Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Französische Liebeslieder



LIEBESKLAGE

Leb wohl, o Lust und Fröhlichkeit und Scherzen,
Mein armes Herz fühlt Trauer nur und Schmerzen
Und Sehnsuchtsleid nach meinem holden Lieb,
Das mir nicht treu verblieb.

Sagt an, darf ich mit Recht nicht Kummer haben,
Daß ich verlor solch einen schönen Knaben?
Vor allen andern wählt ich ihn allein,
Mein Liebster sollt' er sein.

Du werdest, dacht' ich, lieben mich in Treue,
Dein falsches Herz erkenn' ich nun mit Reue;
Doch geh' du nur, wohin dein Herz dich trieb
Und such' ein ander Lieb.

Ich gehe fort, in grünen Waldesgründen
Will eine Siedelei ich lassen gründen
Und leben drin in Schmerz und Liebespein
Um dich, Geliebter mein.
(S. 61)
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SEHNSUCHT

Ach Liebe, du,
Du nimmst bei Tag und Nacht
Mir Lust und Ruh',
Daß nichts mich freuen mag.
Ach! seit zwei Wochen hab'
Ich schon gemüht mich ab,
Wie es kann möglich sein,
Daß ich nach Herzenslust
Mein Lieb drück' an die Brust
Ach! nur ein Stündelein.

Wenn ich sie seh'
Hinwandeln nur von fern,
Die Liebliche
Umarmt' ich dann so gern
Und spräche: "Liebste mein,
Mein Herz trägt große Pein
Und liebt in Treue dich.
Ach! deine Liebe macht
Mich krank bei Tag und Nacht,
Es ist gar hart für mich."

Sie hält im Haus
Der Vater kurz am Zaum;
Zum Ort hinaus
Wagt sie zu gehen kaum.
Spricht sie mit mir ein Wort,
So ruft man sie sofort:
Das darf mir leid wohl sein.
Mein Lieb, einst kommt der Tag,
Wo dein sich freuen mag
Nach Lust das Herze mein.

Was man mir sagte,
Ists wahr, o Liebste, sprich:
Um einen andern
Hast du vergessen mich?
Ich sag' es ohne Scherz,
Ein Mädchen, das ihr Herz
Dem Freund gab liebend hin,
Der steht es übel an,
Wenn sie vergessen kann
Den Freund mit leichtem Sinn.

O Nachtigall,
Die singt im grünen Wald,
Geh' hin zur Liebsten,
Sing ihr ein Liedchen bald,
Und sing' es ihr so froh,
So liebevoll und so,
Daß sie es recht sieht ein.
Mein Lieb, einst kommt der Tag,
Wo dein sich freuen mag
Nach Lust das Herze mein.
(S. 62-63)
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DES MÄDCHENS KLAGE

Ach sagt, zu wem ich fliehen mag,
Da mich mein Liebster hat verlassen?
Ich weine nachts, ich wein' am Tag,
Ich Arme weiß mich nicht zu fassen.
Wohl darf ich fluchen jenem Tage,
Da ich ihm so ward zugetan.
Ich armes trostlos Kind, ich sage:
Er hat nicht recht an mir getan.

Hätt' er zu mir gesprochen doch
Und Lebewohl gesagt beim Scheiden,
Und ich umarmt ihn einmal noch,
Es wär' ein Trost in meinem Leiden.
Ich möchte sterben fast vor Wehe,
Mir bricht das Herz, wenn es dran denkt;
Und wenn ich ihn nicht wiedersehe,
So thut er, was mich bitter kränkt.

Wenn ich am Abend schlafen geh
Und mich Gedanken überkommen,
Muß weinen ich in bitterm Weh:
Welch Ende hat mein Glück genommen!
Ich wollt', ich wäre nie geboren,
Oder ich stürb' in Gram und Noth,
Seit ich den Liebsten mein verloren!
Vielleicht thät' ihm doch leid mein Tod.

Ihr Mädchen, die ihr lieben wollt,
Mögt euch mein Schicksal warnen lassen;
Nehmt keinen, der so schön und hold,
Denn er möcht' euch sonst auch verlassen.
Ich gab ihm Lieb' aus vollem Herzen
Und wähnte sein gewiß zu sein;
Nun läßt er mich mit meinen Schmerzen,
Mich armes Mädchen, ganz allein.

