Erden mag brennen so heiß
Als heimliche Liebe, da Niemand von weiß.

Ich hab einen Schatz, und den muß ich meiden,
Muß von ihm gehn, kein Wort mit ihm reden.
Und hätt ich ein Herz viel härter als Stein,
So könnt ich doch nimmer wieder fröhlich sein.

Disteln und Dornen, die stechen ja so sehr,
Aber falsche Zungen, die stechen noch viel mehr.
Lieber wollt ich gehn, wo Disteln und Dornen stehn
Als wo zwei falsche Zungen beisammen gehn.

Mit Trauern da muß ich schlafen gehn,
Mit Trauern muß ich wieder auferstehn;
Mit Weinen und Klagen vertreib ich meine Zeit,
Dieweil ich nicht kann haben was mein Herz erfreut.

Nun bitt ich, du wollst bei meinem Begräbniss sein,
Und wollst mich auch legen ins Grab hinein;
Und wollst mich helfen tragen ins kühle Grab,
Dieweil ich dich so treulich geliebet hab.

Unter meinem Herzen da liegt ein großer Stein,
Darunter liegt begraben die Herzallerliebste mein.
Läg ich nur auch schon im kühlen Grab
Bei der, die ich so treulich geliebet hab.
(S. 243-244)
_____



Lied 141.
Zum Abschied

Ade galantes Mägdelein,
Könnt ich noch einmal bei dir sein
Wohl um zu küssen deinen rothen rothen Mund,
So würde mein jung frisch Herz gesund.

Ach du süßer Zuckermund,
Wie oft hast du mein junges Herz verwundt,
Hast mir es verwundt, verwundt bis in den Tod:
So steht mein junges Herz in großer Noth.

Nun Ade und ich muß fort,
Ich muß mich begeben an ein ander Ort,
Ich muß mich begeben zu Waßer und zu Land;
In Ehren marschieren ist Niemand Schand.

Könnt ich krähen als wie ein Hahn,
Könnt ich schwimmen als wie ein Schwan,
So wollt ich schwimmen wohl über den Rhein
Zu der Herzallerliebsten mein.

Wären alle Berge Carfunkelstein,
Alle Sterne sollten Schreiber sein,
So ließ ich schreiben ein Briefelein
Zu der Herzallerliebsten mein.
(S. 244-245)
_____



Lied 142.
Der treue Knabe

Es war einmal ein feiner Knab,
Der liebt sein Schätzlein sieben Jahr.

Sieben Jahr und noch viel mehr,
Die Lieb die nahm kein Ende mehr.

Da fuhr der Knab ins Niederland,
Indem ward ihm sein Herzlieb krank.

Es war so krank bis in den Tod,
Drei Tag drei Nacht sprach sie kein Wort.

Und als der Knab die Botschaft kriegt,
Daß sein Herzlieb am Sterben liegt,

Verließ er gleich sein Haus und Gut,
Wollt sehn was sein Herzliebchen thut.

Er gieng auf ihr Schlafkämmerlein:
Wie gehts, wie stehts mein Schätzelein?

Gott Dank, Gott Dank mein feiner Knab,
Mit mir wirds heißen bald, ins Grab.

Ach nein ach nein, nicht so geschwind,
Dieweil wir zwei Verliebte sind.

Ach nein, ach nein Herzliebste mein,
Die Lieb und Treu muß länger sein.

Er nahm sein Lieb wohl in den Arm,
Sie ward ihm kalt und nimmer warm.

Geschwind, geschwind bringt mir ein Licht,
Sonst stirbt mein Schatz, das Niemand sicht.

Er rief und schrie aus heller Stimm:
Ach Gott, laß mir mein Engelskind.

Er rief und schrie aus heller Stimm:
Jetzt ist mein Freud und Alles hin.

Und als das Mädchen gestorben war,
Er legt es auf die Todtenbahr.

Man trug es heraus und nimmer herein,
Man trug es zu dem Kirchhof ein.

Er ließ sich machen ein schwarzes Kleid,
Darunter trug er groß Herzeleid.

Sieben Jahr und noch viel mehr,
Sein Trauern nahm kein Ende mehr.

Groß Herzeleid, groß Traurigkeit,
Gott tröst die Seel in Ewigkeit!
(S. 245-246)
_____



Lied 143.
Sterben ist harte Buß

Sterben ist ein harte Buß;
Weiß wohl daß ich sterben muß,
Und ein Röslein rosenroth
Pflanzt mein Schatz nach meinem Tod.

Wenn ich mal gestorben bin,
Wo begräbt man mich dann hin?
Schau nur in den Kirchhof nein,
Da wird noch ein Plätzchen sein!

Wachsen schöne Blümlein raus,
Geben dir ein'n schönen Strauß.
Ach, was hilft ein Röslein roth,
Wenn es blüht nach Liebes Tod!

Dort hinein und nicht hinaus
Trägt man mich ins Grabeshaus.
Habs gesehen in der Nacht,
Hats ein Traum mir kund gemacht.

Auf den Kirchhof wollt ich gehn,
Thät das Grab schon offen stehn;
Ach, das Grab war schon gebaut,
Hab es traurig angeschaut.

War wohl sieben Klafter tief,
Drinnen lag ich schon und schlief;
Als die Glock hatt ausgebraust
Giengen unsre Freund nach Haus.

Sterben ist ein harte Pein,
Wenns zwei Herzallerliebste sein,
Die des Todes Sichel scheidt;
Das ist wohl das gröste Leid.

Denn was hilft ein Blümelein,
Wenn es heißt: ins Grab hinein;
Ach, was hilft ein Röslein roth,
Wenn es blüht nach Liebes Tod.
(S. 247-248)
_____



Lied 144.
Mädchen wie Corallen

So hat Gott die Welt erschaffen,
Anders konnt er es nicht machen;
Ists einmal im Herzen drin,
Gehts so bald nicht aus dem Sinn.

Auf dem See da schwimmt ein Schwanen,
Schwarzbraunes Mädchen wie Corallen;
Mädchen, wie bist du so schön gestalt
Gleich wie die Rosen blühen in dem Wald.

Rosen blühen, sie müßen verderben,
Mensch gedenk, du must einmal sterben.
Dann kommt der Tod, der die Lieb zerbricht,
Nimmt hinweg dein schönes Angesicht.

Auf dem Grabstein kann man lesen:
Der hier liegt ist mein Schatz gewesen.
Der hier liegt in Verwesenheit,
Mein Herz kann nicht vergeßen sein.
(S. 248)
_____



Lied 145.
Liebesklagen

In Trauern und Unruh
Bring ich mein Leiden zu.
Ich mag schlafen oder wachen,
Machst du mir viel zu schaffen:
Sind zwar die Augen zu,
Hat doch das Herz nicht Ruh.

Du sagst, du liebest mich,
Das Widerspiel seh ich.
Einen Andern thust du lieben,
Mich suchst du zu betrüben:
Drum sag es mir nicht mehr,
Daß du mich liebst so sehr.

