Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Flämische Liebeslieder



Die zwei Königskinder

Es waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb;
Sie konnten zusammen nicht kommen,
Das Wasser war viel zu tief.
Was tät sie? Sie steckt an drei Kerzen,
Als abends das Tageslicht sank:
"Ach, Liebster, komm, schwimm herüber!"
Der Königssohn säumte nicht lang.

Dies sahe ein alte Vettel
Von niederträchtigem Mut;
Sie ging das Licht ausblasen,
Da ertrank das junge Blut.
"Ach, Mutter, mein liebste Mutter,
Mein Köpfchen tut mir so weh!
Ich möcht ein Weilchen gehn wandeln,
Gehn wandeln entlang der See!"

"Ach, Tochter, mein liebste Tochter,
Allein sollst du nicht gehn;
Aber weck dein jüngste Schwester.
Die mag mit dir wandeln gehn."
"Ach, Mutter, mein jüngste Schwester,
Ist noch so ein kleines Kind:
Sie pflückt wohl alle die Blümchen,
Die sie unterwegen findt.

Sie pflückt wohl alle die Blümchen,
Die Blätterlein läßt sie stahn;
Dann klagen die Leute und sagen:
Die Königskinder habens getan."
"Ach, Tochter, mein liebste Tochter,
Allein sollst du nicht gehn;
Aber weck dein jüngsten Bruder,
Er soll mit dir wandeln gehn."

"Ach, Mutter, mein jüngster Bruder
Ist noch so ein kleines Kind;
Er läuft nach allen Vögeln,
Die er unterwegen findt."
Die Mutter ging in die Kirche;
Die Tochter ging ihren Gang,
Bis sie beim Wasser ein Fischer,
Ihres Vaters Fischer fand.

"Ach, Fischer," so sagte sie, "Fischer,
Meins Vaters Fischerlein,
Du sollst für mich nun fischen,
Es soll dir gelohnet sein!"
Er warf seine Netze ins Wasser,
Die Lote gingen zu Grund,
Und bald war herausgefischet
Der Königssohn so jung.

Was zog sie von ihrer Hande?
Ein Ringlein, von Gold so rot:
"Nimm hin," sagte sie, "guter Fischer,
Dies Ringlein, von Gold so rot."
Sie nahm den Liebsten in die Arme
Und küßte ihn auf den Mund:
"Ach, Mündchen, könnst du noch sprechen,
Ach, Herzchen, wärst du gesund!"

Sie hielt den Liebsten in den Armen
Und sprang mit ihm in die See;
"Leb wohl, schöne Welt," so sprach sie,
"Du siehst mich nimmermeh.
Lebt wohl, o mein Vater und Mutter,
Meine Freunde alle zugleich;
Lebt wohl, mein Schwester und Bruder,
Ich fahre ins Himmelreich!"
(S. 23-25)
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Glückeswende

"Wenn alle Berge wären Gold
Und alle Wasser Wein,
So hätt ich doch viel lieber noch,
Schöns Mädchen, wärt Ihr mein."

"Und hättet Ihr viel lieber mich,
Als wie es hat den Schein,
So geht zu meinem Vater hin,
Zum Weib Euch mich zu frein."

"Bei Euerm Vater bin ich gewest,
Und er versagt Euch mir;
Nehmt Urlaub denn Euch selber nun,
Schöns Lieb, und zieht mit mir."

"Kein Urlaub nehmen will ich nicht,
Die Knaben sind zu los;
Wenn Ihr, mein Liebster, mich verließt,
So wär ich freudelos."

"Ich werd Euch nicht verlassen
Von nun an bis zum Tod;
Ihr seid ein Königstöchterlein,
Ein Röselein so rot."

"Bin ich ein Königstöchterlein,
So Ihr ein Grafenkind."
Sie nahmen einander bei der Hand
Und gingen unter die Lind.

Sie nahmen einander bei der Hand
Und gingen unter die Lind;
Dort spielten sie das Liebesspiel,
Die Schöne trug ein Kind.

"Nun sitz ich hier gebunden
Mit meinem kleinen Kind;
So bitt ich die holde Maria,
Daß sie mich wieder entbindt."

"Ich wollt, daß Ihr entbunden wärt
Von Euerm kleinen Kind
Und daß ich Euch begraben sollt
Unter dieser grünen Lind."

"Wollt Ihr, daß ich begraben läg
Wohl unter dieser Lind,
So möcht ich, stolzer Reitersmann,
Daß Ihr an der Kehle hingt."

Der Reiter hob auf sein linde Hand
Und gab ihr einen Schlag,
So daß sie nieder zur Erde fiel,
Nichts hörte mehr und sah.

"Und habt Ihr mich geschlagen,
Mein Liebster, da ist kein Not,
Noch ehe sieben Jahr sind um,
So sollt Ihr kommen um Brot."

Noch eh die sieben Jahr waren um,
Der Ritter kam um Brot,
Die Lazarusklapper in der Hand,
Er litt gar große Not.

"O Kind", sagt sie, "von sieben Jahr,
Nun hol deinem Vater ein Stuhl;
Ich hab den Tag wohl vorausgesehn,
Er war einst ein Ritter gut."

"O, Kind," sagt sie, "du kleines Kind,
Nun gib deinem Vater Brot;
Ich hab den Tag wohl vorausgesehn,
Er hatte des keine Not."

"O, Kind," sagt sie, "du kleines Kind,
Nun gib deinem Vater Bier;
Ich hab den Tag wohl vorausgesehn,
Er war der Liebste mir."

"O, Kind", sagt sie, "du kleines Kind,
Nun schenk deinem Vater Wein;
Ich hab den Tag wohl vorausgesehn,
Er war der Liebste mein."