Ich hatt' ihm all mein Herz geweiht,
Er schien mir wie für mich erlesen,
Und er versprach zu jener Zeit,
Er liebte nie ein andres Wesen.
Und ist es so, mag's Gott gefallen,
Daß er zu mir bald wiederkehrt,
Die ihn so innig liebt vor allen
Und sich in Leid und Gram verzehrt.

Wenn doch im Thau, im Frührothsstrahl
Mein gutes Glück mir das vergönnte,
Daß ich den Liebsten spräch' einmal
Und, was ich denk', ihm sagen könnte!
Ich könnte dann mich leichter fassen
Und leichter würde meine Pein;
Doch, da er mich so bald verlassen,
So glaub' ich, er vergaß wohl mein.

O Liebe, Sehnsucht tödtet mich!
Ach Liebster, ja ich muß es sagen,
So oft mein Herz gedenkt an dich,
Muß es gar tiefe Trauer tragen.
Vernimm die Bitte von mir Armen,
Erbarme dich, o Liebster, mein;
Will dich dein Liebchen nicht erbarmen,
So hast du wohl ein Herz von Stein.

Ich will ins Trauerwäldchen gehn
Und mich an meinen Schmerzen weiden;
Ein Thränenbach wird dort entstehn,
Von aller Freude muß ich scheiden.
Die Turteltaub' hab ich erkoren
Zum Sinnbild und ihr trauernd Herz;
Denn wenn sie hat ihr Lieb verloren,
Stirbt sie auf dürrem Zweig vor Schmerz.

Das Schwarz soll auserkoren sein
Von allen Farben mir zum Kleide,
Seit ich verlor den Liebsten mein,
Deß Liebe meines Herzens Weide.
Ich muß vor Schmerz beinah verzagen,
So sehr macht er das Herz mir wund.
Nicht Blau will ich als Tracht mehr tragen
Und keine andern Farben bunt.

Lebwohl, o Scherz, lebwohl, o Lust,
Die jemals mein Gemüth empfunden.
Nicht Freude mehr fühlt meine Brust,
Denn all mein Hoffen ist entschwunden.
An ihm wollt all mein Hoffen hangen,
Er schien so brav und ehrenvoll.
Ich habe ja doch nichts begangen,
Warum er mich verlassen soll.

O Nachtigall im lustigen Wald,
Die singt im Busch auf grünen Zweigen,
Geh, sage meinem Liebsten bald,
Um ihn sei Sehnsucht tief mein eigen.
Und Tag' und Stunde soll er sagen,
Wo ich ihn endlich wiederseh';
Denn nie hat noch ein Weib ertragen
Um ihren Liebsten solches Weh.

Und wer hat dieses Lied gemacht?
Es war ein junges, muntres Mädchen,
Das an ihr süßes Lieb gedacht,
Dort in Lyon, dem guten Städtchen.
In Trauer stets lebt ihre Seele
Und sorgt um den sich, den sie liebt,
Daß er ein andres Liebchen wähle,
Wenn in die Fern' er sich begibt.
(S. 64-67)
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IM MAI

Der schöne Monat Mai
Macht mich nicht sorgenfrei,
Das laßt euch offen sagen;
Hab' ich doch, ach! kein Geld,
Wodurch man kann der Welt
Und Frauen wohl behagen.

Ich will zu Walde gehn
Und darin um mich sehn,
Ob dort mein Lieb, das holde;
Ich will sie fragen dann,
Ob sie mein Herz nimmt an
Und mir gibt ihrs zum Solde.

O schöner Monat Mai,
Und stehest du mir bei
Mit deinen Wonnen allen,
Dann gibt mein Liebchen mir
Und dann geb' ich auch ihr,
Was beiden wird gefallen.
(S. 68)
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LASS DIE LIEBE DIR GESTEHEN

Laß die Liebe dir gestehen,
So wie ich liebt dich wohl keiner;
Denk' ich, holdes Liebchen, deiner,
Sehn' ich heiß mich, dich zu sehen.

Wenn das Glück mich argbeflissen
So verfolgt mit seinem Neide,
Wird es mir so sehr zum Leide,
Daß ich nichts von ihm will wissen.