Ich wünscht, ich läg und schlief
Viel tausend Klafter tief
Im Schooß der kühlen Erden,
Weil du mir nicht kannst werden,
Ich nichts zu hoffen hab
Als nur das kühle Grab.

Komm, Erde, deck mich zu,
Sonst find ich keine Ruh,
Vertilge meinen Namen,
Lösch aus die Liebesflammen,
Die heiße Liebesgluth,
Die ewig brennen thut.
(S. 249)
_____



Lied 146.
Erfüllung

Wohl heute noch und morgen,
Da bleib ich, Lieb, bei dir.
Wenn aber kommt der dritte Tag,
So muß ich fort von hier.

Wann aber kommst du wieder,
Herzallerliebste mein,
Und brichst die rothen Rosen,
Und trinkst den kühlen Wein?

Wenns schneiet rothe Rosen,
Wenns regnet kühlen Wein;
So lang sollst du noch warten,
Herzallerliebste mein!

Gieng sie in Vaters Garten,
Legt nieder sich, schlief ein,
Da träumet ihr ein Träumelein
Wies regnet kühlen Wein.

Und als sie da erwachte,
Da war es lauter Nichts,
Da blühten wohl die Rosen
Und blühten über sie.

Ein Haus thät sie sich bauen
Von lauter grünem Klee,
Thät aus zum Himmel schauen
Wohl nach dem Rosenschnee.

Mit gelb Wachs thät sies decken,
Mit gelber Lilie rein,
Daß sie sich könnt verstecken,
Wenns regnet kühlen Wein.

Und als das Haus gebauet war,
Trank sie den Herrgottswein;
Ein Rosenkränzlein in der Hand
Schlief sie darinnen ein.

Der Knabe kehrt zurücke,
Geht zu dem Garten ein,
Trägt einen Kranz von Rosen
Und einen Becher Wein.

Hat mit dem Fuß gestoßen,
Wohl an das Hügelein,
Er fiel, da schneit' es Rosen,
Da regnets kühlen Wein.
(S. 250-251)
_____



Lied 147.
Abschied

So wünsch ich ihr eine gute Nacht,
Bis der ich war alleine;
Ein freundlich Wort sie zu mir sprach,
Da wir uns sollten scheiden:
Scheid nicht mit Leid,
Gott weiß die Zeit,
Die Wiederkehr bringt Freuden.

Da ich am jüngsten bei ihr war,
Ihr Antlitz sah ich röthen,
Sie sah mich Knaben freundlich an
In unsern Scheidenöthen.
Mein liebes Herz,
Scheiden bringt Schmerz;
Ich bins wohl inne worden.

Das Mägdlein an der Zinne stand,
Fieng kläglich an zu weinen,
Gedenk daran, du junger Knab,
Laß mich nicht lang alleine.
Kehr wieder bald,
Mein Aufenthalt,
Lös mich aus schweren Träumen.

Der Knab wohl über die Haide ritt,
Er warf sein Rösslein herumme.
Nun gesegne dich Gott, mein schönes Lieb,
Kehr deine Red nicht umme.
Beschert Gott Glück,
Geh nicht zurück,
Du bist meines Herzens Krone.

Und der uns dieses Liedchen sang,
Von neuem hat gesungen,
Das hat gethan ein freier Knab,
Es ist ihm wohlgelungen.
Er singt uns das,
Dazu noch baß:
Hats Mädchen überkommen!
(S. 251-252)
_____



Lied 148.
Wie weh thut Scheiden

Ach Gott, wie weh thut Scheiden!
Hat mir mein Herz verwundt;
So trab ich über die Haiden
Und traur zu aller Stund.
Der Stunden der sind allsoviel,
Mein Herz trägt heimlich Leiden,
Wiewohl ich oft fröhlich bin.

Hatt mir ein Gärtlein bauet
Von Veil und grünem Klee,
Ist mir zu früh erfroren,
Thut meinem Herzen weh;
Ist mir erfroren bei Sonnenschein
Ein Kraut Jelängerjelieber,
Ein Blümlein Vergißnitmein.

Das Blümlein das ich meine,
Das ist von edler Art,
Ist aller Tugend reine;
Ihr Mündlein, das ist zart.
Ihr Aeuglein, die sind hübsch und fein;
Wenn ich an sie gedenke,
Wie gern wollt ich bei ihr sein!

Sollt mich meines Buhlen erwegen
Wie oft ein Andrer thut,
Sollt führen ein fröhlich Leben,
Dazu einen leichten Muth,
Das kann und mag doch nicht so sein;
Gesegne dich Gott im Herzen,
Es muß geschieden sein.
(S. 253)
_____



Lied 149.
Abschiedslied

Jetzt kauf ich mir ein Fähnlein an meinen Degen
Und ein Sträußlein auf meinen Hut,
Kauf mir ein Tüchlein in meine Tasche
Für meine Aeugelein abzuwaschen
Weil ich von dir scheiden muß.

Jetzt zieh ich fort in fremde Lande,
Schönster Schatz, vergiß mein nicht.
Trink mit mir ein Gläschen mit Weine,
Meine Gesundheit wie die Deine,
Schatz weil ich von dir scheiden muß.
(S. 254)
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Lied 150.
Die Gnade kannst du haben

Straßburg, Straßburg muß ich laßen,
Straßburg ist eine schöne Stadt,
Und darin muß ich verlaßen
Meinen auserwählten Schatz.

Schönster Schatz, es thut mich kränken
Tausendmal in Einer Stund;
Wenn ich nur die Gnad könnt haben,
Dir zu küssen deinen Mund.

Ja die Gnad kannst du wohl haben,
Mir zu küssen meinen Mund,
Wenn du mir getreu willst bleiben
Bis zur letzten Viertelstund.

Saßen einst zwei Turteltäubchen
Dort auf einem dürren Ast:
Wo sich zwei Verliebte scheiden,
Da verwelket Laub und Gras.
(S. 254-255)
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Lied 151.
Wenn ich komm, wenn ich komm

Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus,
Und du mein Schatz bleibst hier?
Wenn i komm, wenn i komm, wenn i widerum komm
Kehr i ein, mein Schatz, bei dir.
Kann i gleich nit alleweil bei dir sein,
Han i doch ein Freud an dir.
Wenn i komm, wenn i komm, wenn i wiederum komm
Kehr i ein, mein Schatz, bei dir.

Wie weinst, wie du weinst, daß i wandern muß
Wie wenn d' Lieb jetzt wär vorbei;
Sind au draus, sind au draus der Mädele viel
Lieber Schatz, i bleib dir treu.
Denk du nit, wenn i en Andere seh,
No sei mein Lieb vorbei.
Sind au draus, sind au draus der Mädele viel
Lieber Schatz, i bleib dir treu.

Uebers Jahr, übers Jahr, wenn mer Träubele schneidt
Stell i mi wiederum ein.
Bin i dann, bin i dann dis Schätzele noch
So soll die Hochzeit sein.
Uebers Jahr, da ist mein Zeit vorbei,
Da gehör i mein und dein;
Bin i dann, bin i dann dis Schätzele noch,
So soll die Hochzeit sein.
(S. 255-256)
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Lied 152.
Lieben ist gut

Lieben, Lieben das ist gut,
Wer es recht verstehen thut;
Wer es aber nicht recht kann,
Der muß Lehre nehmen an.