Ihr Vater hinter der Türe stand,
Er hörte Worte laut,
Er zog sein blankes Schwert aus der Scheid
Und schlug ihm ab sein Haupt.

Er nahm das Haupt wohl bei dem Haar
Und warf es ihr in den Schoß:
"Da hast, mein jüngstes Töchterlein,
Bewein diesen Apfel rot!"

"Ach, sollt ich alles beweinen,
Was zu beweinen war,
Ich hätte alle die Tage zu tun,
Die da kommen in dem Jahr."
(S. 26-28)
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Des Markgrafen Sohn

Es ritt ein Ritter wohl durch das Ried,
Und er hob an und sang ein Lied;
Und mit heller Stimme er sange,
Daß es zwischen zwei Bergen klange.

Und das erhörte ein Jungfrau fein,
Die lag in ihrer Schlafkammer allein,
Und sie flocht sich die Haare mit Seiden;
Mit dem Landsknecht wollte sie reiten.

Der Landsknecht hielt sie so lieb und wert,
Er setzte sie vor sich auf sein Pferd
Und führte sie in kurzer Weilen
Wohl vierundsiebenzig Meilen.

Er führte sie auf einen Anger gar weit,
Der war mit roten Röschen bestreut;
Er sagte: "O Jungfrau, nun mußt du abstehen,
Mein Grauroß ist zu müde vom Gehen."

"Warum so sollt ich denn nun abstehn?
Wärs nach meins Vaters Rat geschehn
Und meiner Mutter Sinne,
Ich wär eine Kaiserinne."

"Und wärst du gewesen ein Kaiserin,
Der Sohn von einem Markgraf ich bin;
Drum laß dichs, du Schönste, nicht reuen,
Denn morgen will ich dich freien."

"Ehe ich wär dein getrautes Weib,
Viel lieber verlör ich mein jungen Leib;
Ehe ich wär dein getraute Frauen,
Ich ließ mir lieber den Kopf abhauen."

Ehe sie das Wort zur Hälfte gesagt,
Der Kopf wohl zu ihren Füßen lag,
Und mit seinem scharfen Schwerte
Schlug er ihr den Kopf zur Erde.

Er nahm den Kopf wohl bei dem Haar
Und warf ihn in einen Brunnen klar,
Einen Brunnen tief von Grunde:
"Lieg da nun, lachender Munde!

Lieg hier, lieg da, du lachender Mund!
Du hast mich gekostet viel Tausend Pfund
Und Gulden manch einen roten:
Nun liegst du bei den Toten!"
(S. 29-30)
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Die Berge gehn zu Tale

Ein Ritter und ein Mägdlein jung
An eines Bächleins Rande saßen;
Wie stille da das Wasser stund,
Als sie von treuer Minne sprachen.

"Ach, sagt mir, Ritter hochgemut,
Ich wär es gerne inne,
Warum das Wasser stille steht,
Wann wir sprechen von treuer Minne."

"Warum das Wasser stille steht,
Das dünkt mich gar nicht fremde;
Ich habe so manche junge Magd
Gebracht in groß Elende."

"Habt Ihr so manche junge Magd
Gebracht in schwer Elende,
Gebt acht, gebt acht, Ritter hochgemut,
Daß Gott Euch nicht noch schände!"

"Ich weiß noch einen hohen Berg,
Viel höher als alle Zinnen,
Zu Tale bringen will ich ihn noch,
Danach steht all mein Sinnen."

"Wollt Ihr meins Vaters hohen Berg
Herab zu Tale bringen,
Ich säh es lieber, Ritter hochgemut,
Daß Ihr an der Kehlen hinget.

Mir wärs viel lieber, Ritter hochgemut,
Daß Euch wohl unter die Höhle
Von Euerm Fuße schiene die Sonn,
Und der Bast Euch läg um die Kehle."

Das Mägdlein war jung und dumm dazu,
Sie wußte nicht, was sie sagte;
Der Berg gar bald darnieder war,
Als sie der Liebe pflagen.

"Ach, sag mir, Mägdlein jung,
Ist nun mein Kehl gehangen?
Es mußt deins Vaters hoher Berg
Herab ins Tal gelangen."

Ach, als das Mägdlein ward gewahr,
Daß sie ein Kindlein mußte tragen,
Da ging sie zu dem Ritter hin,
Da bat sie ihn um Gnade:

"Ach Gnad, ach Gnad, du Ritter fein,
Ach Gnade meinem Leibe;
Ich war ein gutes Mägdelein,
Nun muß ich mit deim Kinde bleiben."

"Was Gnade sollte ich dir tun?
Du bist kein Kaiserinne;
Mein Schildknecht ich dir geben will,
Kann ich ihn dazu gewinnen."

"Euern Schildknecht, nein, den will ich nicht,
Er ist mir viel zu schnöde;
Ist auch darnieder mein hoher Berg,
Ich hoff, Ihr sollt ihn noch erhöhen."

Das Mägdlein hätt einen Bruder stolz,
Er war ihr gut und getreue;
Und wie er immer gewesen war,
Bewies er auch jetzt seine Treue.

Als denn der Bruder ward gewahr,
Daß sie ein Kindlein mußte tragen,
Er ging wohl zu dem Ritter hin,
Und lud ihn zu einem Grabe.

"Gott grüß Euch," sagte er, "Ritter frei,
Ihr Ritter frei von Ehren,
Ach, die mit Euerm Kind war befahn,
Sie liegt nun unter der Erden."

"Ach, ist sie tot, das schöne Weib,
Die Schöne, die ich liebt in Freuden,
So will ich nun und nimmermehr
Mein graues Roß beschreiten.

Bringt mir mein Speer und auch mein Schild,
Mein Schwert wohl an die Seiten;
Der falschen Boten findt man viel,
Ich will lieber selbst hinreiten."