"Lieber eine Hirtin bleib' ich,
Wo ich still die Schafe hüte,
Als daß eines Schurken Weib ich
Sei mit traurigem Gemüthe".

Nachtigall mit goldner Kehle,
Trag' als Bote hin mein Liedchen,
Sage meinem süßen Liebchen,
Ihre Lieb' erhellt die Seele.
(S. 69)
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DER LIEBESKLAUSNER

Gott schütze dich, du Holde,
Die ganz mein Herz gewann;
O gib mir das zum Solde,
Du Holde, du Holde,
Daß ich dich küssen kann.

Du bist die Schönst' im Reiche,
Und ich der treu dich liebt;
Nicht spröd zurücke weiche
Und reiche, und reiche
Den Trost, den Liebe gibt.

Wohl scheinst du, dich bemühend,
Dem Liebsten fremd zu sein;
Allein dein Antlitz blühend
Dringt glühend, ja glühend
Wie Feuer in mich ein.

Ein Mädchen muß sich neigen
Zu dem geliebten Mann,
Und muß sich ihm erzeigen
Treu eigen, treu eigen,
Der Liebe untertan.

Willst du so grausam blicken
Auf meiner Sehnsucht Schmerz
Und nicht die Gluth ersticken,
Ersticken, ersticken,
Die mir verbrennt das Herz?

Laßt mich gewähren, Holde,
Nicht steht auf Tod mein Sinn;
Ich will ja nur zum Solde,
Du Holde, du Holde,
Was beiden bringt Gewinn.

Ich will dir ja nur küssen
Die beiden Äugelein,
Den Busen nur, den süßen,
Dir küssen, dir küssen,
Du Heißgeliebte mein.

Mich hält die lose Minne
So fest an ihrem Band,
Daß ich ihr nicht entrinne,
Die Sinne, die Sinne
Sind sklavengleich gebannt.

Bald wird mein Stündlein schlagen;
Ach! edel thust du nicht;
Noch eins will ich dir sagen,
Dir sagen mit Klagen,
Bevor das Herz mir bricht.

In diesem grünen Haine,
Wohin mein Schmerz mich trieb,
Wo in der Klaus' alleine
Ich weine, ich weine,
Wird sterben bald dein Lieb.

Wenn nachts der Glocken Töne
Rufen zum Gotteshaus,
Dann denk' und komm, du Schöne,
Und söhne, und söhne
Den treuen Liebsten aus.

Ein wackrer Bursch im Städtchen
Der machte dies Gedicht;
Er liebte treu ein Mädchen,
Ein Mädchen, ein Mädchen,
Wußt' ihren Namen nicht.
(S. 70-72)
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DES RITTERS ABSCHIED

Du holde Adelsblüthe,
Der ganz gehört mein Herz,
O gib durch deine Güte
Mir Trost in meinem Schmerz.
Ach! deine Liebe machet
Bei Tag und Nacht mich wund,
Und grausam immer lachet,
Wie unrecht ist's! dein Mund.

Du bist so schön und allen
Stets freundlichen Gesichts;
Weißt jedem zu gefallen,
Wenn du mit einem sprichst.
Nun fleh' ich um das eine,
Mög' es nach Wunsch dir sein:
Mein Liebchen, sei die meine,
Und ich bin ewig dein.

"Herr Ritter, abzustehen
Fleh' ich, bei Gott, euch an,
Weil euer Liebesflehen
Ich nicht erhören kann.
Ihr liebt mich, doch erwidern
Kann ich die Liebe nicht;
Es hieß' euch selbst erniedern,
Lög' ich euch ins Gesicht."

Ich wähnte meine Liebe,
O Schöne, euch zu weihn,
Und mit getreuem Triebe
Euch Diener stets zu sein;
Wähnt' Herrin euch zu nennen,
Euch dienend treu und stät;
Doch nun muß ich erkennen,
Daß ihr mein Herz verschmäht.

In fremde Lande gehen
Will ich nun in den Krieg.
In meiner Feinde Nähe
Und fern von meinem Lieb.
Mag leben oder sterben,
Mein Leben geb' ich hin,
Kann ich euch nicht erwerben,
Der ich zu eigen bin.