In dem Walde singt ein Vogel,
Das ist eine Nachtigall.
Nachtigall, Nachtigall,
Grüß mein'n Schatz vieltausendmal.

Auf dem Berg da springt ein Waßer:
Wär es lauter kühler Wein!
Kühler Wein, kühler Wein:
Schätzlein, könnt ich bei dir sein!

In dem Waßer schwimmt ein Fisch:
Glücklich ist der vergißt,
Der vergißt, der vergißt
Was nicht mehr zu ändern ist.

Schätzlein, reich mir deine Hand,
Deine Hand zum Unterpfand.
Zum Beschluß einen Kuss,
Weil ich von dir scheiden muß.

Scheiden ist ein hartes Wort,
Du bleibst hier und ich muß fort.
Weit und breit ist die Zeit,
Breiter viel die Ewigkeit.

Wenn wir uns dann nicht mehr sehn,
Bleibt doch unsre Freundschaft stehn,
Freundschaft stehn, Freundschaft stehn,
Bis wir uns denn wiedersehn.
(S. 256-257)
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Lied 153.
Soldatenliebe

Schätzlein, sag mir für gewiss,
Warum du traurig bist?
Hast du einen Andern auf deiner Seite,
Der dir viel lieber ist?

"Einen Andern hab ich nicht,
Doch dich nehmen darf ich nicht."
So geh nur weiter
Und werd ein Reiter.
Daß ich dich nicht wiederseh.

Wenn ich ein Reiter bin,
Schreib ich dir einen Brief hierhin,
Drin laß ich dich grüßen,
Auf daß du sollst wißen,
Daß dein Schatz ein Reiter ist.

Straßburg ist eine schöne Stadt,
Wo man viel Soldaten hat.
Da hört man das Trommeln, das Pfeifen, das Spielen,
So heißt es, wir müßen in das deutsche Land marschieren,
Wohl in das deutsche Niederland.

Hamburg ist eine schöne Stadt
Wo mein Schatz gewohnet hat
Da muß ich nun wandern auf fremden Straßen
Und muß meinen Schatz einem Andern überlaßen.
Ach Gott, wie hart ist das,
Wenn man kein'n Schatz mehr hat!
(S. 258)
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Lied 154.
Die Mühle

Da droben auf jenem Berge,
Da steht ein goldnes Haus,
Da schauen alle Morgen
Drei schöne Jungfrauen heraus.

Die Eine heißt Susanne,
Die andre Annemarei,
Die dritte darf ich nicht nennen,
Die soll mein eigen sein.

Da drunten in jenem Thale,
Da treibt das Waßer ein Rad,
Das malet nichts als Liebe
Von Morgen bis Abend spat.

Das Rad das ist zerbrochen,
Die Lieb hat doch kein End.
Wenn zwei Herzliebchen scheiden,
So reichens einander die Händ.

Ach Scheiden, ach Scheiden!
Wer hat doch das Scheiden erdacht!
Der hat mein jung frisch Leben
Von Freude zur Trauer gebracht.

Und soll ich einsmals scheiden,
Wo begräbt man mich dann hin?
In meines Liebchens Garten,
Wo rothe Röslein stehn.

Und sind es keine Röslein
So ists Muscatenkraut,
Du hast mir die Treu versprochen,
So bist du meine Braut.

Es ist kein Röslein so rosenroth,
Es sitzt ein Würmchen darin,
Kein Mädchen von achtzehn Jahren,
Es hat einen falschen Sinn.

Hier hat das Lied ein Ende,
Es hats ein Müller erdacht
Den hat des Ritters Töchterlein
Vom Lieben zum Scheiden gebracht.
(S. 259-260)
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Lied 155.
Abschied

Schätzchen ade!
Scheiden thut weh.
Weil ich denn Scheiden muß,
So gieb mir einen Kuss.
Liebchen ade!
Scheiden thut weh.
(S. 260)
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Lied 156.
Drei Reiter am Thor

Es ritten drei Reiter am Thor hinaus,
Ade!
Feinsliebchen schaute zum Fenster hinaus.
Ade!
Und soll es denn geschieden sein,
So reich mir dein goldenes Ringelein,
Ade, Ade, Ade!
Ja Scheiden und Meiden thut weh.

Goldringlein reichen und das thut weh,
Ade!
Wir beide wir scheiden uns nimmermeh,
Ade!
Es scheidet so manches Mündlein roth,
Und der uns scheidet, das ist der Tod.
Ade, Ade, Ade!
Ja Scheiden und Meiden thut weh.

Es scheidet so manches Kind aus der Wiegn,
Ade!
Wann werd ich mein schwarzbraunes Mädel doch kriegn?
Ade!
Und ist es nicht morgen und ist es nicht heut,
Es macht uns allbeiden doch große Freud.
Ade, Ade, Ade!
Ja Scheiden und Meiden thut weh!
(S. 261)
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Lied 157.
Jungbrunnen

Bei meines Buhlen Haupte
Da steht ein goldner Schrein,
Darinnen liegt verschloßen
Das junge Herze mein.
Wollt Gott, ich hätt den Schlüßel,
Ich würf ihn in den Rhein,
Wär ich bei meinem Buhlen,
Wie möcht mir beßer sein?

Bei meines Buhlen Füßen
Da fließt ein Brünnlein kalt,
Und wer des Brünnleins trinket,
Der jungt und wird nicht alt.
Ich hab des Brünnleins trunken
So manchen stolzen Trunk;
Viel lieber wollt ich küssen
Meines Buhlen rothen Mund.

In meines Buhlen Garten
Da stehn zwei Bäumelein,
Das eine trägt Muscaten,
Das andere Nägelein.
Muscaten die sind süße,
Die Nägelein sind räß,
Die geb ich meinem Buhlen,
Daß er mein nicht vergeß.

Zu Dienst sei dieß gesungen
Der Allerliebsten mein,
Ihre Lieb hat mich bezwungen,
Ich kann ihr feind nicht sein.
Dieweil ich hab das Leben,
Das glaub sie mir fürwahr,
Will ich sie nicht aufgeben,
Und lebt ich tausend Jahr!

Und der uns diesen Reihen sang,
So wohl gesungen hat,
Das haben gethan zwei Hauer
Zu Freiburg in der Stadt;
Sie haben so wohl gesungen
Bei Meth und kühlem Wein;
Dabei da ist geseßen
Der Wirthin Töchterlein.
(S. 262-263)
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Lied 158.
Abschied

Morgen muß ich weg von hier
Und muß Abschied nehmen.
O du allerschönste Zier,
Scheiden das bringt Grämen.
Da ich dich so treu geliebt
Ueber alle Maßen
Soll ich dich verlaßen.