Und als er auf die Heide kam,
Er hörte die Glocken klingen;
Er hörte wohl an der Glocken Klang,
Daß in die Erde sie mußt sinken.

Da nahm er seinen braunen Schild,
Er warf ihn hin zur Erden:
"Lieg da, lieg da, mein brauner Schild,
Von mir wirst nicht mehr tragen werden."

"Hebt auf, hebt auf Euern braunen Schild,
Und hängt ihn Euch an die Seiten;
Und wären Euch Vater und Mutter tot,
Die Trauer müßtet Ihr leiden."

"Und wären mir Vater und Mutter tot
Und meine Brüder alle beide,
So wär meine Trauer nicht also groß
Als wie bei diesem schönen Weibe."

Als er dann auf den Kirchhof kam,
Der Pfaffen Stimmen da erklangen,
Er hört wohl an der Pfaffen Gesang,
Daß sie Vigilien sangen.

Als er dann in die Kirche trat,
Er sah sein Liebchen auf der Bahre,
Bedeckt mit einem Leichenkleid,
Als läge tot sie auf der Bahre.

Er hob wohl auf das Leichenkleid,
Er sah, wie ihr kleiner Finger sich rührte;
So lachte auch schon ihr roter Mund,
Da sie den Ritter spürte.

"Steh auf, steh auf, mein süßes Lieb,
Du wunderschöne Jungfraue;
Ich will dir nun und nimmermehr
Antun so eine große Trauer.

Wohlan, wohlan, mein süßes Lieb,
Mein wunderschöne Jungfraue,
Und wärs meim Vater und Mutter leid,
Ich will mich dir doch trauen.

Und wärs meim Vater und Mutter leid
Und meinen Brüdern allen beiden,
So will ich dich halten als meine Braut
Und freien dich zu meinem Weibe."
(S. 31-35)
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Thijsken van den Schilde

Nun ist gut Ruh, gut Friede
In allen deutschen Landen;
Denn Thijsken van den Schilde,
Er liegt zu Delder gefangen,
Er liegt gefangen so schwer auf seinen Leib.

Die Fraue van den Schilde,
Sie lag auf hoher Zinnen,
Sie sah die Herren, die Reiter,
Die Bürger alle herinnen,
Doch Thijsken, ihren Buhlen, sah sie nicht.

"Ihr Reiter und ihr Räuber,
Ihr Herren von der Straßen,
Wo habt ihr Thijsken van den Schilde,
Meinen lieben Buhlen, gelassen,
Wo habt ihr gelassen den liebsten Buhlen mein?"

"Ach, Fraue van den Schilde,
Laß dich es nicht verlangen,
Daß Thijsken van den Schilde
Zu Delder liegt gefangen;
Es liegt gefangen der liebste Buhle dein."

Die Fraue van den Schilde
Tät dem kein Glauben schenken;
Sie ließ ihr Pferdchen zäumen,
Ja, zäumen und behängen,
Und ritt nach Delder vor das hohe Haus.

"Ach, Thijsken van den Schilde,
Wenn du bist nun darinnen,
So steck heraus dein Häuptchen
Wohl ob der hohen Zinnen,
Und laß mich schauen dein stolzen jungen Leib."

Und Thijsken van den Schilde,
Er ließ sichs nicht verdrießen,
Ließ ob der hohen Zinnen
Sein Häuptchen herausschießen
Und ließ sie schaun sein stolzen jungen Leib.

"Ach, Thijsken van den Schilde,
Du wolltest mir nie glauben,
Daß du bei Tage, bei Nachte
Sollst lassen dein Reiten, dein Rauben,
Sollst lassen dein Rauben bei halber Mitternacht."

"Ja, Fraue van den Schilde,
Du warst es, die es wollte;
Du wolltest gehn in Silber,
In Silber und rotem Golde,
Du wolltest tragen am Kleid das rote Gold."

"Ach, Thijsken van den Schilde,
Hättst du das Wort geschwiegen,
Mit Silber und rotem Golde
Hätt ich dich wollen aufwiegen;
Nun solls dir kosten dein stolzen jungen Leib."

"Ach, Fraue van den Schilde,
Sollst du nicht traurig wesen,
Daß mich die schwarzen Raben,
Die Vögel sollen essen,
Daß von mir essen soll so manches Vögelein?"

"Ach, Thijsken van den Schilde,
Des sollst du dich nicht bangen;
Mit Röselein und Blumen
Will ich das Rad umhangen,
Darauf wird rasten dein stolzer junger Leib."
(S. 36-38)
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Hansken

"Es sprießt ein Röselein auf der Aue,
Ich hab gedient so schöner Fraue,
O Gott, was Lohn soll ich empfahn?"

"Hansken, so du dein Lohn gern hättest,
So komm heut abend an mein Bette,
Ich will dich lohnen mit meinem Leib."

"Fraue, das wär mir ein große Schande;
Mein edler Herr ist aus in fremdem Lande,
Er wird noch abend kommen heim."

Die Fraue lugte aus in die Weiten,
Sie sah den edel Herrn heimwärtsreiten;
Sie bot ihm traurigen Willkomm.

"Ach, Frau, ich hab noch nie vernommen,
Daß du mich so traurig hießest willkommen;
Hat dir denn jemand ein Leid getan?"

"Ach, Herr, das will ich dir erzählen:
Du hast ein Knaben unter dein Gesellen,
Der bat mich, ihm zu willen zu sein."

"Bring mir vor meine Augen den Knaben;
Ist er schuldig, so will ich ihn tot haben,
Will ihm abschlagen lassen sein Haupt."

Sie nahm ihr Hansken bei seinen Kleidern,
Vor den edeln Herrn tät sie ihn leiten;
Dort ließ sie Hansken in Sorge stehn.

"Hansken," sagt er, "wie warst du so verwegen,
Mit meiner Frau der Lieb zu pflegen,
Als ich in fremdem Lande war?"