"Herr Ritter brav und bieder,
O zürnet nicht mit mir,
Kehrt ihr vom Kriege wieder,
Dann geht vorüber hier.
Der Mutter und dem Vater
Entbieten will ichs dann,
Und was sie werden rathen,
Da halt' ich mich daran."

Ich will mich fort begeben
Wohl in den grünen Hain,
Darin als Büßer leben,
Es kann nicht anders sein;
Will nie ein Mädchen lieben,
Sie trieben mit mir Scherz,
Will nur Maria dienen,
Danach verlangt mein Herz.
(S. 73-74)
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DER TREULOSE

Im Regen und im Winde
Durchwandre ich die Welt -
Mein Lieb! -
Daß ich mein Liebchen finde -
O weh! -
Das mir so sehr gefällt.

Ich suchte sie so lange,
Bis ich sie endlich fand -
Mein Lieb! -
An einem Wiesenhange -
O weh! -
Das grüne Thal entlang.

Ich sprach zu ihr: willkommen,
Mein Lieb, wo gehst du hin? -
Mein Lieb! -
"Ich geh' und werde Nonne -
O weh! -
In jenem Kloster drin.

Denn du hast einer andern
Geschenkt die Liebe dein, -
Mein Lieb! -
So ist mein Herz in Banden -
O weh! -
Von Trauer und von Pein.

In Schwarz will ich mich kleiden
Von Kopf bis an den Fuß  -
Mein Lieb! -
Und so die Trauer zeigen -
O weh! -
In der ich leben muß.

Denn ach! mein stät Gemüthe
Und treu' Ergebenheit -
Mein Lieb! -
Konnte mich nicht behüten -
O weh! -
Vor Unbeständigkeit.

Ob ich die Schuld dran trage,
Das sieht dann jeder ein -
Mein Lieb! -
Ich weiß, man wird mich klagen -
O weh! -
Werd' ich gestorben sein.

Ich weiß, aus manchem Auge
Fällt wohl ein Thränelein -
Mein Lieb! -
Von mancher werthen Fraue,
O weh! -
Wenn sie gedenket mein.

Kein Mann ist dann auf Erden,
Deß Herz die Liebe kennt,
Mein Lieb! -
Der dir nicht bös wird werden,
O weh! -
Und dich nicht Mörder nennt.

Die Stunde fühl' ich nahe,
Und schon ist da die Zeit,
Mein Lieb! -
Wo ich den Tod empfahe,
O weh! -
Um dich vor Herzeleid."
(S. 76-78)
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VOR LIEBCHENS THÜR

Ich stand an einem Morgen auf
Vor Thau und Tage!
Ich ging vor meines Liebchens Thür,
Mein Leid zu klagen.
Sobald sie nur mein Lied vernahm,
Hat sie die Thüre zugethan.
Nun fraget sie, nun fraget bei ihr an,
Ob sie um mich die Thür hat zugethan.

Ach öffne, süßes Lieb, die Thür
Mit deinen Händen;
Es ist so kalt, bloß steh' ich hier
In meinem Hemde.
"Und hast du kalt und zitterst sehr,
Ich öffn' um dich die Thür doch nimmermehr."
Nun fraget sie, nun fraget bei ihr an,
Ob sie um mich die Thür hat zugethan.

"Nun sage mir, mein lieber Schatz,
Ob's draußen friere?"
"Nein, meiner Treu, es thaut", so sprach
Der vor der Thüre.
Wärs kalt gewesen wie vorher,
Vor Liebchens Thür erfrorn ich wär'.
Nun fraget sie, nun fraget bei ihr an,
Ob sie um mich die Thür hat zugethan.

Es ist fürwahr kein leichtes Ding
Ein Liebchen wählen,
Gar mancher glaubt, er sei ihr recht
Und ging doch fehle;
Gar mancher glaubt, er sei geliebt,
Dem doch die Liebe nichts als Täuschung gibt.
Nun fraget sie, nun fraget bei ihr an,
Ob sie um mich die Thür hat zugethan.
(S. 79-80)
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ICH LEBE NICHT

Ich lebe nicht, schön Lieb, um dich
Ich schmachten muß,
Wird mir von deinem holden Mund
Kein süßer Kuß.