Wenn zwei gute Freunde sind,
Die einander kennen,
Sonn und Mond bewegen sich
Ehe sie sich trennen.
Noch viel größer ist der Schmerz,
Wenn ein treu verliebtes Herz
In die Fremde ziehet.

Dort auf jener grünen Au
Steht mein jung frisch Leben:
Soll ich denn mein Leben lang
In der Fremde schweben?
Hab ich dir was zu Leid gethan,
Halt ich um Verzeihung an,
Denn es geht zu Ende.

Küsset dir ein Lüftelein
Wangen oder Hände,
Denke, daß es Seufzer sei'n,
Die ich zu dir sende.
Tausend schick ich täglich aus,
Die da wehen um dein Haus
Weil ich dein gedenke.
(S. 263-264)
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Lied 159.
Abschiedsklage

Insbruck, ich muß dich laßen,
Ich fahr dahin mein Straßen
In fremde Land dahin;
Mein Freud ist mir genommen,
Die ich nicht mag bekommen
Wo ich im Elend bin.

Groß Leid muß ich jetzt tragen,
Das ich allein thu klagen
Dem liebsten Buhlen mein;
Ach Lieb, nun laß des Armen
Im Herzen dich erbarmen,
Daß ich muß dannen sein!

Mein Trost ob allen Weiben!
Dein thu ich ewig bleiben,
Stät, treu, in Ehren fromm;
Nun müß dich Gott bewahren,
In aller Tugend sparen
Bis daß ich wiederkomm.
(S. 264-265)
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Lied 160.
Abschiedsständchen

Entlaubet ist der Walde
Gen diesem Winter kalt,
Beraubet werd ich balde
Meins Liebs, das macht mich alt.
Daß ich die Schön muß meiden,
Die mir gefallen thut,
Bringt mir manchfältig Leiden,
Macht mir einn schweren Muth.

Läßt du mir nichts zur Letze,
Mein fein braun Mägdelein,
Das mich dieweil ergetze,
Da ich von dir muß sein?
Hoffnung muß mich ernähren,
Nach dir sonst werd ich krank,
Thu bald herwieder kehren,
Die Zeit ist mir zu lang.

Sei weis, laß dich nicht affen!
Der Klaffer sind so viel;
Halt dich gen mir rechtschaffen!
Treulich dich warnen will.
Hüt dich vor falschen Zungen,
Darauf sei wohl bedacht,
Sei dir, schöns Lieb, gesungen
Zu einer guten Nacht.
(S. 265-266)
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Lied 161.
Der Baum im Odenwald

Es steht ein Baum im Odenwald,
Der hat viel grüne Aest,
Da bin ich schon viel tausendmal
Bei meinem Schatz gewest.

Da sitzt ein schöner Vogel drauf,
Der pfeift gar wunderschön,
Ich und mein Schätzchen horchen auf,
Wenn wir selbander gehn.

Der Vogel sitzt in seiner Ruh
Wohl auf dem höchsten Zweig.
Und schauen wir dem Vogel zu,
So pfeift er alsogleich.

Der Vogel sitzt in seinem Nest
Wohl auf dem grünen Baum;
Ach Schätzchen bin ich bei dir gwest,
Oder ist es nur ein Traum?

Und als ich wiedrum kam zu ihr,
Gehauen war der Baum,
Ein andrer Liebster stand bei dir:
O du verfluchter Traum!

Der Baum, der steht im Odenwald
Und ich bin in der Schweiz,
Da liegt der Schnee und ist so kalt,
Das Herz es mir zerreißt.
(S. 266-267)
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Lied 162.
Die drei Röselein

Jetz gang i ans Brünnele,
Trink aber nit,
Da such i mein herztausige Schatz,
Findn aber nit.

Jetzt loß i mein Aeugele
Um und um gehn,
Do seh i mein herztausige Schatz,
Bei nem Andern stehn.

Bei nem Andern sehn stehn,
Ach das thut weh!
Jetzt bhüt di Gott, herztausige Schatz
Dich seh i nimmer meh.

Jetz kauf i mir Dinte
Un Feder un Papier
Un schreib meim herztausige Schatz,
Einen Abschiedsbrief.

Jetz leg i mi nieder
Aufs Heu un aufs Moor,
Do falle drei Rösele
In meinen Schooß.

Und diese drei Rösele
Sin rosenroth,
Jetzt weiß i nit, lebt mein Schatz
Oder ist er todt.
(S. 267-268)
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Lied 163.
Nächten und heute

Nächten, da ich bei ihr was,
Schwatzten wir dann dieß, dann das,
Auch sehr freundlich zu mir saß,
Sagt, sie lieb mich ohn all Maaß.

Nächten, da ich von ihr scheid,
Freundlich wir uns herzten beid,
Mir verhieß bei ihrem Eid,
Mein zu sein in Lieb und Leid.

Nächten, da ich von ihr gieng,
Sie gar freundlich mich umfieng,
Dazu ferne mit mir gieng,
Gar sehr gut war alles Ding.

Heute, da ich zu ihr kam,
War ihr alles widerzam,
Bös Bescheid ich da bekam,
Must abziehn mit Spott und Scham.
(S. 268-269)
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Lied 164.
Rosenthal

Wer will mit in den Rosenthal gehn,
Allwo die Rosen am Schönsten stehn?
Stehn der Rosen im Garten soviel,
Kann man brechen wo man will.

Haben wie Rosen beisammen geseßen,
Du bist mein Schatz, mein Engel gewesen;
Hätt mir nicht gebildet ein,
Daß mein Schatz so falsch könnt sein.

Hört ihr nicht den Jäger blasn,
In dem Wald auf grünem Wasen?
Den Jäger mit dem grünen Hut,
Der meinen Schatz verführen thut?
(S. 269)
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Lied 165.
Der Abschied im Korbe

So fahr nur hin du Stolze!
Was hab ich dir gethan,
Daß du an mir vorbeigehst
Und schaust mich gar nicht an?
Du schlägst ja deine Augen
Vor meinen zu der Erd
Als wenn ich deines Gleichen
Niemals gewesen wär.

Wärst du nicht hergekommen,
Hätt nicht geschickt nach dir,
Es giebt noch andre Frommen,
Die wohl gefallen mir.
Reich und schön, das bist du nicht,
Das weist du selber wohl,
Ja wahrlich deines Gleichen
Bekommt man überall.

Der Abschied ist geschrieben,
Das Körbchen ist gemacht,
Wärst du mir treu geblieben,
Ich hätt nicht falsch gedacht.
So nimm das Körbchen in die Hand
Und leg den Abschied bei:
Hinfüro sei geschieden
Aus falscher Lieb und Treu.
(S. 270)
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Lied 166.
Ade mein Schatz

Ich kann und mag nicht fröhlich sein;
Wenn andre schlafen
So muß ich wachen,
Muß traurig sein.

"Warum must du denn traurig sein?
Wenn sie dich fragen,
So sollst du sagen
Schatz, du bist mein."

"Du bist mein und ich bin dein,
Im Rosengarten
Will ich dein warten,
Im grünen Klee."