"Herr," sagte er, "das ist gelogen;
Zu ihrem Bette sollt ich kommen,
Hätt ich gewollt, es wär geschehn."

"Hansken, ich will dir Glauben haben,
Sie ließ mich töten schon elf Knaben;
Nun soll sie selbst die zwölfte sein."

Er nahm die Frau wohl bei der Hande,
Er führte sie fern in fremde Lande,
Ließ dort abschlagen ihr das Haupt.

Er nahm das Haupt wohl bei dem Haare
Und warf es in ein Quell so klare,
Wo es nicht Sonn, noch Mond beschien.

"Lieg da, lieg da nun, falsche Zunge,
Du hast so manch falsch Lied gesungen,
Du hast gesungen, du singst nicht mehr."

"Hansken," sagt er, "geh nun mir aus den Augen;
Um dich erschlug ich meine Fraue,
Und sie hat dir kein Leid getan."

Er sagt: "Den Lohn gebt mir, mein Herre,
Der mir oft sauer ward so sehre;
Ich will Euch aus den Augen gehn."

"Geh, Hansken, geh von Stall zu Stalle
Und nimm das beste Roß von allen
Und reit damit zum Land hinaus.

Und kommst du dann in fremde Lande,
Sprich von der Fraue keine Schande;
Denn sie hat dir kein Leid getan."

Und Hansken ging von Stall zu Stalle,
Er nahm das beste Roß von allen
Und ritt damit zum Land hinaus.

Und als er kam in fremde Lande,
Sprach von der Fraue er kein Schande,
Gedichtet aber hat er ein Lied.
(S. 44-46)
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Der Haselbaum

Es sollt ein Mägdelein holen Wein
Des Abends gar also spate;
Sie kam zu einem Haselbaum,
Und da blieb sie stehn, um zu schwatzen.

"Ach, Hasel," sagt sie, "ach Haselbaum,
Wovon bist du so grüne?"
"Lieb Mägdlein," sagt er, "Mägdlein fein,
Wovon bist du so schöne?"

"Wovon ich, Hasel, so schöne bin,
Das will ich dir, Hasel, künden:
Ich esse Gebratnes und trinke den Wein
Und schlaf auf eim Bettlein linde."

"Ißt du Gebratnes und trinkst den Wein
Und schläfst auf eim Bettlein linde,
Der kühle Tau ist gefallen auf mich,
Darum bin ich so grüne."

"Ist der kühle Tau gefallen auf dich
Und bist du davon so grüne?
Im Winter, wenns hagelt, kalt fällt der Schnee,
So wird dein Grüne verschwinden."

"Und hagelts im Winter, fällt kalt der Schnee,
Im Maien, da blühe ich wieder;
So du, schöns Mägdlein, dein Kränzlein verlierst,
Das kriegst du im Leben nicht wieder."

"Ich dank dir schön, lieber Haselbaum,
Für all dein gutes Schwatzen;
Ich wollt zu meinem Liebsten gehn,
Ach, Hasel, das will ich nun lassen."
(S. 50-51)
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Der Maibaum

"Schön Lieb, wie liegst du nur und schläfst
In deinen ersten Träumen?
Steh auf, empfah von mir den Mai,
Steh auf und laß dein Säumen!"

"Ich will um keinen Mai aufstehn,
Mein Fensterlein nicht aufschließen;
Pflanz deinen Mai wo anders hin,
Den Platz magst du dir kiesen."

"Wohin soll ich ihn pflanzen denn?
Wohl auf der weiten Straßen.
Die Winternacht ist kalt und lang,
Er wird sein Blühen lassen."

Schön Lieb, läßt er sein Blühen stehn,
So wollen wir ihn begraben
Auf dem Kirchhof bei dem Englantier,
Sein Grab wird Röschen tragen."

"Schön Lieb, und auf den Röselein
Werden Nachtigallen springen
Und für uns zwei in jedem Mai
Ihre süßen Lieder singen."
(S. 52-53)
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Der Mai kommt wieder

"Ach, Liebster, sag, wo warst du denn die erste Maiennacht,
Daß du mir keinen Mai gebracht?"
"Die erste Maiennacht, schön Lieb, da war ich siech;
Ach, Liebste mein, ich konnte aus dem Bettlein nicht."

"Ach, Liebster, sag, wo warst du denn die zweite Maiennacht,
Daß du mir keinen Mai gebracht?"
"Die zweite Maiennacht sucht ich ein Englantier,
Ach, Liebste mein, steh auf, dein Mai, der ist nun hier."

"Um deinen schönen Maien werd fürwahr ich nicht aufstehn
Und werd nicht an mein Fenster gehn;
Dein Mai, der kommt zu spät! Pflanz auf die Straß ihn frei;
Pflanz hin ihn, wo du willst, mir ist es einerlei."

"Und wenn ich meinen Maien nun wo anders pflanzen muß,
Mag dir das bringen nicht Verdruß?"
"O nein, denn mit dem Mai, da trag kein Leid darum,
Denn mit der lieben Maienzeit, da sprießt er wiederum.
(S. 54-55)
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Gezwungenes Freien

Der Mai, der uns das Grünen gibt,
Mag allen Freud bereiten;
Doch wer unglücklich ist verliebt,
Trägt Leid zu allen Zeiten.

Ist auch mein Freier reich an Gut,
Ist er auch hoch von Ehren,
Dünkt er auch all mein Freunden gut,
Mich wird er nicht bekehren.

Der mich liebt und mir Treu verspricht,
Ich schließ ihn aus meim Herze,
Und den ich lieb, der freit mich nicht;
Ists nicht ein großer Schmerze?

Der, den ich will, der will mich nicht,
Er spricht mit mir so selten;
O weh, wie schwer mir doch geschieht:
Ich darf mein Lieb nicht melden!