Oftmals ist Ostern im April,
Im Ausgang oder im Beginn;
Dann bau'n ihr Nest die Vöglein still
Am lieben Ort,
Und ziehn dann in die Heimat hin
Und sterben dort.
Ich lebe nicht, schön Lieb, um dich
Ich schmachten muß,
Wird mir von deinem holden Mund
Kein süßer Kuß.

O Nachtigall im lustigen Hain,
Geh, sag' dem süßen Liebchen mein,
Es soll mir gottbefohlen sein;
Aus Liebe fort
Geh' ich, wo blühn Waldblümelein,
Und sterbe dort.
Ich lebe nicht, schön Lieb, um dich
Ich schmachten muß,
Wird mir von deinem holden Mund
Kein süßer Kuß.
(S. 82)
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FALSCH IST DIE LIEBE

Willst du, mein Lieb, so grausam bleiben,
So grausam bleiben,
Nachdem du mich geliebt so lange Zeit?
Das süße Sehnen ward ein bittres Leid,
Das mir das Herz zernagt und dauert immer
Und endet nimmer.

Vergiß mich nicht, du holde Reine,
Du holde Reine,
Vergiß nicht deines treuen Dieners Herz,
Der Tag und Nacht hinlebt in Sehnsuchtsschmerz.
Mein holdes Lieb, woll' ohne Weilen
Zu Hilf' mir eilen.

Ich nahm sie bei dem weißen Händchen,
Dem weißen Händchen,
Und führte sie wohl in den grünen Tann;
Fünfmal um Liebe fleht' ich heiß sie an,
Da hat mich, stillend mein Verlangen,
Ihr Arm umfangen.

"Nun seh' ich wohl, falsch ist die Liebe,
Falsch ist die Liebe,
Verloren hab' ich mein getreues Lieb,
Daß mir nicht Freude mehr und Lust verblieb.
Weh dem, der mir nahm meine Liebe
Gleich einem Diebe.

Ich will nun in ein Kloster gehen,
Ins Kloster gehen,
Will Schwarz und Grau nun tragen tiefbetrübt,
Das sind die Farben, die mein Liebster liebt,
Will tragen weiße Paternoster
Als Nonn' im Kloster.

Ich will nun gehn von Thür zu Thüre,
Von Thür zu Thüre,
Bis an die Thür, wo mein Treuliebster wohnt,
Will sehen, ob er lebend oder todt,
Will sehn, ob er mir treugeblieben,
Denn falsch ist Liebe.

Mein Vater wehret mir drei Dinge,
Wehrt mir drei Dinge,
Zum Liebsten gehen und den Liebsten sehn
Und mit dem Liebsten im Gespräche stehn.
Doch müßt' ich ja vom Leben scheiden,
Sollt ich ihn meiden."

Und der gemacht hat dieses Liedchen,
Dies hübsche Liedchen,
Ein Schreiber war's, der von der Heimath schied,
Und nach Paris gegangen und dort blieb,
Und Abschied nahm von seinem Liebchen
Mit diesem Liedchen.
(S. 83-84)
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LIEBESGLÜCK

Süßes Mädchen, mir    ist von Liebe wehe,
Wenn im grünen Wald    ich allein dich sehe.
Deine Schönheit, ach!    nie vergeß' ich wieder.
Komm, im grünen Gras    setzen wir uns nieder.

In des Lenzes Zeit    rothe Rosen blühen.
Und die Lerche singt    in des Frühroths Glühen,
Und die Nachtigall    sagt in ihrem Liedchen:
"Jeder Schreiber hat    nun ein feines Liebchen."

Laß im Kämmerlein    uns zusammen scherzen,
Blondes Mägdelein,    kosend Herz an Herzen,
Und der Liebe Spiel    stets und stets erneuen;
Nichts ja kann so süß    unser Herz erfreuen.

Dann am Morgen früh    sollst du Törtchen haben,
Und mit gutem Wein    dir den Gaumen laben,
Und dann sag' ich noch:    "Lebewohl, du Feine;
Wieder komm' ich bald,    treff' ich dich alleine."
(S. 85)
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ABSCHIED

Was mir so oft schafft Leid und Schmerzen,
Das ist, wenn ich mein Lieb nicht seh'.
Nun sag' ich mit betrübtem Herzen,
Denn ich muß scheiden, ihr Ade!
Wenn sie, die mir im Bilde
Vor Augen schwebt, aus Milde
Mir nicht steht hilfreich bei,
Glaub' ich mit gutem Grunde,
Daß meines Endes Stunde
Vor Kummer nah mir sei.