Darfst mein nicht warten, bin viel zu schlecht,
Frei dir 'ne Reiche,
Die deines Gleichen,
Wies erb und recht.

"Ich freie nicht nach Geld und Gut,
An Gottes Segen
Ist alles gelegen,
Wers glauben thut."

Wers glauben thut, der ist nicht hie,
Ist weggenommen
Wird wieder kommen
Spät oder früh.

Kommt er denn nicht zur rechten Zeit
Will ich ihn meiden;
So sind wir Beiden
Geschiedne Leut.

Geschiedne Leut bis an das Grab,
Die rothen Rosen,
Die rothen Rosen,
Sie fallen ab.

Ade mein Schatz, ich muß nun fort,
Ich muß dich meiden,
Von dir abscheiden
An andern Ort.

Wer hat denn dieses Lied erdacht?
Zwei Goldschmiedsjungen
Die habens gesungen
Zur guten Nacht.
(S. 271-272)
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Lied 167.
Der letzte Abend

Wenn ich an den letzten Abend gedenk,
Als ich Abschied von dir nahm. -
Der Mond schien so hell, und ich must scheiden von dir;
Doch mein Herz bleibt stäts bei dir.

Mein Vater hat gesagt, ich soll 'ne Reiche nehmen,
Die soll haben viel Silber und Gold:
Viel lieber will ich in der Armut schweben,
Als daß ich dich verlaßen sollt.

Großer Reichthum bringt uns keine Ehr,
Groß Armut keine Schand.
Ei so wollt ich, daß ich tausend Thaler reicher wär
Und hätt dich an meiner Hand.

Ei wie ist die Armut so sehr veracht,
Man stellt sie hinter die Thür,
Ja wenn ich tausend Thaler reicher wär,
Dann zög man mich herfür.

Ich gedenke noch einmal reich zu werden,
Aber nicht an Geld und Gut:
Ja wenn ich die himmlische Freud erwerbe,
Dann bin ich wohl reich genug.
(S. 272-273)
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Lied 169.
Wenn ich ein Vöglein wär

Wenn ich ein Vöglein wär
Und auch zwei Flügel hätt,
Flög ich zu dir:
Weils aber nicht sein kann,
Bleib ich allhier.

Bin ich gleich weit von dir,
Bin ich doch im Traum bei dir
Und red mit dir;
Wenn ich erwachen thu,
Bin ich allein.

Es vergeht keine Stund in der Nacht,
Daß nicht mein Herz erwacht
Und an dich denkt,
Wie du mir vieltausendmal
Dein Herz geschenkt.
(S. 273-274)
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Lied 170.
Wenn ich ein Vöglein wär

Wenn ich ein Vöglein wär,
Wollt ich fliegen über das Meer,
Schönster Schatz zu dir,
Dieweil du bist weit von mir
Und ich von dir.

Des Nachts beim Mondenschein
Sitzt die schöne Frau Nachtigall fein
Auf 'ner Dörnerspitz.
Sie lacht mir meine Reden aus,
Bis ich komm nach Haus.

Wenn ich dann zu Hause bin
Liegt mir mein Schätzlein im Sinn,
Das thut mir leid.
Ich wollt, ich könnte bei dir sein,
Das wär meine Freud.

Viele Stunden sind in der Nacht,
Daß ich an mein Lieb hab gedacht,
Und er nicht an mich;
Ja viel hunderttausendmal
Denk ich an dich.

Schönster Schatz, du weist es wohl,
Daß ich dich nicht mehr lieben soll,
Das kränket mich;
Dieweil es alle Leut verdrießt,
Drum lieb ich dich.

Schätzlein sag mir bei deiner Pflicht,
Warum du so traurig bist
Und redest nicht.
Könnt ich dir es auserzählen,
Wie mich meine Eltern quälen,
Daß ich meide dich!

Weil es deine Eltern sein,
Deine Geschwister nicht zufrieden sein,
So betrübt es mich.
Von dir laß ich nicht mehr ab
Bis in das Grab.
(S. 274-275)
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Lied 168.
Augentrost

Schönster Schatz, mein Augentrost,
Hast meiner ganz vergeßen?
Du hast mir ja die Treu versagt,
Hast mir das Herz so schwer gemacht,
So scheinbarlich vergeßen.

Als ich dich sah zum erstenmal,
Da hast du mir gefallen,
Da dacht ich in dem Herzen mein:
Wer mag das schöne Kind wohl sein,
Wo mag sie sich aufhalten?

Als ich es recht erfahren hätt,
Wo sie sich thät aufhalten,
Da drückt' ich sie an meine Brust,
Da war sie voller Liebeslust:
An dich will ich mich halten.

Des Abends wenn ich schlafen geh,
Denk ich an jene Stunde,
Denk ich der Allerliebsten mein:
Wo wird mein Schatz, mein Engel sein,
Die ich so treulich liebe?

Des Morgens wenn ich früh aufsteh,
Die Sonn geht auf mit Stralen,
Seh ich mein Schatz schneeweiß gekleidt,
So hüpft mein Herz vor lauter Freud,
Vor lauter Lieb und Freude.

Die Leut sind schlimm, sie reden viel,
Das wirst du Schatz wohl wißen.
Und wo Ein Herz das Andre liebt,
Und keines eine Falschheit übt,
Das thut die Leut verdrießen.

Ich trag einen Ring an meiner Hand,
Darinne steht mein Name,
Wenn es von Gott verordnet ist,
So kommen wir zusammen.

Der große Gott im Himmelreich,
Der alles thut regieren,
Der Himmel und Erd erschaffen hat
Wird uns zusammen führen.

So wünsch ich dir tausend gute Nacht
Und alles Wohlergehen,
Einen süßen Schlaf, eine sanfte Ruh,
Einen angenehmen Traum dazu;
Nach Hause muß ich gehen.
(S. 276-277)
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Lied 171.
Thränentrank

Die ganze Nacht hab ich gestanden,
Die ganze Nacht hab ich gewacht;
Ach Schatz, wie hast du fest geschlafen,
Hast mein Anklopfen nicht bedacht!

"Hast du was Heimliches mit mir zu sprechen,
Komm morgen früh am hellen Tag."
Am hellen Tag darf ich nicht kommen,
Da sind der falschen Klaffer so viel:
Sie thun mir nachreden mit falscher Zungen,
Das mein jung Herz nicht haben will.

Ach Schätzlein, wenn du nicht mein kannst werden,
So will ich ein Schildchen laßen malen wie du,
Das will ich tragen in meiner Taschen,
Und will es küssen Tag und Nacht.

In meines Vaters Garten will ich mich geben,
Allda sind auch viel Würzelein:
Dieß soll all meine Speise sein, die ich genieße,
Und all mein Trank sollen Thränen sein.
(S. 277-278)
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Lied 172.
Vergebliche Warnung

Ich hatte mein Herzliebchen
So lange nicht gesehn.
Ich sah sie gestern Abend
Wohl vor der Thüre stehn.

Sie sagt, ich sollt sie küssen,
Die Mutter sollts nicht wißen;
Die Mutter wards gewahr,
Daß Jemand bei ihr war.