Die Vögelein im grünen Wald
Gehn ohne Zwang zur Freite;
Da ist kein Zwang von Freunden alt,
Die ihn ihr Lust beneiden.

Wie tut die Ehr, die leidge Ehr,
Der Frauen Lust zerbrechen,
Daß sie nicht frei, nach ihr Begehr,
Von Liebe dürfen sprechen!

So muß mein Herz zu jeder Frist
Mit traurigen Augen klagen;
Mein Leid, vielleicht wär es gebüßt,
Dürft ichs dem Liebsten sagen!
(S. 56-57)
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Ermutigung

Wach auf, wach auf, du Herze mein,
Hast dich gegrämt so lange Zeit!
Wir wollen frisch und fröhlich sein;
Vergangen ist mir alles Leid.

Uns kommt noch heute ein selig Tag:
Fahr hinnen, all mein Ungelück,
Und was mich nur beschweren mag,
Das setze ich nun hinterrücks.

Was sollte mir all der Welte Gut,
Sollt ich davon kein Freude han?
Was mir beschweren mag den Mut,
Das will ich allzeit fahren lan.

Ich hab gedacht, es sei also:
Wem alles Leid zu Herzen gaht,
Der mag nur selten wesen froh,
Sein Herze wenig Freude hat.

Da sagt ein rein holdselig Weib,
Ich sollt mein Trauern lassen:
"Und guten Mut hab in deim Leib,
Geh fröhlich auf der Straßen!"
Was sollte mir all der Welte Gut usw.

Doch wich von ihr der Freuden Schein,
Als ich von ihr gezogen.
Ach, laß mich wieder fröhlich sein,
Ach, sei mir wohlgewogen.

Und stilltest du mir meine Brunst,
Da wär mir wohl im Herzen;
Es geschäh mir keine größre Gunst,
Ich wollt gar fröhlich scherzen.
Was sollte mir all der Welte Gut usw.
(S. 58-59)
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Cäcilia

Ich sah Cäcilia kommen
An einem Wasserrand,
Ich sah Cäcilia kommen
Mit Blümelein in der Hand.
Da sah sie ihren Hirten.
Den Hirten Florian,
Der seine Schäfchen weidet
An derselben Bahn.
Cäcilia tät singen;
Ihr Herz wollt ihr zerspringen
Dies hörte wohl ihr Hirte;
Er kam zu ihr zur Stund
Und küßte sein Cäcilia
Auf ihren roten Mund.
(S. 60-61)
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Hoffnung

"O weh, was mag da wesen,
Daß ich so traurig bin?
Ich hätt mir eine erlesen,
Sie steht so fest in meinem Sinn.
Ich trage das Leiden verborgen
Im jungen Herze mein
Vom Abend bis zum Morgen;
Es kann nicht anders sein.

Ich hab der Allerliebsten
Wohl einen Brief gesandt,
Er sprach von treuer Liebe,
Er ist mir wohl bekannt;
Den Brief hat sie zerrissen.
Ich schreib ihr nimmermehr:
Leb wohl, mein Allerliebste,
Ich seh dich nimmermehr!

Den Brief hat sie zerrissen
Die Schnur hat sie vertan;
Sie hat mein Herze gefangen,
Ich kann ihr nicht entgahn.
Ich will in Ehren sie halten,
Wo ich nur kann und mag;
Ich gönne der Allerliebsten
Viel tausend gute Tag."

"Gesell, laß dichs bedünken,
Bist auf ein Mägdlein erpicht:
Manch Häslein wird gewinket
Und doch gefangen nicht.
Und kannst du sie nicht erlaufen,
So folg nur ihrer Bahn
Die Wege und die Straßen;
Die Lieb ist untertan.

Geselle, viel lieber Geselle,
Vom Herzen dich getröst;
Es liegt oft einer gefangen,
Der nachmals wird gelöst."
"Ich will mein Trauer stillen,
Fahr hin, mein Herzenspein!
Es steht in ihrem Willen,
Es mag noch anders sein.

Leb wohl! so will ich schreiben,
Leb wohl! so ist mein Weis;
Ich hoff noch Trost zu gewinnen,
Der Liebsten geb ich den Preis.
Ich will ihr geduldig folgen,
Sie kann mir nicht entgahn:
Leb wohl, mein Allerliebste,
Du hältst mein Herz im Bann."
(S. 62-64)
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Sangeslohn

"Ich seh die Morgensterne,
Meins Liebchens Antlitz so rein;
Man soll sie wecken mit Sange,
Die Allerliebste mein."

"Wer ist es, der da singet,
Und mich stört in meim Schlaf?
Er soll sein Singen lassen,
Für wahr sag ich ihm das."

"Ich bins, ein Ritter kühne,
Ein Ritter wohlgemeit;
Wann wirst du mir denn lohnen
All meines Sangs Arbeit?"

"Zum Hause meines Vaters
Komm noch zur Abendstund;
Da will ich es dir lohnen,
Und halte reinen Mund."

Der Tag, er nahm ein Ende,
Der Frühling kam heran;
Mit seinen blanken Armen
Wollt er sein Lieb umfahn.

"Nun bleibe, Junker, stille
Und komm mir nicht zu nah;
Ich muß noch eher wissen,
Was Lohn ich soll empfahn."

"Berge und Land, schöne Jungfraue,
Sollen dir zu eigen sein,
Und vor allen, die da leben,
Sollst du mein Liebste sein."

"Soll ich vor allen Jungfrauen
Dein Allerliebste sein,
So sollst du, Ritter kühne,
Meins Leibs gewaltig sein."

Sie nahmen da einander,
Sie gingen einen Gang
Wohl unter die grüne Linde;
Die Nachtigall darauf sang.