Ach! könnt' ich doch unsichtbar werden,
Um sie zu sehn, bei Nacht und Tag!
Sie ist mein größter Schatz auf Erden,
Und sie liebt mich, wie sie nur mag.
Es ist mir Freud' und Wonne
Und meiner Hoffnung Sonne,
Wenn ich sie sprechen kann.
Nur eins mißfällt mir immer
Daß sie mein Klagen nimmer,
Gewährend höret an.

Und soll ich euch die Antwort sagen,
Die jüngst die Grausame mir gab?
Von ihrer Lieb' in diesen Tagen
Krieg' ich auch nicht ein Quentchen ab.
Ich tröste mit Geduld mich,
Und hoff, daß ihre Huld mich,
Einst löst aus meiner Noth.
Seht! dieses ist die Wunde,
An der im tiefsten Grunde
Mein Herz krankt bis zum Tod.

Ich bitte dich, mein Lieb, du Holde,
Wenn ich von dir denn scheiden muß,
Daß du aus Liebe mir zum Solde
Gibst einen letzten süßen Kuß.
Ich bin von meiner Lieben
Verbannet und vertrieben;
Weh dem, der das gethan!
Weh ihm und all den Seinen,
Weil sie es treulos meinen
Und falsch mich schwärzten an.

Ein Thor, wer Liebe will vertrauen
Und ihr von Herzen sich ergibt.
Und Thorheit ist's wenn man die Frauen
Mit ganzer voller Seele liebt.
Bei Nacht und auch bei Tage
Viel Kummer und viel Klage
Mein armes Herze hat,
In Furcht, daß mich aus Neide
Von meiner Liebsten scheide
Verleumdung und Verrath.

Und der dies Liedchen schrieb und machte,
Wer war es? Ein Geselle gut,
Der Bücher trug und der im Walde
Sich unter einem Baum geruht.
Er hatt' in seiner Tasche
Voll guten Weins die Flasche.
Gar manchen guten Zug
Hinab die Kehle stürzt' er,
Mit Zimt und Näglein würzt' er
Ihn reichlich und genug.
(S. 86-87)
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O MARGUERITE, DU AUSERWÄHLTE

O Marguerite, du auserwählte,
Vergessen kann ich nimmer dein;
Wohl litt ichs, daß man dich vermählte,
Doch litt mein Herz drum große Pein.
Laß, bitt' ich, mich als Diener dir
Beim Hochzeitsmahl zur Seite stehen,
Mundschenk zu sein, vergönne mir,
Bevor wir auseinander gehen.

Ich ging zu ihr die andre Woche,
Als kaum der Tag die Nacht vertrieb;
Sie sprach: "Du hast umsonst gesprochen,
Geh, suche dir ein andres Lieb.
Für immer heut entlaß' ich dich,
Komm nicht mehr wieder, hör' mein Flehen;
Noch einmal jetzt umarme mich,
Bevor wir auseinandergehen."

All' meine Lieb' ist eingeschlossen
In einem Silberringelein;
So oft ich auf das Ringlein schaue,
Bricht mir beinah das Herze mein.
Manch Herz glaubt zu vergessen, das
Nicht kann zu Schlaf und Ruh gelangen;
Das Herz, das seinen Schmerz vergaß,
Kennt Liebe nicht und Sehnsuchtsbangen.
(S. 88)
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GUT NACHT, HERZLIEBSTER MEIN

Ich ging einmal spazieren
Nach Abendessenszeit
Vor meines Liebchens Thüre,
Versenkt in Liebesleid.
Und vor des Hauses Stufen
Begann ich ihr zu rufen:
"Schläfst du, feins Lieb, sag' an.
Thu auf die Fensterscheiben,
Daß ich mein heimlich Leiden
Dir offenbaren kann."