Ei Tochter, willst du freien
Das wird dich bald gereuen,
Gereun wird es dich.

Wenn andre junge Mädchen
Mit ihren Kamerädchen
Wohl auf den Tanzboden gehn,

Dann must du junges Weibchen
Mit deinem zarten Leibchen
Wohl an der Wiege stehn.

Must singen Liralämmchen,
Schlaf ein, mein liebes Männchen,
Thu deine Aeuglein zu.

Hättst du nicht eingelaßen
Den Schreiber von der Straßen,
Den Schreiber von dem Schloß! -
"Die Liebe war zu groß."

"Ach hätt das Feuer nicht so gebrannt,
Wir wären nicht so nah bekannt;
Das Feuer brennet sehr,
Die Liebe noch viel mehr."

"Das Feuer kann man löschen,
Die Liebe nicht vergeßen,
Ja nun und nimmermehr."
(S. 278-279)
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Lied 173.
Erfahrung

Wenn ich schon keinn Schatz mehr hab,
Werd ich schon einn finden,
Ich gieng das Gäßlein auf und ab
Bis an die Linden.

Als ich an die Linde kam
Stand mein Schatz darneben:
Grüß dich Gott, herztausiger Schatz,
Wo bist du gewesen?

Wo ich gewesen bin,
Darf ich dir wohl sagen:
Ich bin gewesen in fremdem Land,
Hab auch was erfahren.

Was du erfahren hast,
Kannst du mir wohl sagen.
Ich hab erfahren, was lieben heißt:
Bei dir schlafen.

Bei mir schlafen kannst du wohl,
Will es dir nicht wehren,
Aber nur, herztausiger Schatz,
Aber nur in Ehren.

Zwischen Berg und tiefem Thal
Saßen auch zwei Hasen,
Fraßen ab das grüne Gras
Bis auf den Rasen.

Als sie satt gefreßen warn,
Legten sie sich nieder.
Grüß Gott, herztausiger Schatz,
Jetzt komm ich nicht wieder.
(S. 280-281)
_____



Lied 174.
Schweig still

Schönster Schatz, mein Engel,
Lege dich in guter Ruh,
Wenn ich komm ans Fenster, Fenster Fenster Fenster,
Red mir öfters zu.

Des Nachts, wenn ich vom Schlaf erwach,
Stell ich mir das Lieben für,
Gedenk ich oftmals wieder,
Morgen komm ich zu dir.

So wollt ich, wenn der Morgen käm,
Ach du allerschönstes Kind,
Daß ich dich im Arme hätt,
Am Finger deinen Ring.

So wollten wir beisammen gehn,
Beide in die Kammer gehn,
Kammer, Kammer, Kammer,
Nicht vom Bett aufstehn.

"Kammer gehen wär wohl gut,
Aber nur vom Bett schweig still,
Denn ich bin ein junges Blut,
Wär für mich zuviel."

Geh ich auf und nieder,
Führ mein Schätzlein an der Hand,
Gedenk ich oftmals wieder
An das gelobte Land.

Dort war nichts als Freude
Bei der allerschönsten Zeit,
Sagen uns alle Leute,
Das Lieben ist ein Freud.
(S. 281-282)
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Lied 175.
Da bin ich gerne

Ich gieng durch einen grasgrünen Wald,
Da hörte ich die Vögelein singen;
Sie sangen so jung, sie sangen so alt,
Die kleinen Vögelein in dem Wald,
Die hör ich so gerne singen.

Stimm an, stimm an, Frau Nachtigall,
Sing mir von meinem Feinsliebchen,
Sing mir es so hübsch, sing mir es so fein:
Zu Abend da will ich bei ihr sein,
Will schlafen in ihren Armen.

Der Tag vergieng, die Nacht brach an,
Feinsliebchen das kam gegangen.
Es klopfte so leise mit seinem Ring,
Mach auf, mein herzallerliebstes Kind,
Ich hab so lange gestanden.

So lange gestanden hast du noch nicht,
Ich hab noch nicht geschlafen.
Hab immer gedacht in meinem Sinn,
Wo ist mein Herzallerliebster hin,
Wo bist du so lange geblieben?

Wo ich so lange geblieben bin,
Das darf ich dir Schätzlein wohl sagen:
Wohl bei dem Bier, wohl bei dem Wein;
Allwo die schönen Jungfraun sein,
Da bin ich auch jederzeit gerne.
(S. 282-283)
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Lied 176.
Wiedersehen am Brunnen

Der Wächter auf dem Thurme saß,
Und blies mit heller Stimme:
Wer noch bei seinem Schätzlein leit,
Der steh nun auf, es ist wohl Zeit:
Der Tag hat sich geneiget,
Gezeiget.

Das Mädchen aus dem Bette sprang
Und wollt den Tag anschauen.
Bleib liegen, bleib liegen, feiner Knab,
Es ist fürwahr noch lange nicht Tag;
Der Wächter hat uns belogen,
Betrogen.

Und als die Sonn aufs Bettlein schien,
Da nahm er seine Kleider.
Komm du nur heut an die große Lind,
Wo all die schönen Jungfern sind,
Da biet ich dir verborgen
Guten Morgen!

Des Morgens früh da es war Tag,
Frisches Waßer thät sie holen.
Da begegnet ihr derselbige Knab,
Der Nachts bei ihr geschlafen hat.
Er bot ihr einen frischen guten Morgen
Verborgen.

Guten Morgen, guten Morgen, herztausiger Schatz,
Wo hast du heunt geschlafen?
Ich hab geschlafen in deinem Arm,
Ich hab geschlafen, das Gott erbarm,
Meine Ehr hab ich verschlafen,
Verschlafen.

Daß du dein Ehr verschlafen hast,
Das laß dich Mädchen nicht reuen.
Ich bin fürwahr ein reicher Knab,
Der auch noch Geld und Güter hat:
Deine Ehr will ich bezahlen
Mit Thalern.

Meine Ehr und die bezahlst du mir nicht,
Du bist ein loser Schelme.
Wenn Feur und Stroh beisammen leit,
Und wenn auch Schnee dazwischen schneit,
Doch endlich muß es brennen,
Ja brennen!
(S. 283-284)
_____



Lied 177.
Wiedersehen am Brunnen

Es zog ein Knab den Rhein herab,
Er wollt ein Mädchen freien;
Er freite länger als sieben Jahr
An einem Mädchen und das ist wahr,
Er konnt es nicht erfreien.

Laß ab, laß ab, du junger Knab,
Du kannst mich nicht erfreien;
Komm du schier Abend, wenns finster ist,
Wenn Niemand auf der Gaße mehr ist,
Herein will ich dich laßen.

Der Tag vergieng, der Abend kam,
Der Jüngling kam gegangen.
Er klopft ganz leis wohl auf die Thür:
Steh auf, mein Schatz, ich bin dafür,
Ich hab so lang gestanden.

So lang gestanden hast du noch nicht;
Ich hab noch nicht geschlafen.
Ich hab gelegen und hab gedacht,
Wo doch mein Lieb wohl blieb die Nacht,
Daß er nicht zu mir käme.