Er ließ sein Mantel gleiten
Hernieder in das Gras,
Auf daß sein vergüldte Sporen
Vom Tau nicht würden naß.

Da lagen sie beid verborgen
Die liebe lange Nacht
Vom Abend bis zum Morgen,
Bis schien der lichte Tag.
(S. 65-66)
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Es fiel ein Himmelstaue

Es fiel ein Himmelstaue
Vor meins Liebs Fensterlein;
Ich weiß kein schöner Fraue,
Sie steht im Herzen mein,
Sie hält mein Herze gefangen,
Das ist mir gar so wund;
Möcht ich doch Trost empfangen,
Ich wäre ganz gesund.

Der Winter ist vergangen,
Ich seh des Maien Kraft,
Ich seh die Läuber hangen,
Die Blumen sprießen in Saft;
Dort in dem grünen Tale,
Da ist vergnüglich sein,
Da singt die Nachtigalle
Und manches Vögelein.

Ich will den Mai gehn hauen
Vor meins Liebs Fensterlein
Und schenken der schönen Frauen
Die treue Liebe mein
Und sagen: "Lieb, willst kommen
Und an dein Fensterlein stahn,
Empfang den Mai mit Blumen,
Er ist so wohlgetan."

Das Mägdlein war beraten,
Sie ließ den Liebsten ein
So heimlich und so stille
In ein klein Kämmerlein.
Da lagen sie beid verborgen,
Die Weil ward ihnen nicht lang;
Der Wächter auf der Mauer
Hob an ein Lied und sang:

"Ach, ist da jemand innen,
Der mag nun balde gahn;
Ich seh den Tag aufdringen
Und in dem Osten aufgahn.
Nun mach dich bald von hinnen
Bis auf ein ander Zeit!
Die Zeit wird wiederkehren
Und bringen deine Freud."

"Ach, schweige, Wächter, stille
Und laß dein Singen stahn;
Ich hab ein schöne Fraue
Mit meinem Arm umfahn;
Sie ließ mein Herze genesen
Das war mir so sehr wund.
Ach, Wächter gut, gepriesen,
Und tu es niemand kund!"

"Ich seh den Tag aufdringen,
Geschieden muß nun sein;
Ich muß mein Taglied singen,
Wach auf, du Reiter fein,
Und mach dich rasch von hinnen
Bis auf ein ander Zeit!
Die Zeit wird wiederkommen
Und bringen deine Freud."
(S. 67-69)
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Die kurze Nacht

"Der Tag, der will nicht verborgen sein,
Es ist schon Tag, das dünket mein;
Doch wer verborgen hat sein Lieb,
Wie schwer ist da das Scheiden!"

"Ach, Wächter, laß dein Spotten sein
Und laß mir schlafen den Allerliebsten mein;
Ein Fingerring rot will ich dir schenken,
Willst du den Tag nicht künden."

"Ach, künd ich ihn nicht, unselig Weib,
So gehts dem Jüngling an sein Leib;
Hast du den Schild, ich hab den Speer,
Darum muß scheiden er nunmehr."

Der Jüngling aus dem Schlaf aufsprang,
Die Liebste in die Arme nahm:
"Laß es dir nicht zu Herzen gehen,
Nachts gibts ein Wiedersehen."

Der Jüngling auf sein Falbroß trat,
Die Fraue auf hoher Zinne lag;
Sie sah, den Blick nordwärts gerichtet,
Den Tag durch die Wolken lichten:

"Hätt ich den Schlüssel von dem Tag,
Ich würf ihn in die wilde Maas,
Und von der Maas bis in den Rhein,
Da sollt er nimmer funden sein."
(S. 70-71)
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Der Rat der Mutter

"Ach, Mutter," sagte sie, "Mutter,
Nun gebt mir guten Rat;
Mich freit ein Landsknecht sehre,
Er geht mir allzeit nach."

"Freit dich ein Landsknecht sehre,
Geht er dir allzeit nach,
So schlag dein Augen nieder
Und laß ihn weitergahn."

"Ach, Mutter," sagte sie, "Mutter,
Der Rat dünkt mich nicht gut;
Ich hab den Landsknecht lieber
Als all meins Vaters Gut."

"Hast du den Landsknecht lieber
Als all deins Vaters Gut,
So mag sich Gott erbarmen,
Daß ich dich einstens trug."

Er nahm sie bei den Händen,
Bei ihr schneeweißen Hand,
Er führte sie also ferne
Wohl in ein fremdes Land.

Was gab er ihr zum Lohne
Zu ihrem neuen Jahr?
Ein Kindlein in der Wiegen
Mit seim gekrausten Haar.

"Und gibt uns Gott ein Knaben
So ein klein Knäbelein,
Wir wollen ihn lehren schießen
Die wilden Vögelein.

Und gibt uns Gott ein Mädchen,
So ein klein Mägdelein,
Wir wollen sie lehren stricken,
Von Seiden ein Häubelein."
(S. 72-73)
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Der Reiter in der Scheuer

Das Reiterlein in der Scheuer lag;
Die Scheuer war kalt, der Reiter war naß.

"Ach, lieber Wirt, bedecket mich,
Die Scheuer ist kalt, es frieret mich."

Der Wirt zu seiner Magd sprach so:
"Geh, deck den Reiter mit Haferstroh."

Das Mädchen durft es lassen nicht:
Sie tat, was ihr Meister hieß.

Sie nahm den Reiter in ihren Arm;
Und war ihm kalt, sie machte ihm warm.

Als der Reiter sein Willen hätt getan,
Sprach er: "Schöns Mädchen, nun mußt du gahn."

"Wo sollte ich reiten, wo sollte ich gahn?
Ich bin mit deinem Kinde befahn."

"Bist du mit meinem Kinde befahn,
So sollst du reiten, und ich will gahn."