Sie war von Schlaf umfangen,
Nun plötzlich stand sie auf;
Zum Fenster hingegangen,
Fragt sie: "Wer ist da drauß?"
Da hub ich an zu sagen:
"Der Sehnsucht lang getragen,
Dein Diener nur zu sein,
Dein Herzensdiener, Holde;
Das wünsch' ich mir zum Solde
In meiner Liebespein.

Dein Herz halt' ich gefangen,
Mein Liebchen, sicherlich;
Drum weigre dich nicht lange
Und nimm zum Liebsten mich.
Wie lang bei Nacht und Tage
Ich nach Erhörung jage,
Die Liebe mir gewährt!
Drum bitt' ich, aus Erbarmen
Aufrichtig sag' mir Armen:
Wird Freude mir beschert?"

"Ach! sprach sie drauf die Worte,
Was stehst und suchst du hier
So spät an meiner Pforte?
Nichts wird zu Theile dir
Als Kummer nur und Sehnen;
Ich weiß es sonder Wähnen,
Daß ich dein kleinstes Leid
Doch nicht vermag zu stillen,
Nicht thun nach deinem Willen
Jetzt und zu keiner Zeit."

"Ach, so kann ich wohl sagen
Daß ich fortgehen muß.
Laß doch davon mich tragen
Zum mindsten einen Kuß.
O weh des schweren Scheidens!
O weh des großen Leidens,
Drin ich mein Herz muß sehn!
Ich sterb' an diesem Scheiden,
Ich sterb' an diesem Leiden,
Soll ich von hinnen gehn."

Als sie ihn hörte sprechen,
Daß er fortgehen will,
Da wollt' das Herz ihr brechen,
Sie sprach und weinte still:
"Ich bin ja ohne Kleider,
Und so gebunden leider,
Daß ich nicht helfen kann.
Wenn hell der Mond nur schiene,
Schrieb' ich mit einem Kiele:
Gut Nacht, herzliebster Mann!"
(S. 94-96)
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IM GRASE WARTE MEIN

Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

Mir entbot die Liebste mein -
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

Sprechen will sie mich allein.
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

Ich weiß nicht, wie das kann sein.
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

Kein Eisen hat mein Rösselein.
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

Nun soll es beschlagen sein -
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

Mit zwölf goldenen Nägelein.
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

"Hufschmied, lieber Hufschmied mein -
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

Nicht wird Geld deine Löhnung sein;
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.

Nur ein süßer Kuß allein."
Im Gras, schwarzbraun Mädchen,
Im Grase warte mein.
(S. 99-100)
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LIEBESTOD

Sagen will ich euch,
Was mir ist geschehen.
Sieben Jahre sind's,
Als ich im Grün gelegen.
Ach, erlöse mich
Von der Liebe Wehe.

Und vorüber ging
Dort ein seltsam Wesen,
Einen Bogen in der Hand,
Drauf ein Pfeil gelegen.
Ach, erlöse mich
Von der Liebe Wehe.

Und es schoß nach mir,
Traf mein Herz, o wehe!
Kommt, ihr Liebenden,
Mich ins Grab zu legen.
Ach, erlöse mich
Von der Liebe Wehe.

Und wenn ihr nicht kommt,
Muß zu Grund ich gehen.
Sagen will ich euch,
Was mir ist geschehen.
Ach, erlöse mich
Von der Liebe Wehe.
(S. 101)
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MEIN LIEB, DICH NEHM' ICH OHNE GRÜN

Es ist früh morgen, laß dich wecken,
Im Monat Mai der erste Tag,
Rothröslein blühen in den Hecken;
Ob dich das nicht ermuntern mag?
Des Lenzes Wonnen sie verblühn,
Mein Lieb, dich nehm' ich ohne Grün.

Wer wird so lang auch schlafen müssen,
So der Bequemlichkeit sich weih'n?
Mein Lieb, verzeih', ich muß dich küssen,
Dann wirst du wohl bald munter sein.
Des Lenzes Wonnen sie verblühn,
Mein Lieb, dich nehm' ich ohne Grün.

Mein Lieb, die Zeit geht bald von hinnen
Und wir versäumen Glück und Zeit;
Laß uns der Liebe Lust beginnen
Im süßen Spiel der Zärtlichkeit.
Des Lenzes Wonnen sie verblühn,
Mein Lieb, dich nehm' ich ohne Grün.