Die Nacht vergieng, der Morgen kam,
Das Mädchen gieng zum Brunnen.
Da begegnet ihm auch derselbige Knab,
Der des Nachts bei ihm geschlafen hat;
Er bot ihm einen schönen guten Morgen.

Guten Morgen, guten Morgen, mein schön Herzlieb,
Wie hast du die Nacht geschlafen?
"Ich hab gelegen in deinem Arm,
Ich hab geschlafen, das Gott erbarm,
Meine Ehr hab ich verschlafen."

Daß du dein Ehr verschlafen hast,
Das laß dich nicht gereuen.
Ich schaffe dir Wein, ich schaffe dir Brot,
Ich helfe dir Mädchen aus aller Noth,
Ich laße dich nicht in Schanden.

"Wein und Brot, das wäre wohl gut,
Wenn es gewisslich wäre.
Die Xr. Jungen sind wohlgemuth,
Sie tragen eine Feder auf ihrem Hut,
Sie laßen die Mädchen in Schanden."
(S. 285-286)
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Lied 178.
Ausrede

Ich gieng in einer Nacht,
Die Nacht, die war so finster, juja finster,
Daß man keinen Stern mehr sah.

Ich gieng vor Herzliebchens Fenster,
Steh auf und laß mich ein.
Ich hab so lang gestanden,
Befroren möcht ich sein.

Lang gestanden hast du nicht,
Befroren bist du nicht.
So komm auf mein Schlafkämmerlein,
Da sind wir zwei allein.

Des Nachts wohl um die halbe Nacht,
Das Bettchen fieng an und kracht.
Die Mutter, die thät rufen,
Wer ist denn bei dir da?

Ach Mutter, liebste Mutter,
Schlaft ihr nur wiederum.
Das hat gethan das Kätzelein,
Das hat gefangen ein Mäuselein,
Damit sprang sie herum.
(S. 287)
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Lied 179.
Ausrede

Es gieng ein Jäger aus jagen
Ein Stündlein vor dem Tagen
Mit seinem Hündelein.
Was begegnet ihm auf der Haide?
Ein Mädchen mit weißem Kleide,
Es gefiel dem Jäger so wohl.

"Eine Nacht bei dir zu bleiben,
Das wär der Wille mein."
Ja ja, von Herzen gerne:
Schier Abend leuchten die Sterne,
Da will ich dich laßen herein.

Da kam sich der Jäger geschwinde
Mit Kugeln und auch mit Flinten
Vor sein Schlaffenster stehn.
Das Mädchen stand im Hemdchen auf
Und ließ den Jäger herein.

Da lagen die zwei beisammen
Mit schneeweißen Händen umfangen
Die liebe lange Nacht.
Da lagen die Zwei im Guten,
Darüber erwacht die Mutter:
Ach Tochter, was fangest du an?

Ach Mutter, was soll ich anfangen?
Ich bin es noch ganz allein.
Ich wollt mich ein klein wenig strecken,
Darüber entfielen die Decken:
Ach Mutter, schlaf wiederum ein.

"Es sind die losigen Decken nicht,
Die dir entfallen sein.
Du hast ihn herein gelaßen
Den Jäger von der Straßen,
Es wird dich noch gereun."
(S. 288-289)
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Lied 181.
Nächtlicher Besuch

Ich kann nicht sitzen, kann nicht stehn,
Ich muß zu meinem Schätzchen gehn,
Zu meinem Schätzchen an die Wand,
Da klopf ich an mit leiser Hand.

Wer ist denn da, wer klopfet an,
Der mich so leis aufwecken kann?
"Es ist der Herzallerliebste dein,
Steh auf mein Schatz und laß mich ein."

Ich steh nicht auf, laß dich nicht ein
Bis Vater und Mutter schlafen sein:
Wenn Vater und Mutter schlafen sein,
So steh ich auf und laß dich ein.

Ich kann nicht länger hier außen stehn,
Ich seh die Morgenröth aufgehn,
Die Morgenröth, zwei helle Stern:
Bei meinem Schatz da wär ich gern.

Sie stand wohl auf und ließ ihn ein,
Sie hieß ihn schön willkommen sein.
Sie reicht ihm ihre schneeweiße Hand
Und fieng auch bald zu weinen an.

Wein nicht, wein nicht mein Schätzelein,
Aufs Jahr sollst du mein eigen sein.
Mein eigen sollst du werden gewiss,
Sonst keine die auf Erden ist.

Ich zieh in Krieg auf grüne Haid,
Grüne Haid, die liegt von hier so weit,
Allwo die schönen Trompeten blasen,
Da ist mein Haus von grünen Rasen.

Ein Bildchen laß ich malen mir,
Auf meinem Herzen trag ichs hier:
Darauf sollst du gemalet sein,
Daß ich niemals vergeße dein.
(S. 291-292)
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Lied 182.
Nächtlicher Besuch

Jetzt kommt die fröhliche Nacht heran,
Daß alle Leutchen schlafen gahn,
Daß alle Leutchen sich geben in die Ruh
Und schließen ihre Aeuglein zu.

Wer ist denn draußen, wer klopfet an,
Der mich so leis aufwecken kann?
"Das ist der Herzallerliebste dein,
Mein Schatz steh auf und laß mich ein."

Dich einlaßen darf ich nicht,
Denn meine Mutter schläft noch nicht;
Mein Vater sitzt beim rothen kühlen Wein,
Ich hoff, er wird nicht lang draußen sein.

"Ich bin weiß und du bist schwarz,
So bleibst du doch fürwahr mein Schatz.
Und wenn du denn meiner ganz und gar nicht achtst,
So wünsch ich dir eine schöne gute Nacht."

"Eine schöne gute Nacht, eine angenehme Zeit;
Ich möcht auch gern wißen, wer bei dir leit."
Wer bei mir leit, das weiß ich wohl,
Ich weiß auch wen ich liebe soll.
(S. 293)
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Lied 183.
Der rechte nicht

Ach könnt ich diesen Abend
Noch einmal freien gehn;
Mein jung Herz muß zerbrechen,
Kann ich nicht mit ihr sprechen,
Vor ihrem Schlaffenster stehn.

Schlafest du oder wachest du,
Sag du mein schön Herzlieb?
Liegst du so schwer in Träumen,
Gedenk an den Getreuen,
Der vor deinem Schlaffenster steht.

Ich schlafe nicht, ich wache,
Ich schlafe wenn ich will.
Du stehst wohl vor der Thüre,
Es will dir nicht gebühren,
Denn du bist der rechte Liebste nicht.

Jetzt kann ich auch wohl wandern,
Jetzt kann ich auch wohl gehn.
Muß wandern über die Straßen,
Mein Lieb hat mich verlaßen;
Sag schön Herzlieb, was hab ich dir gethan?
(S. 294)
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Lied 198.
Laß rauschen

Ich hört ein Sichlein rauschen,
Wohl rauschen durch das Korn,
Ich hört ein Mädchen klagen,
Sie hätt ihr Lieb verlorn.