Er setzte sie vor sich auf sein Pferd;
Zu seiner Mutter mit ihr er kehrt.

"Ach, liebste Mutter, das ist mein Weib;
Ich habe sie lieber als Leben und Leib."

Die Mutter holte ihr einen Stuhl,
Die Tochter brachte ein Kissen dazu.

Die Mutter legte ins Feuer ein Ei,
Die Tochter zwei, da warens drei.
(S. 78)
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Erfüllte Sehnsucht

"Nach Osterland will ich fahren,
Dort wohnt mein süßes Lieb,
Über Berg und über Talen,
Schier über der Heide,
Da wohnt mein süßes Lieb.

Vor meines süßen Liebs Türchen,
Da stehn zwei Bäumchen fein:
Das ein trägt Nüß von Muskaten,
Schier über der Heide,
Das ander trägt Nägelein fein."

"Die Nüsse sind so runde,
Würznägelein riechen so gut,
Ich meinte, mich freite ein Reiter,
Schier über der Heide,
Nun ist es ein armes Blut."

Er nahm sie bei den Händen,
Bei ihrer schneeweißen Hand,
Er führt sie also ferne,
Schier über der Heide,
Wo sie ein Bettchen fand.

Da lagen die zwei verborgen
Die liebe lange Nacht,
Von dem Abend bis zum Morgen,
Schier über der Heide,
Bis schien der lichte Tag.
(S. 79-80)
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Der verschlossene Garten

Die Sonn ist untergegangen,
Die Sterne blinken so rein;
Ich wollt mit meiner Liebsten,
Schier über der Heide,
In einem Garten sein.

Der Garten ist verschlossen,
Da kann niemand herein,
Als die stolze Nachtigalle,
Schier über der Heide,
Die fliegt von oben hinein.

Man sollte der Nachtigall binden
Das Köpfchen wohl an den Fuß,
Daß sie nicht mehr kann schwatzen,
Schier über der Heide,
Was zwei Verliebte tun.

"Und hättst du mich auch gebunden,
Mein Herz bleibt dennoch gesund,
Ich kann noch alleweil schwatzen,
Schier über der Heide,
Was zwei Verliebte tun."
(S. 80-81)
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Der Liebesbote

Es saß ein schneeweiß Vögelein
Auf einem stechend Dörnelein,
Din don deine,
Auf einem stechend Dörnelein,
Din don don.

"Sag, willst du nicht mein Bote sein?"
"Ich bin ein zu klein Vögelein."
Din don deine usw.

"Bist du nur klein, so bist du geschwind;
Du weißt den Weg?" - "Gar wohl ich ihn find."
Din don deine usw.

Er nahm den Brief in seinen Mund,
Entflog damit über den Busch zur Stund,
Din don deine, usw.

Er flog damit vor Liebchen Tür:
"Schläfst oder wachst oder bist du tot?"
Din don deine, usw.

"Ich schlafe nicht und wache nicht;
Ich bin getraut ein halbes Jahr"
Din don deine, usw.

"Bist du getraut ein halbes Jahr,
So dünkt es mich wohl tausend Jahr.
Din don deine, usw.
(S. 82-83)
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Liebesklage

Mein Herz hat allzeit Verlangen
Nach dir, du Allerliebste mein,
Dein Liebe hat mich gefangen,
Dein eigen will ich sein,
Vor all der Welt insgemeine,
Wer auch das hört oder sieht,
Hast du mein Herze alleine;
Darum, mein Lieb, verlaß mich nicht!
(S. 84-85)
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Scheiden in Treuen

Die Vögelein in dem Bauer,
Sie singen ihre Zeit;
Wie sollt ich mich enthalten,
Da ich vom Liebchen scheid?
Wie sollt ich mich enthalten,
Wo ich stets bei ihr möcht sein
Und sehe sie doch nur so selten?
Ich schenk ihr mein kühnes Herzelein.

Ich ging noch gestern Abend
So heimlich einen Gang
Wohl vor meins Liebchens Türe;
Sie wußt mir kleinen Dank.
"Steh auf, mein Allerliebste,
Steh auf und laß mich ein;
Ich schwör dir auf meine Treue,
Stets liebt ich nur dich allein.

Ach, Liebchen mein, bedenke,
Daß ich einst dein Liebster was
Und lag in deinen Armen;
Nun bin ich ein unwert Gast.
Doch hast du mich auch verlassen,
Noch trage ich guten Mut:
Die Liebe blüht Sommer und Winter,
Was der kühle Mai nicht tut."

Er zog von seinen Händen
Von Gold ein Ringelein:
"Nimm hin, mein Allerliebste,
Das ist die Treue mein;
Und so dich jemand fraget,
Wer dir das Ringelein gab,
So sag mit hübschen Worten:
Der einst mein Liebster was."

Ich hörte gestern abend
So lustig einen Sang:
Mein Liebchen ging zur Hochzeit;
Ich weiß ihr kein Undank.
Und hat sie mich auch verlassen,
Noch trage ich guten Mut:
Die Liebe blüht Sommer und Winter,
Was der kühle Mai nicht tut.
(S. 86-87)
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Ein bitter Kraut ist Scheiden

O Gott, wem soll ich klagen
Das heimliche Leiden mein?
Mein Buhl ist mir verjaget,
Scheiden ist mir geworden Pein.
Mein Buhl ist mir verjaget,
Scheiden ist mir geworden kund;
So trabe ich über die Heide,
Mein Herz ist mir gar so wund.

Ich bat sie so in Treuen
Mit weißen Armen blank,
Daß sie bei mir sollt bleiben:
"Der Sommer dauert nicht lang."
"Ich will bei dir nicht bleiben,
Ich will bei dir nicht sein;
Ich will wohl über die Heide
Zu dem Allerliebsten mein."