Es will der Tag die Nacht vertreiben,
Die Sonne schon beginnt den Lauf,
Und du, mein Lieb, willst hinten bleiben?
Thu deine schönen Äuglein auf.
Dürft' ich mich nur ins Haus bemühn,
Dich wollt' ich nehmen ohne Grün.

Welch schöner Tag ist uns gegeben!
Steh auf und reiche mir die Hand,
O eile doch, mein süßes Leben,
Auf morgen sei der Schlaf verbannt!
Im Wald und Feld, wo Blumen blühn,
Nehm' ich, mein Lieb, dich ohne Grün.

Was thust du, ach! um mich zu fangen?
Noch einen Schlag? Erwache doch!
Und kommst du willig nicht gegangen,
So hol' ich mit Gewalt dich noch.
Im Wald und Feld, wo Blumen blühn,
Nehm' ich, mein Lieb, dich ohne Grün.

Die süße Nachtigall, die kleine,
Die in dem Wald und Garten singt,
Welch Lied ist es, das aus dem Haine
Dort unterm Rosmarin erklingt?
Mein Liebchen, komm, wo Blumen blühn
Und laß sie pflücken uns im Grün.
(S. 108-109)
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DER NACHTIGALL TOCHTER

Soll ein Liebeslied ich singen?
Lustig wird's und lieblich klingen,
Nicht ein Baur erdacht' es,
Nein! ein Ritter, den in Armen
Hielt sein Lieb, in wonnig warmen,
Unterm Ölbaum, macht' es.

Liebchen hat ein Hemd von Leinen,
Einen Hermelpelz gar feinen,
Einen Rock von Seide,
Ihre Strümpfe sind von losen
Wasserlilien und von Rosen
Ihre Schuhe beide.

Ihren Gürtel bilden Blätter,
Frisch entkeimt beim Frühlingswetter,
Dran die Knöpfe golden,
Und am Täschlein die Gehänge
Sind von Blüten ein Gedränge;
Amor gab's der Holden.

Und ein Rößlein darf sie tragen,
Silbern ist sein Huf beschlagen
Und mit Gold der Sattel;
Auf der Kruppe kann man sehen
Schön drei Rosenbäume stehen,
Die ihr geben Schatten.

Durch die Wiese ritt sie heiter,
Ihr begegnet mancher Reiter,
Grüßt sie ohne Tadel.
"Woher seid ihr, Mägdlein minnig?"
"Aus dem schönen Frankreich bin ich.
Und von hohem Adel.

Nachtigall die ist mein Vater,
Sein Haus, drin er singet, hat er
In dem tiefsten Walde.
Meine Mutter ist Sirene,
Die da singt im salz'gen Meere
Auf dem höchsten Strande."

"Schöne, ihr seid wohlgeboren,
Habt ein hoch Geschlecht erkoren
Und ein stattlich Leben.
Wenn's doch Gott gefallen sollte,
Daß er zum Gemahl euch wollte
Meinem Herzen geben!"
(S. 191-192)
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GRUSS DER NACHTIGALL

O Nachtigall im laubigen Hain,
Geh, bitt' ich, einen Gruß zu tragen
Zu meinem süßen Freund: daß mein
Er nicht vergißt, laß' ich ihm sagen.

O Nachtigall, ich bitte dich,
Geh, wirb mir eine Botschaft balde,
Geh, sage meinem Lieb, daß ich
Sein warte dort im grünen Walde.

Daß er dahin mich sprechen geh',
Das mache fröhlich mir das Herze;
Denn jedesmal wenn ich ihn seh'
Bin ich geheilt von allem Schmerze.

Und wenn des Nachts ich schlafen soll,
Da wach' ich oftmals auf mit Harme;
Mich dünkt, den ich so liebevoll
Im Herzen trag', halt' ich im Arme.

Da er mich liebt in Stätigkeit,
Bleibt meine Lieb' ihm unverloren;
Ob Mißgunst sich verschwört und Neid,
Er hat vor allen mich erkoren.
(S. 195)
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aus: Alte französische Volkslieder
übersetzt von Karl Bartsch [1832-1888]
Heidelberg Carl Winter's Universitätsbuchhandlung 1882



 


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