Ich hört ein Hirschlein rauschen,
Wohl rauschen durch den Wald,
Ich hört ein Lieb sich klagen,
Die Lieb verrauscht so bald.

"Laß rauschen, Lieb, laß rauschen!
Ich acht nicht wie es geh,
Ich hab ein'n Buhlen erworben,
In Veiel und grünem Klee."

Hast du einen Buhlen erworben
In Veiel und grünem Klee,
So steh ich hier alleine,
Thut meinem Herzen weh.
(S. 315-316)
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Lied 199.
Nicht mehr lieben

Willst du mich denn nicht mehr lieben,
Ei so kannst dus laßen sein,
Ich will mich nicht drum betrüben,
Will nun leben ganz allein.

Glaubst du denn ich trage Kummer,
Weil du sagst, du haßest mich?
Eine Schwalb macht keinen Sommer
Und derweil vergeß ich dich.

Unsre Liebschaft ist geschloßen
Und der Korb steht vor der Thür;
Hast du was bei mir genoßen,
So geh hin und dank dafür.

Du willst mich nur immer lieben
Bei der Nacht wenns finster ist,
Und am Tag dich meiner schämen:
Solche Liebschaft brauch ich nicht.

Ich werd schon mein Ziel erreichen
Und den Segen auch dazu,
Daß ich finde meines Gleichen,
Der mich treuer liebt als du.

Was soll mir ein schöner Garten,
Wo ich nichts zu hoffen hab?
Stehn schon andre, die drauf warten,
Raufen mir die Röslein ab.
(S. 316-317)
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Lied 200.
Wie du mir, so ich dir

Lang genug hab ich geschwiegen,
Dieweil du bist so hoch gestiegen,
Dieweil du mich so sehr verachtst
Und meine Treuheit gar auslachst.

Hast gemeint, du bist die Schönste,
Das ist aber weit gefehlt.
Wer du bist der bin auch ich,
Wer mich verachtet, veracht auch ich.

Deine Schönheit wird vergehen
Wie ein Blümlein auf dem Feld:
Es kommt ein Reiflein über Nacht,
Nimmt den Blümlein ihre Pracht.

Gift und Gall hab ich getrunken,
Ist mir tief ins Herz gesunken,
Daß ich fast kein Leben hab
Und muß fort ins kühle Grab.
(S. 317-318)
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Lied 201.
Der falsche Baron

O Baron, du falsches Kind,
Pack dich fort und lauf geschwind.
Fort aus meinem Angesicht,
Ich hab mit dir zu schaffen nicht.

O Baron, du Herzensdieb,
Wenn dich einer recht beschrieb!
Meine Feder ist viel zu schlecht,
Ich kann dich nicht beschreiben recht.

O Baron, du falscher Wicht,
Alles ist falsch was du versprichst.
Alles ist falsch was du verheißt,
Und der ist blind, der das nicht weiß.

Ich hatt so fest auf dich vertraut,
Ich hätt ein' Kirch auf dich gebaut;
Aber ich bin es nicht allein,
Die falsch von dir betrogen sein.

Jetzt leb ich recht wohlgemuth,
Beßer als du bei allem Gut.
Jetzt schlaf ich in guter Ruh:
Gute Nacht, die Thür ist zu.
(S. 318-319)
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Lied 202.
Aufkündigung

Er
Wohlan die Zeit ist kommen,
Mein Pferdchen muß gesattelt sein,
Ich hab mirs vorgenommen,
Geritten muß es sein.

Geh du nur hin, ich hab mein Theil,
Ich führ dich nur am Narrenseil,
Ohne dich kann ich schon leben,
Ohne dich kann ich schon sein.

So setz ich mich aufs Pferdchen
Und trink ein Gläschen kühlen Wein
Und schwör es jedem Mädchen,
Ihr ewig treu zu sein.

Geh du nur hin ich hab mein Theil u. s. w.

Sie
Du meinst du wärst der Schönste
Wohl auf der ganzen weiten Welt,
Und auch der Angenehmste,
Ist aber weit gefehlt.

Geh du nur hin u. s. w.

In meines Vaters Garten
Wächst eine schöne Blum Blum Blum,
Ein Jahr soll ich noch warten,
Ein Jahr ist bald herum.

Geh du nur hin u. s. w.

Er
Mädchen, willst du noch trutzen?
Trutz nur so lang du willst willst willst,
Es wird dich wenig nutzen,
Geh fort ich will dich nicht.

Geh du nur hin u. s. w.

Hast g'meint ich soll dich nehmen,
Ich habs noch nicht im Sinn Sinn Sinn,
Ich muß mich deiner schämen,
Wenn ich in Gesellschaft bin.

Geh du nur hin u. s. w.

In meinen jungen Jahren
Da will ich allzeit lustig sein,
Keinen Heller will ich sparen,
Verflossen muß er sein.

Geh du nur hin u. s. w.

Herr Wirth, was sind wir schuldig,
Bezahlen thun wir nichts nichts nichts,
Die Zech die macht fünf Gulden,
Ein jeder lebt für sich.

Geh du nur hin, ich hab mein Theil,
Ich führ dich nur am Narrenseil,
Ohne dich kann ich schon leben,
Ohne dich kann ich schon sein.
(S. 319-321)
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Lied 208.
Liebeszwist

Ich  wollt es wär Nacht,
Mein Bettchen wär gemacht,
Ich wollt zu meinem Schätzchen gehn,
Wollt bei ihr am Fenster stehn,
Bis sie mir aufmacht.

"Wer ist denn da draußen,
Wer klopft an die Thür?
Schönster Schatz, ich bin hier,
Aus Lieb komm ich zu dir,
Mach mir auf die Thür."

"Die Thür ist schon zu,
Schläft Alles in Ruh;
Du weist daß man bei Nacht
Die Thür nicht aufmacht:
Komm morgen fruh."

Morgen früh hab ich keine Zeit,
So sehn mich alle Leut.
Hättest du mich hereingelaßen,
Nicht vor der Thür stehn laßen,
Hätts mich erfreut.

"Morgen früh hast du keine Zeit,
So sehn dich alle Leut:
Dürfen es die Leut nicht sehn,
Wenn du willst zu mir gehn,
Frag ich nichts nach dir!"

Schönes Geldchen, schönes Gut,
Schöne Mädchen giebts genug;
Meinst du ich wär betrübt,
Weil du einen Andern liebst?
Was frag ich nach dir!
(S. 327-328)
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Lied 218.
Heimliche Liebe

Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß,
Als heimliche Liebe von der Niemand nicht weiß.

Keine Rose, keine Nelke kann blühen so schön,
Als wenn zwei verliebte Seelen beieinander thun stehn.

Setz du mir einen Spiegel ins Herze hinein,
Damit du kannst sehen wie so treu ich es mein.
(S. 338)
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Aus: Die deutschen Volkslieder
Gesammelt von Karl Simrock
Frankfurt a. M. Druck und Verlag von Heinrich Ludwig Brönner 1851






 


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