Muß ich nun von ihr scheiden,
Das tut meinem Herz so weh;
So zieht sie über die Heide,
Bis ich sie wiederum seh.
"Leb wohl, mein Allerliebste,
Mein Herz bleibt mir verwundt;
Und darf ich auch bei dir nicht wesen,
So bleib du doch allzeit gesund."

Ein bitter Kraut ist Scheiden,
Erfahren muß ichs zur Zeit:
Wer noch von seim Lieb nicht geschieden,
Er weiß noch von keinem Leid.
Mein Liebchen zieht über die Heide,
Und ich kann nicht bei ihr sein:
"Leb wohl, mein Allerliebste,
Es muß geschieden sein."
(S. 88-89)
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Das falsche Liebchen

Mein Liebchen sieht mich übel an,
Was hab ich denn versehen?
Sie hat ein andern eingetan,
Mich läßt am Wege sie stehen.
So steh ich hier alleine
Wohl als ein armer Knecht;
Das kommt, weil ich kein Geld nicht hab,
Es ist alles aus,
Ihr Untreu liegt zutage.

Dieselbig hübsche Fraue fein,
Sie läßt sichs nicht verdrießen:
Sie läßt den ein raus, den andern ein,
Der dritte wart auf der Straßen.
Sie kann so lügen, betrügen,
Sie ist von loser Art,
Drum trägt sie auch braun, rot und gelb;
Sie ist so hart
Und kann doch schmeicheln und kosen.

Ich meinte bei ihr der Liebste zu sein,
Sie hätt mir Treue geschworen;
Sie hat ein andern lieber als mich,
Den hat sie auserkoren.
Darum von ihr zu scheiden,
Das dünket mich das best;
Eim andern Vogel gönn ich das Nest,
Und frei von der Last,
Damit laß ich sie fahren.
(S. 90-91)
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Die drei Gespielen

Es gingen drei Gespielen
Spazieren in den Wald;
Sie waren alle drei barfuß.
Der Hagel und Schnee war kalt.

Die eine weinte sehre,
Die andre hätt frohen Mut,
Die dritte begann zu fragen,
Was heimliche Liebe tut.

"Was hast du mich zu fragen,
Was heimliche Liebe tut?
Es haben drei Reitersknechte
Geschlagen mein Liebsten tot."

"Und haben drei Reitersknechte
Geschlagen dein Liebsten tot,
Ein andern sollst du dir küren
Und tragen frohen Mut."

"Sollt ich ein andern küren
Das tut meim Herz so weh;
Lebt wohl, mein Vater und Mutter,
Ihr seht mich nimmermeh.

Lebt wohl, mein Vater und Mutter,
Mein jüngstes Schwesterlein,
Ich geh zu der grünen Linde,
Da liegt der Allerliebste mein."

Der dieses Liedchen dichtet,
Das war ein Reiter fein;
Sein Beutel ward gelichtet,
Darum trinkt er selten Wein.
(S. 92-93)
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Das gezähmte Herz

"Die Nachtigall, die sang ein Lied, das lernte ich,
Ich hatte wohl ein heimlich Lieb, das freite ich;
Und die will ich nicht lassen, ja lassen;
Ich hoffe noch ein halbe Nacht
In ihrem Arm zu schlafen."

Die Mutter aus dem Bette sprang, entzündt ihr Licht;
Sie fand ihr jüngste Tochter in dem Bette nicht:
"Wohin ist sie gegangen, ja gangen?
Nun ist mein jüngste Tochter weg
Mit einem fremden Manne."

"Er war mir gar so fremde nicht, er hätt mich lieb,
Er führte mich wohl über die Heid, betrübt mich nicht.
Er führte mich über die Heiden, ja Heiden;
Wenn zwei Verliebte beisammen sein,
Wie schwer ist da das Scheiden!

Wenn zwei Verliebte mitsamen zu dem Tanze gehn
Wie freundlich ihre Äuglein auf einander sehn,
So wie die Morgensterne, ja sterne;
Mein Herzelein ist von solcher Art:
Braunäuglein seh ich gerne!

Mein Herzelein ist viel wilder als ein Häselein,
Und das mag niemand zähmen als der Liebste mein;
Der ist ein freier Geselle, ja selle,
Ach wären alle Teufel so,
Ich führe gern zur Hölle!"
(S. 94-95)
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Katze und Maus

Es war an einem Abend spät,
Da ging ich vor mich hin längst dem Weg;
Und der Mond, der schien so düster,
Ja, ja, ja düster,
Daß ich schier kein Sternelein sah.

"Ach, tu mir auf, mein Engelein,
Tu auf, laß deinen Buhlen ein;
Ich warte hier schon so lange,
Ja, ja, ja lange,
Daß ich schier erfroren bin."

"Ich tu nicht auf das Türelein
Und laß auch keinen Buhlen ein,
Er müßt mir denn erst sagen,
Ja, ja, ja sagen,
Ob er mich liebt allein."

"Ich liebe nur dich ganz allein,
O süßes Lieb, und anders kein;
Ich warte hier schon so lange,
Ja, ja, ja lange,
Daß ich schier erfroren bin."

Doch nachts, wohl mitten in der Nacht
Auf ihr Schlaffensterlein kam ein Schlag,
Und die Mutter, die das hörte,
Ja, ja, ja hörte:
"Liebe Tochter, was ist das?"

"Mutter, das ist das Kätzlein klein,
Das spielt da mit dem Mäuselein,
Und die Maus, die ist gefangen,
Ja, ja, ja fangen,
Und leidet arge Pein."
(S. 96-97)
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Aus: Flämische Volkslieder
In deutscher Nachdichtung
und mit Singweisen herausgegeben von
Albert Wesselski [1871-1939]
Leipzig - Innsbruck Wagnerscher Verlag 1917





 


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